JudikaturJustiz10Ob105/05x

10Ob105/05x – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Roswitha Ortner, Rechtsanwältin in Villach, gegen die beklagte Partei C*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Günther Eybl, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen EUR 18.800, s.A. (Revisionsinteresse EUR 8.698,24 s.A.), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 11. April 2005, GZ 22 R 67/05t 79, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 25. November 2004, GZ 22 C 912/00x 72, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil und das diesem vorangegangene Ersturteil werden im Umfang des Entscheidungsgegenstandes von EUR 8.698,24 samt 5 % Zinsen ab 14. 7. 1998 aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Auf der Grundlage eines am 13. 3. 1997 gestellten Anbots lieferte die klagende Partei der beklagten Partei Ersatzteile für einen Bagger Komatsu PC 240. Laut Anbot sollte die Montage der Teile gesondert in Rechnung gestellt werden. Die Ersatzteile wurden von der klagenden Partei am 27. 5. 1997 zu Nr 7277 mit einem Betrag von ATS 81.645,60 (= EUR 5.933,42) fakturiert und von der beklagten Partei bezahlt.

Die Montage der Teile wurde von 13. - 15. 5. 1997 durchgeführt. Ein paar Tage später rügte ein Vertreter der beklagten Partei verschiedene Mängel, die zu einer Behebung am 20. 5. bzw am 23. 6. 1997 führten. Mit Faktura Nr 7946 vom 30. 12. 1997 stellte die klagende Partei für die Montagearbeiten ATS 116.345,20 (= EUR 8.491,47) in Rechnung. Die von der klagenden Partei am Bagger Komatsu PC 240 durchgeführte Installation war unfachmännisch, aber zweckdienlich. Eine schriftliche Mängelrüge erfolgte nicht. Die von der klagenden Partei verrechneten ATS 116.345,20 (= EUR 8.491,47) sind angemessen.

Am 9. 4. 1998 bestellte ein Vertreter der beklagten Partei bei der klagenden Partei verschiedene Teile für einen Bagger CAT 225, die am 22. 5. 1998 auf eine Baustelle geliefert wurden, auf der der Bagger im Einsatz war. Die Teile wurden von der klagenden Partei mit Rechnung Nr 8222 am 30. 6. 1998 mit einem Betrag von ATS 119.690,40 (= EUR 8.698,24) fakturiert.

Nach Durchführung der Montagearbeiten rügte die beklagte Partei, dass ein Sperrventil undicht geworden wäre. Die klagende Partei veranlasste noch am selben Tag die Lieferung der Dichtringe eines gebrauchten Sperrventils an die beklagte Partei. Nach wenigen Tagen wurden die Dichtringe wieder defekt, worauf die klagende Partei ein neues Sicherheitsventil bestellte und einbaute. Beim Auswechseln des Sicherheitsventils fiel der Böschungslöffel herunter, entweder weil die mechanische Sicherung für die Baggerschaufel nicht eingehängt war oder weil sich die hydraulische Verriegelung von selbst gelöst hatte.

Am 5. 6. 1998 wurde betreffend den Bagger CAT 225 ein Übernahmeprotokoll erstellt. Darin wurde - neben dem Defekt des Sicherheitsventils - festgestellt, dass die Trapezschaufel in die Künette gefallen, ein Steuerventil mit neuem Gehäuse eingebaut und der Bagger probegefahren worden war. Das Protokoll enthält den Hinweis: „Funktionsfähigkeit vorhanden! Bagger in Ordnung übergeben!" und wurde von einem Vertreter der beklagten Partei und dem Monteur der klagenden Partei unterfertigt.

Der Generalunternehmer der Baustelle, auf der der Bagger CAT 225 eingesetzt war, hat den Vertrag mit der beklagten Partei unter anderem deshalb aufgelöst, weil der Bagger CAT 225 öfters defekt war.

