JudikaturBFG

RV/7104824/2018 – BFG Entscheidung

Entscheidung
Steuerrecht
04. Juni 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pagitsch in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag Stefan Tiefenbacher, Hauptplatz 34, 2100 Korneuburg, über dessen Beschwerde vom 20. Juni 2017 gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Österreich (vormals Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln) vom 31. Mai 2017 betreffend aushaftender Abgabenschuldigkeiten der ***Firma1***, Steuernummer ***StrNr2***, zu Recht erkannt:

I.) Der Beschwerde wird gem. § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger der ***Firma1*** gem. § 9 iVm §§ 80 ff BAO für Umsatzsteuer 9/2015 iHv € 3.799,15, Umsatzsteuer 10/2015 iHv € 10.204,29 und Umsatzsteuer 12/2015 iHv € 166,90, insgesamt somit iHv € 14.170,34 in Anspruch genommen wird.

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II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schreiben vom 20.1.2017 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf hinsichtlich der beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme für näher bezeichnete Abgabenschuldigkeiten der ***Firma1*** iHv insgesamt € 255.282,56 Stellung zu nehmen, insbesondere einen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorzulegen und seine wirtschaftlichen Verhältnisse bekannt zu geben.

Mit Schreiben vom 16.2.2017 legte der Beschwerdeführer seine wirtschaftlichen Verhältnisse dar, listete seine Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Konkursanmeldung auf und gab an, dass die Zahlungsunfähigkeit deshalb eingetreten sei, da die aus Liquiditätsgründen eingebrachten Ratenanträge an das Finanzamt und an die Gebietskrankenkasse abgelehnt worden seien.

Mit Haftungsbescheid vom 31.5.2017 wurde der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der ***Firma1*** für Abgabenschulden dieser Gesellschaft iHv insgesamt € 68.140,39 gem. §§ 9 iVm 80 ff BAO zur Haftung herangezogen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 20.6.2017 Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass es im Laufe des Jahres 2016 zu Liquiditätsengpässen gekommen sei und Zahlungsvereinbarungen nicht zu Stande gekommen seien, sodass Zahlungsunfähigkeit eingetreten sei. Er habe aber stets alle notwendigen Meldungen an die Behörde termingerecht durchgeführt und die Abgaben entrichtet und im Falle von Liquiditätsengpässen zeitgerecht Ratenzahlungen beantragt. Zudem habe er keinen Gläubiger ungleich behandelt und legte dazu eine Kopie des Anmeldeverzeichnisses vor. Darüber hinaus beantrage er für den Fall, dass keine Beschwerdevorentscheidung erlassen werde, eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht.

Die belangte Behörde gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.7.2018 teilweise statt und schied die Umsatzsteuer 5/2013, die Körperschaftsteuer 7-9/2014 und 10-12/2014, den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2024 und sämtliche Nebenansprüche aus. Der Haftungsbetrag wurde demnach auf € 62.026,80 reduziert.

Am 31.8.2018 brachte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag ein und führte im Wesentlichen aus, dass er als Geschäftsführer stets für eine fristgerechte Meldung der Abgaben gesorgt habe, im Falle von Liquiditätsengpässen zeitgerecht Ratenzahlungen beim Finanzamt beantragt habe und schließlich aufgrund der bereits in der Beschwerde dargelegten Umstände fristgerecht am 29.6.2016 die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens beantragt habe. Zudem habe er sich über Monate hinweg keinen Geschäftsführerbezug ausbezahlt und der Gesellschaft Zuschüsse gewährt, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Weiters legte der Beschwerdeführer Unterlagen zum Beweis dafür vor, dass er in den genannten Zeiträumen seine Verpflichtung zur Gleichbehandlung der fälligen Umsatzsteuerzahllasten mit anderen Verbindlichkeiten nicht verletzt habe.

