IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , syrischer Staatsangehöriger, vertreten durch RA Dr. Gregor KLAMMER, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2025, Zl. 1328022107-223164862, wegen Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der aus Syrien stammende, illegal ins Bundesgebiet eingereiste XXXX (Beschwerdeführer/BF) stellte am 07.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am darauffolgenden Tag gab er an, er habe Syrien wegen des Bürgerkrieges verlassen. Dort herrsche keine Sicherheit.
2. Mit Schriftsatz vom 28.10.2024 erhob der BF Säumnisbeschwerde gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen und in der Sache selbst entscheiden.
3. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) gab der BF bei seiner ersten niederschriftlichen Einvernahme am XXXX .12.2024 zusammengefasst an, er stamme aus XXXX im Gouvernement Aleppo, sei ledig und habe keine Kinder. In Syrien sei er wegen der Kampfhandlungen in seinem Heimatort nie zur Schule gegangen. Syrien habe er 2017/18 verlassen und sei in die Türkei gereist. 2022 sei er dann nach Österreich weitergereist. Er könne nicht nach Syrien zurück, weil er vom dortigen Militär gesucht werde und nicht zum Militär wolle. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien drohe ihm eine Haftstrafe oder der Einsatz an der Front.
4. Mit Erkenntnis vom 12.05.2024, Zl. W176 2306081-1/8E, trug das Bundesverwaltungsgericht der belangten Behörde gemäß § 28 Abs. 8 VwGVG auf, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der im Spruch dieses Erkenntnisses dargelegten Rechtsanschauung binnen acht Wochen zu erlassen.
5. Dagegen erhob der BF mit Schriftsatz vom 17.05.2025 außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
6. Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der BF bei seiner zweiten niederschriftlichen Einvernahme am XXXX .06.2025 zusammengefasst Folgendes an: Seine Familie lebe in der Türkei, ein Bruder halte sich in Wien auf. An seinem Fluchtgrund habe sich nichts geändert. In der Nähe seines Heimatortes gebe es Kampfhandlungen zwischen der neuen Regierung und den Kurden. Momentan wolle er nicht nach Syrien zurückkehren.
7. Mit dem verfahrensgegenständlichen, als Bescheiddatum den „30.06.2024“ anführenden und dem BF am 02.07.2025 zugestellten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Die belangte Behörde ging davon aus, dass der BF Syrer, Araber und Sunnit sei und aus XXXX , Gouvernement Aleppo, stamme. Weder sei er für das Assad-Regime tätig gewesen noch habe er in dessen Streitkräften gedient. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien er keiner Verfolgung durch die aktuelle Regierung ausgesetzt. Weiters wurden auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 08.05.2025 (Version 12) gestützte Feststellungen zur Lage in Syrien getroffen.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dem BF drohe keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
8. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom „02.07.2025“ wendet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 28.07.2025 wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem BF nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
Darin wird nach Ausführungen zur allgemeinen politischen Situation in Syrien nach Sturz des Assad-Regimes sowie zur dort herrschenden Sicherheitslage, Versorgungslage sowie Wohnsituation und Infrastruktur vorgebracht, in Manbidsch, der „Heimatregion des Beschwerdeführers“, bestehe „ein erheblicher Druck durch lokale Stammesführer, sich an den Kämpfen zu beteiligen.“ Bei Weigerung würden dem BF „schwerste Konsequenzen bis hin zur Tötung“ drohen.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
9. Mit Bescheid vom 28.07.2025 berichtigte die belangte Behörde “ gemäß § 62 Abs. 4 AVG das Bescheiddatum des unter Punkt 7. dargestellten Bescheides von „30.06.2024“ auf „30.06.2025“.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Der BF wurde am XXXX in XXXX , Distrikt XXXX , Gouvernement Aleppo geboren, ist syrischer Staatsangehöriger, Araber und Sunnit und hat dort bis zu seiner Ausreise aus Syrien2018 gelebt.
XXXX steht unter der Kontrolle der neuen HTS-geführten syrischen Regierung.
Seit dem Sturz des Assad-Regimes im Dezember 2024 gibt es keine staatliche Wehrpflicht mehr in Syrien. Die neue syrische Armee führt keine Zwangsrekrutierungen durch.
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dem BF in Syrien in Hinblick auf seine Religions- oder Volksgruppenangehörigkeit oder seine politische Gesinnung hier relevante Verfolgung droht.
1.2. Hinsichtlich der Lage in Syrien:
Politische Lage: Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes am 08.12.2024
Die Transformation des syrischen Staates ist noch nicht abgeschlossen und es wurden bereits Änderungen für März 2025 angekündigt. Im Folgenden wird der aktuelle Stand dargelegt, wie er sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Teilweise werden Falschinformationen, insbesondere auf Social-Media-Kanälen verbreitet, die in weiterer Folge auch Eingang in andere Berichte finden.
Am 08.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Baschar Al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Assad war aus Damaskus geflohen (AJ, 08.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau, 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez Al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC, 08.12.2024a). Er kam mit der Ba‘ath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV, 09.12.2024). Baschar Al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC, 08.12.2024a). Die Offensive gegen Assad wurde von HTS angeführt (BBC, 09.12.2024). HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra-Front) gegründet, nennt sich aber seit 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida Hay‘at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des IS, zerschlug. Sie setzte die SSG ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC, 09.12.2024). HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte SNA, lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor, 08.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC, 08.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie IS-Zellen (Tagesschau, 08.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara‘a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor, 08.12.2024). Das Military Operations Department, dem auch HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70% des syrischen Territoriums (Arabiya, 11.12.2024).
In der ersten Woche nach der Flucht Assads aus dem Land gelang es den neuen Machthabern, ein vollständiges Chaos, größere Gewaltausbrüche und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden (MEI, 19.12.2024). Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Baschar Al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren (Araby, 16.12.2024). Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz Assads und die Botschaft des Irans, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 09.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitskräften, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT, 12.12.2024).
