(1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Anklage, mit der die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltend gemacht wird.
(2) Die Anklage kann erhoben werden:
a) gegen den Bundespräsidenten wegen Verletzung der Bundesverfassung: durch Beschluss der Bundesversammlung;
b) gegen die Mitglieder der Bundesregierung, die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellten Organe und die Staatssekretäre wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss des Nationalrates;
c) gegen einen österreichischen Vertreter im Rat wegen Gesetzesverletzung in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung Bundessache wäre: durch Beschluss des Nationalrates, wegen Gesetzesverletzung in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung Landessache wäre: durch gleichlautende Beschlüsse aller Landtage;
d) gegen die Mitglieder einer Landesregierung und die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit durch dieses Gesetz oder durch die Landesverfassung gleichgestellten Organe wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss des zuständigen Landtages;
e) gegen einen Landeshauptmann, dessen Stellvertreter (Art. 105 Abs. 1) oder ein Mitglied der Landesregierung (Art. 103 Abs. 2 und 3) wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung der Verordnungen oder sonstigen Anordnungen (Weisungen) des Bundes in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, wenn es sich um ein Mitglied der Landesregierung handelt, auch der Weisungen des Landeshauptmannes in diesen Angelegenheiten: durch Beschluss der Bundesregierung;
f) gegen Organe der Bundeshauptstadt Wien, soweit sie Aufgaben aus dem Bereich der Bundesvollziehung im eigenen Wirkungsbereich besorgen, wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss der Bundesregierung;
g) gegen einen Landeshauptmann wegen Nichtbefolgung einer Weisung gemäß Art. 14 Abs. 8: durch Beschluss der Bundesregierung;
h) gegen einen Präsidenten der Bildungsdirektion oder das mit der Ausübung dieser Funktion betraute Mitglied der Landesregierung wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung der Verordnungen oder sonstigen Anordnungen (Weisungen) des Bundes: durch Beschluss der Bundesregierung; wegen Nichtbefolgung sonstiger Anordnungen (Weisungen) des Landes: durch Beschluss des zuständigen Landtages;
i) gegen die Mitglieder einer Landesregierung wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Behinderung der Befugnisse gemäß Art. 11 Abs. 7, soweit sie Angelegenheiten des Art. 11 Abs. 1 Z 8 betreffen: durch Beschluss des Nationalrates oder der Bundesregierung.
(3) Wird von der Bundesregierung gemäß Abs. 2 lit. e die Anklage nur gegen einen Landeshauptmann oder dessen Stellvertreter erhoben, und erweist es sich, dass einem nach Art. 103 Abs. 2 mit Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung befassten anderen Mitglied der Landesregierung ein Verschulden im Sinne des Abs. 2 lit. e zur Last fällt, so kann die Bundesregierung jederzeit bis zur Fällung des Erkenntnisses ihre Anklage auch auf dieses Mitglied der Landesregierung ausdehnen.
(4) Das verurteilende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hat auf Verlust des Amtes, unter besonders erschwerenden Umständen auch auf zeitlichen Verlust der politischen Rechte, zu lauten; bei geringfügigen Rechtsverletzungen in den in Abs. 2 unter c, e, g und h erwähnten Fällen kann sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung beschränken, dass eine Rechtsverletzung vorliegt. Der Verlust des Amtes des Präsidenten der Bildungsdirektion hat auch den Verlust jenes Amtes zur Folge, mit dem das Amt des Präsidenten gemäß Art. 113 Abs. 8 verbunden ist.
(5) Der Bundespräsident kann von dem ihm nach Art. 65 Abs. 2 lit. c zustehenden Recht nur auf Antrag des Vertretungskörpers oder der Vertretungskörper, von dem oder von denen die Anklage beschlossen worden ist, wenn aber die Bundesregierung die Anklage beschlossen hat, nur auf deren Antrag Gebrauch machen, und zwar in allen Fällen nur mit Zustimmung des Angeklagten.