Mit Vorlagebericht vom 22.10.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt wesentlicher Aktenteile dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Die belangte Behörde teilte am 3.3.2025 auf Anfrage mit, dass dem Beschwerdeführer im Zuge der Haftungsinanspruchnahme nur die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 7/2013, 6/2014, 9/2014, 10/2014, 9/2015, 10/2015 und 12/2015 zur Kenntnis gebracht worden seien, das Ausscheiden bestimmter Haftungsbeträge im Zuge der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung auf das Fehlen von Zustellnachweisen zurückzuführen sei, die Umsatzsteuer 7/2013, 6/2014, 9/2014, 10/2014 und Teile der Umsatzsteuer 9/2015 bereits durch Erlöse aus Absonderungsrechten gedeckt worden seien und aufgrund dieser Umstände das Haftungsbegehren seitens der belangten Behörde auf eine Haftungssumme von € 23.415,82 (Umsatzsteuer 9/2015 iHv € 5.012,08; Umsatzsteuer 10/2015 iHv € 18.044,73 und Umsatzsteuer 12/2015 iHv € 359,01) eingeschränkt werde.

Mit Beschluss vom 4.3.2025 wurde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und er nochmals aufgefordert den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung zu erbringen.

Nach Fristverlängerungen legte der Beschwerdeführer am 9.5.2025 Urkunden bezüglich des Gläubigergleichbehandlungsnachweises vor und teilte im Wesentlichen mit, dass sich aus den Berechnungen eindeutig ergebe, dass sich im Gegensatz zum Finanzamt bei den übrigen Gläubigern im Betrachtungszeitraum nicht einmal die Neuverbindlichkeiten abgedeckt worden seien und sich daher bei einer aufwendigen quotenmäßigen Berechnung der geleisteten Zahlungen im Vergleich zu den Gesamtverbindlichkeiten keinesfalls eine andere Beurteilung der Gleichbehandlung des Finanzamtes im Vergleich zu den übrigen Gläubigern ergeben würde.

Am 21.5.2025 teilte die belangte Behörde zusammenfassend mit, dass vom Beschwerdeführer der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht erbracht worden sei und sie aufgrund der vorgelegten Unterlagen den Quotenschaden berechnet habe und sich daraus eine Haftungssumme von insgesamt € 14.170,34 ergebe. Der Beschwerdeführer stimmte am 3.6.2025 dieser Berechnung zu und stellte klar, dass er keine mündliche Verhandlung begehre und die Einvernahme des beantragten Zeugen nicht mehr erforderlich sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Festgestellter Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war vom ***Datum1*** bis ***Datum2*** alleiniger Geschäftsführer der ***Firma1***. Mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom ***Datum2*** wurde über das Vermögen dieser Gesellschaft das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Mit Beschluss vom ***Datum3*** wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren mit einer Sanierungsquote von 20% aufgehoben. Seitdem ist der Beschwerdeführer wieder alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft.

Mit Bescheid vom 31.5.2017 wurde der Beschwerdeführer für folgende Abgabenschuldigkeiten der ***Firma1*** zur Haftung gem. § 9 iVm §§ 80 ff BAO herangezogen, wobei die Sanierungsquote bereits in Abzug gebracht wurde:

AbgabenartZeitraumBetrag
Umsatzsteuer07/20133.708,69
Umsatzsteuer05/2013763,74
Umsatzsteuer06/20144.392,15
Umsatzsteuer09/20148.323,70
Umsatzsteuer10/20148.234,23
Umsatzsteuer09/201515.976,72
Umsatzsteuer10/201518.044,73
Umsatzsteuer12/2015359,01
Körperschaftssteuer07-09/2013200,80
Körperschaftssteuer07-09/2014100,00
Körperschaftssteuer10-12/2014849,60
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag11/20142,40
Verspätungszuschlag11/2015514,46
Stundungszinsen2013659,31
Stundungszinsen2014257,51
Stundungszinsen20161.355,50
Säumniszuschlag 12012113,82
Säumniszuschlag 120131.558,32
Säumniszuschlag 120141.180,94
Säumniszuschlag 12015663,05
Säumniszuschlag 12016626,10
Säumniszuschlag 22014209,50
Säumniszuschlag 2201546,11
SUMME68.140,39

Die Umsatzsteuer 5/2013 wurde bereits am 17.7.2013 entrichtet. Durch Erlöse aus Absonderungsrechten wurde zwischenzeitig die Umsatzsteuer 7/2013, 6/2014, 9/2014, 10/2014 und teilweise die Umsatzsteuer 9/2015 getilgt, sodass unter Berücksichtigung der Sanierungsquote hinsichtlich der streitgegenständlichen Umsatzsteuern nur mehr die Umsatzsteuer 9/2015 iHv € 5.012,08, Umsatzsteuer 10/2015 iHv € 18.044,73 und Umsatzsteuer 12/2015 iHv € 359,01 bei der Primärschuldnerin aushaftet. Seit ***Datum3*** sind diese Abgaben bei der ***Firma1*** uneinbringlich.

