SV2/12 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Entscheidungsgründe
I. Antragsvorbringen, Vorverfahren und mündliche Verhandlung
1. Die Kärntner Landesregierung beantragt, gemäß Art140a B-VG festzustellen,
"dass
1. der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland, BGBI. III Nr 138/2012, samt der 'Auslegungserklärung' der Vertreter der Vertragsparteien vom 27. September 2012, BGBI. III Nr 138/2012, zur Gänze rechts- bzw. verfassungswidrig ist,
2. in eventu: dass
a) Art5 Abs6 litb und die Wortfolge '..., sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt' in Art8 Abs2 letzter Satz des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
und/oder
b) Art9 Abs2 und 3 und die Wortfolge '..., der nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 3 abgerufen wird' in Art25 Abs1 litc sowie Art25 Abs2 und 3 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
oder in eventu:
Art9 Abs2 und die Wortfolge '2 oder' in Art25 Abs2 erster Satz des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
oder in eventu:
Art9 Abs3 und die Wortfolge '..., der nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 3 abgerufen wird' in Art25 Abs1 litc sowie die Wortfolge 'oder 3' in Art25 Abs2 erster Satz des Vertrags zur Einrichtung des EuropäischenStabilitätsmechanismus
und/oder
c) die Wortfolge 'und beschließen, sie zu ändern' in Art19 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
und/oder
d) Art25 Abs2 und 3 […] des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
und/oder
e) die Wortfolge 'der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats,' in Art35 Abs1 und die Wortfolge 'des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats,' in Art35 Abs2 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
und/oder
f) die Wortfolge 'und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden' in Art32 Abs5 des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
und/oder
g) die Wortfolge 'Mitglieder und' in Art34 erster Satz des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus
und/oder
h) die 'Auslegungserklärung' der Vertreter der Vertragsparteien vom 27. September 2012, BGBl III Nr 138/2012,
rechts- bzw. verfassungswidrig ist."
2. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation verweist die Kärntner Landesregierung auf Art140a iVm Art140 Abs1 zweiter Satz B-VG und Art139 Abs1 zweiter Satz B VG und darauf, dass der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden: ESMV) als gesetzesrangiger Staatsvertrag im Bundesgesetzblatt unter BGBl III 138/2012 kundgemacht und am 27. September 2012 in Kraft getreten ist.
3.1. In der Sache begründet die Kärntner Landesregierung ihren Hauptantrag wie folgt (Zitat ohne Hervorhebungen im Original):
"[…] Zu den Verfassungsmäßigkeitsbedenken:
1. Zum Antrag auf Feststellung, dass der gegenständliche Staatsvertrag samt 'Auslegungserklärung' zur Gänze rechts- bzw. verfassungswidrig ist:
1.a.) Bedenken zur Transformation der 'Auslegungserklärung'
In der mit BGBl III Nr 138/2012 erfolgten Kundmachung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden kurz: ESMV) wird nach einleitender Promulgationsklausel der Genehmigungsbeschluss des Nationalrates gemäß Art50 Abs1 Z1 B-VG, der Beschluss zur Sonderkundmachung anderer Sprachfassungen dieses Staatsvertrages gemäß Art49 Abs2 B-VG und der Vertragstext in deutscher Sprachfassung verlautbart. In der Kundmachung wird in weiterer Folge über das Datum der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde durch die Republik Österreich, über das In-Kraft-Treten des Staatsvertrages und darüber informiert, welche anderen Vertragsparteien nach Mitteilung des Generalsekretärs des Rates der Europäischen Union den gegenständlichen Staatsvertrag ratifiziert, angenommen oder genehmigt haben. Im Anschluss an diese Informationen wird vor Fertigung der Kundmachung Folgendes verlautbart:
'Ferner haben die Vertreter der Vertragsparteien, die am 27. September 2012 in Brüssel zusammengetreten sind, folgende Auslegungserklärung vereinbart:
Art8 Abs5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden 'Vertrag') begrenzt sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt.
Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 des Vertrages stehen der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen.
Die oben genannten Punkte stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein.'
Der Text dieser — im Gefolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland vom 12. September 2012 (BVerfG, 2 BvR 1390/12) — von den Vertretern der Vertragsparteien des ESMV am 27. September 2012 vereinbarten 'Auslegungserklärung' war naturgemäß noch nicht Inhalt der Regierungsvorlage (1731 BlgStenProtNR XXIV.GP) und damit nicht Gegenstand der Beschlussfassung des Nationalrates am 4. Juli 2012 bzw. des Bundesrates am 6. Juli 2012. Allerdings wurde dieses Dokument nachträglich keiner parlamentarischen Genehmigung gemäß Art50 B-VG zugeführt, sondern ohne Genehmigung in dem am 28. September 2012 ausgegebenen Bundesgesetzblatt unter einem mit dem ESMV verlautbart.
Dass der 'Auslegungserklärung' jedenfalls völkerrechtliche Relevanz zukommt, wird durch folgende Umstände belegt: Mit E-Mail vom 27. September 2012, das im Wege der Verbindungsstelle der Bundesländer den Landesamtsdirektoren zur Kenntnis gebracht wurde, teilte die Ständige Vertretung Österreichs bei der EU mit, dass in einer Sitzung der Vertreter der ESM-Vertragsparteien die in der Beilage angeschlossene Erklärung ohne Diskussion angenommen worden sei. Als Beilage war ein Ratsdokument vom 26. September 2012 angeschlossen, in dem u.a. Folgendes ausgeführt wird:
'On 14 September, the Eurogroup agreed, that the parties to the Treaty could, as a follow-up to the above mentioned judgement [Anmerkung: das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2012 betreffend Vereinbarkeit des Ratifikationsgesetzes zum ESMV mit der Verfassung], adopt a declaration interpreting how certain provisions of the Treaty should be applied once it enters into force, the elements of which constitute an essential basis for the consent of the contracting States to be bound by the provisions of the Treaty. The Presidency will, on behalf of all Parties, notify accordingly the General Secretariat of the Council in its quality of the Depositary of the Treaty.'
Im genannten Ratsdokument ist in der Folge der vorbereitete Text der Erklärung in den einzelnen Vertragssprachen wiedergegeben, wobei auffällt, dass — sieht man von einem anderen Datum des Treffens ab — die Erklärung mit dem Satz eingeleitet wird, dass die Vertreter der Vertragsparteien des ESMV 'agree on the following interpretative declaration' ('vereinbaren folgende Auslegungserklärung'). Danach folgt der im Bundesgesetzblatt wiedergegebene Text mit dem bemerkenswerten Schlusssatz, die Erklärungspunkte zu Art8 Abs5, Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 [ESMV] […] 'stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein.'
Damit ist die Intention ersichtlich, der im erwähnten Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts aufgenommenen Maßgabe Rechnung zu tragen, dass der [ESMV] [...] nur ratifiziert werden darf,
'wenn zugleich völkerrechtlich sichergestellt wird, dass
[…] die Regelung des Artikel 8 Absatz 5 Satz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus diesem Vertrag der Höhe nach auf die in Anhang Il des Vertrages genannte Summe in dem Sinne begrenzt, dass keine Vorschrift dieses Vertrages so ausgelegt werden kann, dass für die Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung des deutschen Vertreters höhere Zahlungsverpflichtungen begründet werden;
[…] die Regelungen der Artikel 32 Absatz 5, Artikel 34 und Artikel 35 Absatz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus nicht der umfassenden Unterrichtung des Bundestages und des Bundesrates entgegenstehen.'
In der Begründung führte das Bundesverfassungsgericht aus, die Bundesrepublik Deutschland müsse 'deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie an den ESM-Vertrag insgesamt nicht gebunden sein kann, falls sich der von ihr geltend gemachte Vorbehalt als unwirksam erweisen sollte' (vgl. BVerfG, 2 BvR 1390/12, Abs253 und 259).
Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass die 'Auslegungserklärung' auf einer Vereinbarung der Vertragsparteien beruht und ihr — unter dem Eindruck des Urteils des Bundesverfassungsgerichts — besondere völkerrechtliche Relevanz für die Auslegung und Anwendung des ESMV beigemessen wird, ja die Bindung an den ESMV und damit das Schicksal dieses Vertrages von der Beachtung der Erklärungspunkte abhängig gemacht werden. Die Vertragsstaaten haben damit die 'Auslegungserklärung' in einen untrennbaren Zusammenhang mit dem ESMV gestellt.
Angesichts ihrer völkerrechtlichen Beachtlichkeit erscheint daher befremdlich, dass die 'Auslegungserklärung', die ebenfalls von der Republik Österreich mitgetragen wird, ohne parlamentarische Genehmigung abgegeben ('vereinbart') und innerstaatlich nicht einer ordnungsgemäßen Transformation gemäß Art50 B-VG unterzogen wurde. Dies widerspricht der herrschenden Staatspraxis zu Art50 B-VG, wie sie sonst im Fall von völkerrechtlichen Vorbehalten bzw. interpretativen Erklärungen üblicherweise eingehalten wird. Zu dieser Praxis führen Cede/Brand (Der völkerrechtliche Vertrag — Ein Leitfaden für die österreichische Praxis, Occasional Paper der Diplomatischen Akademie, 2/1997, S. 15) im Einzelnen aus:
'In Österreich erfahren Vorbehalte und interpretative Erklärungen innerstaatlich dasselbe rechtliche Schicksal wie der betreffende Vertrag selbst. Vorbehalte oder interpretative Erklärungen, die Österreich anlässlich der Ratifikation eines multilateralen Übereinkommens abzugeben beabsichtigt, werden verfahrensmäßig in der gleichen Weise wie der Vertrag, auf den sie Bezug haben, behandelt. Bei Staatsverträgen gemäß Art50 B-VG werden allfällige Vorbehalte oder interpretative Erklärungen zusammen mit dem Übereinkommen dem parlamentarischen Genehmigungsverfahren unterzogen. In aller Regel genehmigt das Parlament die ihm geschäftsordnungsgemäß übermittelten völkerrechtlichen Instrumente pauschal und vorbehaltslos. Von dieser Staatspraxis wurde jedoch in seltenen Einzelfällen abgewichen, in denen der Nationalrat beispielsweise die von der Bundesregierung vorgeschlagenen interpretativen Erklärungen in Vorbehalte umgeändert hat. Dies erfolgte etwa im Rahmen des Genehmigungsverfahrens der Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) und nichtinternationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II) (BGBl Nr 527/1982).'
Unter der Prämisse, dass ein Staatsvertrag nach Art50 B-VG eine parlamentarische Rechtssatzform darstellt erachtet es Öhlinger für folgerichtig, einseitige völkerrechtliche Rechtsgeschäfte, die in einem formalen Zusammenhang mit einem Staatsvertrag stehen (wie etwa Vorbehalte und interpretative Erklärungen), als 'Akte der Modifikation eines parlamentarisch genehmigten bzw. zu genehmigenden Staatsvertrages ebenfalls der parlamentarischen Genehmigung zu unterwerfen. Dies impliziert die Subsumtion solcher Akte unter den Staatsvertragsbegriff des B-VG' (vgl. Öhlinger, in: Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, zu Art50 B-VG, Rz 14). lm Hinblick auf die Gleichstellung der gesetzeskoordinierten Staatsverträge mit den formellen Bundesgesetzen gehe die österreichische Praxis — so Öhlinger — nicht nur verfassungsrechtlich korrekt von der parlamentarischen Genehmigungsbedürftigkeit eines Vorbehalts aus, sondern auch davon, dass der Nationalrat einen Vorbehalt abändern und sogar auf seine Initiative hin beschließen dürfe (a.a.O., Rz 101).
