IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Wolfgang Pagitsch, der Richterin Mag. Heidemarie Winkler sowie der fachkundigen Laienrichter DI Thomas Hrdinka, und Manfred Fiala in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Erwin Schweighofer, Tummelplatz 6/II, 8010 Graz, über deren Beschwerde vom 11. Juli 2018 gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Österreich (vormals Finanzamtes Wien 1/23) vom 5. Juni 2018 betreffend aushaftender Abgabenschuldigkeiten der ***Firma1***, Steuernummer ***Zahl1***, nach nichtöffentlicher Sitzung am 26. September 2025 zu Recht erkannt:
I.) Die Beschwerde wird gem § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
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}II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Vorhalt der belangten Behörde vom 7.12.2017 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung iSd § 9 BAO bezüglich bestimmter bei der ***Firma1*** aushaftender Abgabenschuldigkeiten zu erbringen und ihre wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen. Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin nicht nach.
Mit Haftungsbescheid vom 5.6.2018 wurde die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der ***Firma1*** für näher bezeichnete Abgabenschulden dieser Gesellschaft iHv insgesamt € 24.738,50 gem § 9 BAO zur Haftung herangezogen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 11.7.2018 Beschwerde hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme bezüglich Umsatzsteuer 4-6/2014 und Umsatzsteuer 7-9/2014 und begründete diese im Wesentlichen damit, dass die zugrundeliegenden Abgabenbescheide bereits an die veräußerte ***Firma1*** zugestellt worden seien, sodass die Beschwerdeführerin diese nicht bekämpfen hätte können. Zudem hätte die belangte Behörde den zum Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide zur Vertretung der Primärschuldnerin berufenen Vertreter ***Name1*** zur Haftung heranziehen müssen, zumal sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten an diesen abgetreten worden seien. Darüber hinaus könne der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung allein schon deshalb nicht erbracht werden, da der Beschwerdeführerin die Unterlagen dazu fehlen, zumal sie sämtliche Geschäftsunterlagen dem Erwerber übergeben habe und weder die ehemalige Steuerberatungskanzlei noch die Masseverwalterin über Unterlagen verfügen würden. Weiters beantragte die Beschwerdeführerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch einen Senat. Mit gleichem Datum erhob die Beschwerdeführerin auch Beschwerde gegen die zugrundeliegenden Abgabenbescheide.
In der Beschwerdevorentscheidung vom 11.12.2018 wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als unbegründet ab. Als Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Fälligkeit der streitgegenständlichen Abgaben in die Zeit der Geschäftsführertätigkeit gefallen sei und zunächst über die Beschwerde über die Geltendmachung der Haftung und erst danach gegebenenfalls über die Richtigkeit der Abgabenforderungen zu entscheiden sei.
Am 10.1.2019 brachte die Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag ein und wiederholte ihre bisherigen Ausführungen.
Mit Vorlagebericht vom 21.1.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt wesentlicher Aktenteile dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Am 27.8.2025 zog die Beschwerdeführerin den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
Auf Anfrage teilte die belangte Behörde am 1.9.2025 im Wesentlichen mit, dass die fraglichen vierteljährlichen Umsatzsteuern nach einer Umsatzsteuersonderprüfung festgesetzt worden seien, die Umsatzsteuer 2013 aus der erklärten Restschuld stamme, eine Haftung des zweiten Geschäftsführers ***Name2*** mangels schuldhafter Pflichtverletzung nicht erfolgt sei und die gegenständliche Haftungsforderung im Schuldenregulierungsverfahren bedingt angemeldet worden sei.
Am 26.9.2025 fand die nichtöffentliche Sitzung des Senates statt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Festgestellter Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin war vom ***Datum1*** bis ***Datum2*** Geschäftsführerin der ***Firma1***, welche am ***Datum1*** gegründet wurde. Zudem war vom ***Datum3*** bis ***Datum4*** auch ***Name2*** Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Mit ***Datum2*** veräußerte die Beschwerdeführerin als 100%Gesellschafterin ihre Anteile an ***Name1***, welcher auch die Geschäftsführung übernahm.
Am ***Datum5*** wurde über die ***Firma1*** der Konkurs eröffnet, welcher am ***Datum6*** nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben wurde. Am ***Datum7*** wurde die Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.
Mit Bescheid vom 5.6.2018 wurde die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der ***Firma1*** für Umsatzsteuer 2013 iHv € 528,50, Umsatzsteuer 4-6/2014 iHv € 8.950,09 und Umsatzsteuer 7-9/2014 iHv € 15.259,91, insgesamt somit iHv € 24.738,50 zur Haftung gem. § 9 BAO herangezogen.
