Spruch
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Anke REISCH, Schinzlgasse 3/1. Stock, 2500 BADEN, gegen den Einberufungsbefehl des Militärkommando NIEDERÖSTERREICH, Ergänzungsabteilung vom 05.05.2025, GZ P1728278/3-MilKdo NÖ/Kdo/ErgAbt/2025 (5), beschlossen:
A) Die Beschwerde wird mangels Beschwer als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
1. Mit Beschluss vom 06.12.2024 wurde die Tauglichkeit des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) festgestellt.
2. Am 14.01.2025 beantragte der BF beim Militärkommando NIEDERÖSTERREICH (im Folgenden: MilKdo oder belangte Behörde) die dauerhafte Befreiung vom Grundwehrdienst. Als Begründung führte er zusammengefasst an, dass er Betriebsführer des landwirtschaftlichen Betriebs seiner Großeltern mit Ackerbau, Forst und Schweinehaltung im Vollerwerb sei und eine Führung des Hofes bei Ableistung des Grundwehrdienstes nicht möglich wäre, da er keinerlei Unterstützung seitens seiner Großeltern erfahren würde. Als Beilagen wurden der Pachtvertrag über den in Rede stehenden Betrieb zwischen dem BF und seinen Großeltern sowie der Facharbeiterbrief Landwirtschaft des BF vorgelegt.
3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 05.05.2025 (Zustellung am 09.05.2025) wies die belangte Behörde nach einem ausführlichen Ermittlungsverfahren sowie der Einräumung von Parteiengehör zu den Beweisergebnissen den Antrag des BF gemäß § 26 Abs 1 Z 2 Wehrgesetz 2001 (WG 2001) ab.
Begründend wurde darin im Wesentlichen angeführt, dass im vorliegenden Fall wirtschaftliche Interessen vorliegen würden, diese aber nicht besonders rücksichtswürdig seien. Der BF habe die bei einer Einberufung vorhersehbaren Schwierigkeiten durch die Übernahme des Hofes seiner Großeltern am 03.02.2022 erst geschaffen und seine wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht mit seiner vorhersehbaren Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes harmonisiert. Besonders rücksichtwürdige familiäre Interessen im Sinne einer Pflegebedürftigkeit oder Gesundheitsgefährdung eines Familienangehörigen seien weder geltend gemacht noch festgestellt worden. Die geltend gemachte Existenzgefährdung sei auf Grund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines Verstoßes gegen die Harmonisierungspflicht nicht zu berücksichtigen (VwGH 11.10.1983, 83/11/0197).
4. Dagegen erhob der BF durch seine Rechtsvertretung am 03.06.2025 fristgerecht eine Beschwerde, wobei er darin begründend im Wesentlichen ausführte, dass er aufgrund einer Verletzung nicht damit rechnen habe müssen, tauglich zu sein und daher auch keine Veranlassung für ihn bestanden habe, sich um eine Harmonisierung zu bemühen. Nunmehr würde der landwirtschaftliche Betrieb seine Existenzgrundlage darstellen, die bei Ableistung des Grundwehrdienstes gefährdet sei. Der angefochtene Bescheid möge daher dahingehend abgeändert werden, dass dem Antrag auf Befreiung vom Wehrdienst stattgegeben und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt werde, da er im Betrieb unabkömmlich sei.
5. Mit Schriftsatz vom 10.06.2025 (eingelangt beim BVwG am 11.06.2025) legte die belangte Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem BVwG zur Entscheidung vor (OZ 1). Dabei legte die belangte Behörde gleichzeitig die vom BF am 20.05.2025 eingebrachte Zivildiensterklärung (datiert mit 18.05.2025) vor (OZ 1, Beilage 22).
6. Mit Schreiben vom 18.06.2025 ersuchte das BVwG daraufhin die Zivildienstserviceagentur (ZISA) um Übermittlung des den BF betreffenden Zivildienstbescheides (OZ 2).
7. Daraufhin übermittelte die ZISA mit Note vom 27.06.2025 den Bescheid vom 05.06.2025, Zl 576719/1/ZD/25 – in welchem der Eintritt der Zivildienstpflicht des BF mit 20.05.2025 festgestellt wurde – mitsamt dem entsprechenden Akt an das BVwG (OZ 3).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist tauglich. Sein Antrag auf Befreiung zur Ableistung des Grundwehrdienstes wurde mit gegenständlichem Bescheid vom 05.05.2025 abgewiesen.