In Bezug auf die gemeinsame Abgabe der gegenständlichen 'Auslegungserklärung' durch die Vertreter der Vertragsparteien vom 27. September 2012 wurde — wie oben dargestellt — unter Missachtung bundesverfassungsrechtlicher Erfordernisse (Genehmigung des Nationalrates unter Mitwirkung des Bundesrates nach Art50 B-VG) die parlamentarische Genehmigung und damit die Einhaltung einer innerstaatlichen Erzeugungsbedingung unterlassen. Da die 'Auslegungserklärung' den Inhalt des gesetzesrangigen ESMV modifiziert (Anwendung des Art8 Abs5 [ESMV] [...] zur Begrenzung sämtlicher Zahlungsverpflichtungen, so auch aus Art25 Abs2 erster Satz ESMV; Begründung einer Ausnahme in Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 ESMV zugunsten der umfassenden Unterrichtung nationaler Parlamente; beachte untenstehende Ausführungen unter Pkt. 2.d. und 2.f. und g.) kann ferner davon ausgegangen werden, dass diese — nicht gesetzeskoordinierte (mithin verordnungsrangige) — Erklärung (schlicht) gesetzwidrig ist (vgl. Öhlinger, a.a.O. Rz 60). Ferner erscheint die Kundmachung der 'Auslegungserklärung' im BGBI. III Nr 138/2012 nach Art49 Abs2 B-VG verfassungswidrig, weil sie, obschon nicht parlamentarisch genehmigt, unter einem mit dem nach Art50 Abs1 B-VG genehmigten ESMV unter dem gemeinsamen 'Kopf' der Promulgationsklausel und dem unter Z1 wiedergegebenen Genehmigungsbeschluss des Nationalrates gemäß Art50 Abs1 Z1 B-VG verlautbart worden ist; zum anderen auch deshalb, weil für die anderen Sprachfassungen der bloß in deutscher Sprache verlautbarten 'Auslegungserklärung' eine Beschlussfassung über die Sonderkundmachung gemäß Art49 Abs2 zweiter Satz B-VG — entgegen dem Wortlaut des im 'Kopf' unter Z2 wiedergegebenen Beschlusses des Nationalrates — unterblieben ist.
Da die 'Auslegungserklärung' ausdrücklich 'vereinbart' wurde und nicht im Sinne des Art2 Abs1 litd WVK in Form einer einseitigen Erklärung bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags oder beim Beitritt abgegeben wurde, liegt es nahe, in diesem Dokument eine Zusatzvereinbarung zum ESMV zu erblicken, die mit diesem in einem inhaltlich untrennbaren Zusammenhang steht. Erklärtermaßen bilden die materiellen Punkte der 'Auslegungserklärung' eine 'wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragschließenden Staaten [...], durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein.' Unter (impliziter) Bezugnahme auf die 'clausula rebus sic stantibus' als Grund zur Beendigung des ESMV gemäß Art62 Abs1 lita des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge [WVK], BGBI. 40/1980, ist damit zum Ausdruck gebracht worden, dass die völkerrechtliche Bindungswirkung des gesamten ESMV mit den inhaltlichen Maßgaben der 'Auslegungserklärung' stehen und fallen solle (nach Art44 Abs2 WVK kann ein nach der WVK anerkannter Grund dafür, einen Vertrag u.a. zu beenden, grundsätzlich nur hinsichtlich des gesamten Vertrages geltend gemacht werden). Aus diesen Gründen wird im Licht der oben dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken beantragt, die Rechtswidrigkeit des gesamten Transformats (ESMV samt 'Auslegungserklärung') festzustellen.