Im Zuge der Erlassung des Haftungsbescheides wurden dem Beschwerdeführer die Umsatzsteuerbescheide betreffend 2013, 2014 und 2015 zur Kenntnis gebracht. Hingegen erfolgte bezüglich der anderen haftungsrelevanten Abgaben, sofern diese bescheidmäßig festgesetzt wurden, keine Übermittlung der Bescheide an den Beschwerdeführer im Zuge der Haftungsinanspruchnahme.

Die Umsatzsteuer betreffend 9/2015, 10/2015 und 12/2015 wurde von der ***Firma1*** fristgerecht gemeldet, doch erfolgte keine Entrichtung der gemeldeten Beträge bis zu den jeweiligen Fälligkeitstagen (9/2015 am 16.11.2015, 10/2015 am 15.12.2015, 12/2015 am 15.2.2016). Die Gesellschaft verfügte zu diesen Fälligkeitstagen und darüber hinaus bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens am ***Datum2*** über liquide Mittel.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Unterlagen der belangten Behörde (zB Abgabenkonto der ***Firma1***, Überweisungsbelegen, Firmenbuchauszug zu FN ***Zahl1***) und des Beschwerdeführers (zB Geldflussrechnungen, Saldenlisten, Anmeldeverzeichnis) und ist zwischen den Parteien unstrittig. Aus diesen Unterlagen des Beschwerdeführers geht auch hervor, dass die Gesellschaft vom 16.11.2015 bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens liquide Mittel zur Verfügung hatte und wird dies auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Zudem ist diesen Urkunden zu entnehmen, dass das Sanierungsverfahren mit einer Sanierungsquote von 20% beendet wurde und daher seit diesem Zeitpunkt die Umsatzsteuer 9/2015 iHv € 5.012,08, 10/2015 iHv € 18.044,73 und 12/2015 iHv € 359,01 bei der ***Firma1*** uneinbringlich ist. Zudem bestätigte die belangte Behörde, dass sie nur die Umsatzsteuerbescheide im Zuge der Haftungs-inanspruchnahme an den Beschwerdeführer übermittelt hat und geht dies auch aus dem Haftungsbescheid hervor.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Gem. § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gem. § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesem zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach den § 9 und §§ 80 ff BAO ist eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Da der Beschwerdeführer vom ***Datum1*** bis ***Datum2*** alleiniger Geschäftsführer der ***Firma1*** war, ist der Beschwerdeführer ein Vertreter iSd des § 9 BAO. Ihm oblag es daher die abgabenrechtlichen Pflichten der Primärschuldnerin in diesem Zeitraum wahrzunehmen.

Zudem wird festgehalten, dass die Einschränkung des Haftungsbetrages auf € 23.415,82 (Umsatzsteuer 9/2015 iHv € 5.012,08, Umsatzsteuer 10/2015 iHv € 18.044,73 und Umsatzsteuer 12/2015 iHv € 359,01) seitens der belangten Behörde im Zuge des Beschwerdeverfahrens zu Recht erfolgte, zumal sich aus dem einem Haftungspflichtigen eingeräumten Beschwerderecht ergibt, dass ihm anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist (VwGH 18.3.1994, 92/17/0003), und zwar vor allem über Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruches (vgl. VwGH 25.7.1990, 88/17/0235; VwGH 19.3.2015, 2011/16/0188). Eine solche Bekanntmachung hat durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch, allenfalls durch Mitteilung des Bescheidinhalts zu erfolgen (vgl zB Ellinger/Wetzel, BAO, 194). Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung macht den Haftungsbescheid rechtswidrig (VwGH 28.5.1993, 93/17/0049). Eine solche Bekanntmachung ist auch erforderlich, wenn der Haftungspflichtige vom Abgabenanspruch Kenntnis haben muss, zB weil ihm als gem. § 9 BAO haftendem Geschäftsführer einer GmbH die betreffenden Bescheide zugestellt wurden (vgl. VwGH 28.5.1993, 93/17/0049).

