JudikaturJustiz12Os62/16h

12Os62/16h – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. September 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. September 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Rene K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 12. Jänner 2016, GZ 49 Hv 30/15d 120, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden und auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch sowie einen Verfolgungsvorbehalt enthaltenden Urteil wurde Rene K***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 6. Jänner 2015, in A***** Ingrid K***** vorsätzlich getötet, indem er ihr einen Faustschlag gegen das Gesicht sowie einen kräftigen, zu deren Sturz führenden Schlag mit einem schweren kantigen Gegenstand gegen die linke Stirnregion versetzte, sodann der regungslos am Boden Liegenden mindestens fünf Mal mit einem kantigen Werkzeug heftig gegen die Hinterhaupts und Nackenregion schlug, wodurch sie im Urteil beschriebene Verletzungen mit der Folge eines zu einer Atem und Hirnlähmung führenden, letalen Schädel Hirntraumas erlitt.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform in Richtung des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB gestellte Hauptfrage bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit auf Z 4, 5 und 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, welcher keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bringt vor, nach 15:30 Uhr hätte das Gerichtsgebäude nicht mehr betreten werden können, weshalb für den Teil der Hauptverhandlung, der nach dieser Zeit stattgefunden hätte, de facto die Öffentlichkeit entgegen § 228 Abs 1 StPO ausgeschlossen gewesen wäre.

Ein – wenn auch nur faktischer – Ausschluss der Öffentlichkeit im Sinne des § 229 Abs 1 StPO lag jedoch gegenständlich nicht vor. Das Gericht hat nämlich Vorkehrungen getroffen, potentiellen Zuhörern während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung den Zutritt zum Verhandlungssaal zu ermöglichen (ON 1 S 54, 66; RIS Justiz RS0117048). Dass ab dem genannten Zeitpunkt der Öffentlichkeit kein Zutritt gewährt oder den anwesenden Zuhörern die weitere Teilnahme und insbesondere auch die Anwesenheit bei der Verkündigung des Urteils nicht ermöglicht worden wäre, wird von der Beschwerde mit dem Hinweis, aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergäben sich keine entsprechenden Maßnahmen, gar nicht behauptet.

Auch die weitere Verfahrensrüge (Z 5) geht fehl. Durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge des Angeklagten (ON 119 S 27 ff, 34 f, 51) wurden keine Verteidigungsrechte (Art 6 Abs 3 lit d EMRK) verletzt.

Vorauszuschicken ist, dass das die Beweisanträge ergänzende Rechtsmittelvorbringen mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen hat (RIS Justiz RS0099618, RS0099117).

Der Antrag auf Einholung eines meteorologischen Gutachtens zur damaligen Schneehöhe und beschaffenheit auf dem Güterweg, welcher zum Auffindungsort der teilweise verbrannten Kleidung des Opfers führt, zum Beweis dafür, dass der Weg damals mit einem Pkw nicht befahrbar war, verfiel schon deshalb zu Recht der Ablehnung, weil die Frage, ob der Angeklagte diesen Güterweg mit seinem Kraftfahrzeug befahren hat, keinen erheblichen Umstand betrifft (RIS Justiz RS0116987), weil der Fundort der genannten Gegenstände – wie der Rechtsmittelwerber selbst zugesteht – nicht ausschließlich durch Befahren dieses Weges zu erreichen ist. Im Übrigen mangelte es dem Antrag an einer Begründung, weshalb die gewünschte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten ließe (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; RIS Justiz RS0118444). Er legt nicht dar, warum ein Meteorologe in der Lage sein sollte, über die Schneebeschaffenheit auf dem gegenständlichen Güterweg am Tattag Auskunft zu geben (vgl ON 118 S 12, wonach es dort keine Messstelle gibt). Darüber hinaus war die Schneehöhe – wie vom Nichtigkeitswerber zugestanden – auf dem Güterweg ohnehin bekannt (ON 119 S 28, 32; ON 100 S 3).