1.b.) Bedenken betreffend den Staatsvertragsinhalt als solchen
In einer Presseaussendung vom 17. Juli 2012, veröffentlicht auf der Homepagedes Bundespräsidenten, führte Bundespräsident Dr. Heinz Fischer Folgendes aus […]:
'Bundespräsident Dr. Heinz Fischer hat heute am 17. Juli 2012 auf Basis der einschlägigen Bestimmungen der Österreichischen Bundesverfassung und nach sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte die von der Bundesregierung und vom Parlament genehmigten Staatsverträge betreffend den sogenannten Fiskalpakt und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ratifiziert.
Überzeugende oder gar zwingende , Gründe, die im Sinne , der herrschenden Staatsrechtslehre eine Verweigerung der Ratifizierung erforderlich machen würden, nämlich offenkundige Verfassungswidrigkeit in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht, liegen nicht vor.
Außerdem ist darauf zu verweisen, dass eine von der Opposition gewünschte und in Vorbereitung befindliche Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof nur dann möglich ist, wenn der Bundespräsident das Ratifikationsverfahren durch seine Unterschrift abgeschlossen hat.
In diesem Zusammenhang muss auch auf einen gravierenden Unterschied der Rechtlage zwischen Deutschland und Österreich hingewiesen werden: Ein Vorgehen wie in Deutschland, wonach der Bundespräsident eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes abwartet, ist in Österreich nicht möglich, weil der Bundespräsident in Deutschland mit der Ratifizierung auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes warten kann, während in . Österreich die Ratifizierung durch den Bundespräsidenten die Voraussetzung für eine Befassung des Verfassungsgerichtshofes ist.
Der Bundespräsident hält darüber hinaus eine Verstärkung der finanzpolitischen Zusammenarbeit zwischen den Euro-Staaten für unverzichtbar, um die Krise zu überwinden und die europäische Wirtschaft aus ihrer schwierigen Situation herauszuführen.'
In einer Begründung zu dieser Aussendung wird unter anderem Folgendes ausgeführt […]:
[…] Die beiden nunmehr dem österreichischen Bundespräsidenten zur Ratifizierung vorliegenden Verträge über Fiskalpakt und ESM sind Staatsverträge, die zwischen den genannten 25 bzw. 17 europäischen Staaten abgeschlossen wurden. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Bundespräsident bei der Entscheidung über die Ratifizierung eines Staatsvertrages — analog zur Regelung über die Beurkundung von Bundesgesetzen in Art47 Abs1 B-VG — auch zur Prüfung der Frage verpflichtet ist, ob dieser verfassungsmäßig zustande gekommen ist.
[…]
Eine offenkundige Verfassungswidrigkeit im Sinne der herrschenden Lehre liegt nicht vor. Es gibt bisher auch keine einschlägige Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes. Entsprechend der herrschenden Lehre liegt daher kein Grund vor, der eine Verweigerung der Ratifizierung rechtfertigen würde.
[...]
Zum verfassungsmäßigen Zustandekommen des ESM wurden seitens der Staatsrechtslehrer, die sich zum Fiskalpakt geäußert haben, keine ins Gewicht fallenden Bedenken geäußert und die Mehrheit im Parlament war in Folge der Zustimmung der Grünen Parlamentsfraktion wesentlich größer. Auch bei der Überprüfung durch die Präsidentschaftskanzlei sind keine entsprechenden Bedenken hervorgekommen.'
Dieses Kommuniqué lässt darauf schließen, dass der Bundespräsident als das nach Art65 Abs1 erster Satz B-VG staatsvertragsabschlussbefugte Organ — wohl auf Grund eines Missverständnisses dieser Zuständigkeit und offenbar in Verwechslung mit der Funktion der Beurkundung im Verfahren der Bundesgesetzgebung nach Art47 Abs1 B-VG — nur eine Art Grobprüfung auf 'offenkundige' Verfassungswidrigkeiten vorgenommen hat und sich, da er solche nicht zu erkennen vermochte, gar zur Ratifikation des ESMV verhalten gesehen hat. Damit hat der Bundespräsident den ESMV ratifiziert, ohne dabei von der ihm zukommenden Befugnis Gebrauch zu machen, im Staatsvertragsabschlussverfahren (nicht offenkundige) Verfassungswidrigkeiten aufzugreifen und einen bestimmten Staatsvertrag entgegen einem Vorschlag nach Art67 Abs1 B-VG eben nicht abzuschließen.