Es wird festgestellt, dass der BF am 20.05.2025 eine mängelfreie Zivildiensterklärung (datiert mit 18.05.2025) beim MilKdo eingebracht hat und daher seit 20.05.2025 nicht mehr wehr- sondern zivildienstpflichtig ist.
Überdies steht fest, dass der BF am 03.06.2025 – und damit nach Ende seiner Wehrpflicht – die gegenständliche Beschwerde eingebracht hat.
2. Beweiswürdigung:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt wird im Wesentlichen durch entsprechende Urkunden im Akt belegt und ist unstrittig.
Die Beschwerde des nicht mehr wehr- sondern nunmehr zivildienstpflichtigen BF richtet sich gegen den abweisenden Bescheid betreffend die Befreiung zur Ableistung des Grundwehrdienstes. Dass der BF zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung nicht mehr wehrdienstpflichtig war, ist unstrittig und ergibt sich nachvollziehbar aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus dem Bescheid der ZISA vom 05.06.2025, Zl 576719/1/ZD/25, über den Eintritt der Zivildienstpflicht mit 20.05.2025
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderer gesetzlicher Bestimmungen somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichtes durch Beschluss.
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG war von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde abzusehen.
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur
3.2.1. Die fallbezogen maßgeblichen Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001) lauten (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG):
„§ 10. (1) Alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind wehrpflichtig. […]
Grundwehrdienst
§ 20. Zur Leistung des Grundwehrdienstes sind alle Wehrpflichtigen verpflichtet. Der Zeitpunkt, an dem dieser Präsenzdienst erstmalig anzutreten ist, hat vor Vollendung des 35. Lebensjahres des Wehrpflichtigen zu liegen. Die Wehrpflichtigen sind, sofern militärische Rücksichten nicht entgegenstehen, nach Möglichkeit zum Grundwehrdienst innerhalb von sechs Monaten nach ihrer jeweiligen Heranziehbarkeit zu diesem Präsenzdienst einzuberufen. Der Grundwehrdienst dauert sechs Monate. Die Dauer von Wehrdienstleistungen in einem Dienstverhältnis nach § 1 Abs. 3 Z 2 und einem Auslandseinsatzpräsenzdienst nach § 19 Abs. 1 Z 8 sind auf die Dauer des Grundwehrdienstes anzurechnen. […]
§ 1 des Zivildienstgesetztes (ZDG), idF BGBl. I Nr. 104/2024, lautet:(Verfassungsbestimmung) (1) Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 2001 – WG 2001, BGBl. I Nr. 146, die zum Wehrdienst tauglich befunden wurden, können erklären (Zivildiensterklärung),
1. die Wehrpflicht nicht erfüllen zu können, weil sie es – von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen – aus Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen Menschen anzuwenden, und daher bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot geraten würden und
2. deshalb Zivildienst leisten zu wollen.
(2) Die Ausübung dieses Rechtes ist dem Wehrpflichtigen mindestens sechs Monate nach Abschluss jenes Stellungsverfahrens, bei dem er erstmals für den Wehrdienst tauglich befunden wurde, gewährleistet, es sei denn, der Wehrpflichtige hätte darauf ausdrücklich und schriftlich verzichtet. Das Recht ruht vom zweiten Tag vor einer Einberufung zum Präsenzdienst bis zur Entlassung aus diesem oder bis zur Behebung des Einberufungsbefehls. Wird nach der Einberufung zum Grundwehrdienst dieser vollständig geleistet, ruht das Recht darüber hinaus drei Jahre, gerechnet vom Tage, für den der Wehrpflichtige einberufen war.
(3) [...]
(4) Mit Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung wird der Wehrpflichtige von der Wehrpflicht befreit und zivildienstpflichtig; er hat nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Zivildienst zu leisten.
(5) [...]
3.2.2. Zur mangelnden Beschwer
Gemäß Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Parteibeschwerde kann nach ständiger Rechtsprechung nur erheben, wer noch im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt worden sein kann (vgl. VwSlg 4127 A/1956, 7618/ A/1969, 9802 A/1979, 10.511 A/1981, 13.558 A/1991; vgl. zB VfSlg 3669/1959, 4101/1961). Diese Möglichkeit einer Verletzung in einem subjektiven Recht ist zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied macht, ob der angefochtene Bescheid dem Rechtsbestand weiter angehört oder nicht (zB VwSlg 9304 A/1977, 10.903 A/1982, 11.568 A/1984, 13.373 A/1991).