Gegenständlich gab die belangte Behörde an, dass im Zuge der Haftungsinanspruchnahme dem Beschwerdeführer nur die Umsatzsteuerbescheide 2013, 2014 und 2015 zur Kenntnis gebracht worden sind, sodass sämtliche anderen bescheidmäßig festzusetzenden und im Haftungsbescheid angeführten Abgaben aus diesem Grund von der Haftungsinanspruchnahme auszuscheiden waren. Darüber hinaus wird im Zuge des Ermessens gem. § 20 BAO der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2014 iHv € 2,40 wegen Geringfügigkeit von der Haftung ausgenommen.

Des Weiteren ist die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO eine Ausfallshaftung (VwGH 24.2.1997, 96/17/0066), sodass das Sanierungsverfahren und dessen Erfüllung zwar die Verbindlichkeiten gegenüber der Primärschuldnerin nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften tilgten, aber eine Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers deswegen nicht ausgeschlossen ist. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (VwGH 3.7.1996, 96/13/0025). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (VwGH 26.5.2004, 99/14/0218). Gegenständlich wurde festgestellt, dass die Umsatzsteuer 5/2013 bereits getilgt wurde und die Umsatzsteuer 7/2013, Umsatzsteuer 6/2014, Umsatzsteuer 9/2014, Umsatzsteuer 10/2014 und Teile der Umsatzsteuer 9/2015 durch Erlöse aus Absonderungsrechten entrichtet wurden, sodass am Abgabenkonto (nur mehr) die Umsatzsteuer 9/2015 iHv € 5.012,08, 10/2015 iHv € 18.044,73 und 12/2015 iHv € 359,01 aushaften.

Hinsichtlich dieser Abgaben steht aber die objektive Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin fest, da mit Beschluss vom ***Datum3*** der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren mit einer Sanierungsquote von 20% aufgehoben wurde. Hinsichtlich der die Sanierungsplanquote übersteigenden Abgabenrückstande (Insolvenzforderungen) ist daher die Rechtswirkung des § 156 Abs. 1 IO eingetreten. Demnach sind 80 % der vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens fällig gewordenen und von der Haftung betroffenen Abgabenforderungen bei der ***Firma1*** nicht mehr einbringlich. Die Sanierungsplanquote von 20 % war daher aliquot auf die einzelnen Abgabenschulden zu verrechnen (vgl. VwGH 28.9.2004, 2001/14/0176) und wurde dies bereits von der belangten Behörde im Haftungsbescheid vom 31.5.2017 richtig vorgenommen.

Somit verbleibt in der Folge für die weitere Prüfung einer Haftungsinanspruchnahme nach § 9 BAO für die aushaftende Umsatzsteuer 9/2015 iHv € 5.012,08, Umsatzsteuer 10/2015 iHv € 18.044,73 und Umsatzsteuer 12/2015 iHv € 359,01.

Gem. § 21 Abs. 1 erster Satz UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat.

Gem. § 21 Abs. 1 vierter Satz UStG 1994 hat der Unternehmer eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Die Haftung erstreckt sich nur auf Abgaben, deren Zahlungstermin (zB Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der Vertretungstätigkeit fällt. Da die jeweiligen Fälligkeitstage (für Umsatzsteuer 9/2015 am 16.11.2015, für Umsatzsteuer 10/2015 am 15.12.2015, für Umsatzsteuer 12/2015 am 15.2.2016) in die Zeit der Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers fällt, ist diese Voraussetzung erfüllt.

Darüber hinaus ist für die Haftung nach § 9 BAO die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich (zB VwGH 18.10.1995, 91/13/0037; VwGH 2.7.2002, 96/14/0076). Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehören vor allem die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwaltet, die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen und die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht. Gem. § 80 Abs. 1 letzter Satz BAO hat der Vertreter insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Ob den Vertreter ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft, ist für die Haftung nach § 9 BAO hingegen ohne Bedeutung (zB VwGH 18.11.1991, 90/15/0176; VwGH 22.2.2008, 2007/17/0214).