Die klagende Partei fakturierte das Ersetzen des Sicherheitsventils am 15. 7. 2000 zur Rechnungsnummer 9946 mit ATS 22.158, - (= EUR 1.610,29).

Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei die Zahlung der drei Rechnungen

Nr 7946 (EUR 8.491,47 - Komatsu),

Nr 8222 (EUR 8.698,24 - CAT 225) und

Nr 9946 (EUR 1.610,29 - Sicherheitsventil für CAT 225).

Die beklagte Partei bestritt und wandte ein, dass die verrechneten Preise weder den getroffenen Vereinbarungen entsprächen noch angemessen seien. Überdies sei die Montage in Bezug auf beide Bagger mangelhaft erfolgt. Dadurch sei der beklagten Partei ein Verdienstentgang entstanden; außerdem habe die beklagte Partei auf ihre Kosten Fremdgeräte einsetzen müssen und es sei ein Auftrag wegen des Nichtfunktionierens eines Baggers aufgekündigt worden. Insgesamt sei der beklagten Partei ein Schaden in Höhe von ATS 297.480, - (= EUR 21.618,71) entstanden, der kompensando gegen die Klagsforderung eingewendet werde. Die Rechnung vom 30. 12. 1997, Nr 7946, über EUR 8.491,47 (Komatsu) sei sofort beanstandet worden.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit EUR 17.189,71 als zu Recht und mit EUR 1.610,29 nicht als zu Recht bestehend fest, erkannte die eingewendete Gegenforderung als unberechtigt und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 17.189,71 s.A. Die Abweisung von EUR 1.610,29 s.A. sowie eines Zinsenmehrbegehrens erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass die klagende Partei die gelieferten Teile sowie die erbrachten Arbeiten preisangemessen verrechnet habe. Eine Mangelhaftigkeit der Montagearbeiten sei nicht bewiesen worden. Die mit EUR 1.610,29 verrechneten Arbeiten am Bagger CAT 225 seien von der klagenden Partei aus ihrer Gewährleistungsverpflichtung zu erbringen gewesen. Die Gegenforderung sei unberechtigt, weil die klagende Partei den von ihr eingewendeten Schadenersatzanspruch nicht beweisen habe können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass (als Teilurteil) die Klagsforderung als mit EUR 8.698,24 zu Recht und die eingewendete Gegenforderung - beurteilt bis zur Höhe dieser Klagsforderung - als nicht zu Recht bestehend festgestellt wurde. Die beklagte Partei wurde daher schuldig erkannt, der klagenden Partei EUR 8.698,24 s.A. zu bezahlen. Hinsichtlich des weiteren Zuspruchs von EUR 8.491,47, der Entscheidung über die Gegenforderung bis zu dieser Höhe und des Kostenpunktes wurde das Ersturteil aufgehoben und dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Berufungsgericht in Bezug auf die Bestätigung des Ersturteils (Forderung von EUR 8.698,24 s.A. aus der Rechnung Nr 8222 vom 30. 6. 1998 betreffend den Bagger CAT 225) die Ansicht, dass es dem Besteller (Käufer) zur Wahrung seiner Gewährleistungsansprüche nach § 933 ABGB obliege, innerhalb der im § 933 ABGB genannten Frist konkrete Mängel zumindest durch Beschreibung der auf ihr Vorhandensein hinweisenden Folgen zu behaupten. Mit einer Verbesserung oder neuerlichen Ablieferung trete die Rechtslage bezüglich des dadurch anerkannten Mangels in das Stadium vor Ablieferung zurück und es beginne auch die Gewährleistungsfrist für die Geltendmachung von Mängeln neu zu laufen. Nach den Feststellungen habe die beklagte Partei in Bezug auf den Bagger Komatsu Mängel gerügt, worauf am 20. 5. 1997 sowie am 23. 6. 1997 Nach- bzw Verbesserungsarbeiten erfolgt seien. Selbst unter der Annahme, dass am 23. 8. 1997 Änderungsarbeiten wegen anhaltender Dichtheitsprobleme erfolgt seien, sei die Rechtslage im Hinblick auf die durchgeführte Verbesserung in das Stadium vor Ablieferung zurückgetreten, sodass die beklagte Partei die Verbesserung (neuerlich) als mangelhaft oder unzulänglich rügen hätte müssen. Da beide Parteien Vollkaufleute seien und § 377 HGB auch für einen (hier vorliegenden) Werklieferungsvertrag in Ansehung beweglicher Sachen die Verpflichtung zur unverzüglichen Mängelrüge normiere, hätten nach dem 23. 8. 1997 anhaltende Dichtheitsprobleme bei den Leitungen und Kupplungen sogar unverzüglich gerügt werden müssen, um einen Verbesserungsanspruch zu wahren. Eine Mängelrüge (erst) nach Legung der Rechnung vom 30. 12. 1997 sei ungenügend.