Jede Beschwerde setzt eine beschwerdeführende Partei und deren "Beschwer" begrifflich voraus. Das Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei besteht bei der Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse der beschwerdeführenden Partei an der Beseitigung des angefochtenen, sie beschwerenden Veraltungsaktes. Das objektive Interesse der beschwerdeführenden Partei an der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gründet in der Beschwer. Eine solche liegt vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag der beschwerdeführenden Partei an die Verwaltungsbehörde zu deren Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder wenn mangels Antrags die Verwaltungsbehörde die beschwerdeführende Partei durch ihren Verwaltungsakt belastet ("materielle Beschwer") (vgl in diesem Sinne VwGH 26.06.1991, 90/09/0042).
Das Rechtsschutzinteresse besteht demnach bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl etwa VwGH 24.06.2015, Ra 2015/10/0027; 31.01.2018, Ra 2018/10/0022; 27.11.2018, Ra 2018/02/0162, jeweils m.w.N.).
Daraus folgt, dass ein Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht keinen Anspruch auf die bloße Feststellung der Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides hat; das Verwaltungsgericht ist ebenfalls nicht berufen, eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen zu treffen, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann (vgl VwGH 31.01.2018, Ra 2018/10/0022).
Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere festgehalten, dass gemäß § 33 Abs 1 VwGG der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem VwGH versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (vgl B 30. Jänner 2013, 2011/03/0228; B 23. Oktober 2013, 2013/03/0111; B 9. September 2015, Ro 2015/03/0028). Diese Überlegungen über das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Voraussetzung für eine zulässige Beschwerdeerhebung können auch auf das Verfahren vor dem VwG übertragen werden (vgl VwGH 28.01.2016, Ra 2015/11/0027).
3.3. Daraus ergibt sich für die gegenständliche Rechtssache Folgendes:
Die Beschwerdelegitimation ist eine Prozessvoraussetzung, die vorliegen muss, damit das BVwG in der Hauptsache (dh über den geltend gemachten Anspruch) erkennen kann.
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.05.2025 den Antrag des BF auf Befreiung von der Ableistung des Grundwehrdienstes abgewiesen. In der Folge hat der BF am 20.05.2025 eine Zivildiensterklärung eingebracht, was gemäß § 1 Abs 4 ZDG ex lege dazu führte, dass er ab 20.05.2025 nicht mehr wehrdienst- sondern zivildienstpflichtig war.
Zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde am 03.06.2025 bestand somit seitens des BF an der Entscheidung des BVwG im gegenständlichen Verfahren betreffend die Befreiung von der Ableistung des Grundwehrdienstes aufgrund seiner bereits mit 20.05.2025 eingetretenen Zivildienstpflicht kein rechtliches Interesse mehr.
Da der BF mit Eintritt der Zivildienstpflicht sein Rechtsschutzinteresse im vorliegenden Beschwerdeverfahren verloren hat, und es somit bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 03.06.2025 an einer Prozessvoraussetzung mangelte, erweist sich die gegenständliche Beschwerde mangels Beschwer als unzulässig (und war das Verfahren nicht etwa gemäß § 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 VwGVG einzustellen, vgl VwGH 31.01.2018, Ra 2018/10/0022).
Zum Antrag auf aufschiebende Wirkung ist der Vollständigkeit halber auszuführen, dass gemäß § 13 Abs 1 VwGVG rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerde) aufschiebende Wirkung haben; diese kann unter gewissen Voraussetzungen von der Behörde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG oder (nach Vorlage der Beschwerde) vom Verwaltungsgericht gemäß § 22 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen werden.
Im Verfahren über den Antrag des BF auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes wurde die aufschiebende Wirkung nicht ausgeschlossen, dies wäre auch nicht möglich gewesen, da der abweisende Bescheid über die Befreiung (anders ein Einberufungsbescheid) keinem Vollzug zugänglich ist.
Mangels Zulässigkeit der Beschwerde ist der Antrag fallbezogen jedoch nicht mehr zu prüfen und keiner Entscheidung zugänglich.
3.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde mangels Beschwer als unzulässig zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH wird verwiesen.