Der HTS-Anführer Mohammed Al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad Asch-Scharaa verwendet (Nashra, 08.12.2024), traf sich am 09.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW, 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU, 08.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed Al-Baschir, geleitet wurde (MEI, 09.12.2024). Al-Baschir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ, 27.01.2025a). Am 29.01.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed Asch-Scharaa zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard, 29.01.2025).
Die Übergangsregierung ließ laut Medienberichten die Verwaltungsbeamten auf ihren Posten (LTO, 09.12.2024). Eine diplomatische Quelle eines europäischen Staates wiederum berichtet von einer Beurlaubung aller Staatsbeamten: Durch die Beurlaubung aller Staatsbeamter gibt es in Syrien zwar nun (interimistische) Minister, aber kaum Beamte, soll heißen, keine funktionierende Verwaltung. Mit ganz wenigen Ausnahmen stehen die Ministerien leer. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die kommunale Versorgung ist nicht vorhanden bzw. derzeit auf Privatinitiativen reduziert (SYRDiplQ1, 05.02.2025). In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei leiten Teenager den Verkehr (FT, 25.03.2025). Syrienexperte Daniel Gerlach sagte, dass die leitende Beamtenebene im Land fehlt, die zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung – die ihre Arbeit wiederaufgenommen hat – steht. Es fehlen diejenigen, die mit den Verwaltungsträgern in Kontakt sind und die Politik umsetzen. Diejenigen, die in Syrien politische Entscheidungen träfen, seien ungefähr 15 bis 16 Personen, schätzt Gerlach (AC, 23.01.2025). Alle Minister der Übergangsregierung waren aus dem 7. Kabinett der SSG, das im Februar 2024 ernannt worden war (AlMon, 11.12.2024). Asch-Scharaa und der Interims-Premierminister haben Loyalisten zu Gouverneuren in mehreren Provinzen und zu Ministern in der Übergangsregierung ernannt (ISW, 19.12.2024). Al-Baschir hat gegenüber Al Jazeera erklärt, dass die Minister der SSG vorerst die nationalen Ministerämter übernehmen werden (AJ, 15.12.2024a). Asch-Scharaa, sagte, dass in den ersten 100 Tagen keine internen und externen Parteien berücksichtigt werden. Er hat allen seinen Mitstreitern sehr deutlich gemacht, dass er diese Phase nur Leuten anvertraut, die sein persönliches Vertrauen haben. Er hat seine Partner und Freunde gebeten, ihm in dieser Phase beizustehen und sich darauf vorzubereiten, die Form einer neuen Regierung zu diskutieren (Akhbar, 31.12.2024). Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten (AC, 23.01.2025).
Die Regierung hat keinen Zeitplan für die Durchführung von Wahlen festgelegt. Asch-Scharaa stellte am 16.12.2024 fest, dass Syrien nicht bereit für Wahlen sei. Das Ende der Amtszeit der Übergangsregierung wurde mit März 2025 festgesetzt (ISW, 16.12.2024). Am 29.03.2025 ernannte der Präsident die neue syrische Regierung. Diese besteht aus Technokraten, Angehörigen ethnischer Minderheiten und mehreren engen Vertrauten Asch-Scharaas. Fast die Hälfte der Ernannten steht in keiner Verbindung zu HTS. Unter den Ernannten sind eine Frau, ein Druse, ein Kurde und ein Alawit (FT, 30.03.2025). Das einzige weibliche Kabinettsmitglied ist katholische Christin (VN, 01.04.2025). Keiner der Vertreter dieser Gruppen erhielt ein wichtiges Ressort. Syrien-Experte Fabrice Balanche erklärte, dass wichtige Ressorts an „ehemalige Mitstreiter vergeben wurden, die bereits Teil der Syrischen Heilsregierung in der Provinz Idlib“ im Nordwesten Syriens waren (AlMon, 30.03.2025). Der Verteidigungsminister und der Außenminister der Übergangsregierung behielten ihre Ämter. Innenminister Khattab war zuvor Leiter des Geheimdienstes (Independent, 29.03.2025). Auch Außenminister Asch-Schaibani behielt sein Amt (AlMon, 30.03.2025). Mehrere der neuen Minister waren unter dem Assad-Regime tätig. Zu den ehemaligen Assad-Beamten gehören Yarab Badr, der neue Verkehrsminister, und Nidal Asch-Scha‘r, der zum Wirtschaftsminister ernannt wurde (NYT, 30.03.2025). Die Mitglieder sind für fünf Jahre bestellt (FT, 30.03.2025). Das Kabinett hat keinen Premierminister, da gemäß der vorläufigen Verfassung die Regierung einen Generalsekretär haben wird (Independent, 29.03.2025). Ein neues Gremium, das Ende März per Dekret bekannt gegeben wurde, das Generalsekretariat für politische Angelegenheiten, gewährte Asch-Scharaas Stellvertreter, Außenminister Asch-Schaibani, weitreichende Befugnisse hinsichtlich der Führung von Ministerien und Regierungsbehörden – ähnlich der Rolle eines Premierministers (FT, 30.03.2025).
