JudikaturJustiz12Os11/05t

12Os11/05t – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Petö als Schriftführer, in der beim Landesgericht Wels zum AZ 7 Ur 262/03y anhängigen Strafsache gegen DI Norbert G***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 9. Dezember 2004, AZ 7 Bs 297/04 (= ON 120), nach Einsichtnahme durch die Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

DI Norbert G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen DI Norbert G***** wird beim Landesgericht Wels eine Voruntersuchung wegen „§ 133 Abs 1 und 2 StGB und §§ 146, 147, 148 StGB" (S 1a verso, 177/jeweils I) geführt.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz einer Beschwerde des DI Norbert G***** gegen den Beschluss auf Aufrechterhaltung der seit 14. Dezember 2003 währenden Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO vom 10. November 2004 (ON 115) nicht Folge und ordnete deren Fortsetzung aus den bisherigen Haftgründen (irrig, aber-weil nur deklarativ-folgenlos; vgl 14 Os 42/98) bis 10. Jänner 2005 (richtig 10. Februar 2005) an.

Es stellte fest, dass der Beschwerdeführer dringend verdächtig ist, (von Frühjahr 1999 bis Ende 2003 in Mondsee und an anderen Orten) in insgesamt fünfundvierzig Fällen, insbesondere durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, Kaufverträge für Immobilien und Fahrzeuge abgeschlossen, Architekten und Professionisten mit Planungsarbeiten und Anfertigung bzw Bestellung von Mobiliar und Elektrogeräten betraut zu haben, ohne jemals in der Lage gewesen zu sein, die abgeschlossenen Verträge zu erfüllen, wobei der intendierte Schaden 17,500.000 Euro überstiegen habe und tatsächlich ein solcher von 1,450.896 Euro eingetreten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde ist nicht im Recht. Soweit sie sich zur behaupteten Unverhältnismäßigkeit der Haftdauer - ansonsten auf der Basis der vom Oberlandesgericht in objektiver Hinsicht angenommenen Sachverhaltskomponenten - gegen dessen Schadensberechnung wendet, ist ihr beizupflichten, dass die in Übereinstimmung mit dem Erstgericht vom Beschwerdegericht vorgenommene Wertung der in den Faktentabellen (S 127 ff/II und 331f in ON 69) als „Kaufabsicht, Kaufinteresse, Kaufanbahnung und Kaufanbot" deklarierten Angriffe jeweils als versuchter Betrug mit Schadensbeträgen in der Höhe der jeweiligen Kaufpreise (insgesamt mehr als 17,500.000 Euro) auf der Grundlage der derzeit vorliegenden Verfahrensergebnisse erheblichen Bedenken begegnet: Denn unter Berücksichtigung des heranzuziehenden wirtschaftlichen Vermögensbegriffes kommt einer - wie hier - bloßen Einladung zur Anbotserstellung noch kein effektiver wirtschaftlicher Vermögenswert zu (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 146 Rz 61). Hingegen bestreitet auch die Beschwerde nicht die dringliche Verdachtslage, dass der Angeklagte zahlreiche Immobilienmakler, Notare, Rechtsanwälte und Professionisten betrügerisch zu vermögenswirksamen Leistungen veranlasst hat, ohne hiefür entsprechende Gegenleistungen zu erbringen, wobei auf Grund der zitierten Faktenaufstellungen der dringende Verdacht eines 50.000 Euro übersteigenden Schadens vorliegt.

Mit Blick auf den nicht zuletzt der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers zuzuschreibenden besonderen Umfang der Untersuchung und den durch §§ 147 Abs 3 und 148 zweiter Fall StGB eröffneten Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren steht die Fortsetzung der Untersuchungshaft zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung weder zur Bedeutung der Sache noch zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis.

Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr § 180 Abs 2 Z 3 lit a (§ 180 Abs 2 lit b, lit c) wurde entgegen der Beschwerde nicht angenommen) ist im Hinblick auf die Vielzahl betrügerischer Angriffe, das Vorleben des Beschuldigten, der elf, teils massive durchwegs (ua) wegen Vermögensdelikten ausgesprochene Vorverurteilungen aufweist, und die durch das neuropsychiatrische Gutachten Ass. Prof. Dr. G***** attestierte, zufolge mangelnder Krankheitseinsicht und ständigen Geltungsbedürfnisses des Beschwerdeführers ungünstige Prognose (ON 71), evident.

Ihr Zweck ist bei realitätsbezogener Beurteilung vorweg durch Anwendung gelinderer Mittel nicht substituierbar, sodass auf die relevierte - im Gesetz (§ 180 Abs 5 StPO) nicht vorgesehene Weisung, sich einer vorübergehenden Beschränkung der Geschäftsfähigkeit etwa mit Volumen ab 5.000 Euro zu unterziehen, nicht einzugehen war. Somit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem Haftgrund der Fluchtgefahr (Hager/Holzweber § 2 GRBG E 25 uva).

Eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit liegt daher nicht vor, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.