JudikaturJustiz11Os130/88

11Os130/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Oktober 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Oktober 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Knob als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef S*** wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 12.Juli 1988, GZ 20 qu Vr 913/88-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Doczekal, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef S*** aufgrund des (einstimmigen) Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens der schweren Erpressung nach den §§ 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt. Diesem Wahrspruch zufolge nötigte er zwischen Mitte Dezember 1987 und Mitte Jänner 1988 in Wien in zehn Angriffen gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz den Invalidenrentner Josef L*** - teils indem er ihm ein aufgeklapptes Messer vorhielt - durch die Äußerung, es werde ihm etwas passieren, er werde ihn umbringen, und in einem Fall dadurch, daß er eine Eisenstange gegen dessen Kehle drückte, jeweils verbunden mit der Aufforderung, bei seiner Bank Geld abzuheben und es ihm zu übergeben, mithin durch Gewalt und gefährliche Drohung zu Handlungen, welche ihn am Vermögen schädigten, nämlich zur Übergabe von insgesamt 2.500 bis 3.000 S. Die Eventualfrage nach dem Verbrechen der (einfachen) Erpressung nach dem § 144 Abs 1 StGB ließen die Geschwornen (folgerichtig) unbeantwortet. Die Hauptfrage 2/ nach dem Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143, zweiter Fall, StGB verneinten sie ebenso einstimmig; insofern erging ein unbekämpft gebliebener Freispruch nach dem § 336 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner auf § 345 Abs 1 Z 8, 10 a und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte nur die Annahme der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach dem § 145 Abs 2 Z 1 StGB. Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund bringt er vor, die Rechtsbelehrung sei in einem einer Unrichtigkeit gleichkommenden Maße unvollständig, weil sie nicht mit ausreichender Deutlichkeit den lediglich in der Annahme der Gewerbsmäßigkeit bestehenden Unterschied zwischen der Hauptfrage 1/ und der Eventualfrage herausstelle und den Begriff der Gewerbsmäßigkeit nur unzulänglich, insbesondere unter Vernachlässigung der Bedeutung des geringen Betrages, der in den Einzelfakten abgepreßt wurde, erläutere. An diesem Vorbringen trifft nur zu, daß die Rechtsbelehrung überflüssigerweise auch die Voraussetzungen des § 145 Abs 1 Z 1 StGB erläutert, wiewohl in der anklagekonform formulierten Hauptfrage 1/ keiner dieser qualifizierten Tatumstände aufscheint; die verstümmelte Wiedergabe der nach der Anklage verwirklichten gesetzlichen Bestimmungen (siehe S 62: "§§ 144 Abs 1, Abs 2 Z 1") sollte richtig §§ 144 Abs 1, 145 Abs 2 Z 1 StGB lauten (so auch im Urteil) und bot daher keinen Anlaß zur Belehrung über § 145 Abs 1 Z 1 StGB. Dies ändert aber nichts daran, daß die für die in Wahrheit allein herangezogene Qualifikation des § 145 Abs 2 Z 1 StGB, nämlich die Gewerbsmäßigkeit, erforderlichen Erläuterungen in der Rechtsbelehrung (S 7) richtig und vollständig gegeben wurden. Die von der Nichtigkeitsbeschwerde gerügte Rechtsbelehrung zur Eventualfrage (S 10) mußte keine Ausführungen zur Gewerbsmäßigkeit enthalten, kommt es doch darauf bei der einfachen Erpressung nach dem § 144 StGB nicht an.

Der Umstand aber, daß mit den einzelnen fortgesetzten Angriffen nur jeweils Beträge von 200 bis 300 S abgepreßt wurden, konnte hier die Frage nach der Gewerbsmäßigkeit nicht beeinflussen, sodaß diesbezügliche Ausführungen in der Rechtsbelehrung tatsächlich überflüssig waren. Die Geringfügigkeit eines Betrages hängt wesentlich von opferbezogenen Faktoren ab; vorliegend richtete sich die Tat gegen einen berufsunfähigen Invalidenrentner, der monatlich lediglich eine Pension von 4.800 S bezieht (S 111), auf geringe Zusatzverdienste angewiesen ist und zur Erfüllung der erpresserischen Forderungen sein Konto überziehen mußte (S 111). Im gegebenen Zusammenhang kann daher schon der Einzelbetrag nicht als gering angesehen werden (vgl. SSt. 46/71, Leukauf-Steininger, StGB2, RN 7, 8 zu § 141). Darüber hinaus kann nicht auf die Bagatellgrenze in den Einzelfakten abgestellt werden, wenn der gewerbsmäßig durch fortgesetzte Angriffe (vgl. LSK 1982/103) erpreßte Gesamtbetrag diese Grenze - wie hier - eindeutig übersteigt (LSK 1985/83) und innerhalb des ca. vierwöchigen Tatzeitraumes mehr als die Hälfte der monatlichen Invalidenrente des Tatopfers ausmachte. Auf den § 345 Abs 1 Z 10 a StPO gestützt, will der Beschwerdeführer erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch der Geschwornen zur Gewerbsmäßigkeit zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erwecken. Der Niederschrift der Geschwornen sei nicht zu entnehmen, daß sie sich mit der Frage der Gewerbsmäßigkeit überhaupt auseinandergesetzt hätten, die auch in der Hauptverhandlung, selbst bei seiner eigenen Vernehmung, nicht erörtert worden sei. Im Hinblick auf den insofern unbestrittenen Sachverhalt der mehrfach wiederholten Abpressung von Geldbeträgen ergeben sich aber gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Gewerbsmäßigkeit zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen, nämlich der auf Erreichung einer fortlaufenden Einnahme durch wiederkehrende Tatbegehung gerichteten Absicht, bei Bedachtnahme auf den § 258 Abs 2 StPO keine Bedenken.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich auch in der Subsumtionsrüge (Z 12) eine falsche rechtliche Beurteilung durch Unterstellung der Tat unter den § 145 Abs 2 Z 1 StGB behauptet, so geht er nicht von den im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Tatsachen aus und führt sein Rechtsmittel daher nicht gesetzmäßig aus.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 145 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es zwölf einschlägige Vorstrafen, den raschen Rückfall nach der letzten Haftentlassung sowie die mehrmalige Einschüchterung einer schwer behinderten Person als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung als mildernd.

Josef S*** strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im wesentlichen richtig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Das Schöffengericht fand für die fortgesetzte brutale Erpressung des Invalidenrentners L*** durch den mehrfach, u.a. auch zweimal wegen Raubes vorbestraften Angeklagten eine tatschuld- und persönlichkeitsadäquate Sanktion. Relevante Umstände, die eine Reduzierung dieser Sanktion rechtfertigen könnten, wurden im Rechtsmittel nicht dargetan.

Der Berufung konnte daher gleichfalls kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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