JudikaturJustiz10Ob54/22x

10Ob54/22x – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Faber und die Hofräte Mag. Schober, Dr. Thunhart und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J*, 2. R*, beide vertreten durch Ferner Hornung Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. DI G*, 2. U*, beide vertreten durch MMag. Lisa Pirker, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert 10.000 EUR) und Zwischenantrag auf Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 8. September 2022, GZ 53 R 119/22i 32, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 21. April 2022, GZ 1 C 1007/20d 28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit 958,58 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 159,76 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die den Klägern zustehende Dienstbarkeit des Fahrrechts infolge Widersetzlichkeit durch die Beklagten (zur Gänze) erloschen ist.

[2] Die Beklagten, ihre Rechtsvorgänger und deren Familienangehörige haben es sich im Lauf der Zeit zur Angewohnheit gemacht, Fahrzeuge auf der Dienstbarkeitsfläche zu parken, nämlich auf zwei bestimmten Flächen, wobei das Abstellen auf einer dieser Flächen („Parkplatz 1“) zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung der Zufahrt über die Dienstbarkeitsfläche führt. Durch das Parken eines Fahrzeugs auf der anderen Fläche („Parkplatz 2“) wird die Zufahrt wesentlich erschwert, insbesondere für breitere Fahrzeuge; auch eine Begegnung von zwei PKW ist dann hier nicht mehr möglich.

[3] Zum Teil wurden Fahrzeuge (nur) auf Parkplatz 1 abgestellt. Ob vor März 2019 auch Parkplatz 2 kontinuierlich von Hausbewohnern und/oder Besuchern zum Abstellen von PKWs benützt wurde, steht nicht fest. Es kam aber hin und wieder jedenfalls stundenweise, manchmal auch über Nacht, dazu, dass Besucher bzw Hausbewohner auch auf Parkplatz 2 parkten, etwa anlässlich von Familienfesten. Wenn dies den Klägern auffiel, sie sich aber nicht behindert fühlten, erhoben sie dagegen keinen Einwand. Wenn sie aber – etwa beim Zufahren mit landwirtschaftlichen Fuhren – beeinträchtigt waren, ersuchten sie die jeweiligen Fahrzeugbesitzer wegzufahren, was dann auch geschah. Ab 2020 weigerte sich jedoch der Erstbeklagte, sein für die Kläger behindernd abgestelltes Fahrzeug wegzufahren.

[4] Die Kläger begehren in der im Oktober 2020 eingebrachten Klage die Feststellung, dass ihnen und ihren Rechtsnachfolgern die Dienstbarkeit des Fahrrechts auf dem über das dienende Grundstück führenden Zufahrtsweg zustehe, sowie die Unterlassung des Parkens von Fahrzeugen auf diesem Zufahrtsweg und ähnliche Störungshandlungen; außerdem stellten sie mehrere Eventualbegehren. Die Beklagten würden immer wieder Fahrzeuge im Bereich der Zufahrt abstellen, was die Kläger in der Ausübung ihrer Dienstbarkeit behindere. Wiederholte Aufforderungen, dies zu unterlassen, seien fruchtlos geblieben. Sollte es durch die von der Beklagten behauptete Widersetzung durch das Parken von Fahrzeugen gekommen sein, habe dies maximal zu einer Einschränkung der bestehenden Dienstbarkeit geführt.

[5] Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage und stellten den Zwischenfeststellungsantrag auf Feststellung, dass die Servitut erloschen sei. Nur ein kleiner Bereich des dienenden Grundstücks werde noch durch die Kläger als Zufahrt benutzt. Darüber hinaus hätten sich die Beklagten und deren Rechtsvorgänger durch das Abstellen ihrer Fahrzeuge eindeutig der Dienstbarkeit widersetzt, sodass eine Freiheitsersitzung eingetreten sei.

