JudikaturJustiz13Ns75/11z

13Ns75/11z – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Dezember 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ludwig als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz E***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB in dem zu AZ 4 U 123/11y des Bezirksgerichts Liesing und zu AZ 4 U 119/11k des Bezirksgerichts Villach zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren ist vom Bezirksgericht Villach zu führen.

Text

Gründe:

Mit „Strafanzeige“ vom 27. Juli 2011 (ON 1) lastet Dr. Robert E***** seinem Bruder Franz E***** eine Tat an, die er rechtlich dem Tatbestand des § 111 StGB unterstellt und derentwegen er „strafrechtliche Verurteilung“ beantragt.

Danach soll Franz E***** am 4. Juni 2011 an die in Feistritz an der Drau wohnhafte gemeinsame Schwester Roswitha J***** eine E Mail gerichtet haben, in der er Dr. Robert E***** des sexuellen Missbrauchs seiner Kinder bezichtigt habe.

Dr. Robert E***** brachte den Schriftsatz beim Bezirksgericht Liesing, in dessen Sprengel sein Wohnort liegt, ein (ON 1 S 1).

Mit Verfügung vom 9. August 2011 (ON 3) überwies das Bezirksgericht Liesing den Antrag gemäß § 38 erster Satz StPO mit der Begründung, der Erfolg sei im Sprengel des Bezirksgerichts Villach eingetreten, an dieses Gericht, welches die Akten am 21. Oktober 2011 im Sinn des § 38 letzter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vorlegte (ON 5). Dabei vertrat das Bezirksgericht Villach die Ansicht, es sei davon auszugehen, dass Franz E***** die imkriminierte E Mail von seinem Wohnort abgesendet habe, womit die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Liesing gegeben sei (ON 5 S 2).

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Nach § 36 Abs 3 erster Satz StPO ist für das Hauptverfahren das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt werden, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten hätte sollen (§ 36 Abs 3 zweiter Satz StPO).

Ob zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit die im zweiten Satz des § 36 Abs 3 StPO vorgesehene Erfolgsanknüpfung in Betracht kommt, hängt davon ab, ob die in Rede stehende strafbare Handlung ein Erfolgsdelikt ist, also den Eintritt einer von der Tathandlung zumindest gedanklich abtrennbaren Wirkung in der Außenwelt voraussetzt ( Kienapfel/Höpfel AT 13 Z 9 Rz 8).

Das Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB verlangt den Eintritt einer Gefahr für das Schutzobjekt „Ehre“ (13 Os 75, 76/78, SSt 50/9 [verst Senat]). Das Gesetz drückt dies aus, indem es fordert, dass die Tathandlungen „in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise“ gesetzt werden. Die zum Tatbild gehörende Rechtsgutgefährdung besteht somit in der Möglichkeit der Wahrnehmung der Tathandlung durch einen Dritten (vgl Foregger in WK² § 111 Rz 21; Lambauer , SbgK § 111 Rz 42 bis 45; Birklbauer/Hilf/Tipold BT I § 111 Rz 11 bis 16; Kienapfel/Schroll BT I 5 § 111 Rz 25 bis 27). Demnach stellt der Tatbestand des § 111 Abs 1 StGB ein Erfolgsdelikt dar, weil er solcherart den Eintritt einer von der Tathandlung zumindest gedanklich abtrennbaren Wirkung in der Außenwelt, nämlich der Wahrnehmbarkeit der Tathandlung durch einen Dritten, voraussetzt (OLG Wien 17 Bs 149/06w, MR 2006, 246; vgl auch 9 Nds 158/65, SSt 36/24 [zu §§ 487 f StG]; 11 Os 4/96, JBl 1997, 471 [zu § 3h VG] und BGH I StR 184/00, MR 2001, 131 [zu § 130 dStGB]).

Fallbezogen ist der Ausführungsort (§ 36 Abs 3 erster Satz StPO) den Akten nicht zu entnehmen. Die Ansicht, die inkriminierte E Mail sei vom Wohnort des Angeklagten abgesendet worden, gründet auf bloßer Spekulation. Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass der Wohnsitz des Angeklagten nach der „Strafanzeige“ im 16. Wiener Gemeindebezirk liegt (ON 1 S 1), wodurch ebenfalls nicht die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Liesing begründet würde.

Maßgeblich für die örtliche Zuständigkeit ist somit jedenfalls vorerst (13 Ns 44/09p, EvBl 2009/161, 1072) die Anknüpfung nach dem zweiten Satz des § 36 Abs 3 StPO, woraus die Kompetenz des Bezirksgerichts Villach folgt, weil die E Mail nach der Aktenlage in dessen Sprengel eingegangen ist (ON 1 S 1).

Rechtssätze
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  • RS0125311OGH Rechtssatz

    18. Juni 2021·3 Entscheidungen

    Im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es im Rahmen der von § 485 StPO angeordneten Prüfung der Zuständigkeit nur mittelbar zu einem Kompetenzkonflikt im Sinn des § 38 StPO kommen. Teilt nämlich das Oberlandesgericht die mit Beschluss des Einzelrichters ausgesprochene Einschätzung örtlicher Unzuständigkeit und hält es ein anderes Landesgericht seines Sprengels für örtlich zuständig, so überweist es die Sache dorthin (vgl auch §§ 215 Abs 4 erster Satz, 470 Z 3, 475 Abs 1 StPO). Hält es hingegen keines der in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte für örtlich zuständig, greift § 485 Abs 2 StPO. Zu einem von § 38 StPO erfassten Kompetenzkonflikt kommt es nachfolgend dann, wenn ein anderes Oberlandesgericht aufgrund einer Beschwerde gegen einen nach § 485 Abs 1 StPO gefassten Beschluss die örtliche Zuständigkeit aller in seinem Sprengel gelegenen Landesgerichte bezweifelt oder der Einzelrichter eines nachfolgend angerufenen, im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts gelegenen Landesgerichts seine örtliche Unzuständigkeit sonst rechtswirksam ausspricht. Nach Anordnung der Hauptverhandlung (§ 485 Abs 1 Z 4 StPO) im Verfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts kann es zu einem Kompetenzkonflikt im Sinn des § 38 StPO kommen, wenn der Einzelrichter zur Ansicht gelangt, örtlich nicht (mehr) zuständig zu sein (SSt 61/14). In einem solchen Fall hat er nämlich, wie nach der bis 1. Jänner 2008 geltenden Rechtslage, die Hauptverhandlung abzubrechen und die Abtretung der Sache an das seiner Ansicht nach zuständige Landesgericht zu verfügen.