Die Kurden im Nordosten Syriens stellen sich gegen die neue syrische Regierung. Das Kabinett spiegele nicht die Vielfalt des Landes wider, teilte die AANES mit. Man sehe sich daher nicht an die Entscheidungen der neuen Regierung gebunden (Zeit Online, 30.03.2025; Standard, 30.03.2025; K24, 30.03.2025). Obwohl der neuen Regierung mit Bildungsminister Mohammad Turko ein Kurde angehört, sind keine Vertreter der AANES ins neue Kabinett berufen worden (MEE, 30.03.2025). Einige Kritiker weisen auf die Diskrepanz zwischen Asch-Scharaas Rhetorik bei Treffen mit internationalen Vertretern und dem vermeintlichen Fehlen eines integrativen Diskurses mit einheimischen Akteuren hin (Etana, 10.01.2025). In den ersten fünfzig Tagen der neuen Regierung wurden in den Behörden eine Reihe von Ernennungen vorgenommen, darunter neben den Ministern auch die meisten Gouverneure und Direktoren der wichtigsten Regierungsbehörden und Abteilungen, die hoheitliche Funktionen haben, wie der Geheimdienst, die Zentralbank und der Kassationshof (AJ, 27.01.2025a). Die Problematik besteht darin, dass der Kreis der Entscheidungsträger – zumindest derzeit – besonders klein ist und ausschließlich aus engsten Vertrauten Scharaas aus Idlib besteht. Hinzu kommen bereits interne Unstimmigkeiten: So mancher militärischen Gruppierung und manchem Weggefährten aus Idlib geht der moderate Zugang der Übergangsbehörden bereits zu weit. War man in den ersten euphorischen Wochen nach der Machtübernahme noch zuversichtlich-optimistisch bzw. vielmehr überzeugt, die Erfahrungen aus dem Modell Idlib auf das ganze Land übertragen zu können (die Argumentation dabei war: Idlib als erfolgreicher Mikrokosmos Gesamtsyriens, da ja bewaffnete Gruppen aus dem ganzen Land nach Idlib transferiert worden waren), so hat 50 Tage nach dem Fall des Assad-Regimes die Realität die neuen Machthaber eingeholt. Das katastrophale administrative Erbe, die schlechte Wirtschaftslage, die schiere Größe und Vielfalt des Landes, sowie der Mangel an allem, auch an Fachwissen und Erfahrung. Die Verwaltung eines Stadtstaates (Idlib) hat eine ganz andere Dimension als die eines komplexen und zerstörten Landes (SYRDiplQ1, 05.02.2025).
Die Übergangsregierung kündigte an, dass eine umfassende nationale Dialogkonferenz, eine vorläufige Verfassungserklärung abgeben, einen Ausschuss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung bilden und eine Übergangsregierung bestätigen wird, die die Macht von Al-Baschirs Regierung übernehmen wird (AJ, 27.01.2025a). Am 12.02.2025 bestätigten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass der syrische Präsident ein Vorbereitungskomitee für die Nationale Konferenz gebildet hat, das aus fünf Männern und zwei Frauen besteht (AJ, 12.02.2025; Sky News, 12.02.2025). Zur Vorbereitung der Konferenz hat das siebenköpfige Vorbereitungskomitee Anhörungen in den Gouvernements organisiert und manchmal mehrere zweistündige Sitzungen pro Tag abgehalten, um die 14 Provinzen Syriens in einer Woche abzudecken. Fünf Mitglieder des Komitees gehörten HTS an oder stehen ihm nahe. Vertreter der Drusen oder Alawiten, zwei der großen Minderheiten in Syrien, waren nicht dabei (BBC, 25.02.2025). Mit 12.02.2025 nahm dieses Komitee seine Arbeit auf, um die nationale Konferenz vorzubereiten und die Einladungen an die Teilnehmer zu verschicken (AJ, 12.02.2025). Die sieben Mitglieder des Vorbereitungskomitees haben etwa 4.000 Menschen in ganz Syrien konsultiert, um Meinungen einzuholen, die bei der Ausarbeitung einer Verfassungserklärung, eines neuen Wirtschaftssystems und eines Planes für institutionelle Reformen helfen sollen, teilte das Komitee am 23.02.2025 Reportern mit (REU, 23.02.2025; AlHurra, 23.02.2025). Am 25.02.2025 fand die Konferenz zum Nationalen Dialog in Damaskus statt. Hunderte von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen waren anwesend, aber viele andere Persönlichkeiten und Gruppierungen waren nicht anwesend (AlHurra, 25.02.2025). Ca. 400 Vertreter der Zivilgesellschaft, der Glaubensgemeinschaften, der Opposition und der Künstler nahmen teil (AlHurra, 25.02.2025). Laut BBC waren es sogar 600 Teilnehmer (BBC, 25.02.2025). Die Kurdische Autonomieverwaltung und ihr militärischer Arm, die SDF, haben keine Einladung zur Teilnahme an der Konferenz erhalten. Die Organisatoren hatten zuvor mitgeteilt, dass keine militärischen Einheiten oder Formationen, die noch ihre Waffen behalten, eingeladen wurden (AlHurra, 25.02.2025). Nach der Eröffnung der Konferenz wurden die Teilnehmer in sechs Workshops eingeteilt, die sich mit zentralen Themen befassten, darunter „persönliche Freiheiten“, „Verfassungsaufbau“ und „Übergangsjustiz.“ In der Abschlusserklärung der Konferenz wurde die rasche Bildung des provisorischen Legislativrates gefordert, der die Aufgaben der Legislative nach „Kriterien der Kompetenz und der gerechten Vertretung“ übernehmen soll (BBC, 25.02.2025). Das Komitee der Dialogkonferenz gibt Empfehlungen heraus und trifft keine Entscheidungen (AJ, 21.02.2025). Diese Empfehlungen sollen in die Verfassungserklärung und den Plan für institutionelle Reformen einfließen, versichert der Sprecher des Komitees (AlHurra, 23.02.2025; BBC, 23.02.2025). Auf der Konferenz wurden mehrere Erklärungen abgegeben, darunter ein Bekenntnis zur Übergangsjustiz, zu den Menschenrechten und zur Gewährleistung der Meinungsfreiheit. Eine am Ende der eintägigen Konferenz veröffentlichte Erklärung – die nur wenige Tage zuvor angekündigt wurde und vielen potenziellen Teilnehmern nur wenig Vorbereitungszeit ließ – ebnete den Weg für die Bildung eines siebenköpfigen Ausschusses, der mit der Ausarbeitung einer Übergangserklärung zur Verfassung beauftragt wurde (TNA, 03.03.2025). Am 02.03.2025 gab die neue Regierung die Bildung dieses siebenköpfigen Ausschusses bekannt. Der Ausschuss besteht aus einem Expertenkomitee, dem auch zwei Frauen angehören und dessen Aufgabe es ist, die Verfassungserklärung, die die Übergangsphase regelt, in Syrien zu entwerfen. Das Komitee werde „seine Vorschläge dem Präsidenten vorlegen“, hieß es in einer Erklärung, ohne einen Zeitrahmen anzugeben (FR24, 02.03.2025; BBC, 03.03.2025). Weniger als zwei Stunden nach dieser Entscheidung wurden die Texte der Artikel, die in diese Erklärung aufgenommen werden sollen, bekannt, was bei den Syrern sowohl Bestürzung als auch Spott hervorrief, zumal die Informationen von arabischen Satellitenkanälen und nicht von lokalen Sendern stammten (Nahar, 04.03.2025). Der Ausschuss stellte fest, dass die Verfassungserklärung die allgemeinen Grundlagen des Regierungssystems festlegen wird, um Flexibilität und Effizienz bei der Verwaltung des Staates in dieser sensiblen Zeit zu gewährleisten, um die politische und soziale Einheit und die territoriale Integrität des Landes zu bewahren. Die Ideen aus den nationalen Dialogen und Diskussionen, die in den Workshops zur Verfassungsgebung während der Nationalen Dialogkonferenz stattgefunden haben, sollen vom Ausschuss berücksichtigt werden (SANA, 03.03.2025).
