JudikaturJustiz11Os45/23m

11Os45/23m – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Juni 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen * D* wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 18. November 2022, GZ 41 Hv 58/22y-64.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * D* – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant mehrerer Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (A./I./, B./4./b./, B./5./a./), des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (A./II./), des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (B./1./a./), des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB (B./1./b./), mehrfach „des Vergehens des Diebstahls“ nach §§ 15, 127 StGB (B./2./ und B./5./b./) und nach § 127 StGB (B./3./) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (B./4./a./) schuldig erkannt und unter Anwendung von § 28 Abs 1 und § 39 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

[2] Gegen den Sanktionsausspruch richtet sich die vom Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde.

[3] Die Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) legt nicht nachvollziehbar dar, aus welchem Grund die Begehung nach §§ 297, 293 und 269 StGB (RIS-Justiz RS0096527, RS0095900 [zu § 298 StGB]; vgl Pilnacek/Swiderski in WK 2 StGB § 297 Rz 3; Tipold , SbgK § 293 Rz 6 und § 297 Rz 4; RIS Justiz RS0104973; Plöchl in WK 2 StGB § 293 Rz 1, 3; Danek/Mann in WK 2 StGB § 269 Rz 1; Hochmayr/Schmoller , SbgK § 269 Rz 9) die jeweils den Staat, dessen Vollziehungsmaßnahmen und die Rechtspflege schützen – zu beurteilender Taten nicht auf der gleichen schädlichen Neigung im Sinn des § 71 StGB beruhen sollte.

[4] Weil diese durchwegs zu einer Behinderung staatlicher Organe an der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben führen (vgl [zu § 269 Abs 1 StGB und § 298 Abs 1 StGB] 10 Os 8/87 = RIS-Justiz RS0092089; Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 71 Rz 3 und 8), ist das Erstgericht bei hier gegebenem Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen für die Anwendung des § 39 Abs 1 StGB – zu Recht von einem erweiterten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen (US 47).

[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen.

[6] Über die Berufung des Angeklagten wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO), ohne dabei an die verfehlte – im konkreten Fall für den Angeklagten nicht nachteilige (vgl Ratz , WK-StPO § 290 Rz 24; RIS-Justiz RS0114927) – Subsumtion der abgeurteilten Taten als mehrere Vergehen des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (B./2./, B./5./b./) und § 127 StGB (B./3./) – anstatt richtig zufolge § 29 StGB als ein Vergehen des Diebstahls nach §§ 127, 15 StGB (vgl RIS-Justiz RS0090730) – gebunden zu sein (RIS-Justiz RS0118870).

[7] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
7
  • RS0096527OGH Rechtssatz

    13. Juni 2023·3 Entscheidungen

    Verleumdung ist ein "zusammengesetztes Delikt", das neben dem Schutz verzichtbarer Individualrechte (wie Ehre, Freiheit und Vermögen des Verleumdeten) auch den Schutz der Strafrechtspflege, mithin eines unverzichtbaren Universalrechtsgutes zum Gegenstand hat (vgl Leukauf - Steininger 2.Auflage, RN 1 zu § 297; Foregger - Serini, MKK 2.Auflage, Erläuterung I zu § 297), mag hiebei auch dem Schutz des Verleumdeten erhöhte Bedeutung zukommen (Pallin in WK RN I zu § 297) - was sich auch aus dem höheren Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB ergibt, der sich auf die größere Gefahr für den Verleumdeten bezieht -, so steht doch zufolge der systematischen Einordnung des § 297 StGB in den 21.Abschnitt des Besonderen Teiles des Strafgesetzbuches der Schutz der Strafrechtspflege, mithin eines Universalrechtsgutes, auf das der einzelne nicht verzichten kann, im Vordergrund (Burgstaller, RZ 1977,2; Leukauf - Steininger 2.Auflage, RN 1 zu § 297). Deshalb kann der von einem Teil des Schrifttums (vgl Zipf, RZ 1976,192 ff; Pallin aaO RN 2 zu § 297) und in den Entscheidungen SSt 47/19 (= JBl 1976,549) und 13 Os 66/76 vertretenen Auffassung, die Zustimmung des zu Unrecht Verdächtigten schließe die Anwendung des § 297 StGB aus, nicht gefolgt werden (in diesem Sinne auch Liebscher, JBl 1976,569, JBl 1976,570; Burgstaller, RZ 1977,1 ff; Foregger - Serini MKK 2.Auflage Erläuterung VI zu § 297; Leukauf - Steininger 2.Auflage, RN 38, 39 zu § 3). Die Einwilligung des falsch Verdächtigten in seine Verleumdung vermag demnach den Verleumder weder zu rechtfertigen noch sonst dessen Strafbarkeit auszuschließen; auch wer mit Zustimmung des Betroffenen diesen (wissentlich) falsch verdächtigt und ihn solcherart der Gefahr behördlicher Verfolgung aussetzt, haftet nach § 297 Abs 1 StGB.