[6] Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren der Kläger in Bezug auf eine näher bezeichnete Fläche (Parkplatz 2) statt, wies das Mehrbegehren (hinsichtlich Parkplatz 1) ab und die Eventualbegehren zurück. Außerdem stellte es fest, dass die Dienstbarkeit hinsichtlich der näher bezeichneten Fläche (Parkplatz 1) erloschen sei und wies den Zwischenfeststellungsantrag im Übrigen (Parkplatz 2) ab. Hinsichtlich Parkplatz 1 hätten sich die Beklagten der Ausübung der Servitut widersetzt, sodass das Fahrtrecht insofern nach § 1488 ABGB erloschen sei. Hinsichtlich Parkplatz 2 seien Fahrzeuge jedoch nur fallweise abgestellt worden, was die Kläger nicht ausreichend wahrnehmen hätten können bzw woraufhin die Kläger, wenn es ihnen aufgefallen sei und sie sich behindert gefühlt hätten, ohnedies erfolgreich um Freimachung ersucht hätten; die Beklagten hätten erst seit 2020, also nicht innerhalb der Frist des § 1488 ABGB, ein Wegfahren der Fahrzeuge verweigert.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, wobei es (auch) gemäß § 500a ZPO auf die Rechtsausführungen des Erstgerichts verwies. Wenn hin und wieder Fahrzeuge im Bereich des Parkplatzes 2 geparkt hätten, stelle dies keine ausreichende physische Komponente dar, die einer wahrnehmbaren und manifesten Widersetzungshandlung entspreche.

[8] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu, weil es die Frage der Widersetzlichkeit seitens der Beklagten „falsch beurteilt“ haben könnte.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[10] 1.1. Dienstbarkeiten verjähren durch bloßen Nichtgebrauch gewöhnlich in 30 Jahren (§ 1479 ABGB). § 1488 ABGB verkürzt diesen Zeitraum auf drei aufeinander folgende Jahre, wenn sich der Verpflichtete über diese gesamte Zeit der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt und der Berechtigte sein Recht, ohne richterliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, nicht geltend macht („Freiheitsersitzung“). Dabei handelt es sich um einen Fall der Verjährung (RIS Justiz RS0034333).

[11] 1.2. Die Freiheitsersitzung erfolgt durch die Inanspruchnahme des Vollrechts durch den Eigentümer (Besitzer) der belasteten Liegenschaft (und nicht durch Dritte; RS0034264) in Verbindung mit einer manifesten Beeinträchtigung des Servitutsrechts (RS0034288). Eine solche Beeinträchtigung einer Wegeservitut liegt regelmäßig in der Widersetzlichkeit des Dienstbarkeitsbelasteten (RS0034271) dadurch, dass dieser ein (wenngleich nicht unüberwindliches, so doch) die Servitutsausübung beträchtlich beeinträchtigendes Hindernis errichtet, das die ungehinderte Benützung des Dienstbarkeitswegs auf gewöhnliche und allgemein übliche Art unmöglich macht (RS0034309 [T6]; RS0034271 [T11]; RS0037141 [T1]). Ein letztlich erfolglos gebliebenes Widerstreben des Verpflichteten führt nicht zum Rechtsverlust (RS0034271 [T4, T6]; RS0034241 [T3]).

[12] 1.3. Die Frage, ob sich der Belastete der Ausübung einer Servitut iSd § 1488 ABGB widersetzt hat, wofür er die Behauptungs- und Beweislast trägt (RS0034333 [T4]), begründet wegen ihrer Einzelfallbezogenheit in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0034288 [T2, T5]; RS0034241 [T9]).

[13] 2.1. Mit der Argumentation der Vorinstanzen, dass die Beeinträchtigungen für die Kläger nicht hinreichend wahrnehmbar gewesen seien und ansonsten entfernt worden seien, sobald sie darauf hingewiesen hätten, und deswegen die Voraussetzungen einer Freiheitsersitzung nicht vorlägen, setzen sich die Beklagten in der Revision nicht auseinander.

[14] 2.2. Soweit sie sich auf die Entscheidungen 10 Ob 17/21d und 3 Ob 47/07v berufen, nahmen dort die fallweisen Beeinträchtigungen zwar unregelmäßig, aber doch ein höheres Ausmaß an (10 Ob 17/21d: nahezu täglich; 3 Ob 47/07v: teilweise jeden Tag). Ein solches Ausmaß lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen, sodass die Revision nicht aufzeigt, inwiefern die Vorinstanzen den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum überschritten.

[15] 2.3. In der Entscheidung 4 Ob 58/09x, worauf die Revision ebenso Bezug nimmt, war eine abschließende Beurteilung der Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB mangels näherer Feststellungen zu Ausmaß und Intensität sowie zeitlicher Einordnung der Behinderung letztlich nicht möglich, sodass für den Standpunkt der Beklagten daraus nichts zu gewinnen ist.

[16] 3.1. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit zurückzuweisen .

[17] 3.2. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16, T20]).

Rechtssätze
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