JudikaturBFG

RV/6100004/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
02. September 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Thomas Leitner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Thomas Bründl, Mondseerstraße 5, 5204 Straßwalchen, über die Beschwerde vom 24. September 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 11. September 2024 betreffend Abweisung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung der Aussetzungszinsen für den Zeitraum 1.2.2022 bis 15.5.2024 zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt

Mit Haftungsbescheiden vom 21.12.2021 nahm das Finanzamt Österreich (im Folgenden: "belangte Behörde") den Beschwerdeführer gemäß § 9a Abs 1 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten (Glücksspielabgaben) der ***Limited1*** in Höhe von insgesamt 795.324,60 Euro als Haftungspflichtigen in Anspruch. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.1.2022 wurden für die betreffenden aushaftenden Abgabenschuldigkeiten gegenüber dem Beschwerdeführer Säumniszuschläge iHv insgesamt 15.906,56 Euro festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 26.1.2022 erhob der Beschwerdeführer ua gegen die Haftungsbescheide der belangten Behörde vom 21.12.2021 das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte er den Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Haftungsbeträge (Glücksspielabgaben). Mit weiterem Schriftsatz vom 26.1.2022 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Säumniszuschläge.

Die belangte Behörde gab den Anträgen statt und bewilligte mit Bescheiden vom 1.4.2022, vom 4.4.2022 und vom 27.6.2022 die Aussetzung der Einhebung.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 15.5.2024 wurde die Beschwerde gegen die Haftungsbescheide vom 21.12.2021 als unbegründet abgewiesen. Mit Bescheid vom 15.5.2024 verfügte die belangte Behörde den Ablauf der Aussetzung der Einhebung der Glücksspielabgaben und der Säumniszuschläge. Mit weiterem Bescheid vom 15.5.2024 setzte die belangte Behörde Aussetzungszinsen gemäß § 212a Abs 9 BAO für den Zeitraum 1.2.2022 bis 15.5.2024 im Betrag von EUR 74.241,74 Euro fest.

Mit am 7.6.2024 versendetem Schriftsatz (datiert 6.6.2024) erhob der Beschwerdeführer gegen den Aussetzungszinsenbescheid vom 15.5.2024 das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte er den Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Aussetzungszinsen.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 11.9.2024 wurde die Beschwerde gegen den Aussetzungszinsenbescheid vom 15.5.2024 als unbegründet abgewiesen. Mit Bescheid vom 11.9.2024 wies die belangte Behörde den Antrag vom 7.6.2024 auf Aussetzung der Einhebung der Aussetzungszinsen ab, da die dem Antrag zugrunde liegende Beschwerde bereits erledigt worden sei.

Mit Erkenntnis des BFG vom 25.8.2025, RV/6100358/2024, wurde die Beschwerde vom 7.6.2024 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15.5.2024 über die Festsetzung von Aussetzungszinsen für den Zeitraum 1.2.2022 bis 15.5.2024 als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis des BFG vom 1.9.2025, RV/6100433/2024, wurde der Beschwerde vom 26.1.2022 gegen die Haftungsbescheide gem § 9a Abs 1 BAO der belangten Behörde vom 21.12.2021 teilweise Folge gegeben und wurden die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert, dass die Haftung des Beschwerdeführers betraglich eingeschränkt wurde.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Feststellungen ergeben sich aus den jeweils angeführten aktenkundigen Unterlagen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 212a Abs 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einem Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen rechnungstragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.

Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht gemäß § 212a Abs 5 BAO in einem Zahlungsaufschub, welcher mit einem ua anlässlich einer über die Beschwerde in der Hauptsache ergehenden Beschwerdevorentscheidung zu ergehenden Verfügung des Ablaufs der Aussetzung endet. Die Verfügung des Ablaufs der Aussetzung anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

Soweit einem vor Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes iSd § 212 Abs 2 zweiter Satz BAO eingebrachten Antrages auf Aussetzung der Einhebung nicht stattgegeben wird, steht dem Abgabepflichtigen gemäß § 212a Abs 7 BAO seit der Änderung dieser Bestimmung durch das Budgetbegleitgesetz 2001 (BGBl I Nr 142/2000) für die Entrichtung eine Nachfrist von einem Monat ab Bekanntgabe des den Antrag erledigenden Bescheides zu.

Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind gemäß § 212a Abs 4 BAO auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.

3.1.2. Erwägungen

Gemäß § 212a Abs 1 BAO setzt die Aussetzung von streitverfangenen Abgaben gemäß § 212a BAO voraus, dass eine Bescheidbeschwerde, von deren Ausgang die Höhe einer Abgabe abhängig ist, noch anhängig ist, wobei mittelbare Abhängigkeit der Höhe einer Abgabe vom Ausgang der Beschwerde genügt (vgl VwGH 27.3.1996, 93/15/0235).

Das Verwaltungsgericht ist gem § 279 Abs 1 BAO berechtigt, seine Anschauung sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen, wobei die Abweisung einer Beschwerde als unbegründet so zu werten ist, als ob das Verwaltungsgericht ein mit dem angefochtenen Bescheid im Spruch übereinstimmendes Erkenntnis erlassen hätte, das fortan an die Stelle des angefochtenen Bescheides tritt (vgl VwGH 8.3.2021, Ra 2018/16/0109; 24.3.2015, Ro 2014/15/0042, mwN).