Mit Haftungsvorhalt vom 7.12.2017 wurden der Beschwerdeführerin auch der Umsatzsteuerbescheid 2013 und die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide 4-6/2014 und 7-9/2014 übermittelt. Gegen die Letzteren erhob die Beschwerdeführerin am 11.7.2018 Beschwerde.
Die Umsatzsteuernachforderung 2013 hat die Primärschuldnerin als Nachforderung (Restschuld) in der Umsatzsteuerjahreserklärung selbst erklärt. Die Nachforderung betreffend die Zeiträume 4-6/2014 und 7-9/2014 resultiert aus einer Umsatzsteuersonderprüfung, nachdem Vorsteuern aufgrund fehlender Unterlagen nicht anerkannt worden sind.
Die Primärschuldnerin verfügte in den Jahren 2013 und 2014 über liquide Mittel. Der gesamte strittige Haftungsbetrag iHv € 24.738,50 haftet noch am Abgabenkonto der ***Firma1*** aus.
Die Beschwerdeführerin befindet sich seit 18.12.2024 in einem Schuldenregulierungs-verfahren.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde (zB Abgabenkonto der ***Firma1***, Firmenbuchauszug zu FN ***Zahl2***, Ediktdatei zu AZ ***Zahl3***). Dass liquide Mittel in den Jahren 2013 und 2014 vorhanden waren, erschließt sich für das Gericht, dass die Gesellschaft in diesen Jahren operativ tätig war und die Beschwerdeführerin dieses Faktum nicht bestritten hat.
Zudem ist den Urkunden zu entnehmen, dass das Konkursverfahren beendet wurde und die streitgegenständlichen Abgaben bei der ***Firma1*** uneinbringlich sind.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gem § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gem § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesem zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den § 9 und §§ 80 ff BAO ist eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Da die Beschwerdeführerin vom ***Datum1*** bis ***Datum2*** Geschäftsführerin der ***Firma1*** war, ist diese eine Vertreterin iSd des § 9 BAO. Ihr oblag es daher die abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin in diesem Zeitraum wahrzunehmen.
Die Haftung erstreckt sich darüber hinaus nur auf Abgaben, deren Zahlungstermin (zB Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt. Dies ist gegenständlich gegeben, zumal die Fälligkeit bezüglich der Umsatzsteuerrestschuld 2013 am 17.2.2014, der Umsatzsteuer 4-6/2014 am 18.8.2014 und der Umsatzsteuer 7-9/2014 am 17.11.2014 eingetreten ist. Eine Haftungsinanspruchnahme des ***Name1***, wie von der Beschwerdeführerin moniert, scheidet daher aus.
Die Haftung nach § 9 Abs 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (VwGH 24.2.1997, 96/17/0066). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (VwGH 3.7.1996, 96/13/0025). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (VwGH 26.5.2004, 99/14/0218).
Gegenständlich steht die objektive Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgaben bei der Primärschuldnerin fest, da mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien über das Vermögen der Primärschuldnerin am ***Datum5*** der Konkurs eröffnet wurde und dieser am ***Datum6*** nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben wurde. Zudem konnte die belangte Behörde den zweiten Geschäftsführer ***Name2*** nicht zur Haftung heranziehen, da dieser mittels beweiskräftiger Unterlagen darlegen konnte, dass aufgrund schriftlicher Verträge über die Aufteilung der Agenden seinerseits bei ihm keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgelegen ist.
Darüber hinaus ist für die Haftung nach § 9 BAO die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich (zB VwGH 18.10.1995, 91/13/0037; VwGH 2.7.2002, 96/14/0076). Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehören vor allem die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwaltet, die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen und die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht.
Gem § 80 Abs 1 letzter Satz BAO hat der Vertreter insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Ob den Vertreter ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft, ist für die Haftung nach § 9 BAO hingegen ohne Bedeutung (zB VwGH 18.11.1991, 90/15/0176; VwGH 22.2.2008, 2007/17/0214). Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (vgl VwGH 31.10.2000, 95/15/0137; VwGH 25.11.2009, 2007/15/0277). Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (vgl VwGH 16.9.2003, 2000/14/0106; VwGH 22.4.2015, 2013/16/0208); maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (zB VwGH 25.1.1999, 94/17/0229; VwGH 23.1.2003, 2001/16/0291). Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (zB Körperschaftsteuer) ist hingegen grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend (zB VwGH 21.5.1992, 88/17/0216).