Bezüglich der Teilelieferung für den CAT 225 sei nur eine Mängelrüge zur Undichtheit des Sperrventiles festgestellt und dass bei dessen Auswechslung der Böschungslöffel (oder Trapezlöffel) heruntergefallen sei. Selbst wenn - entsprechend den Behauptungen der beklagten Partei - noch weitere Mängelrügen erhoben worden wären, sei zu bedenken, dass dieser Bagger von der beklagten Partei am 5. 6. 1998 als funktionsfähig und in Ordnung befindlich übernommen worden sei, weshalb auch hier die beklagte Partei neu (oder wiederum) auftretende Mängel nach § 377 HGB unverzüglich rügen hätte müssen. Mangels festgestellter (weiterer) Mängelrügen müssten die Montageleistungen der klagenden Partei bezüglich beider Bagger als genehmigt erachtet werden, weshalb ein Resterfüllungsanspruch (aus dem Titel der Gewährleistung) zu verneinen und die Fälligkeit der Ansprüche zu bejahen sei. Die Klagsforderung laut Rechnung Nr 8222 über EUR 8.698,24 (betreffend den CAT 225) sei daher als berechtigt und die Gegenforderung in diesem Umfang als nicht berechtigt festzustellen und die beklagte Partei zur Leistung von EUR 8.698,24 s.A. zu verurteilen.

Bezüglich des Klagsanspruchs auf Leistung weiterer EUR 8.491,47 s.A. seien im fortgesetzten Verfahren nach Aufnahme eines Sachverständigenbeweises Feststellungen zum ortsüblichen Preis- und Stundenaufwand für die Herstellung der von der klagenden Partei verrechneten Montageleistungen zu treffen, damit die Angemessenheit der verrechneten Leistungen beurteilt werden könne. Gemäß § 496 Abs 3 ZPO sei daher die Erstentscheidung im Umfang von EUR 8.491,47 (sowie auch hinsichtlich der gegen diesen Anspruchsteil eingewendeten Gegenforderung) aufzuheben.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass im Umfang der Bestätigung der erstgerichtlichen Entscheidung (EUR 8.698,24 s.A.) die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zu ersehen seien, denen eine grundsätzliche rechtserhebliche Bedeutung beigemessen werden hätte können.

Über Antrag der beklagten Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO änderte das Berufungsgericht den Zulassungsausspruch dahin ab, dass es die ordentliche Revision doch für zulässig erklärte, weil der Rechtsfrage eine grundsätzliche rechtserhebliche Bedeutung zugemessen werden könnte, ob der Rechtssatz, dass bei Ablehnung einer Verbesserung nicht neuerlich gerügt werden müsse, um sich den Einwand der mangelnden Fälligkeit zu wahren, auch auf den Fall übertragbar sei, dass die durch (wenngleich vom Werkunternehmer verrechnete) Reparaturarbeiten verbesserte Sache vom Besteller (wieder) übernommen und die Ordnungsgemäßheit der Sache bei Übernahme bestätigt werde, oder ob in diesem Fall die Rechtslage - wie vom Berufungsgericht entschieden - in das Stadium vor Ablieferung zurücktrete und (neu oder wiederum) auftretende Mängel einer neuerlichen (unverzüglichen) Rüge bedürften. Dieser Rechtsfrage, zu der auch keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege, könne auch über den Einzelfall hinaus eine grundsätzliche rechtserhebliche Bedeutung beigemessen werden.

