JudikaturJustiz10ObS147/22y

10ObS147/22y – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Arno Sauberer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Arnaud Berthou (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2022, GZ 8 Rs 83/22t-49, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger war bis 31. 1. 2021 als Straßenerhaltungsfachmann beim Land Burgenland beschäftigt.

[2] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren auf Feststellung, dass die Versicherungsmonate von 1. 9. 2002 bis 29. 2. 2012 und von 1. 4. 2012 bis 31. 1. 2021 Schwerarbeitsmonate seien, ab.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision des Klägers ist wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.

[4] 1.1. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz bildet nach ständiger Rechtsprechung – auch in Sozialrechtssachen (RIS Justiz RS0043061) – keinen Revisionsgrund (RS0042963; RS0043919; RS0106371). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RS0042963 [T58]). Nur wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat, läge ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vor (RS0040597 [T3, T4]; RS0043086).

[5] 1.2. Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht ausführlich mit den vom Kläger bereits in der Berufung gerügten (behaupteten) Mängeln des Sachverständigengutachtens im Zusammenhang mit der Berücksichtigung unterschiedlicher Bodenverhältnisse als Mehrbelastung im Rahmen der vom Sachverständigen herangezogenen „Bewertungsmatrix“ (vgl Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil , SV-Komm [307. Lfg 2022] § 4 APG Rz 170) auseinandergesetzt. Von einer Nichterledigung der Verfahrensrüge durch das Berufungsgericht kann daher keine Rede sein. In der außerordentlichen Revision wird auch nicht dargetan, dass die gerügten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens auf aktenwidriger Grundlage verneint worden wären. Indem der Kläger in seiner außerordentlichen Revision erneut die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Sachverständigengutachtens rügt, wird daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan.

[6] 2. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828). Das gilt auch für die Frage, ob ein Vorbringen im Prozess bestritten wurde. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Voraussetzungen von Schwerarbeit gemäß § 1 Abs 1 Z 2 SchwerarbeitsV bestritten, der Kläger habe dazu kein konkretes Vorbringen erstattet, hält sich innerhalb des den Vorinstanzen eingeräumten Beurteilungsspielraums.

[7] 3. Es ist den Tatsacheninstanzen zwar nicht verwehrt, in freier Beweiswürdigung auch einem Sachverständigengutachten keinen Glauben zu schenken (vgl RS0043391). Die Frage, ob die eingeholten Sachverständigengutachten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigen, gehört aber in das Gebiet der nicht revisiblen Beweiswürdigung (RS0043163 [T7]) und kann daher im vorliegenden Fall vom Obersten Gerichtshof nicht aufgegriffen werden.

[8] 4. Aus dem Umstand, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Ziffern des § 1 Abs 1 SchwerarbeitsV alternativ („oder“) aufgezählt sind, leitete der Oberste Gerichtshof ab, dass eine „tatbestandsübergreifende“ Kombination ausscheidet (10 ObS 51/22f Rz 22, ZAS 2023/14, 68 [ Heckenast ]). Mit der in der außerordentlichen Revision erhobenen Forderung nach einer Berücksichtigung unterschiedlicher, konkret in § 1 Abs 1 Z 2 und Z 4 SchwerarbeitsV normierter Belastungselemente im Weg eines „beweglichen Systems“ wird daher weder das Fehlen von Rechtsprechung noch ein Abweichen des Berufungsgerichts von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Frage dargetan.

[9] Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO wird daher insgesamt nicht aufgezeigt.

Rechtssätze
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