JudikaturJustiz13Os65/23t

13Os65/23t – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. September 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FI Trsek in der Strafsache gegen V* G* und einen Angeklagten wegen Vergehen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten V* G* und P* G* sowie die Berufung der Privatbeteiligten * L* gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 7. Oktober 2022, GZ 25 Hv 28/21y 70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden V* G* und P* G* – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung – jeweils eines Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben vom 3. Jänner 2020 bis zum 20. August 2020 in E* und andernorts mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und (unter Verwirklichung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Taten eine längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, im angefochtenen Urteil genannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, leistungsfähige und -willige Werkunternehmer zu sein, zur Leistung von Werklohn verleitet, die diese Personen in einem zusammen 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar

(I) V* G* und P* G* im einverständlichen Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) in 15 Angriffen um insgesamt 37.340 Euro, weiters

(II) V* G* in drei Angriffen um insgesamt 7.900 Euro und

(III) P* G* in zwei Angriffen um insgesamt 4.500 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die von V* G* auf Z 5, 5a, 9 lit a und 11, von P* G* auf Z 4, 5 und 11 jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten V* G*:

[4] Vorangestellt sei, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind (RIS Justiz RS0115902). Die Beschwerdeausführung dagegen enthält Rechts- und Mängelrüge miteinander vermischendes, aus Z 9 lit a „in eventu“ Z 5 erstattetes Vorbringen, das überdies „hilfsweise“ auf Z 5a gestützt wird. Sich aus dieser Art der Rechtsmittelausführung ergebende Unklarheiten gehen zu Lasten der Beschwerdeführerin (RIS Justiz RS0100183).

[5] Das Erstgericht ging davon aus, dass (die seinerzeitigen Eheleute) V* G* und P* G* im Tatzeitraum zwei Unternehmen betrieben, und zwar beide gemeinsam die Gi* OG sowie P* G* – unter Mitarbeit der V* G* als Angestellter – die (in Ungarn protokollierte) Gi* Kft. Im Rahmen dieser Unternehmen (als Werkunternehmer) sicherten sie den im Urteil genannten Personen (als Werkbesteller) jeweils vertraglich die Erbringung von Steinmetzarbeiten (Lieferung und Errichtung oder Renovierung von Grabsteinen und Grabmälern) gegen Bezahlung von Werklohn zu. Dabei täuschten sie die Opfer über ihre (tatsächlich fehlende) Fähigkeit und Willigkeit, die vereinbarten Werkleistungen zu erbringen, und veranlassten sie dadurch zu – teils in bar, teils durch Überweisung auf ein „Privatkonto“ der Beschwerdeführerin geleisteten (US 14) – (Voraus )Zahlungen, wodurch die Opfer geschädigt wurden (US 8 bis 13).

[6] Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) ist der Ausspruch des Gerichts über entscheidende, also – soweit hier von Interesse (Sanktionsfragen werden insoweit nicht angesprochen) – für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsachen (RIS Justiz RS0106268).

[7] Soweit die Beschwerde deutlich genug solche Feststellungen anspricht, bezieht sie sich auf die Konstatierungen zur Täuschung über die Leistungswilligkeit und -fähigkeit sowie zum darauf bezogenen Vorsatz der Beschwerdeführerin (US 8 f und 12 f).

[8] Entgegen der Beschwerdeauffassung kommt es für die rechtliche Beurteilung als Betrug (§ 146 StGB) aber nicht darauf an, dass über beide Umstände getäuscht wurde. Vielmehr genügt die – vom Erstgericht bejahte (vgl US 21 f) – Vortäuschung von Leistungs willigkeit schon für sich allein, um das betreffende Tatbestandsmerkmal zu erfüllen (vgl RIS Justiz RS0094200 [insbesondere T2]).