Gegen das einen Streitwert von EUR 8.698,24 s.A. betreffende Teilurteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt (Zustellung der Freistellung der Revisionsbeantwortung am 19. 7. 2005).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig; sie ist auch im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und des diesem vorangegangenen Urteils erster Instanz im Umfang des Gegenstandes des Teilurteils (EUR 8.698,24 s.A.) berechtigt.

Klarstellend ist vorweg festzuhalten, dass sich der Revisionsgegenstand auf die Rechnung Nr 8222 über EUR 8.698,24 betreffend den CAT 225 bezieht.

Aufgrund der getroffenen Feststellungen zu den „Bestellungen" der beklagten Partei bei der klagenden Partei liegt - zumindest im Zweifel (RIS Justiz RS0113879) - ein einheitlicher Vertrag über die Lieferung der Ersatzteile und deren Montage vor. Die Ansicht, dass der Schwerpunkt des Vertrages in den zu liefernden Ersatzteilen liegt und die Montagepflicht als Nebenpflicht anzusehen ist, weshalb von einem Werklieferungsvertrag über eine bewegliche Sache auszugehen sei, ist nicht zu beanstanden (vgl 6 Ob 83/03d = DRdA 2004, 334 [ Kerschner] = ZAS 2004, 239 [ Kietaibl] ). In diesem Fall gilt bei einem Vertrag zwischen Vollkaufleuten die Rügepflicht nach § 377 HGB (§ 381 Abs 2 HGB; RIS Justiz RS0021704).

Wird nach der ursprünglichen Lieferung ein Mangel verbessert, tritt die Rechtslage in das Stadium vor der Ablieferung zurück (6 Ob 126/01z = ecolex 2002, 661; 6 Ob 302/01g = ecolex 2002, 815; Reischauer in Rummel 3 § 933 Rz 5 zu der auch hier noch anzuwendenden Rechtslage vor dem Inkrafttreten des GewRÄG 2001, BGBl I 2001/48). Es wird dadurch ein neuer Beginn der Gewährleistungsfrist ausgelöst. Dies gilt in gleicher Weise, wenn die Verbesserung zu einem neuen Mangel führt ( Kurschel , Die Gewährleistung beim Werkvertrag [1989] 115 f). Hat eine neue Gewährleistungsfrist zu laufen begonnen, trifft den Käufer erneut eine Rügeobliegenheit hinsichtlich der nach Verbesserung noch immer vorhandenen oder neu aufgetretenen Mängel (vgl Kramer in Straube , HGB I3 §§ 377, 378 Rz 13 aE; BGH NJW 1983, 1495; eingehend zuletzt Mankowski , Das Zusammenspiel der Nacherfüllung mit den kaufmännischen Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten, NJW 2006, 865 ff). Die rechtzeitige Erhebung der Mängelrüge ist vom Käufer bzw dem Empfänger der Werklieferung zu behaupten und zu beweisen (RIS Justiz RS0062557 [T3] und [T4]; Grunewald in MünchKomm HGB § 377 Rz 64, 137).