(Verfassungs)rechtliche Bedenken gegen den ESMV in seiner Gesamtheit ergeben sich aus Sicht der antragstellenden Landesregierung unter folgenden Aspekten:
Bedenken im Lichte des Unionsrechts und zur Wahl des Transformationsverfahrens
Der ESMV modifiziert die sog. 'No-Bail-out-Klausel' des Art125 Abs1 zweiter Satz AEUV, die ein unmittelbar anwendbares Verbot beinhaltet und nach ihrer Entstehungsgeschichte sowie ihrem Sinn und Zweck die Mitgliedstaaten zu einer disziplinierten Haushaltsführung anhalten soll (vgl. Rodi in: Vedder/Heintschel von Heinegg [Hrsg], Europäisches Unionsrecht1 [2012] Art125 AEUV Rz 1; gleichsinnig etwa Faßbender, NVwZ2010, 800; Kube/Reimer, NJW 2010, 1911 ff.; Hentschelmann, Finanzhilfen im Lichte der No Bailout-Klausel — Eigenverantwortung und Solidarität in der Währungsunion, EuR 2001, 282 ff.). Nach dieser Bestimmung haftet ein Mitgliedstaat nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderer öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; eine Ausnahme ist nur für eine — hier nicht einschlägige — 'gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens' statuiert.
Mit — auf Art48 Abs6 EUV gestütztem — Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung von Art136 AEUV, ABI. Nr L 91 vom 06.04.2011, S. 1, wird dem Art136 AEUV ein eigener Abs3 angefügt, nach dem die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, einen Stabilitätsmechanismus einrichten können, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren; die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen. Dieser Beschluss, der nach seinem Art2 erst nach Zustimmung der Mitgliedsstaaten im Einklang mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft treten wird, gehört gegenwärtig noch nicht formell dem Rechtsbestand an (und wurde bislang auch nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht).
Der künftige Art136 Abs3 AEUV mag nach seinem Inkrafttreten allenfalls als unionsrechtliche lex specialis zum Grundsatz der Refinanzierung öffentlicher Defizite über den Kapitalmarkt und insbesondere zum erwähnten 'Bail-out-Verbot' gelten. Im Zeitpunkt der parlamentarischen Genehmigung und Ratifikation des ESMV kam dieser Bestimmung mitnichten primärrechtlicher Charakter zu. Überdies liegt die Annahme nahe, im ESMV einen völkerrechtlichen Vertrag zur 'Ergänzung des unionalen Integrationsprogramms' und mithin gleichsam 'völkerrechtliches Ersatzunionsrecht' (vgl. zu diesen Zitaten BVerfG, 2 BvR 1390/12, Rz 257) zu erblicken. Hiefür sprechen der enge förmliche Konnex zu Titel Vlll AEUV (Wirtschafts- und Währungspolitik) sowie die intensive Einbeziehung von Unionsorganen in die Vollziehung des ESMV. Unter Zugrundelegung einer materiellen Betrachtungsweise wäre es daher angezeigt gewesen, im ESMV einen Staatsvertrag zu erblicken, durch den die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden (Art50 Abs1 Z2 B-VG), und ihn somit nach den besonderen Quoren gemäß Art50 Abs4 B-VG zu behandeln. Dies ist jedoch nicht geschehen. Stattdessen hat das Parlament den ESMV lediglich als einen Staatsvertrag nach Art50 Abs1 Z1 und Abs3 B-VG behandelt; es scheint sich damit bei der Wahl des Transformationsverfahrens in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise vergriffen zu haben.
