JudikaturJustiz10ObS91/14a

10ObS91/14a – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. August 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günter Steinlechner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. Juni 2014, GZ 10 Rs 44/14k 27, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Als Mangelhaftigkeit und als Argument dafür, dass dem (für den Verfahrensstandpunkt des Klägers günstigere) Ergebnis des von Dr. D***** erstellten Befundes den Feststellungen zu Grunde zu legen gewesen wäre, wurde in der Berufung ua geltend gemacht, dass die Untersuchung durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen für Orthopädie und Chirurgie Dr. R***** nur 15 Minuten in Anspruch genommen habe. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen inhaltlich auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, dass der gerügte Mangel nicht vorliege. Nach ständiger Rechtsprechung können auch im sozialgerichtlichen Verfahren angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurden, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS Justz RS0043111). Es liegt auch keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens in dem Sinn vor, dass sich das Berufungsgericht mit der Mängelrüge in der Berufung inhaltlich nicht ausreichend auseinandergesetzt hätte. Nur wenn das Berufungsgericht sich mit der Mängelrüge nicht befasst hat, den Mangel des Verfahrens erster Instanz mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verneint hat oder bei Erledigung einer Mängelrüge die Verfahrensvorschriften unrichtig angewendet hat (RIS Justiz RS0043111), läge ein Mangel des Berufungsverfahrens vor, bzw könnten Mängel des Verfahrens erster Instanz noch in dritter Instanz wahrgenommen werden. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

2.1 Weiters macht der Revisionswerber geltend, er habe bereits in der Berufung die Qualität des Befundes und der Gutachtenserstattung durch die vom Erstgericht bestellte Sachverständige für Neurologie und Psychiatrie Dr. S***** bekämpft, ohne dass das Berufungsgericht seinen Ausführungen gefolgt sei.

Dieser Vorwurf betrifft (ebenso wie das Argument, das Ergebnis des von Dr. D***** erstellten Befundes wäre den Feststellungen zu Grunde zu legen gewesen) die vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfende Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Die Entscheidung über eine Beweisrüge, mit der sich das Berufungsgericht wie im vorliegenden Fall (siehe Seiten 4 f und Seiten 5 f der Berufungsentscheidung) inhaltlich auseinandergesetzt hat, ist im Rahmen der Revision nicht mehr bekämpfbar (RIS Justiz RS0043371 [T21] mwN ua). An dem Grundsatz, dass die Bekämpfung der Sachverhaltsfeststellungen der Tatsacheninstanzen in dritter Instanz nicht möglich ist (RIS Justiz RS0108449), muss demnach auch der Versuch der Revision scheitern, die Richtigkeit der aufgrund des medizinischen Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen in Frage zu stellen. Ob unter Berücksichtigung anderer Beweisergebnisse, insbesondere vorliegender widersprechender Befundberichte, ein Sachverständigengutachten eine ausreichende Grundlage für die Feststellungen bildet, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die ausschließlich von den Tatsacheninstanzen zu beurteilen ist. Gerichtliche Sachverständigengutachten sind in dritter Instanz nur bei einem Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks (RIS Justiz RS0040579 [T1]) bekämpfbar. Einen solchen zeigt der Revisionswerber nicht auf.

2.2 Nach § 480 Abs 1 ZPO idF Budgetbegleitgesetz 2009 ist eine mündliche Berufungsverhandlung nur noch anzuberaumen, wenn es der Berufungssenat etwa aufgrund der Komplexität der zu entscheidenden Rechtssache für erforderlich hält. Ist eine abschließende Sacherledigung ohne eine Berufungsverhandlung möglich, begründet es keinen Verfahrensmangel, wenn die Berufung in nichtöffentlicher Sitzung erledigt wird (RIS Justiz RS0125957). Auch die vom Kläger geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Nichtanberaumung einer Berufungsverhandlung liegt damit nicht vor.

3.1 Der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist ua dann verwirklicht, wenn für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. Nach ständiger Rechtsprechung wird dieser Nichtigkeitsgrund aber nur durch den völligen Mangel an Gründen, nicht jedoch wie der Revisionswerber vorbringt durch eine seiner Ansicht nach mangelhafte Begründung gebildet, weil sich das Berufungsgericht nicht mit den in der Berufungsschrift wiedergegebenen Auszügen aus einem Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen und weiteren juristischen Publikationen sowie Zitaten aus Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs betreffend die Anforderungen an ein Sachverständigengutachten auseinandergesetzt habe. Ein völliger Mangel an Begründung iSd § 477 Abs 1 Z 9 ZPO läge nur vor, wenn die Entscheidung gar nicht oder so mangelhaft begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RIS Justiz RS0042206; RS0007484).

3.2 Nach § 477 Abs 1 Z 3 ZPO ist ein Urteil nichtig, wenn das Urteil von einem Gericht gefällt wurde, obwohl der Umstand nicht geheilt ist, dass die inländische Gerichtsbarkeit fehlt oder das Gericht auch nicht durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien für die betreffende Rechtssache sachlich oder örtlich zuständig gemacht werden kann. § 477 Abs 1 Z 3 ZPO betrifft also den Nichtigkeitsgrund der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit (etwa aufgrund einer Immunität) und der unprorogablen Zuständigkeit ( Pimmer in Fasching/Konecny 2 , § 477 Rz 38). Warum (auch) dieser Nichtigkeitsgrund verwirklicht sein soll, wenn das Berufungsgericht nach Ansicht des Revisionswerbers eine (allgemeine) Auseinandersetzung mit den Berufungsausführungen zu den Anforderungen an Sachverständigengutachten unterlassen habe, wird mit der Argumentation, dass dies „nicht anders zu beurteilen sei, als wenn sich ein Richter eines Senats während einer mündlichen Verhandlung zeitweise aus dem Verhandlungssaal begibt“, nicht einmal andeutungsweise aufgezeigt.

4. Da der Kläger in seiner Revision somit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Rechtssätze
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