Am 13.03.2025 unterzeichnete Asch-Scharaa die angekündigte Verfassungserklärung (NYT, 14.03.2025). Das vorläufige Dokument besteht aus vier Kapiteln und 53 Artikeln (AlHurra, 14.03.2025). Es sieht eine fünfjährige Übergangsphase vor (BBC, 14.03.2025). Nach dieser Übergangsphase soll eine dauerhafte Verfassung verabschiedet und Wahlen für den Präsidenten abgehalten werden (NYT, 14.03.2025). Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert (BBC, 14.03.2025). Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichtes Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein (NYT, 14.03.2025). Eine Verantwortlichkeit des Präsidenten ist in der Verfassung nicht vorgesehen. Der Erklärung zufolge wird Asch-Scharaa neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Art. 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen (AlHurra, 14.03.2025). Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus Scharaa-Getreuen zusammen, darunter Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, Innenminister Ali Keddah, Außenminister As‘ad Asch-Schaibani und Geheimdienstchef Anas Khattab (ISW, 13.03.2025). Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat „die eigentliche Regierung“ (AlMon, 30.03.2025). Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung bedroht sind. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes (NYT, 14.03.2025). Auch die Symbole des Assad-Regimes werden verboten sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen (AlHurra, 14.03.2025). Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden (NYT, 14.03.2025). Aussagen eines Mitgliedes des Ausschusses für die Verfassungserklärung zufolge werde eine neue Volksversammlung die volle Verantwortung für die Gesetzgebung tragen. Zwei Drittel ihrer Mitglieder würden von einem vom Präsidenten ausgewählten Ausschuss ernannt, ein Drittel vom Präsidenten selbst. Außerdem werde ein Ausschuss gebildet, der eine neue dauerhafte Verfassung ausarbeiten solle (BBC, 14.03.2025). Diese temporäre Verfassung konzentriert viel Macht in den Händen des Präsidenten. So werden dem Präsidenten die Exekutivgewalt und die Befugnis, den Ausnahmezustand zu erklären, gewährt (NYT, 14.03.2025). Das Parlament ist nicht befugt, den Präsidenten anzuklagen, Minister zu ernennen oder zu entlassen oder die Exekutive zu kontrollieren (HRW, 25.3.2025). Immerhin spricht die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Befugnis ab, allgemeine Amnestiegesetze zu erlassen, die Assad zuvor für sich monopolisiert hatte (AlHurra, 14.03.2025). In der Verfassung ist Syrien als „arabische“ Republik definiert mit Arabisch als einziger Amtssprache (LSE, 28.03.2025). Sie löste innerhalb Syriens viele Diskussionen aus. Umstritten sind insbesondere jene Passagen, die dem Präsidenten ein Machtmonopol einräumen (AlHurra, 14.03.2025). Der Syrische Demokratische Rat, der politische Arm der kurdisch geführten Kräfte, die den Nordosten Syriens kontrollieren, erklärte, das neue Dokument sei „eine neue Form des Autoritarismus“ und kritisierte die seiner Meinung nach uneingeschränkten Exekutivbefugnisse (NYT, 14.03.2025). Das International Centre for Dialogue Initiatives schreibt, dass diese Reformen einseitig von einem ebenfalls vom Präsidenten ernannten Verfassungsausschuss ausgearbeitet wurden, der dann behauptete, ihre Legitimität stamme aus einem Dialogprozess. Die sogenannte Nationale Dialogkonferenz wurde so zu einem politischen Deckmantel für vorab festgelegte Verfassungsänderungen, die unter dem Deckmantel der Reform die autoritäre Herrschaft festigten (ICDI, 04.04.2025). Trotz der weitverbreiteten Kritik an der aktuellen Verfassung ist keine kurzfristige Überarbeitung vorgesehen. Die vorliegende Fassung ist das Ergebnis eines beschleunigten Verfahrens, das unmittelbar nach der Nationalen Dialogkonferenz im Februar 2025 in Gang gesetzt wurde. Ein siebenköpfiges Gremium erarbeitete die Verfassung in kürzester Zeit und wird in ihrer aktuellen Form noch nicht ihren Ansprüchen für einen pluralistischen, freien und gerechten Staat gerecht (AdRev, 03.04.2025).
