JudikaturJustiz14Os27/20g

14Os27/20g – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Juli 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weinhandl in der Strafsache gegen ***** C***** und einen Angeklagten wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten C***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Mai 2019, GZ 93 Hv 124/18p 232, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten C***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – ***** C***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall, § 15 StGB (I/A und B) schuldig erkannt.

Danach hat sie

(I) in W***** die ihr als Angestellte der B***** AG eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dieses Unternehmen in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt 306.900 Euro am Vermögen geschädigt (A) und zu schädigen versucht (B), indem sie in Kenntnis der Kreditunwürdigkeit sowie des Fehlens von Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit der nachgenannten Personen und des Umstandes, dass die zum Nachweis deren Bonität vorgelegten Unterlagen, insbesondere Aufenthaltstitel, Meldezettel und Gehaltsbestätigungen, ge- oder verfälscht waren,

(A)

1/ am 9. Jänner 2017 für ***** A***** ein Girokonto unter Einräumung eines (in der Folge zur Gänze ausgeschöpften) Überziehungsrahmens von 5.500 Euro errichtete;

2/ am 16. Jänner 2017 für ***** B***** ein Girokonto unter Einräumung eines (in der Folge zur Gänze ausgeschöpften) Überziehungsrahmens von 5.600 Euro errichtete;

3/ hinsichtlich ***** P*****

a/ am 17. Jänner 2017 ein Girokonto unter Einräumung eines (in der Folge zur Gänze ausgeschöpften) Überziehungsrahmens von 5.300 Euro errichtete und

b/ am 18. Jänner 2017 einen Kreditvertrag über 10.000 Euro abschloss und diesen Betrag auszahlte;

4/ am 26. Jänner 2017 für ***** J***** ein Girokonto unter Einräumung eines (in der Folge zur Gänze ausgeschöpften) Überziehungsrahmens von 7.500 Euro errichtete und überdies die Ausstellung einer Kreditkarte mit einem Überziehungsrahmen von 3.000 Euro veranlasste;

5/ am 18. Juli 2017 mit ***** S***** einen Kreditvertrag über 48.000 Euro abschloss und die Auszahlung dieses Betrags veranlasste;

(B) Kreditverträge abzuschließen versuchte, und zwar

1/ mit ***** A***** am 6. Dezember 2016 über 30.000 Euro (a) und am 9. Jänner 2017 über 40.000 Euro (b);

2/ am 21. Dezember 2016 mit ***** M***** über 40.000 Euro;

3/ am 9. Jänner 2017 mit ***** B***** über 40.000 Euro;

4/ am 17. Jänner 2017 mit ***** B***** über 40.000 Euro;

5/ am 25. Juli 2017 mit ***** S***** über 32.000 Euro.

Die dagegen von der Angeklagten C***** aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a, 10 und 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 3) bezieht den Vorwurf eines nichtigkeitsbegründenden Verstoßes gegen § 221 Abs 2 erster Satz StPO nur auf den Hauptverhandlungstermin vom 23. April 2019. Sie lässt dabei außer Acht, dass die Hauptverhandlung eine Einheit darstellt und demnach die Mindestvorbereitungsfrist nur für die Vorladung zum ersten Termin (hier: am 19. Februar 2019, ON 110) gilt (RIS Justiz RS0098370; Danek/Mann , WK StPO § 221 Rz 9; Ratz , WK StPO § 281 Rz 241).

Mit dem Einwand, die Zeugen P*****, M*****, I***** S***** und F***** S***** hätten in der Hauptverhandlung „ohne ausdrücklichen Verzicht auf ihr Entschlagungsrecht ihre Aussagen abgelegt“, wird Nichtigkeit aus Z 3 schon mangels Konkretisierung eines den Genannten angeblich zustehenden Zeugnisbefreiungs- oder Zeugnisverweigerungs-rechts nicht deutlich und bestimmt geltend gemacht.