[9] Auf die Vermögenslage des Täters (oder von diesem vertretener Unternehmen) stellt § 146 StGB ebenso wenig ab. Sie wäre vorliegend (nur) für die Feststellung mangelnder Leistungs fähigkeit als Gegenstand tatbestandsmäßiger Täuschung erheblich (zu den Begriffen entscheidende und erhebliche Tatsachen Ratz , WK-StPO § 281 Rz 399 und 409).

[10] Indem die Beschwerde (zudem isoliert) Urteilsaussagen zur schlechten wirtschaftlichen Lage der beiden erwähnten Unternehmen zur Tatzeit bekämpft (Z 5), verfehlt sie daher von vornherein den – im Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen gelegenen – Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung.

[11] Soweit sie zusätzliche Feststellungen

- zur „konkursverfangenen Vermögenssituation“ und zur „geschäftlichen Tätigkeit“ beider Unternehmen zu den Zeitpunkten der Vertragsabschlüsse sowie

- zu den „Gründen für die spätere tatsächliche Entwicklung“ der Gi* Kft

einfordert (Z 9 lit a), legt sie nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb die Rechtsrichtigkeit des Schuldspruchs diesbezügliche Konstatierungen voraussetzen sollte (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).

[12] Kein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) besteht zwischen den Festellungen zum subjektiven Handlungselement (US 8 f) und der Konstatierung, dass die Angeklagten in vier Fällen – über „Drängen“ der betreffenden Kunden (US 11) – Teilleistungen (durch Errichtung von Fundamenten) erbracht (wenngleich nie das zugesicherte Werk fertiggestellt) haben (US 10, 11 und 14).

[13] Die weitere Rüge (nominell Z 5 und 9 lit a) verliert sich darin, Verfahrensergebnisse eigenständig zu bewerten und daraus – teils unter Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (siehe dazu RIS-Justiz RS0102162) – von jenen des Erstgerichts abweichende Schlüsse zu ziehen. Damit wird bloß die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StPO) bekämpft.

[14] Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider verstößt die erschwerende Wertung der „doppelten Tatqualifikation“ (US 23) – der Sache nach also des besonderen Erschwerungsgrundes gemäß § 33 Abs 1 Z 1 StGB – hier nicht gegen das in § 32 Abs 2 erster Satz StGB normierte Doppelverwertungsverbot. Denn das Vorliegen von zur Erfüllung der einen Qualifikation (§ 147 Abs 2 StGB) erforderlichen Merkmalen zählt nicht zu den Voraussetzungen der – damit echt konkurrierenden – anderen Qualifikation (§ 148 erster Fall StGB; RIS Justiz RS0116020 [T2], RS0091058 [insbesondere T6, T7]).

[15] Auch in der aggravierenden Berücksichtigung des „hohen Schadens“ (US 23) liegt mit Blick auf die (den Feststellungen zufolge) vielfache Überschreitung des die Qualifikation nach § 147 Abs 2 StGB begründenden Schadensbetrags keine Nichtigkeit nach Z 11 zweiter Fall ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 714).

[16] Gleiches gilt für die erschwerende Wertung der „Vielzahl der Angriffe“ (US 23) bei gleichzeitiger Annahme gewerbsmäßiger Begehungsweise (bloß) nach Maßgabe des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB. Umfasst doch der Schuldspruch der Beschwerdeführerin mehr als drei (Betrugs-)Taten (RIS Justiz RS0091375 [T6]).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P* G*:

[17] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der in der Hauptverhandlung am 7. Oktober 2022 gestellte Antrag des Beschwerdeführers, (gemeint die Hauptverhandlung zu vertagen und) ihm eine „Frist von vier Wochen einzuräumen“, um „Unterlagen“ zum Beweis dafür vorzulegen, dass „die Anzahlungen laut Anklageschrift entgegengenommen wurden im Vertrauen auf die Weiterführung eines ordentlichen Geschäftsbetriebes ohne jegliche Betrugsabsicht und daher Granitsteine zugekauft und in Ungarn gelagert wurden, zur teilweisen bereits erfolgten, teilweise geplanten Bearbeitung zwecks Erfüllung der übernommenen Aufträge, sohin im Hinblick auf die heutige Verantwortung des Zweitangeklagten, dass er dem Zweitverteidiger diesbezügliche Unterlagen per E-Mail übermittelt habe und diese noch übermitteln könne“ (ON 69 S 26), zu Recht abgewiesen (ON 69 S 27).