Als Reaktion auf die neue Verfassung gründeten 34 verschiedene syrische Parteien und Organisationen am 22.03.2025 die Allianz für gleiche Staatsbürgerschaft in Syrien (Syrian Equal Citizenship Alliance bzw. Tamasuk). Zu den Organisationen der Allianz gehört der Syrische Demokratische Rat (ISW, 24.03.2025), die Partei des Volkswillens, die Demokratische Ba‘ath-Partei und die Kommunistische Arbeiterpartei (TNA, 23.03.2025) sowie andere kurdische, christliche und drusische Gruppierungen (ISW, 24.03.2025). Das Bündnis bezeichnet sich selbst nicht als Opposition und verlangt eine dezentrale Machtverteilung (TNA, 23.03.2025).
Die Verfassung und das Parlament wurden während der dreimonatigen Übergangszeit suspendiert, so die interimistischen Behörden (Almodon 08.01.2025). Laut Leaks wird der Übergangspräsident die Volksversammlung innerhalb von 60 Tagen nach der Veröffentlichung der Verfassungserklärung ernennen. Die Volksversammlung wird 100 Mitglieder umfassen, wobei eine gerechte Vertretung der Komponenten und Kompetenzen berücksichtigt wird, und wird vom Präsidenten der Republik durch ein republikanisches Dekret für eine Amtszeit von zwei Jahren ernannt (AlHurra, 03.03.2025). Am 29.12.2024 sagte Asch-Scharaa in einem Interview, dass die Durchführung legitimer Wahlen eine umfassende Volkszählung benötige (Arabiya, 29.12.2024). In einem Interview gab er an, dass es, damit in Syrien freie, faire und integre Wahlen abgehalten werden können, einer Volkszählung, der Rückkehr der im Ausland lebenden Menschen, der Öffnung der Botschaften und der Wiederherstellung des legalen Kontaktes mit der Bevölkerung bedarf. Darüber hinaus sind viele der Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben wurden oder in Lagern in den Nachbarländern leben, nicht bei den Flüchtlingskommissionen registriert u.s.w. (Economist, 03.02.2025). Abgesehen von der wiederholten Aussage, dass Ausschüsse gebildet und Fachleute hinzugezogen würden, gab Asch-Scharaa nicht viel Auskunft darüber, wie der Wahlprozess aussehen würde (NYT, 30.12.2024). Asch-Scharaa hatte angemerkt, dass die Einrichtung dieser Ausschüsse in naher Zukunft unwahrscheinlich sei. Er teilte der BBC am 18.12.2024 mit, dass ein syrisches Komitee von Rechtsexperten zusammentreten werde, um eine Verfassung zu verfassen und über eine Reihe nicht näher bezeichneter rechtlicher Fragen, darunter den Alkoholkonsum, zu entscheiden. Es ist unklar, auf welche Rechtsexperten sich Asch-Scharaa bezieht und ob diese Experten repräsentativ für die multiethnische und -religiöse Bevölkerung Syriens sind oder ob es sich um HTS-nahe sunnitische Gelehrte handelt (ISW, 19.12.2024).
Am 29.01.2025 versammelten sich die Führer der militärischen Gruppierungen, die an der militärischen Kampagne zum Sturz Assads beteiligt waren, zu einer Zeremonie im Präsidentenpalast, um den Sieg zu erklären. In der Siegeserklärung kündigten sie neun Schritte an, die in drei Hauptthemen unterteilt sind, wie beispielsweise: Füllen des Machtvakuums durch die Annullierung der Verfassung von 2012, die Aussetzung aller Ausnahmegesetze, die Auflösung der während der Zeit des vorherigen Regimes gebildeten Volksversammlung und aller aus ihr hervorgegangenen Komitees und die Ernennung des Befehlshabers des militärischen Operationskommandos, Ahmed Asch-Scharaa, zum Präsidenten des Landes während der Übergangszeit. Bei der Zeremonie wurde die Auflösung von vier Institutionen, welche die Säulen der Herrschaft und Kontrolle des früheren Regimes darstellten und die Schaffung eines neuen Regimes behindern, angekündigt, nämlich: die Armee, die Sicherheitsdienste mit ihren verschiedenen Zweigen und alle damit verbundenen Milizen, die Ba‘ath-Partei, die Parteien der Nationalen Progressiven Front und die ihnen angeschlossenen Organisationen, Institutionen und Komitees und das Verbot ihrer Wiedererrichtung auch unter einem anderen Namen und Rückgabe ihrer Vermögenswerte an den syrischen Staat (AJ, 31.01.2025a). Die Ba‘ath-Partei des gestürzten syrischen Machthabers Baschar Al-Assad stellte nach eigenen Angaben mit 12.12.2024 sämtliche Aktivitäten ein. Dies gelte bis auf Weiteres, hieß es in einer auf der Website der Parteizeitung veröffentlichten Erklärung. Die Vermögenswerte und die Gelder der Partei würden unter die Aufsicht des Finanzministeriums gestellt, Fahrzeuge und Waffen sollen nach Parteiangaben an das Innenministerium übergeben werden. Die Ba‘ath-Partei war seit 1963 in Syrien an der Macht (Tagesschau, 12.12.2024). Viele Mitglieder der Parteiführung sind untergetaucht und einige aus dem Land geflohen. In einem symbolischen Akt haben die neuen Machthaber Syriens das ehemalige Hauptquartier der Partei in Damaskus in ein Zentrum umgewandelt, in dem ehemalige Mitglieder der Armee und der Sicherheitskräfte Schlange stehen, um sich registrieren zu lassen und ihre Waffen abzugeben (AP, 30.12.2024). Am 11.02.2025 gab das Präsidialamt bekannt, dass die wichtigsten Oppositionsgremien Syriens, die im Exil tätig waren, der Übergangsregierung die von ihnen bearbeiteten Akten übergeben haben, als Teil der Bemühungen, die während des Konfliktes gebildeten Institutionen „aufzulösen“. Dieser Schritt kommt der Abschaffung der wichtigsten unbewaffneten Oppositionsgruppen Syriens gleich und erinnert an Asch-Scharaas Versuch, alle bewaffneten Gruppen aufzulösen und in die Armee zu integrieren (FR24, 12.02.2025). Für die in den Kriegsjahren im und aus dem Ausland tätige Opposition hat er nur Geringschätzung übrig (SYRDiplQ1, 05.02.2025).