Der zum Beweis dafür, dass der Angeklagte nicht beim „Sendemast K***** in A***** eingeloggt gewesen sein kann, wenn er sich beim Fundort der verbrannten Kleidung befunden hat, denn dort wäre er beim Sendemast M***** eingeloggt gewesen“ (ON 119 S 27), gestellte Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Telekommunikation basiert auf einer nicht zutreffenden Sachverhaltsannahme zum tatsächlichen Versorgungsbereich des – im Übrigen erhöht aufgestellten – Senders ***** A*****, K***** (ON 119 S 32 iVm ON 1 S 68 und ON 125 S 19) im Zeitpunkt (unmittelbar nach) der Tat (in welchem der „Sendemast M*****“ noch nicht aufgestellt war [ON 1 S 68]) und war damit nicht geeignet, den angestrebten Beweis zu erbringen.

Daraus folgt schon mangels hinreichend abgrenzbarer Prämissen zu deren Durchführung auch, dass die weiters beantragte „Tatrekonstruktion“ nicht geeignet war, zu beweisen, dass der Angeklagte in der Zeitspanne zwischen seinem Restaurantbesuch (vgl ON 113) und dem „ersten [darauf folgenden] Einloggdatum“ (ON 72 S 37 f) keine Möglichkeit hatte, die verbrannt aufgefundenen Gegenstände zu ihrem Fundort zu bringen (ON 119 S 27 f), weil der genaue – im Übrigen eben auch dort mögliche – Standort des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Verwendung seines Mobiltelefons nicht feststeht. Wie der Nichtigkeitswerber ebenso zugesteht, ist die Frage, ob auf dem ebenfalls zur Fundstelle der verbrannten Gegenstände führenden Radweg Schnee lag, ungeklärt. Das Vorbringen, dies sei jedoch von keiner Relevanz, weil die Rekonstruktion „nicht auf einer exakten Replik der am 6. Jänner 2015 vorhandenen Schneefahrbahn beantragt [wurde], sondern auf unbeschneiter Straße“, dabei hätte sich ergeben, dass die zurückgelegte Strecke auf beschneiter Fahrbahn noch länger gedauert hätte, ist rein spekulativ.

Aus diesen Gründen verfiel auch der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gestellte Antrag auf Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet „KFZ und Verkehr“ zu Recht der Abweisung (zum Beweis dafür, dass „ein durchschnittlicher Autofahrer mit einem Straßen PKW ohne Allradantrieb und einer Unterbodenfreiheit von 14 cm bei einer Schneehöhe von 27 cm, oder je nachdem was sich aus dem meterologischen Gutachten ergibt, den Güterweg … nicht hätte befahren können, in eventu, dass alleine die Fahrt vom Restaurant A***** bis zur Auffindungsstelle hin und retour, insbesondere auch mangels Wendemöglichkeit, mindestens 30 Minuten gedauert hätte“ sowie dass sich auf dem Wagen des Angeklagten bei Befahren des Güterwegs Schnee befunden hätte ON 119 S 28).

Weiters beantragte der Angeklagte in der Hauptverhandlung die Vernehmung des Andreas H***** und der Mirka H***** als Zeugen zum Beweis dafür, dass seine Hose trocken war, als er am 6. Jänner 2015 bei ihnen zu Besuch war. Begründend führte der Antragsteller aus, dass sich damit belegen lasse, dass er nicht zu Fuß durch den Schnee gestapft sei, wobei er mit dem Auto die Auffindungsstelle nicht erreichen konnte (ON 119 S 51).

Dieser Beweisantrag wurde zu Recht abgewiesen, weil er sich nicht auf den Beweis einer erheblichen Tatsache bezieht. Dass die Hose des Angeklagten jedenfalls nass hätte sein müssen, ist reine Spekulation. Im Übrigen zielte der Antrag auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab, weil er nicht darlegt, warum die beantragten Zeugen über den Zustand seiner Hose Wahrnehmungen gemacht haben sollten.

Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung auch die Einholung eines Gutachtens eines Brandsachverständigen zur Untersuchung „der aufgefundenen Gegenstände, der Kleidung und Schuhe auf Brandbeschleuniger und allenfalls auf die Menge des verwendeten Brandbeschleunigers“. Als Beweisthema führte der Angeklagte an, „dass bei Verwendung eines Brandbeschleunigers die Sachen zur Gänze verbrennen hätte müssen und nicht nur teilweise. D.h., wenn dort Brandbeschleuniger darauf war und die Sachen sind nur teilweise verbrannt, heißt das, dass die Sachen absichtlich nicht zur Gänze verbrannt wurden, sondern ausgelöscht wurden. Insbesondere interessant ist, ob auf den Stellen, die nicht verbrannt sind, Brandbeschleuniger drauf ist, weil die Stellen wären jedenfalls auch verbrannt, wenn man sie nicht vorher gelöscht hätte. Wenn das jemand anderer ausgelöscht ist davon auszugehen, dass es nicht der Angeklagte war, denn er müsste daran interessiert sein, dass die Sachen zur Gänze verbrannt werden, ein anderer eben nicht.“ Weiters solle dadurch geklärt werden, „ob die Schuhe bei der Verbrennung der restlichen Gegenstände getragen wurden“ (ON 119 S 29 f, 34 f).

Inwiefern dieses beantragte Beweismittel geeignet sein sollte, eine erhebliche Tatsache zu beweisen (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO), legt der Antrag nicht dar.

Das Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde, wonach „nur ein Täter, der nicht der Angeklagte ist, ... das Feuer gelöscht [hätte], um den Tatverdacht auf den Angeklagten zu lenken, weil dem Täter bewusst war, dass naturgemäß DNA Spuren des Angeklagten und des Opfers auf der Kleidung gefunden werden“, unterliegt dem Neuerungsverbot.

Auch der Antrag auf Beischaffung eines Fotos „von der Zeugin A*****, wo die Frau K***** in diesem karierten Hemd zu sehen ist, als Beweis dafür, dass das Hemd nicht dem Angeklagten gehört und ihm auch nicht passt weil es einfach zu klein ist“, wurde zu Recht abgewiesen. Der Antragsteller führt zur Begründung aus, „wäre der Angeklagte der Täter und damit der Verbrenner dieser Kleidungsstücke gewesen, hätte er sicherlich kein Hemd zu den Sachen dazugegeben, das er zur Tatzeit gar nicht angehabt haben konnte, da er niemals in dieses Hemd gepasst hätte. Dies hätte der wahre Täter nicht gewusst, der dieses Hemd zusammen mit den anderen Sachen nur teilweise verbrannte, damit Spuren vom Angeklagten darauf verbleiben und sich ein Beweis für die Täterschaft des Angeklagten bei Auffindung dieser Kleidungsstücke ergäbe“ (ON 119 S 26 f). In Übereinstimmung mit dem Erstgericht ist dieses beantragte Beweismittel nicht geeignet, eine erhebliche Tatsache zu beweisen. Spekulationen bilden keine tragfähige Grundlage für einen Beweisantrag (RIS Justiz RS0118444 [T5]).

Die – auf Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB zielende – Fragenrüge (Z 6) bezieht sich mit ihrer Berufung auf die Erwägungen der Geschworenen nicht auf in der Hauptverhandlung vorgebrachte Tatsachen. Der § 314 Abs 1 StPO zugrundeliegende Begriff des Tatsachenvorbringens ist im Sinn des § 258 Abs 1 StPO zu verstehen, kann also nur aus der in der Hauptverhandlung gewählten Verantwortung des Angeklagten oder den dort vorgeführten Beweismitteln abgeleitet werden (RIS Justiz RS0117448 [T3]).

Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt die deutliche und bestimmte Bezeichnung jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen (RIS Justiz RS0119417). Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, weil sie mit dem Hinweis auf Aussagen der Zeugen Siegfried B*****, Christine G***** und Luziana Ba***** betreffend den Gemütszustand des Angeklagten „nach der vermeintlichen Tat“ („da hat er gezittert“) kein Sachverhaltssubstrat nennt, das indiziert, dieser habe sich in einer allgemein begreiflichen (RIS Justiz RS0092087) heftigen Gemütsbewegung zu einer Tötungshandlung hinreißen (RIS Justiz RS0092338) lassen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung des Angeklagten – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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