[18] Denn er machte nicht deutlich, weshalb eine – nach der Einlassung des Beschwerdeführers in Rede stehende – Liste über einen „Gesamtbestand“ an Granitsteinen in einem Lager (ON 69 S 22) Aufschluss über das subjektive Handlungselement des Beschwerdeführers in Bezug auf die vom Schuldspruch umfassten Geschäftsfälle geben sollte (siehe aber RIS Justiz RS0118444).

[19] Im Rechtsmittel nachgetragenes, den Antrag ergänzendes Vorbringen ist ebenso unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618) wie Kritik an der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (RIS-Justiz RS0116749).

[20] Indem die Mängelrüge mit dem Vorwurf der „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) – isoliert – eine im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Urteilserwägung bekämpft (wonach es „der Lebenserfahrung“ entspreche, dass der Beschwerdeführer „an ihn weitergegebene Akontozahlungen zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes verwendete“ [US 19]), verfehlt sie den Anfechtungsrahmen (RIS Justiz RS0130729 [T2]).

[21] Gleiches gilt für den Einwand, das Schöffengericht habe – den Feststellungen zum subjektiven Handlungselement (US 12 f) angeblich entgegenstehende – Umstände unerörtert (Z 5 zweiter Fall) gelassen. Auf konkrete, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO) Verfahrensergebnisse bezieht er sich nämlich nicht deutlich und bestimmt (zum Erfordernis RIS Justiz RS0118316 [insbesondere T4]).

[22] Das weitere (nominell aus Z 5 erster und zweiter Fall erstattete) diesbezügliche Beschwerdevorbringen erschöpft sich in eigenständig entwickelten Überlegungen abseits der Anfechtungskategorien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.

[23] Weshalb es zur rechtsrichtigen Beurteilung (vom Beschwerdeführer vermisster) zusätzlicher Feststellungen zu „anhängige[n] Exekutionsverfahren“, den „jeweiligen Konkursverfahren“ oder dazu bedurft haben sollte, „wann welche Gläubiger im Klagsweg andrängten, Exekutionstitel erlangten und Exekution zu führen begannen“, legt die Beschwerde (nominell Z 5, der Sache nach eine Rechtsrüge) nicht dar (siehe aber RIS Justiz RS0116565).

[24] Gestützt auf Z 5 (fünfter Fall) und Z 11 (zweiter Fall) bekämpft der Beschwerdeführer die Feststellung, wonach er eine – vom Gericht bei der Strafbemessung als erschwerend gewertete (US 23) – vorangegangene gerichtliche Abstrafung „wegen Abgabenhehlerei“ nach „§ 37 FinStrG“ aufweise (US 8).

[25] Aus dem zweiten Fall des § 281 Abs 1 Z 11 StPO kann nur die rechtsfehlerhafte Bewertung, nicht aber die Feststellung von Strafzumessungstatsachen bekämpft werden (RIS Justiz RS0099869).

[26] Da der angesprochene Umstand vorliegend weder für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage noch für die Sanktionsbefugnis (Z 11 erster Fall) von Bedeutung ist, steht die Anfechtung mit Mängelrüge nicht offen (RIS Justiz RS0118581 [insbesondere T1]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 669).

[27] Mit der betreffenden Rechtsmittelkritik wird vielmehr – der Sache nach – ein Berufungsvorbringen erstattet (erneut RIS Justiz RS0099869 [insbesondere T14, T20]).

[28] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[29] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[30] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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