Sofern ein Aussageverweigerungsrecht wegen Selbstbelastungsgefahr nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO angesprochen werden soll, genügt im Übrigen der Hinweis, dass die Nichtigkeitssanktion des § 159 Abs 3 erster Satz

StPO (bei Fehlen eines ausdrücklichen Verzichts durch den Zeugen) bloß Aussagebefreiungen nach § 156 Abs 1 Z 1

StPO, jene des § 159 Abs 3 zweiter Satz

StPO (bei Unterbleiben einer rechtzeitigen Information) Aussageverweigerungsrechte nach § 157 Abs 1 Z 2 bis 5

StPO betrifft (vgl RIS Justiz RS0124907; siehe auch Kirchbacher , WK-

StPO § 159 Rz 26; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 226).

Entgegen der Behauptung von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) bezieht sich die Urteilspassage, wonach sich die Angeklagte „schuldig bekannte“, aktenkonform ausdrücklich auf die – den Kreditnehmer ***** A***** betreffenden – Schuldsprüche zu I/A/1, I/B/1/a und b (= I/A/2/b/aa und bb sowie I/B/1/b/cc der Anklage ON 78; US 48 f iVm ON 110 S 4 und 6), während das Erstgericht in Betreff der Schuldsprüche zu (richtig:) I/B/3 und 5 – gleichfalls der Verantwortung der Beschwerdeführerin entsprechend – gar nicht von einem Geständnis ausging (US 55 f und 56 f).

Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS-Justiz

RS0115902).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) das Vorliegen „ganz erheblicher Begründungsmängel“ behauptet, dazu aber ausschließlich „auf das gesamte bisherige Vorbringen zu § 281 Abs 1 Z 10 StPO Bezug“ nimmt, dieses „auch zum Vorbringen in diesem Punkt“ erhebt und erklärt, dass „das … namentlich die unterlassenen Feststellungen zum Schädigungsvorsatz sowie zur Frage, ob Rückzahlungen getätigt und Fehlbeträge einbringlich sind“, beträfe, entzieht sie sich demnach einer inhaltlichen Erwiderung. Ein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 wird im Übrigen im Rahmen des auf Z 10 gestützten Vorbringens auch der Sache nach nicht deutlich und bestimmt geltend gemacht (vgl RIS Justiz RS0116879 [T3]).

Die Rechts-, die Subsumtions- und die Diversionsrüge (Z 9 lit a, 10, 10a) verfehlen die Ausrichtung am Verfahrensrecht zur Gänze. Die prozessordnungskonforme Ausführung eines

materiellen Nichtigkeitsgrundes setzt nämlich das strikte

Festhalten am gesamten Urteilssachverhalt und den ausschließlich auf dessen Basis geführten Nachweis eines Rechtsirrtums voraus. Eine mittels Nichtigkeitsbeschwerde angestrebte rechtliche Konsequenz ist überdies nicht bloß zu behaupten, sondern

methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0099810, RS0116569,

RS0116823, RS0124801).

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs sowie zum Vermögensschädigungsvorsatz vermisst und auf Basis eigener beweiswürdigender Überlegungen aus Details der – vom Erstgericht insoweit für unglaubwürdig erachteten (US 42) – Verantwortung der Angeklagten ableitet, diese habe in der „erkennbaren Erwartung“, dass die Kreditnehmer und Kontoberechtigten „ihre Rückzahlungen erledigen werden“, damit also ohne „Schädigungsabsicht“ gehandelt, lässt sie die (zu jedem Schuldspruchpunkt getroffenen) Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 17, 19 f, 21 f, 23, 25 f, 27, 29, 30 f, 40) außer Acht und verfehlt solcherart den oben dargestellten Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.

Der Einwand, den Schuldsprüchen zu B lägen nach den Feststellungen des Erstgerichts „eindeutig“ bloß straflose Vorbereitungshandlungen zugrunde, weil das Versuchsstadium noch nicht erreicht worden sei (Z 9 lit a), erschöpft sich in bloßer Rechtsbehauptung.