Ungeachtet der genannten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Transformation wirft der ESMV im Licht des künftigen Art136 Abs3 AEUV einige unionsrechtliche Fragen auf. So wird eine Ausnahme zum 'Bail-out-Verbot' des Art125 AEUV nicht explizit zugelassen, obschon der ESM demgegenüber als 'permanenter Stabilitätsmechanismus, der maroden Staaten systematisch unter die Arme greift' (so Cl. Mayer, JRP 2012, 124), eingerichtet wird.
Ferner spricht Art136 Abs3 AEUV abstrakt von einem 'Stabilitätsmechanismus', der aktiviert werden solle, 'wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro Währungsgebiets insgesamt zu wahren.' Im Unterschied dazu fällt etwa auf, dass Art3 und Art12 Abs1 ESMV ausdrücklich die Zwecksetzung verfolgen, nicht nur die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren, sondern auch die seiner Mitgliedstaaten. Im Übrigen muss der Kreis der nach Art12 Abs1 ESMV begünstigten ESM-Mitglieder nicht mit jenem der Euro-Mitgliedstaaten identisch sein (siehe Art48 ESMV und den gegenwärtigen Ratifikationsstand).
Bedenken im Hinblick auf die fachlichen Grundlagen
Ratifikation und Inhalt des ESM erscheinen in mehrfacher Hinsicht unsachlich sowie im Widerspruch zu den (unmittelbar anwendbaren und bindenden) Grundsätzen der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung (Art126b Abs5 B-VG) und zur Staatszielbestimmung des Art13 Abs2 B-VG betreffend einen nachhaltig geordneten Haushalt.
Die mit dem ESMV bewirkte Kapitalzeichnung der Republik Österreich in der Höhe von ca. 19,5 Mrd. Euro (siehe Anlage II ESMV) erreicht einen Wert in der Höhe von etwa 10% der gegenwärtigen Staatsverschuldung Österreichs. Da das Maß der gebotenen Sorgfalt (insbesondere die Pflicht zur detaillierten Erhebung und Aufbereitung von Entscheidungsgrundlagen; vgl. etwa VfSlg 17.161/2004) mit dem Gewicht der Entscheidung (hier also mit dem eingesetzten Vermögenswert) steigt, wären vor einer Ratifikation des ESMV umfangreiche volkswirtschaftliche Expertisen und Untersuchungen, insbesondere über Alternativen notwendig gewesen. Es ist nicht ersichtlich, dass im Vorfeld der Ratifikation des ESMV durch Österreich eine entsprechende volkswirtschaftliche Grundlagenforschung stattgefunden hätte (siehe dagegen die allgemeine Feststellung des Bundespräsidenten in seinem Kommuniqué vom 17. Juli 2012, wonach eine verstärkte finanzpolitische Zusammenarbeit zwischen den Euro-Staaten 'unverzichtbar' sei).
Nach Art3 erster Satz ESMV bezweckt der ESM, 'Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist.' Die Konstruktion des ESMV stellt allerdings nicht etwa eine Art 'Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit' dar, was man bei oberflächlicher, am Vertragswortlaut klebender Betrachtung vielleicht unterstellen könnte. Vielmehr handelt es sich um einen 'permanente[n] Stabilitätsmechanismus, der maroden Staaten systematisch unter die Arme greift' (so Cl. Mayer, JRP 2012, 124), ja gleichsam um eine 'societas leonina', innerhalb welcher (volkswirtschaftlich potente) ESM-Mitglieder, die über eine relativ solide und disziplinierte öffentliche Haushaltsführung verfügen, durch ihr 'Einstehen' zugunsten von ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, die Mobilisierung von Finanzmitteln und die Bereitstellung von Stabilitätshilfe ermöglichen sollen. In der bisherigen Entwicklung stellt der ESMV lediglich die Fortschreibung und Perpetuierung bisheriger Maßnahmen der Finanzhilfe (für Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Zypern) dar, insbesondere für Staaten, die ihrer unionsrechtlichen Verpflichtungen zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite in der Vergangenheit nicht bzw. unzulänglich nachgekommen sind (siehe Art126 AEUV; Art1 des Protokolls Nr 12 über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit). Die Privilegierung eines rechtswidrig handelnden Staatenkreises, wie sie durch den ESM bewirkt wird, erscheint unsachlich und im Widerspruch zum Gleichheitssatz (vgl. analog VfSlg 14.681/1996).
