JudikaturJustiz12Os76/21z

12Os76/21z – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Jänner 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Frank in der Strafsache gegen DDr. W* H* wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 24. Februar 2021, GZ 33 Hv 61/20y 70, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 29. Juni 2021, GZ 33 Hv 61/20y 78, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Freispruch unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen – einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden – Urteil wurde DDr. W* H* des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S* (US 4) als Schuldner mehrerer Gläubiger eine nicht bestehende Verbindlichkeit anerkannt und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, indem er im zu AZ * des Bezirksgerichts S* anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren eine Darlehensforderung der * R* von 162.207,40 Euro sowie eine Zinsforderung der Genannten von 88.300,46 Euro anerkannte, obwohl er davon bereits 34.000 Euro zurückbezahlt hatte und die trotz fehlender Anspruchsberechtigung geltend gemachten Zinsen verjährt gewesen waren (US 6).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und b sowie 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der überdies mit Beschwerde den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 29. Juni 2021 (ON 78) bekämpft, mit dem sein Antrag auf Protokollberichtigung (ON 80) teilweise abgewiesen worden ist. Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

[4] Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass die Feststellung zur subjektiven Tatseite, wonach es der Angeklagte ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass er durch die Anerkennung einer nicht bestehenden Verbindlichkeit die Befriedigung seiner Gläubiger, insbesondere der Dr. S* H * , vereitelte oder schmälerte (US 6), mit keinem Wort begründet ist (vgl RIS Justiz RS0108609 [T5]).

[5] Dieser Mangel erforderte – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des angefochtenen Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei nichtöffentlicher Beratung und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und Verweisung der Sache an das Erstgericht (§ 285e StPO).

[6] Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen und ist auch die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 29. Juni 2021 (ON 78) auf Abweisung des Protokollberichtigungsantrags (ON 80) erledigt, weil sie sich auf keine für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstand bezog (vgl RIS Justiz RS0126057 [T5]).

[7] Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein, dass das Unterlassen jedweder Beteiligung an der Verteilung des Meistbots (die nach den Sachverhaltsannahmen durch Berücksichtigung von angemeldeten, nur teilweise bestehenden Forderungen der R* und deren Aufrechnung gegen das Meistbot zur Verringerung des Vermögens des Angeklagten führte) nur unter den Voraussetzungen des § 2 StGB strafbar ist ( Rainer , SbgK § 156 Rz 15; Preuschl/Dangl , Wirtschaftsstrafrecht § 156 Rz 50; vgl auch 13 Os 32/15b, 15 Os 192/08m). Sollte also ein aktives Tun des Angeklagten nicht erweislich sein (vgl US 5, wonach zur Verteilungstagsatzung nur der Vertreter der betreibenden Partei erschien), wären insbesondere jene tatsächlichen Umstände festzustellen, aus denen sich die Garantenpflicht ergibt (vgl Hilf in WK² StGB § 2 Rz 68).

[8] Dabei ist zu beachten, dass nicht jede Handlungspflicht eine Garantenpflicht begründet. Denn es ist (hier) nur eine solche in Betracht zu ziehen, die (auch) den Schutz der Befriedigungsinteressen der Gläubiger bezweckt (vgl zur Bedeutung des Schutzzwecks RIS Justiz RS0089239; Hilf in WK² StGB § 2 Rz 76 ff), wie etwa die (auf die Fahrnisexekution oder die Forderungsexekution nach § 295 EO beschränkte) Offenlegungspflicht nach § 47 EO (vgl zu § 100 IO Preuschl/Dangl , Wirtschaftsstrafrecht § 156 Rz 50) oder nebenvertragliche Vermögensfürsorgepflichten (vgl RIS Justiz RS0089122).

[9] Demnach wäre zur (rechtlichen) Beurteilung einer Garantenpflicht festzustellen, wer konkret die Gläubiger des Angeklagten im Tatzeitpunkt waren (vgl zum Erfordernis der Gläubigermehrheit RIS Justiz RS0118270) und ob ein Sachverhalt vorlag, aufgrund dessen der Angeklagte zwecks Wahrung deren Befriedigungsinteressen zur Abwehr der (nur teilweise berechtigten) Forderungen der R* verpflichtet war. Im Fall der Bejahung einer derartigen Garantenpflicht wären die prozessualen Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten zu prüfen, den Erfolg (den zumindest teilweisen Befriedigungsausfall infolge Aufrechnung einer nur teilweise bestehenden Forderung gegen das Meistbot) abzuwenden (vgl etwa § 213 EO und zum Umfang des Widerspruchsrechts Angst in Angst/Oberhammer , EO³ § 213 [insb] Rz 4; vgl zur subjektiven Tatseite RIS Justiz RS0089546).

[10] Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die (hier angenommene) Vollendung der betrügerischen Krida die Ursächlichkeit des Anerkennens einer (zumindest teils) nicht bestehenden Verbindlichkeit für den (effektiv erlittenen) Befriedigungsausfall zumindest eines von mehreren Gläubigern des Angeklagten voraussetzt (RIS Justiz RS0115184; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 156 Rz 19). Dazu wären entsprechende Sachverhaltsannahmen zu treffen, wobei der (zumindest bedingte) Vorsatz des Angeklagten (im Tatzeitpunkt) auf die Schädigung des Gläubigers in der Form gerichtet sein muss, dass im Endergebnis ein Ausfall bei der Hereinbringung der Forderung eintreten soll ( Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 156 Rz 21).

[11] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Rechtssätze
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