Der vorliegende Fall ist mit demjenigen, in dem eine Verbesserung vom Gewährleistungsverpflichteten abgelehnt wird, nicht vergleichbar. Wurden nämlich (anders als im vorliegenden Fall am CAT 225) keine Verbesserungsarbeiten durchgeführt und bleibt daher der seinerzeit schon gerügte mangelhafte Zustand erhalten, ist der Abnehmer nicht zu einer bloßen „Wiederholung" der ersten, nach der ursprünglichen Ablieferung erhobenen Mängelrüge verpflichtet (6 Ob 302/01g = ecolex 2002, 815). Die Frage, ob in fehlgeschlagenen Verbesserungsversuchen ein konkludenter Verzicht auf die Einrede der verspäteten Mängelrüge zu sehen ist, ist ohne Belang; sie würde sich auf die erste Mängelrüge (nach ursprünglicher Ablieferung) beziehen und nicht auf die nach Durchführung einer Verbesserung zu erhebende Mängelrüge.

Zu Recht macht die beklagte Partei in ihrer Revision aber als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend, das Gericht hätte mit ihr iSd § 182a ZPO erörtern müssen, ob sie auch Vorbringen dazu erstattet, dass nach der Verbesserung erneut eine Mängelrüge erhoben wurde. Die durch die ZVN 2002, BGBl I 2002/76, eingefügte Bestimmung des § 182a ZPO normiert die Pflicht des Gerichtes, das Sach- und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern und schreibt das von der Rechtsprechung zuvor aus § 182 ZPO abgeleitete „Verbot von Überraschungsentscheidungen" fest. Danach darf das Gericht, sieht man von Nebenansprüchen (Zinsen, Kosten uä) ab, seine Entscheidung nur auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, stützen, wenn es sie zuvor mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat (1 Ob 215/05g = RIS Justiz RS0108816 [T3]). Diese Bestimmung ist gemäß Art XI Abs 3 der ZVN 2002 auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden (das Verfahren wurde am 17. 4. 2000 eingeleitet und in erster Instanz am 7. 7. 2003 geschlossen). Im Zusammenhang mit der Schaffung des § 182a ZPO hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Meinung, nur eine Rechtsansicht, die bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt wurde, weshalb keine Gelegenheit zur Stellungnahme bestand, könne als überraschend angesehen werden, nach der ZVN 2002 nicht aufrecht erhalten bleiben kann. § 182a ZPO erweitert nun die Pflichten der Gerichte, weil eine Partei auch erkennbar rechtliche Gesichtspunkte, die von der Gegenseite bereits ins Spiel gebracht worden waren, übersehen oder für unerheblich gehalten haben kann (RIS Justiz RS0120056; Schragel in Fasching/Konecny 2 §§ 182, 182a ZPO Rz 10).

Die klagende Partei hat im Schriftsatz vom 10. 8. 2000 (ON 8) vorgebracht, dass die beklagte Partei mit Schreiben vom 4. 6. 1998 verschiedene Mängel am CAT 225 gerügt habe, die - soweit sie überhaupt in die Ingerenz der klagenden Partei gefallen seien - beseitigt worden seien. Die beklagte Partei hat sich zwar weiterhin auf die Mangelhaftigkeit der von der klagenden Partei erbrachten Leistungen berufen, aber nicht explizit vorgebracht, dass sie nach der Reparatur durch die klagende Partei erneut eine Mängelrüge erhoben hat. Dieser Aspekt wurde von der beklagten Partei angesichts ihres Rechtsstandpunktes offensichtlich übersehen; er wäre mit ihr zu erörtern gewesen, bevor das (Berufungs )Gericht - auf der Grundlage des Fehlens entsprechender Tatsachenbehauptungen - dem Prozessstandpunkt der beklagten Partei nicht Rechnung trägt.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher das Gericht mit den Parteien die Frage eines Vorbringens zur Erhebung einer Mängelrüge nach den Verbesserungsarbeiten am CAT 225 zu erörtern haben. Da das Berufungsgericht bereits hinsichtlich einer Teilforderung von EUR 8.491,47 s.A. das Ersturteil aufgehoben und dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung aufgetragen hat, ist auch hinsichtlich der weiteren Forderung von EUR 8.698,24 s.A. eine Aufhebung in die erste Instanz sinnvoll.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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