JudikaturJustiz10Ob45/15p

10Ob45/15p – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden und die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. E*****, Rechtsanwalt, als Insolvenzverwalter der H***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Proksch Partner Rechtsanwälte OG in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei N*****, vertreten durch Mag. Gerhard Sporer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Susanna Michalek, Rechtsanwältin in Wien, wegen 4.344,88 EUR sA und Räumung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. August 2014, GZ 39 R 136/14k 29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Das unterbrochene Verfahren wird über Antrag der klagenden Partei fortgesetzt.

2. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf Dr. E*****, Rechtsanwalt, als Insolvenzverwalter im Konkurs der H***** GmbH in Liquidation berichtigt.

3. Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Gemeinschuldnerin bzw nunmehr der Kläger begehrt die Zahlung offener Mietzinse und Benutzungsentgelte sowie die Räumung des der Beklagten vermieteten Bestandobjekts.

Gegen das klagsstattgebende Urteil erster Instanz erhob die Beklagte Berufung. Nach Vorlage des Akts langte beim Berufungsgericht am 4. 6. 2015 ein Schriftsatz mit einer gemeinsamen Ruhensanzeige der Parteien ein. Für die Gemeinschuldnerin war der Schriftsatz von Rechtsanwalt DDr. K***** unterfertigt, der sich auf die erteilte Vollmacht berief, für die Beklagte von ihrem bereits bisher im Verfahren einschreitenden Vertreter. Mit Beschluss vom 18. 6. 2014 stellte das Berufungsgericht fest, dass die gemeinsame Ruhensanzeige zur Kenntnis dient.

Mit Schriftsatz vom 23. 6. 2014 gab die Gemeinschuldnerin bekannt, dass DDr. K***** nicht von ihren vertretungsbefugten Organen bevollmächtigt worden sei. Die vollmachtslos eingebrachte Ruhensanzeige sei zurückzuweisen und das Verfahren fortzusetzen. Zugleich wurde beantragt, das Verfahren zur Einleitung und Überprüfung des Sachverhalts im Hinblick auf eine strafrechtlich relevante Tatbestandsmäßigkeit zu unterbrechen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 20. 8. 2014 wies das Berufungsgericht die gemeinsame Ruhensanzeige zurück, den Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens ab und verpflichtete die Beklagte, von ihr verursachte Kosten der Gemeinschuldnerin im Verfahren über die Zurückweisung der Ruhensanzeige zu ersetzen.

Rechtliche Beurteilung

1. Über das Vermögen der H***** GmbH in Liquidation wurde am 16. 1. 2015 der Konkurs eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde Dr. E***** bestellt. Gemäß § 7 Abs 1 IO werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme einer hier nicht vorliegenden -Streitigkeit iSd § 6 Abs 3 IO, unterbrochen. Dementsprechend sind auch Streitigkeiten über die Aufkündigung von Bestandverhältnissen (RIS Justiz RS0111439) oder die Räumung von Bestandobjekten (vgl 8 Ob 114/12s, 10 Ob 516/95 ua) unterbrochen. Ist die Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 7 Abs 1 IO im Revisionsstadium eingetreten, dann ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung über den Aufnahmeantrag und die Berichtigung der Bezeichnung der Partei, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, berufen (§ 165 Abs 1 ZPO; RIS Justiz RS0097353). Aufgrund des Fortsetzungsantrags des Klägers war daher die Fortsetzung zu beschließen und die Parteienbezeichnung auf den Insolvenzverwalter zu berichtigen.

2. Der ausschließlich gegen die Zurückweisung der Ruhensanzeige gerichtete Rekurs der Beklagten ist unzulässig.

Nach § 519 Abs 1 ZPO ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichts der Rekurs nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat oder das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu treffende Entscheidung aufgetragen oder die Sache an ein anderes Berufungsgericht verwiesen und ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.

Vom Berufungsgericht im Berufungsverfahren gefasste Beschlüsse, die in § 519 ZPO nicht aufgezählt sind, können dagegen nicht angefochten werden. Die Anwendung des § 519 ZPO ist dabei nicht auf Beschlüsse beschränkt, die das Berufungsverfahren beenden (vgl Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 519 ZPO Rz 4). Sie umfasst beispielsweise auch Urteilsberichtigungsbeschlüsse, Entscheidungen über Klagsänderungen, Richtigstellung der Parteienbezeichnung sowie die Zurückweisung unzulässiger Schriftsätze (vgl 1 Ob 560/94). Nach ständiger Judikatur sind auch Unterbrechungsbeschlüsse des Berufungsgerichts ebenso unanfechtbar wie die Zurückweisung eines Fortsetzungsantrags (vgl Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 519 Rz 2; RIS Justiz RS0037125; RS0105321). Davon ist der Oberste Gerichtshof in Fällen abgegangen, in denen mit der Entscheidung über die Unterbrechung bzw die Verweigerung der Fortsetzung auch die weitere Prozessführung abgeschnitten wird. Unter diesem Aspekt wurde in der im Rekurs zitierten Entscheidung 9 ObA 181/88 (= EvBl 1989/60, 215) ein Beschluss, mit dem ein Fortsetzungsantrag im Berufungsverfahren zurückgewiesen wurde, weil „ewiges Ruhen“ eingetreten war, der Zurückweisung einer Klage gleichgehalten und der Rekurs als zulässig erachtet (vgl auch RIS Justiz RS0105321). Die Anfechtbarkeit hat in diesem Fall ebenso wie bei den in § 519 Abs 1 Z 1 ZPO genannten Beschlüssen ihren Grund darin, die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes zu verhindern.

Im Gegensatz dazu wird mit der bekämpften Zurückweisung der gemeinsamen Ruhensanzeige durch das Berufungsgericht eine Fortsetzung des Verfahrens angeordnet. Es kommt daher die Grundwertung des § 519 Abs 1 ZPO zum Tragen, dass mangels Vorliegens eines der Ausnahmefälle der Z 1 und 2 des § 519 Abs 1 ZPO der Rekurs gegen den Beschluss des Berufungsgerichts nicht zulässig und daher zurückzuweisen ist.

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