Keine Pflichtverletzung liegt hingegen vor, wenn die Abgabe nicht entrichtet wird, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hatte (vgl Ritz/Koran, BAO7, § 9 Rz 10). Gegenständlich wurde festgestellt, dass die Abgaben trotz liquider Mittel nicht entrichtet wurden. Die Beschwerdeführerin als Vertreterin hat somit nicht für die Entrichtung der Abgaben gesorgt. Darin liegt eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten vor (VwGH 5.10.2023, Ra 2023/13/0060). Zudem geht aus der Aktenlage hervor, dass die Umsatzsteuer 4-6/2014 und 7-9/2014 von der Beschwerdeführerin als für die steuerlichen Belange der Gesellschaft verantwortlicher Geschäftsführerin nicht in der richtigen Höhe gemeldet wurde, sodass eine weitere abgabenrechtliche Pflicht durch die Beschwerdeführerin verletzt wurde. Darüber hinaus resultiert die Abgabenschuld aus der Umsatzsteuer 2013 aufgrund der eingereichten Umsatzsteuererklärung, wodurch feststeht, dass unterjährig unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden, womit eine weitere Pflichtverletzung vorliegt.
Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert, daher genügt auch leichte Fahrlässigkeit (vgl VwGH 18.10.1995, 91/13/0037, 91/13/0038; VwGH 31.10.2000, 95/15/0137). Verfügt der Vertretene über (wenn auch nicht ausreichende) Mittel, so darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (vgl VwGH 17.10.2001, 2000/16/0575; VwGH 15.12.2009, 2005/13/0040). Es kann aber nicht verlangt werden, der Vertreter müsse den Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigen (vgl VwGH 29.4.1994, 93/17/0395; VwGH 24.2.2004, 99/14/0278). Er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Ausnahmen von diesem Gleichbehandlungsgrundsatz gelten für Abfuhrabgaben, insbesondere für Lohnsteuer (zB VwGH 21.1.2004, 2002/13/0218; VwGH 5.4.2011, 2009/16/0106) und Kapitalertragsteuer.
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (vgl VwGH 28.2.2013, 2012/16/0029; VwGH 19.5.2015, 2013/16/0016). Nur der Vertreter wird nämlich idR jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (vgl VwGH 19.11.1998, 98/15/0159; VwGH 5.4.2011, 2009/16/0106). Daher hat er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen (zB VwGH 7.9.1990, 89/14/0132), etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken (zB VwGH 27.5.2020, Ra 2020/13/0027). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (vgl VwGH 4.4.1990, 89/13/0212; VwGH 27.10.2008, 2005/17/0259). Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reicht nicht (VwGH 22.9.1999, 96/15/0049).
Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt somit dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (VwGH 28.5.2008, 2006/15/0322 mwN). Eine Haftung zur Gänze kommt daher in Betracht, wenn der Vertreter seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht hinsichtlich des teilweisen Fehlens liquider Mittel und der anteiligen Verwendung dieser Mittel nicht nachkommt (vgl VwGH 7.12.2000, 2000/16/0601; VwGH 30.10.2001, 98/14/0082) und sich auch aus dem Akteninhalt keine deutlichen Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur (anteiligen) Abgabenentrichtung ergeben (vgl VwGH 17.12.2002, 98/17/0250; VwGH 30.9.2004, 2003/16/0080).
Dies ist gegenständlich der Fall. Die Beschwerdeführerin konnte trotz mehrmaliger Aufforderung weder einen Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung noch den Nachweis einer fiktiven Gläubigergleichbehandlungsquote erbringen. Dazu wäre es erforderlich gewesen, eine Gegenüberstellung aller liquiden Mittel und fälligen Verbindlichkeiten zum jeweiligen Fälligkeitstag der haftungsgegenständlichen Abgaben vorzulegen, um feststellen zu können, wie die vorhandenen Mittel tatsächlich verwendet wurden. Wenn die Beschwerdeführerin dahingehend ausführt, dass ihr mangels Unterlagen ein solcher Nachweis gar nicht möglich sei, so geht dies zu ihren Lasten, zumal sie für den Nachweis ihres pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat (zB VwGH 7.9.1990, 89/14/0132). Ein Verschulden des Beschwerdeführers bezüglich seiner abgabenrechtlichen Pflichten, insbesondere an der Nichtentrichtung der im Spruch genannten Abgaben, ist daher evident.
Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung muss daher zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (VwGH 27.5.2020, Ra 2020/13/0027). Im Hinblick auf die festgestellte schuldhafte Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit gegeben.
Wenn die Beschwerdeführerin einwendet, die zugrundeliegenden Abgaben seien strittig, so wird ihr entgegnet, dass der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige gem § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen kann. Eine Beschwerde gegen die zugrundeliegenden Abgabenbescheide wurde gegenständlich auch von der Beschwerdeführerin erhoben, zumal ihr die Abgabenbescheide von der belangten Behörde mit Haftungsvorhalt vom 7.12.2017 übermittelt wurden.
Wenn ein zur Haftung Herangezogener sowohl gegen die Geltendmachung der Haftung als auch gem § 248 BAO gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Beschwerde einbringt, ist zunächst nur über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung zu entscheiden, weil sich erst aus dieser Entscheidung ergibt, ob eine Legitimation zur Beschwerde gegen den Abgabenanspruch überhaupt besteht. Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung sind in einem gem § 248 BAO durchzuführenden Abgabenverfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen (vgl VwGH 27.1.2011, 2010/16/0258).
Demnach ist auf die Einwendungen, die sich gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung gegenüber der Primärschuldnerin richten, im gegenständlichen Verfahren nicht einzugehen und wird über die Beschwerde gegen die Abgabenbescheide in einem gesonderten Verfahren abzusprechen sein.
Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde (zB VwGH 28.1.2005, 2002/15/0157; VwGH 8.9.2020, Ra 2020/13/0029). Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung (zB VwGH 25.3.2010, 2009/16/0104). Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (VwGH 25.6.1990, 89/15/0067). Die im Spruch angeführte Abgabenschuld ist bei der Primärschuldnerin nicht einbringlich. Daher dient die Geltendmachung der Haftung dem öffentlichen Interesse an der Sicherung und Einbringung der Abgabenschulden. Demnach ist die Haftungsinanspruchnahme der Beschwerdeführerin zweckmäßig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 3.9.2008, 2006/13/0159; VwGH 16.10.2014, Ro 2014/16/0066) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen. Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf. Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab (zB VwGH 2.12.2020, Ra 2020/13/0095; VwGH 19.5.2021, Ra 2019/13/0046; BFG 30.6.2021, RV/7105704/2018).
Der Verwaltungsgerichtshof hat einen Zeitraum von rund vier Jahren zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld und der Haftungsinanspruchnahme nicht als einen im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigenden langen Zeitabstand beurteilt (vgl VwGH 15.6.2023, Ra 2021/13/0156; VwGH 28.6.2016, 2013/17/0829). Dahingehend ist festzustellen, dass unter Verweis auf diese Judikatur im gegenständlichen Fall ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld (es sind Abgaben mit Fälligkeiten im Jahr 2014 betroffen) oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit (***Datum6***) einerseits und der Erlassung des Haftungsbescheides (5.6.2018) andererseits nicht vorliegt.
Die aus der Aktenlage ersichtliche schwierige finanzielle Situation der Beschwerdeführerin - sie befindet sich in einem Schuldenregulierungsverfahren - steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung, sodass deswegen keine (teilweise) Abstandnahme von der Haftungsinanspruchnahme zulässig ist (vgl VwGH 25.6.1990, 89/15/0067; VwGH 28.5.2008, 2006/15/0089). Zudem ist die Inanspruchnahme der Haftung in Ausübung des Ermessens mit dem derzeitigen, im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides vorhandenen Vermögen nicht begrenzt (VwGH 9.11.2011, 2011/16/0070). Selbst der Umstand, dass eine Haftungsschuld letztlich nicht oder nur zum Teil eingebracht werden kann, steht deren (ungekürzten) Geltendmachung nicht entgegen (vgl BFG 31.7.2014, RV/5101346/2011).
Von der Beschwerdeführerin wurden zudem keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Ermessensübung bewirken hätten können.
Im Ergebnis erfolgte aufgrund der oben ausgeführten Erwägungen daher die Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin als Haftungspflichtige für die im bekämpften Haftungsbescheid angeführten Abgabenschuldigkeiten der ***Firma1*** zu Recht.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis behandelt keine Rechtsfragen, denen im Hinblick auf die zitierte Judikatur grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof war daher nicht zuzulassen.
Wien, am 29. September 2025