Während Scharaa ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralistisch und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen (AC, 20.12.2024). HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren – Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und etablierte de facto einen Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt (DIIS, 16.12.2024). Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter Al-Baschir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum (MAITIC, 17.12.2024). HTS wurden u.a. von HRW immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen. Es kam auch zu groß angelegten Protesten gegen HTS und Asch-Scharaa (Rosa Lux, 17.12.2024). Laut Terrorismusexperte Peter Neumann haben die HTS-Kämpfer für ein islamistisches Regime gekämpft. Er hält es für möglich, dass es zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte (Spiegel, 11.12.2024). Auch Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler spricht von Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo, 09.12.2024). Alberto M. Fernandez, Vizepräsident des Middle East Media Research Institutes, wiederum sieht nicht so sehr die Gefahr, dass Syrien nun ein islamischer Staat sein wird, sondern dass es ein gescheiterter Staat sein wird. Die Gefahr besteht eher darin, dass die Anarchie die Oberhand gewinnt und nicht das Scharia-Recht. Dennoch sehen auch die genannten Experten Asch-Scharaa, HTS und viele ihrer Verbündeten als Hardcore-Islamisten. Am ehesten ähnle HTS nicht IS und al-Qaida, sondern den Taliban und der Hamas, also Gruppen, die sowohl islamistisch als auch nationalistisch sind (MEMRI, 09.12.2024). Etwa 70% der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime, darunter auch Kurden, die etwa 10% der Bevölkerung ausmachen. Die arabischen Sunniten sind sich jedoch in ihren Zielen nicht einig, und viele wünschen sich für die Zukunft Syriens keinen islamischen Staat (SWI, 13.02.2025).
Trotz der Kritik ergab eine im März 2025 im Auftrag von „The Economist“ durchgeführte Umfrage, an der 1.500 Syrer aus allen Provinzen und konfessionellen Gruppen des Landes teilnahmen, dass 81% die Herrschaft von Asch-Scharaa befürworten. Nur 22% sind der Meinung, dass seine Vergangenheit als Al-Qaida-Führer ihn für eine Führungsrolle disqualifiziert. Eine große Zahl der Befragten gibt an, dass sie seine neue Ordnung als sicherer, freier und weniger konfessionell geprägt empfinden als das Assad-Regime. Etwa 70% sind optimistisch, was die allgemeine Richtung der Entwicklung des Landes angeht. Die zufriedenste Provinz ist Idlib, Asch-Scharaas ehemaliges Machtgebiet, wo 99 der 100 Befragten sich optimistisch äußern. Tartus, wo Anfang März 2025 mehrere Massaker an der alawitischen Minderheit stattgefunden haben, ist die pessimistischste Provinz. Selbst dort gaben 49% an, optimistisch zu sein, während 23% sich pessimistisch äußerten (Economist, 02.04.2025).
Anfänglich drängten die VN auf eine Rückkehr zum lange stagnierenden politischen Übergang auf der Grundlage der Resolution 2254 (National, 09.12.2024). Die 2015 verabschiedete Resolution 2254 des Sicherheitsrates, die einen politischen Übergang in Syrien durch Verhandlungen zwischen der Regierung des gestürzten Regimes und der Opposition forderte, ist inzwischen gegenstandslos geworden, da das Regime, mit dem verhandelt werden sollte, gestürzt ist (AJ, 28.12.2024a). Asch-Scharaa sieht dafür keine Notwendigkeit mehr und macht keinen Hehl aus seiner mangelnden Achtung des UN-Gesandten Geir Pedersen. Die neue Regierung hat kein Interesse mehr an der Resolution 2254 und ihren Bestimmungen. Asch-Scharaa sagte, dass die vergangenen Jahre die Ineffektivität der VN gezeigt hätten, weshalb er die Resolution mit dem Sturz des Regimes als hinfällig betrachte (Akhbar, 31.12.2024).
Syrien steht auf der US-amerikanischen Liste der Länder, die den Terrorismus unterstützen und HTS wird von der EU, der Türkei und den USA als ausländische terroristische Organisation eingestuft (AJ, 15.12.2024a). HTS wurde im Mai 2014 auf die Terrorliste der UN gesetzt, als der Sicherheitsausschuss zu dem Schluss kam, dass es sich um eine terroristische Organisation mit Verbindungen zur al-Qaida handelt. Die Miliz unterliegt drei Sanktionsmaßnahmen: Einfrieren von Vermögenswerten, Reiseverbot und Waffenembargo. Das bedeutet, dass international von allen Mitgliedstaaten erwartet wird, dass sie diese Maßnahmen einhalten. Um HTS nicht mehr als Terrororganisation zu listen, müsste ein Mitgliedstaat die Streichung von der Liste vorschlagen, und dieser Vorschlag würde dann an den zuständigen Ausschuss des Sicherheitsrates weitergeleitet. Der Ausschuss, der sich aus Vertretern aller 15 Länder zusammensetzt, die den Sicherheitsrat bilden, müsste dann einstimmig beschließen, den Vorschlag zu genehmigen (UN News, 12.12.2024). Die internationale Gemeinschaft akzeptierte in bilateralen und multilateralen Formaten, dass HTS, trotz Einstufung als terroristische Vereinigung, einen Platz am Verhandlungstisch benötigt (MEI, 09.12.2024).