Rückverweise
B-VG · Bundes-Verfassungsgesetz
Art. 142
…Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltend gemacht wird. (2) Die Anklage kann erhoben werden: a) gegen den Bundespräsidenten wegen Verletzung der Bundesverfassung: durch Beschluss der Bundesversammlung; b) gegen die Mitglieder der Bundesregierung, die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellten Organe und die Staatssekretäre wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluss des Nationalrates; c) gegen einen österreichischen…
Art. 112
…sechsten Hauptstückes mit Ausnahme des Art. 117 Abs. 6 zweiter Satz, des Art. 119 Abs. 4 und des Art. 119a. Art. 142 Abs. 2 lit. e findet auch auf die Führung des vom Bund der Bundeshauptstadt Wien übertragenen Wirkungsbereiches Anwendung.…
Art. 143
…Die Anklage gegen die in Art. 142 Genannten kann auch wegen strafgerichtlich zu verfolgender Handlungen erhoben werden, die mit der Amtstätigkeit des Anzuklagenden in Verbindung stehen. In diesem Falle wird der Verfassungsgerichtshof…
Art. 23d
… 2 gilt auch für ihn. Der Vertreter der Länder ist dabei in Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung dem Nationalrat, in Angelegenheiten der Landesgesetzgebung den Landtagen gemäß Art. 142 verantwortlich. (4) Die näheren Bestimmungen zu den Abs. 1 bis 3 sind in einer Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern (Art. 15a…
L-VG · Landes-Verfassungsgesetz 1999
Art. 38
…Die Mitglieder der Landesregierung sind dem Landtag gemäß Art. 142 B-VG verantwortlich.…
NÖ LV 1979 · NÖ Landesverfassung 1979
Art. 52
…und eine Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen erforderlich ist oder d) durch ein auf den Verlust seines Amtes lautendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 142 B-VG.…
GO-LR · Geschäftsordnung der Landesregierung
§ 2 Mittelbare Bundesverwaltungund Auftragsverwaltung des Bundes
…überwachen. Wird die Weisung nicht befolgt, obwohl der Landeshauptmann bzw die Landeshauptfrau die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, ist auch das betreffende Mitglied der Landesregierung gemäß Art 142 B-VG der Bundesregierung verantwortlich. (3) Der Landeshauptmann bzw die Landeshauptfrau kann alle die mittelbare Bundesverwaltung betreffenden Geschäftsstücke an sich ziehen. Davon ist das nach der Geschäftsverteilung…
Bgld. LRHG · Burgenländisches Landes-Rechnungshof-Gesetz
§ 10 Bestellung und Abberufung des Direktors des Landes-Rechnungshofs
…unwiderruflichen Verzicht auf die weitere Amtsausübung; 2. den Wegfall einer Bestellungsvoraussetzung (Abs. 2); 3. ein auf Verlust des Amts lautendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs gemäß Art. 142 B-VG oder 4. die Abberufung durch Beschluss des Landtags, für den die gleichen Anwesenheits- und Zustimmungserfordernisse wie bei der Bestellung (Abs. 1) gelten.…
Salzburger Landesrechnungshofgesetz 1993
§ 3
…wenigstens zwei Drittel der Mitglieder des Landtages und eine einfache Stimmenmehrheit erforderlich ist, oder - mit einem auf Verlust des Amtes lautenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 142 B-VG. (5) Der Direktor des Landesrechnungshofes darf während seiner Amtstätigkeit keinen Beruf mit Erwerbsabsicht ausüben, es sei denn, daß es der Unvereinbarkeitsausschuß des Landtages ausnahmsweise genehmigt…
L-VG · Landes-Verfassungsgesetz
Art. 74b Organisation des Landes-Rechnungshofes
…schriftlichen, unwiderruflichen Verzicht auf die weitere Amtsausübung; 2. den Wegfall einer Bestellungsvoraussetzung; 3. ein auf Verlust des Amts lautendes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes gemäß Artikel 142 B-VG oder 4. die Abberufung durch Beschluss des Landtages, für den die gleichen Anwesenheits- und Zustimmungserfordernisse wie bei der Bestellung (Absatz 2) gelten.…