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (vgl. VwGH 31.10.2000, 95/15/0137; VwGH 25.11.2009, 2007/15/0277). Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (vgl. VwGH 16.9.2003, 2000/14/0106; VwGH 22.4.2015, 2013/16/0208); maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, somit unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird (zB VwGH 25.1.1999, 94/17/0229; VwGH 23.1.2003, 2001/16/0291). Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (zB Körperschaftsteuer) ist hingegen grundsätzlich die erstmalige Abgabenfestsetzung entscheidend (zB VwGH 21.5.1992, 88/17/0216). Keine Pflichtverletzung liegt vor, wenn die Abgabe nicht entrichtet wird, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hatte (vgl. Ritz/Koran, BAO8, § 9 Rz 10).

Gegenständlich wurde festgestellt, dass die streitgegenständlichen Umsatzsteuern trotz liquider Mittel nicht entrichtet, sondern diese für den laufenden Geschäftsbetrieb verwendet wurden. Der Beschwerdeführer als Vertreter hat somit nicht für die Entrichtung der Abgaben gesorgt. Darin liegt eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten vor (VwGH 5.10.2023, Ra 2023/13/0060). Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert, daher genügt auch leichte Fahrlässigkeit (vgl. VwGH 18.10.1995, 91/13/0037, 91/13/0038; VwGH 31.10.2000, 95/15/0137).

Bezüglich des Einwandes es seien Zahlungserleichterungsansuchen gestellt worden, wird - sofern aufgrund der Einschränkung des Haftungsbetrages überhaupt noch relevant - entgegnet, dass solche für die noch streitgegenständlichen Umsatzsteuern entweder nicht (fristgerecht) gestellt, abgewiesen oder die betreffenden Abgaben nicht dezidiert genannt wurden.

Verfügt der Vertretene über (wenn auch nicht ausreichende) Mittel, so darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (vgl. VwGH 17.10.2001, 2000/16/0575; VwGH 15.12.2009, 2005/13/0040). Es kann aber nicht verlangt werden, der Vertreter müsse den Abgabengläubiger vor allen übrigen Gläubigern befriedigen (vgl. VwGH 29.4.1994, 93/17/0395; VwGH 24.2.2004, 99/14/0278). Er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Ausnahmen von diesem Gleichbehandlungsgrundsatz gelten nur für Abfuhrabgaben, insbesondere für Lohnsteuer (zB VwGH 21.1.2004, 2002/13/0218; VwGH 5.4.2011, 2009/16/0106) und Kapitalertragsteuer.

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (vgl. VwGH 28.2.2013, 2012/16/0029; VwGH 19.5.2015, 2013/16/0016). Nur der Vertreter wird nämlich idR jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (vgl. VwGH 19.11.1998, 98/15/0159; VwGH 5.4.2011, 2009/16/0106). Daher hat er für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen (zB VwGH 7.9.1990, 89/14/0132), etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken (zB VwGH 27.5.2020, Ra 2020/13/0027). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (vgl. VwGH 4.4.1990, 89/13/0212; VwGH 27.10.2008, 2005/17/0259). Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reicht nicht (VwGH 22.9.1999, 96/15/0049).

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt somit dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (VwGH 28.5.2008, 2006/15/0322 mwN).

Eine Haftung zur Gänze kommt daher in Betracht, wenn der Vertreter seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht hinsichtlich des teilweisen Fehlens liquider Mittel und der anteiligen Verwendung dieser Mittel nicht nachkommt (vgl. zB VwGH 7.12.2000, 2000/16/0601; VwGH 30.10.2001, 98/14/0082) und sich auch aus dem Akteninhalt keine deutlichen Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur (anteiligen) Abgabenentrichtung ergeben (vgl. VwGH 17.12.2002, 98/17/0250; VwGH 30.9.2004, 2003/16/0080).

Gegenständlich war der Beschwerdeführer zwar bemüht den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung durch Vorlage von Saldenlisten, Kontoauszügen und diversen Geldflussrechnungen zu erbringen, jedoch wurden die oben genannten Erfordernisse nicht erfüllt, zumal beispielsweise für jeden einzelnen Gläubiger ein solcher Nachweis zu erbringen gewesen wäre (vgl. VwGH 29.4.2010, 2008/15/0085; VwGH 14.12.2005, 2002/13/0196; VwGH 30.10.2001, 98/14/0082) und es nicht allein auf einen Vergleich mit den Neuverbindlichkeiten der Gläubiger ankommt.

Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erstreckt sich die Haftung des Vertreters nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat (zB VwGH 24.10.2000, 95/14/0090; VwGH 27.1.2011, 2009/16/0108). Dahingehend trat der Beschwerdeführer der von der belangten Behörde auf Basis seiner vorgelegten Unterlagen berechneten Differenzquote nicht entgegen. Da auch für das Gericht diese Berechnung schlüssig und nachvollziehbar ist und sich der Beschwerdeführer letztendlich mit dieser Berechnung einverstanden erklärte, wird diese Berechnung herangezogen. Demnach berechnet sich der Quotenschaden wie folgt:

Umsatzsteuer 9/2015 fällig im November:

Gesamtverbindlichkeiten November € 211.568,10 : Gesamtzahlungen November € 160.373,73 ergibt eine Quote von 75,80 %, Quotenschaden: Umsatzsteuer 9/2015 (€ 5.012,08) x 75,80% = € 3.799,15

Umsatzsteuer 10/2015 fällig im Dezember:

Gesamtverbindlichkeiten Dezember € 240.198,26 : Gesamtzahlungen Dezember € 135.854,36 ergibt eine Quote von 56,55 %, Quotenschaden: Umsatzsteuer 10/2015 (€ 18.044,73) x 56,55% = € 10.204,29

Umsatzsteuer 12/2015 fällig im Februar:

Gesamtverbindlichkeiten Februar € 270.354,50 : Gesamtzahlungen Februar € 125.689,62 ergibt eine Quote von 46,49%, Quotenschaden: Umsatzsteuer 12/2015 (€ 359,01) x 46,49% = € 166,90

Die Haftungssumme beträgt somit € 14.170,34.

Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Die Pflichtverletzung muss daher zur Uneinbringlichkeit geführt haben. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (VwGH 27.5.2020, Ra 2020/13/0027). Im Hinblick auf die festgestellte schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit gegeben.

Die Haftungsinanspruchnahme liegt im Ermessen (§ 20) der Abgabenbehörde (zB VwGH 28.1.2005, 2002/15/0157; VwGH 8.9.2020, Ra 2020/13/0029). Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung (zB VwGH 25.3.2010, 2009/16/0104). Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (VwGH 25.6.1990, 89/15/0067). Die im Spruch angeführte Abgabenschuld ist bei der Primärschuldnerin nicht einbringlich. Daher dient die Geltendmachung der Haftung dem öffentlichen Interesse an der Sicherung und Einbringung der Abgabenschulden. Demnach ist die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers zweckmäßig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 3.9.2008, 2006/13/0159; VwGH 16.10.2014, Ro 2014/16/0066) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lang verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen. Ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ist ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf. Ein solcher Umstand kann jedoch auch lediglich einer von mehreren Gesichtspunkten sein, die im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sind. Inwieweit dieser Gesichtspunkt beim Ermessen Berücksichtigung findet, hängt vom Einzelfall ab (zB VwGH 2.12.2020, Ra 2020/13/0095; VwGH 19.5.2021, Ra 2019/13/0046; BFG 30.6.2021, RV/7105704/2018).

Dahingehend ist festzustellen, dass im gegenständlichen Fall ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld (es betrifft Abgaben mit Fälligkeiten zwischen November 2015 bis Februar 2016) oder dem Hervorkommen der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin (mit Beendigung des Sanierungsverfahrens im Februar 2017) einerseits und der Erlassung des Haftungsbescheides (31.5.2017) andererseits nicht vorliegt (vgl. etwa VwGH 15.6.2023, Ra 2021/13/0156; VwGH 28.6.2016, 2013/17/0829).

Vom Beschwerdeführer wurden darüber hinaus keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Ermessensübung bewirken hätten können. Im Ergebnis erfolgte aufgrund der oben ausgeführten Erwägungen daher die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftungspflichtiger für die im Spruch angeführten Abgabenschuldigkeiten der ***Firma1*** zu Recht.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis behandelt keine Rechtsfragen, denen im Hinblick auf die zitierte Judikatur grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof war daher nicht zuzulassen.

Wien, am 4. Juni 2025