JudikaturJustiz13Os18/03

13Os18/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. April 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. April 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Philipp, Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Reichel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario K***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 9. Dezember 2002, GZ 12 Hv 207/02f-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mario K***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall, 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, weil er in Leoben vom 9. April bis zum 30. August 2002 in zehn im Urteil näher beschriebenen Fällen anderen fremde bewegliche Sachen im Gesamtwert von mehr als 2.000 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tathandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, teils weggenommen hat, darunter

(2.) am 17. April 2002 Elke P***** eine Packung Zigaretten im Wert von 3,05 Euro und

(8.) am 30. August 2002 Agnes D***** eine Stofftragetasche sowie zwei Regenschirme im Gesamtwert von 25 Euro und einen Fotoapparat mit Etui in unbekanntem Gesamtwert,

und teils wegzunehmen versucht hat.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.

Der aus Z 9 lit b auf Subsumtion der Zigarettenwegnahme (2.) unter den Tatbestand des § 141 Abs 1 StGB und damit auf Freispruch von dieser Tat mangels Ermächtigung (§ 141 Abs 2 StGB) zielende Einwand, „angesichts des geringen Wertes, der Unbesonnenheit sowie des offensichtlichen Gelüstes (eines Rauchers, der über keine Rauchwaren verfügt)" liege nicht Diebstahl, sondern Entwendung vor, beruht auf der urteilsfremden Annahme des Vorliegens zumindest einer der angesprochenen Tendenzen (vgl demgegenüber US 5 f). Dasselbe gilt für das aus Z 10 erstattete Vorbringen, die Tat wäre „als Entwendung im Sinn des § 141 StGB zu werten gewesen", da der Angeklagte „offensichtlich aus Not, Unbesonnenheit bzw zur Befriedigung eines Gelüstes gehandelt hat". Gegenstand einer Rüge nach § 281 Abs 1 Z 9 oder 10 StPO ist jedoch ausschließlich der Vergleich des angewendeten materiellen Rechts unter Berücksichtigung prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen mit dem festgestellten Sachverhalt. Zum Einwand (Z 10), dem Erstgericht sei „hinsichtlich der Subsumtion hinsichtlich Faktum 8 (zwei Regenschirme im Gesamtwert von 25 Euro)" ein „Rechtsirrtum dahingehend unterlaufen, als dieses Faktum als dauernde Sachentziehung im Sinn des § 135 Abs 1 StGB zu beurteilen gewesen wäre", ist der – im Übrigen das Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung der angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umstände (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO) missachtende – Angeklagte mangels Beschwer nicht legitimiert (§ 282 Abs 1 StPO). Eine Subsumtionsänderung in Ansehung bloß eines Teils der tateinheitlich (US 7) weggenommenen Gegenstände würde an der Beurteilung der Wegnahme der übrigen als Diebstahl nichts ändern, aber zur Annahme von Idealkonkurrenz mit einem weiteren Delikt führen, somit dem Angeklagten zum Nachteil gereichen (vgl Ratz aaO § 281 Rz 654 f, § 282 Rz 15 f).

Ein in zweifacher Hinsicht behaupteter Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot liegt der Beschwerde zuwider nicht vor (Z 11 zweiter Fall).

Die Auffassung, dass bei Heranziehung des § 39 StGB die einschlägigen Vorstrafen nicht als erschwerend zu werten seien, ist unzutreffend (EvBl 1989/25) und zudem ohne Bezug auf den vorliegenden Fall, in dem von der Strafschärfungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht - sohin § 39 StGB nicht angewendet (§ 260 Abs 1 Z 4 StPO) - wurde. Die Wertung der „zweifachen Qualifikation" als erschwerend verletzt entgegen der Beschwerdemeinung das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) nur, wenn und soweit das Vorliegen von zur Erfüllung der einen Qualifikation erforderlichen Merkmalen zu den Voraussetzungen der strenger strafbedrohten anderen zählt (ohne dass die Qualifikationen zu einander im Verhältnis der Spezialität stehen, weil sonst die eine Qualifikation von der anderen verdrängt würde und ein Zusammentreffen gar nicht gegeben wäre). Nur dann kann nämlich gesagt werden, dass die schon für die eine Qualifikation maßgeblichen Umstände auch die andere und damit – was im gegebenen Zusammenhang entscheidend ist – die Strafdrohung bestimmen. Diese Umstände dürfen daher gemäß § 32 Abs 2 erster Satz StGB nicht auch noch als erschwerend in Rechnung gestellt werden, was bedeutet, dass (nur) in solchen Fällen bei der Strafbemessung das Zusammentreffen der zwei Qualifikationen bei sonstiger Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO außer Betracht zu bleiben hat.

So gehört etwa bei einem diebischen Angriff (nur) die Erfüllung einer Qualifikation nach §§ 128 oder 129 StGB zu den Anwendungsvoraussetzungen des zweiten Strafsatzes des § 130 StGB. Ist also durch eine Tat außer einer Qualifikation nach § 130 zweiter Satz StGB nur eine Qualifikation nach §§ 128 oder 129 StGB verwirklicht, darf das Zusammentreffen nicht als erschwerend gewertet werden. Soweit die Erfüllung einer Qualifikation nicht zu den Voraussetzungen einer strafsatzbestimmenden anderen zählt und demzufolge ohne Einfluss auf den Strafrahmen ist, bildet das Zusammentreffen der Qualifikationen einen Erschwerungsgrund. Letzteres trifft bei tatmehrheitlicher Verwirklichung von in einer Subsumtionseinheit (§ 29 StGB) zusammengefassten Qualifikationen stets zu (vgl 13 Os 53/02, 15 Os 164/01), somit auch im vorliegenden Fall.

Dem übrigen Vorbringen ist zwar zuzugeben, dass der „die Qualifikationsgrenze des § 128 Abs 1 Z 4 StGB mehr als das Eineinhalbfache übersteigende Schadensbetrag" (US 8) keinen besonderen Erschwerungsgrund darstellt (vgl 13 Os 38/93). Doch wird durch die verfehlte Einordnung unter einen (besonderen) Erschwerungs- oder Milderungsgrund keine Nichtigkeit nach Z 11 zweiter Fall bewirkt, wenn es - wie im vorliegenden Fall - jedenfalls nicht offenbar unrichtig ist, den in Rede stehenden Umstand nach § 32 (hier: Abs 3) StGB als erschwerend oder als mildernd einzustufen (Ratz aaO § 281 Rz 700, 704 mwN; vgl 12 Os 54/95).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285a Z 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Rechtssätze
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