Bleibt mit Blick auf § 290 StPO anzumerken, dass durch das zu B konstatierte Täterverhalten der Angeklagten, die danach unter wissentlichem Missbrauch ihrer Befugnis, im Namen der B***** AG Kreditverträge mit Privatpersonen bis zu einer Kreditsumme von 75.000 Euro abzuschließen (US 11), in Kenntnis der Kreditunwürdigkeit der potentiellen Kreditnehmer sowie des Umstands, dass die von diesen vorgelegten Unterlagen gefälscht (Lohnbestätigungen, und Sozialversicherungsauszüge) oder inhaltlich unrichtig (Selbstauskünfte und Haushaltsrechnungen) waren, jeweils mit Vermögensschädigungsvorsatz falsche Daten in das EDV System der Bank einspeiste, um die automatisierte Erstellung der Kreditverträge und im unmittelbaren Anschluss daran deren Unterfertigung durch die Kreditnehmer zu erwirken (US 12 ff, 15 ff), das Stadium einer straflosen Vorbereitungshandlung jedenfalls überschritten wurde (zum Ganzen: Hager/Massauer in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 26 ff).

Die – undifferenziert einen Schuldspruch nach „§§ 146 ff StGB“ anstrebende – Subsumtionsrüge (Z 10) argumentiert mit ihrer Behauptung, die Angeklagte käme als bloße „Mitarbeiterin des Befugnisträgers“ nicht als Subjekt einer Untreue in Betracht, weil sie „selbst keine Vertretungshandlungen“ habe vornehmen können, ein weiteres Mal nicht auf Basis des Urteilssachverhalts. Danach war die Beschwerdeführerin befugt, im Namen ihres Dienstgebers Girokonten zu eröffnen, Überziehungsrahmen zu gewähren und Kreditverträge mit Privatpersonen bis zu einer Kreditsumme von 75.000 Euro abzuschließen (erneut US 11). Dass die – nach Eingabe der erforderlichen Daten in das EDV-System – im Fall der Freigabe automatisch erstellten standardisierten Kreditverträge die elektronischen Unterschriften der Geschäftsführer oder Prokuristen des Bankinstituts aufwiesen und nach den bankinternen Vorschriften vor Unterschriftsleistung der Kreditwerber eine Überprüfung der „vorhandenen Informationen“ auf Vollständigkeit und Plausibilität nach formellen Kriterien durch einen weiteren Bankangestellten oder einen Filialleiter zu erfolgen hatte (US 11 ff), ändert daran übrigens nichts (vgl dazu RIS Justiz

RS0094442; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 18).

Auch die gegen die Annahme der Qualifikation nach § 153 Abs 3 zweiter Fall StGB gerichtete Kritik (Z 10) am Unterbleiben von Feststellungen zu allfälligen Rückzahlungen durch die Kreditnehmer und Bankkunden sowie zur Einbringlichkeit der Forderungen trotz angeblich in diese Richtung weisender – nicht näher bezeichneter – „Beweisergebnisse“ lässt die (gegenteiligen) Konstatierungen zur Kreditunwürdigkeit der – vermögens- und (großteils) einkommenslosen, durchwegs in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden – Kreditnehmer und Kontoinhaber sowie dazu, dass sämtliche Forderungen der B***** AG im Urteilszeitpunkt zur Gänze unberichtigt aushafteten (US 14 ff), außer Acht. Davon abgesehen legt sie nicht dar, inwiefern angesichts der solcherart festgestellten wirtschaftlichen Unvertretbarkeit der Kreditvergabe (nachträgliche) Rückzahlungen für die Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollen (vgl dazu RIS-Justiz RS0094836 [T9 und T10]).

Die Diversionsrüge (Z 10a) entzieht sich schon deshalb einer inhaltlichen Erwiderung, weil sie auf Basis der – nach dem Vorgesagten verfehlten – Prämisse rechtsirriger Annahme der Qualifikation nach § 153 Abs 3 zweiter Fall StGB davon ausgeht, dass „die Tat dann (also im Fall der angestrebten Subsumtion nach § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB) nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht“ sei.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
8