Das Verwaltungsgericht hat dabei grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zu entscheiden, welche im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegt (VwGH 13.6.2023, Ra 2020/16/0118; 15.10.2021, Ra 2019/16/0136), soweit sich nicht insbesondere aus dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften das Gebot zur Anwendung der zu einem bestimmten früheren Zeitpunkt maßgebenden Rechtslage ergibt oder ein Sachverhalt zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt zugrunde zu legen ist (vgl VwGH 11.9.2015, Ro 2014/17/0026; 27.9.2012, 2012/16/0090). Für das Verwaltungsgericht sind somit nicht ausschließlich die zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorliegenden Verhältnisse maßgeblich, sondern hat das Verwaltungsgericht im Allgemeinen zwischenzeitig - seit Erlassung des bekämpften Bescheides - eingetretene Änderungen der Sach- oder Rechtslage zu berücksichtigen (vgl zB VwGH 23.6.2021, Ra 2019/13/0111).

Mittlerweile wurde vom BFG sowohl über die Beschwerde vom 7.6.2024 gegen den Bescheid der belangten Behörde über die Festsetzung von Aussetzungszinsen für den Zeitraum 1.2.2022 bis 15.5.2024 als auch über die Beschwerde vom 26.1.2022 gegen die Haftungsbescheide gem § 9a Abs 1 BAO der belangten Behörde abgesprochen, sodass keine Bescheidbeschwerde mehr anhängig ist, von deren Ausgang die Höhe der streitverfangenen Abgaben (Aussetzungszinsen) - unmittelbar oder mittelbar - abhängt (vgl zB auch BFG 17.8.2023, RV/1100398/2022; 10.1.2024, RV/6100257/2022). Dass die Beschwerdeerledigung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Einhebung schon rechtskräftig ist, fordert das Gesetz für eine Ablehnung des Antrages nicht (vgl VwGH 27.3.1996, 93/15/0235; vgl zB auch VwGH 3.10.1996, 96/16/0200; 4.12.2003, 2003/16/0496). Die Frage der Rechtskraft der unter Punkt 1 angeführten Entscheidungen des BFG (s dazu zB OGH 24.11.2015, 1 Ob 127/15f) kann daher dahingestellt bleiben.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ganz ähnlich gelagerten Fällen bereits wiederholt ausgesprochen hat, würde die vom Beschwerdeführer angestrebte Bewilligung der Aussetzung der Einhebung - weil im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides gleichzeitig der Ablauf der Aussetzung wegen der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung zu verfügen wäre - dem Beschwerdeführer keine andere Rechtsposition verleihen als er durch den angefochtenen Bescheid hat (vgl VwGH 17.12.2003, 2003/13/0129; 27.9.2012, 2010/16/0196; 31.8.2016, 2013/17/0421, mwH).

Eine Erledigung, die eine beantragte Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO verweigert, kann somit ab dem Zeitpunkt, zu dem über die Bescheidbeschwerde, von deren Erledigung die Höhe der Abgabe, deren Aussetzung beantragt wurde, unmittelbar oder mittelbar abhing, abgesprochen ist, den Abgabepflichtigen nicht mehr in subjektiven Rechten verletzen (vgl VwGH 10.4.1991, 91/15/0011; 3.11.1994, 94/15/0027).

Im Übrigen war es dem Beschwerdeführer nach der ausdrücklichen Anordnung des § 212a Abs 5 BAO möglich, im Zusammenhang mit einer Einbringung eines Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung vom 15.5.2024 in der Hauptsache einen neuerlichen Antrag auf Aussetzung der Einhebung zu stellen (vgl zB VwGH 10.5.2001, 98/15/0002).

Soweit der Beschwerdeführer moniert, "aus dem Berechnungsblatt" sei ersichtlich, dass von den festgesetzten Aussetzungszinsen von 74.241,74 Euro gegen den Willen des Beschwerdeführers ein Guthaben von 1.418,13 Euro in Abzug gebracht wurde, ist auf die dem Beschwerdeführer offenstehende Möglichkeit, gemäß § 216 BAO die Erlassung eines Abrechnungsbescheides zu beantragen, hinzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt klargestellt, dass jener Teil der (älteren) Rechtsprechung, nach dem zur Verhinderung von möglichen Rechtsverletzungen auch nach einer Berufungserledigung eine Bewilligung der Aussetzung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung in Betracht komme (vgl etwa VwGH 10.12.1991, 91/14/0164), zur Rechtslage vor den Änderungen durch das Budgetbegleitgesetz 2001 (BGBl I Nr 142/2000) ergangen ist und damit als überholt zu erachten ist (vgl VwGH 17.12.2003, 2003/13/0129; 27.9.2012, 2010/16/0196; 31.8.2016, 2013/17/0421, mwH). Entgegen im Schrifttum erfolgten Darstellungen (vgl zB Capek in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar - Digital First2.06 § 212a Rz 45; Ritz/Koran, BAO8 § 212a Rz 12) erweist sich die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes somit nicht als uneinheitlich und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am 2. September 2025