Spruch
W116 2288512-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Mario DRAGONI über die Beschwerde XXXX , vertreten durch PETSCH FROSCH KLEIN ARTURO Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 02.02.2024, Zl. 108 Jv 1/24h (003 Rev 652/24i) zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 2 GEG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 17.11.2023 wurde die XXXX GmbH (in Folge: beschwerdeführende Partei) aufgefordert, insgesamt EUR 9.008,00 binnen 14 Tagen einzuzahlen.
2. Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei am 07.12.2023 Vorstellung und brachte vor, die betreibende Partei im Grundverfahren sei verstorben, weshalb deren Rechtsanspruch erloschen sei.
3. Mit beschwerdegegenständlichen Bescheid wies die Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien (in Folge: Behörde) die Vorstellung zurück. Begründend führte sie aus, bei Beiträgen, die bereits rechtskräftig bestimmt worden seien, sei eine Vorstellung nur zulässig, wenn der Zahlungsauftrag der gerichtlichen Entscheidung nicht entspricht.
4. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt bezughabenden Verwaltungsakt am 18.03.2024 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Mit Mandatsbescheid vom 17.11.2023 wurde der beschwerdeführenden Partei die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18.02.2019, 64 E 3197/18d, verhängte Geldstrafe von EUR 9.000,00 und die Einhebungsgebühr von EUR 8,00 zusammen EUR 9.008,00 zur Zahlung vorgeschrieben. Der Mandatsbescheid wurde am 24.11.2023 zugestellt.
1.2. Die beschwerdeführende Partei erhob am 07.12.2023 rechtzeitig Vorstellung gegen den Mandatsbescheid, wodurch dieser außer Kraft trat.
2. Beweiswürdigung
2.1. Die Feststellungen ergeben sich zur Gänze aus dem völlig unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere dem beschwerdegegenständlichen Bescheid und der von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Vorstellung.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war. Dies ist hier der Fall.
Zu A)
3.2. Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist lediglich Sache des Beschwerdeverfahrens die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; VwGH 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084; VwGH 05.11.2019, Ra 2017/06/0222). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrundeliegenden Anträge würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115). Liegt der in erster Instanz angenommene Zurückweisungsgrund nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Behörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden hat (VwGH 28.02.2008, 2006/16/0129, mwN; VwGH 03.04.2019, Ro 2017/15/0046). Selbiges muss auch bei der Zurückweisung einer Vorstellung gelten. Demnach ist Gegenstand des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens auf Grund der zurückweisenden Entscheidung nur ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgte.
3.3. Da dem Einbringungsverfahren Beträge zugrunde liegen, die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18.02.2019, 64 E 3197/18d bestimmt wurden sind, ist gemäß § 19a Abs. 20 GEG das GEG in seiner vor der Zivilverfahrensrechts-Novelle 2022 geltenden Fassung anzuwenden
3.4. Bei der mit Beschluss vom 18.02.2019 verhängten Geldstrafe handelt es sich gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 GEG (in der maßgeblichen Fassung) um von Amts wegen einzubringende Beträge. Gemäß § 6a Abs. 1 GEG sind die nach § 1 leg. cit. einzubringenden Beträge – werden sie nicht sogleich entrichtet oder ist deren Einziehung erfolglos geblieben – durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr in Höhe von 8 Euro vorzuschreiben. Der Zahlungsauftrag ist ein Exekutionstitel im Sinn der Exekutionsordnung. Gemäß § 6 Abs. 2 GEG kann die für diese Vorschreibung zuständige Behörde die Leiter der Geschäftsabteilungen oder andere geeignete Bedienstete der eigenen oder der das Grundverfahren führenden Dienststelle ermächtigen, Entscheidungen (Mandatsbescheide) auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren im Namen der Behörde zu erlassen (Kostenbeamte). Gegen diese Mandatsbescheide der Kostenbeamten kann gemäß § 7 Abs. 1 GEG binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Behörde hat gemäß § 7 Abs. 2 GEG verspätete und unzulässige Vorstellungen Behörde zurückzuweisen. Mit der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung tritt der Mandatsbescheid außer Kraft, soweit sich die Vorstellung nicht ausdrücklich nur gegen einen Teil des vorgeschriebenen Betrags richtet. Die Behörde kann erforderlichenfalls Ermittlungen durchführen und hat mit Bescheid auszusprechen, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht besteht.