Wehr- und Reservedienst: Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes am 08.12.2024
Derzeit liegen keine ausreichenden Informationen zum Wehrdienst oder der Rekrutierung bzw. zu den Streitkräften der aktuellen syrischen Regierung vor. Im Folgenden wird der aktuelle Stand dargelegt, wie er sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Teilweise werden Falschinformationen, insbesondere auf Social-Media-Kanälen verbreitet, die in weiterer Folge auch Eingang in andere Berichte finden.
Die SAA wurde noch von Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 08.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA, 10.12.2024). Aktivisten der SOHR in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR, 08.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada, 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW, 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA, 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA, 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – v.a. in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon, 17.03.2025).
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse, 09.12.2024). HTS-Anführer Asch-Scharaa kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und „für kurze Zeiträume.“ Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara, 15.12.2024a; MEMRI, 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW, 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte Asch-Scharaa an (REU, 11.12.2024a). In einem Interview am 10.02.2025 wiederholte Asch-Scharaa, dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya, 10.02.2025a; AJ, 10.02.2025a). Wehrpflichtigen der SAA wurde eine Amnestie gewährt (REU, 11.12.2024b). Ahmed Asch-Scharaa hat versprochen, dass die neue Führung die Führungsschicht der SAA und der Assad-Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die einfachen Soldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian, 13.01.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte Versöhnungszentren eingerichtet, sagte Verteidigungsminister Abu Qasra. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla, 24.01.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein Versöhnungszentrum, wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian, 13.01.2025). In diesen Versöhnungszentren erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk „desertiert.“ Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham, 10.03.2025). Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy, 03.02.2025). Unter Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den Versöhnungszentren in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC, 29.12.2024). Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen Versöhnungsprozessen entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (MEI, 13.03.2025).
Der Übergangspräsident Ahmed Asch-Scharaa hat die Vision einer neuen „nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem HTS angeblich die Führung übernehmen soll (DNewsEgy, 03.02.2025). Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 06.01.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Pläne zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln (Arabiya, 06.01.2025b). Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten SNA (MAITIC, 09.01.2025). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren (UNSC, 07.01.2025). Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein (Al Majalla, 24.01.2025). Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission. (AlHurra, 12.02.2025).
Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue De-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today, 08.01.2025). Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Asch-Scharaa hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (UNSC, 07.01.2025).
Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Personal gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI, o.D.). Am 10.02.2025 gab Übergangspräsident Asch-Scharaa an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya, 10.02.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zor gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer v.a. der Kriminalpolizei bei (Syria TV, 21.02.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.02.2025 mit, dass bis zum 15.02.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab, 12.02.2025). Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.03.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara‘a in Südsyrien eröffnet (NPA, 17.03.2025). Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet (ISW, 16.04.2025). Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (FDD, 28.01.2025).
Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, der GSS habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass der GSS die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (Syria TV, 26.02.2025).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 08.05.2025 (Version 12), von dem bereits die belangte Behörde ausgegangen ist.
Angesichts der Aktualität und Plausibilität dieser Berichte sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen, voneinander unabhängigen und dort wiedergegebenen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das erkennende Gericht kein Grund, an der Richtigkeit der ihnen zu entnehmenden Informationen zu zweifeln.
Für die Feststellungen zum BF und zu seiner (Verfolgungs-)Situation in Syrien waren folgende Erwägungen maßgeblich:
Die Feststellungen zur Person, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zum Geburtsort des BF sowie zu seinem Leben in Syrien ergeben sich aus seinen über das ganze Verfahren hinweg gleichlautenden Angaben. Dass der BF aus XXXX stammt, wurde bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt, ebenso dass XXXX unter der Kontrolle der neuen HTS-geführten syrischen Regierung steht. Dies wurde auch in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt und ist – wie der (der Vollständigkeit halber hier wiedergegebene) Kartenausschnitt einer aktuellen Einsicht in die Syria-Live-Map (https://syria.liveuamap.com) zeigt – auch weiterhin der Fall:
Dass es – wie schon die belangte Behörde angenommen hat – seit dem Machtwechsel im Dezember 2024 keine staatliche Wehrpflicht mehr in Syrien gibt und die neue syrische Armee keine Zwangsrekrutierungen durchführt, ergibt sich aus der angeführten Herkunftsländerinformation.
Dass dem BF in Syrien in Hinblick auf seine Religions- oder Volksgruppenangehörigkeit oder seine politische Gesinnung keine asylrelevante Verfolgung droht, hat bereits die belangte Behörde aufgrund einer zutreffenden Beweiswürdigung angenommen, und wurde dem in Beschwerde nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten – mit Ausnahme der Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht – ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die belangte Behörde in dem Verwaltungsverfahren, das zur Erlassung des bekämpften Bescheides geführt hat, angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.
Weiters ist festzuhalten, dass die belangte Behörde den gegenständlichen Bescheid vom 30.06.2025 binnen der Frist von acht Wochen, die ihr das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 12.05.2025, Zl. W176 2306081-1/8E, gesetzt hat und die somit (frühestens) am 07.07.2025 abgelaufen wäre, erlassen hat.
Sie ist in der Sache jedoch nicht berechtigt:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Die für die Asylgewährung erforderliche Verfolgungsgefahr ist daher in Bezug auf den Herkunftsstaat des Asylwerbers zu prüfen (VwGH 02.02.2023, Ra 2022/18/0266, m.w.N.). Auch Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK und die Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) stellen auf das Herkunftsland (vgl. etwa Art. 2 lit. n StatusRL) des Asylwerbers ab. Daher ist die Frage, ob Asyl zu gewähren ist, hinsichtlich dieses Landes zu beurteilen.
Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge derselben Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die begründete Furcht vor Verfolgung. Diese liegt dann vor, wenn aus objektiver Sicht eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Herkunftsstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (vor Verfolgung aus Konventionsgründen) fürchten würde. Eine Verfolgungsgefahr i.S.d. GFK ist nur dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011). Von der maßgeblichen Gefahr einer Verfolgung ist nicht auszugehen, wenn der Verfolger keinen Zugriff auf die betroffene Person hat (VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass die schutzsuchende Person in der Vergangenheit bereits verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits geschehene Verfolgung (Vorverfolgung) für sich genommen nicht hinreichend. Entscheidend ist vielmehr, dass der schutzsuchenden Person im Zeitpunkt der Entscheidung über ihren Antrag auf internationalen Schutz (hier: durch das Bundesverwaltungsgericht) im Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus einem der in der GFK bzw. in Art. 10 StatusRL genannten fünf Verfolgungsgründe drohen würde (VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212; VwGH 07.03.2023, Ra 2022/18/0284, m.w.N.).
Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Beurteilung der Frage, ob wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn der GFK vorliegt, die Gesamtsituation des Asylwerbers zu berücksichtigen und dürfen einzelne zusammenhängende Aspekte seiner Situation im Herkunftsstaat nicht aus dem (asylrechtlich relevanten) Zusammenhang gerissen werden (VwGH 22.01.2016, Ra 2015/20/0157 unter Hinweis auf VwGH 10.06.1998, 96/20/0287 und VwGH 23.07.1998, 96/20/0144; zum Erfordernis einer Gesamtbetrachtung VwGH 27.04.2006, 2003/20/0181).
Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen kommt das Bundesverwaltungsgericht zur Auffassung, dass des dem BF nicht gelungen ist, eine wohlbegründete Verfolgung aus asylrelevanten Gründen glaubhaft zu machen.
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Verfolgung durch das Assad-Regime, auf die der BF seinen Asylantrag ursprünglich ausschließlich gestützt hat, weggefallen ist. So geht auch der UNHCR in seinem Positionspapier vom Dezember 2024 (Position on Returns to the Syrian Arab Republic) davon aus, dass aufgrund von Verfolgung durch die frühere Regierung gegebene Risken zu bestehen aufgehört haben. Auch droht dem BF droht keine Einziehung zur syrischen Armee mehr.
Überdies kann wie festgestellt nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dem BF in Syrien in Hinblick auf seine Religions- oder Volksgruppenangehörigkeit oder seine politische Gesinnung hier relevante Verfolgung droht.
Das in der Beschwerde erstattete Vorbringen des BF, wonach es in seiner Heimatregion Manbidsch lokale Stammesführer gebe, welche die Bevölkerung drängten, sich an den dortigen Kämpfen zu beteiligen, und ihm bei Weigerung schwerste Konsequenzen bis hin zur Tötung drohten, geht schon deshalb ins Leere, da sein Herkunftsort XXXX im Distrikt XXXX und nicht im Distrikt Manbidsch gelegen ist. Im Übrigen werden keinerlei Belege für diese Behauptung, sei es in Form von (aktuellen) Länderberichten, Medienberichten oder sonstigen Quellen, angeführt.
Die prekäre Sicherheitslage in Syrien erweist sich als nicht asylrelevant. Der BF hat daher bloß die alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Unbilligkeiten aufgrund des Bürgerkrieges und der allgemein schlechten Lage in Syrien vorgebracht, aber keine substantiellen, stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer individuellen Gefahr der Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG i.V.m. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK dargetan. Im Fall des BF sind keine Umstände ersichtlich, die eine ihm konkret drohende individuelle Verfolgung aufgrund des Bürgerkrieges und der aktuellen Lage in Syrien untermauern würden. Einer bloß allgemeinen Bedrohung durch den Bürgerkrieg und die aktuelle Lage ist jedoch nicht mit der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten, sondern mit der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu begegnen; dieser Status wurde dem BF von der belangten Behörde bereits rechtskräftig zuerkannt.
Die im Entscheidungszeitpunkt zu erstellende Prognose über die Situation des BF im Herkunftsstaat ergibt, dass er gegenwärtig nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen von erheblicher Intensität rechnen muss. Die Furcht des BF vor einer Verfolgung im Herkunftsstaat kann daher nicht als „wohlbegründet“ im Sinn der GFK angesehen werden.
Da dem angefochtenen Bescheid somit keine Rechtswidrigkeit i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anhaftet, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Trotz eines Antrages des BF auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte eine solche im vorliegenden Fall aus folgenden Gründen entfallen:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung dann unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig (siehe etwa VwGH 10.09.2015, Ra 2014/20/0142):
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die rechtlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf weder ein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender noch ein vom verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahren nicht umfasster, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben, kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (siehe etwa VwGH 20.09.2024, Ra 2024/14/0183).
Fallgegenständlich hat sich die Behörde in ihrer Beweiswürdigung mit dem Fluchtvorbringen eingehend und schlüssig auseinandergesetzt. Das erkennende Gericht teilt die tragenden Erwägungen dieser Beweiswürdigung, insbesondere hinsichtlich des Sturzes des Assad-Regimes und der damit verbundenen Auflösung der bisherigen syrischen Armee, der Abschaffung der Wehrpflicht und des Umstandes, dass die neue Regierung nicht plant, die Wehrpflicht wiedereinzuführen.
In der Beschwerde wurde (wie dargelegt) kein diesen Erwägungen entgegenstehendes, substantiiertes Vorbringen erstattet. Dies trifft auch auf das Beschwerdevorbringen, wonach in der Gegend um Manbidsch lokale Stammesführer erheblichen Druck auf die Bevölkerung ausübten, sich an den dort angeblich stattfindenden Kampfhandlungen zu beteiligen, und dem BF daher bei Weigerung schwerste Konsequenzen bis hin zur Tötung drohten, zu, und zwar schon deshalb, da der Herkunftsort des BF nicht in diesem Gebiet gelegen ist.
Im Ergebnis ist der Sachverhalt daher anhand der Aktenlage als geklärt anzusehen, weshalb eine mündliche Verhandlung im Lichte der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterbleiben konnte.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon kann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden. Es ist daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
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