§ 7 Abs. 2 GEG wurde mit der Gerichtsgebühren-Novelle 2015 eingeführt. Wie sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 901 BlgNR 25. GP) ergibt „soll § 7 Abs. 2 anordnen dass über eine rechtzeitig erhobene Vorstellung der Mandatsbescheid stets außer Kraft tritt. Die Formulierung lehnt sich an § 249 Abs. 1 ZPO an. Verspätete oder unzulässige Vorstellungen (etwa solche, die von einer Person erhoben wurden, an die sich der Zahlungsauftrag gar nicht richtet) sollen hingegen kein Außerkrafttreten bewirken; solche Vorstellungen hat die Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Ansonsten hat die Behörde dann, wenn mit dem angefochtenen Mandatsbescheid Beträge nach § 1 vorgeschrieben werden, auszusprechen, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht besteht. Sie kann daher entweder einen neuerlichen Zahlungsauftrag erlassen, wenn die in der Vorstellung vorgebrachten Einwendungen nicht stichhaltig sind, oder aussprechen, dass keine Zahlungspflicht besteht, wenn die Einwendungen zutreffen. Ist der Mandatsbescheid über einen Antrag erlassen worden (etwa einen Rückzahlungsantrag, einen Wiedereinsetzungsantrag oder einen Oppositionsantrag), so hat die Behörde über den zu Grunde liegenden Antrag abzusprechen, wobei die Entscheidungsfrist von sechs Monaten (§ 73 Abs. 1 AVG) mit dem Einlangen der Vorstellung zu laufen beginnt. Der letzte Satz in § 7 Abs. 2 soll klarstellen, dass die Entscheidung, die auf Grund der Vorstellung ergeht, nicht neuerlich vom Kostenbeamten gefasst werden darf, gegen die dann wiederum (nur) eine Vorstellung erhoben werden könnte. Vielmehr hat die Behörde nach § 6 Abs. 1 einen „Vollbescheid“ zu erlassen, der dann vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden kann.“ Der Behörde ist beizupflichten, dass im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg gemäß § 6b Abs. 4 GEG weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden können, weshalb sich die gegenständliche Vorstellung als inhaltlich nicht begründet erweist. Es mangelt dieser aber damit an keiner Prozessvoraussetzung, da für die Vorstellung ein „begründeter Antrag“ nicht erforderlich ist, zumal die Erhebung der Vorstellung gemäß § 57 Abs. 3 AVG (ohnedies) zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und zu einer neuerlichen Entscheidung zu führen hat (VwGH 19.12.2005, 2005/03/0053). Die gegenständliche Vorstellung ist zulässig, da sie rechtzeitig von der Mandatsbescheidadressatin erhoben wurde. Gründe für deren Unzulässigkeit sind nicht zu erkennen. Aufgrund der zulässigen und rechtzeitigen Vorstellung ist der Mandatsbescheid gemäß § 7 Abs. 2 GEG außer Kraft getreten. Die Behörde hätte daher – nach allenfalls erforderlichen Ermittlungsschritten – mit Bescheid neu darüber abzusprechen gehabt, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht besteht.
3.5. Im vorliegenden Fall hat die Behörde jedoch im Spruch des beschwerdegegenständlichen Bescheids die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid zurückgewiesen. Sie hat damit nicht inhaltlich über die Zahlungspflicht der beschwerdeführenden Partei abgesprochen, weshalb der beschwerdegegenständliche Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar gibt es keine Rechtsprechung zur Frage ob bei einer rechtskräftigen Bestimmung einer Geldstrafe aufgrund § 6b Abs. 4 GEG zur Folge hat, dass eine Vorstellung nur zulässig ist wenn der Zahlungsauftrag von der rechtskräftigen Entscheidung abweicht, dies ergibt sich allerdings aus der Regierungsvorlage wonach etwa nur Vorstellung von Personen gegen die sich der Zahlungsauftrag nicht richtet unzulässig sei in Zusammenschau mit der zitierten Rechtsprechung, dass ein begründeter Antrag bei der Vorstellung nicht notwendig ist. Darüber hinaus kommt § 6b Abs. 4 GEG nach der Zivilverfahrensrechts-Novelle 2022 nur mehr eine untergeordnete Rolle zu, da nunmehr eine durch Gerichtsentscheidung dem Grunde und der Höhe nach rechtskräftig festgestellte Zahlungspflicht in der Regel einen Exekutionstitel darstellt.