Gegen die Sachlichkeit der Regelungen des ESMV spricht ferner der Umstand, dass Österreich als 'Hochsteuerland', dessen Abgabenquote rund 42 % (2011) beträgt, an einem Finanzhilfsinstrumentarium für Staaten teilnimmt, die zumindest teilweise eine erheblich niedrigere Abgabenquote bzw. eine weniger effektive Finanzverwaltung aufweisen (wie dies etwa im Falle Griechenlands notorisch ist; vgl. etwa Knopp, NVwZ2011, 1481). So liegen die Abgabenquoten dringender Kandidaten für ESM-Hilfen deutlich niedriger als jene Österreichs ([…]): Griechenland 31,6 %, Irland 28,9 %, Portugal 33,2 %, Spanien 31,1 % und Zypern 36,2 %. Mithin läuft der ESMV für die Republik Österreich letztlich darauf hinaus, mittels nationaler Abgabenerträge die Stabilitätshilfe von ESM-Mitgliedern zu finanzieren, die über eine deutlich niedrigere Abgabenquote bzw. über geringere Steuermoral verfügen.
Eine weitere systemische Unsachlichkeit des ESMV kann in der Divergenz der Belasteten- und Begünstigtenkreise erblickt werden, weil am ESM lediglich die Euro-Staaten teilnehmen, nicht jedoch andere EU-Mitglieder (wie etwa das Vereinigte Königreich) oder sonstige europäische Staaten (wie etwa die Schweiz), die von 'Rettungspaketen' zur Hintanhaltung potenzieller volkswirtschaftlicher Verwerfungen jedenfalls profitieren (man denke beispielhaft an die Schweizer Exportindustrie und britische Investmentfonds), die jedoch ihrerseits keinen Haftungsbeitrag zu leisten haben. Die Beschränkung des Kreises der Vertragsparteien des ESMV erscheint mithin grob unsachlich. Zwar wird nicht verkannt, dass souveräne Staaten nicht zu einer Mitwirkung gezwungen werden können, jedoch wäre es für Österreich naheliegend gewesen, sich nicht auf die überproportionale Übernahme von Haftungsanteilen im ESM einzulassen.
Abschluss und Inhalt des ESMV erscheinen ferner unsachlich, weil sie der Staatszielbestimmung des Art13 Abs2 B-VG, einen nachhaltig geordneten Haushalt anzustreben, sowie Art126 Abs1 AEUV und Art1 des Protokolls (Nr 12) über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (sog. 'Maastrichtkriterien') zuwiderlaufen. Ferner wird — schon mangels volkswirtschaftlicher Grundlagenforschung (siehe oben) — dem Gebot der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung (Art126b Abs5 B-VG) nicht hinreichend Rechnung getragen. Österreichs Schuldenstand liegt mit 74,2 % des BIP deutlich über dem höchstzulässigen Schuldenstand von 60 % des BIP. Mit der Teilnahme am ESM und der Erfüllung der Verpflichtungen nach Art8 Abs4 ESMV entfernt sich Österreich noch erheblich weiter von der Grenze unionsrechtlich zulässiger Staatsverschuldung und von der verfassungsrechtlichen Zielsetzung eines nachhaltig geordneten Haushalts. Hinzu kommt die Unwägbarkeit der Nachschusspflicht gemäß Art8 Abs4 letzter Satz ESMV, die unter den Bedingungen des ESMV jederzeit möglich ist. Die Erfüllung dieser Verpflichtung könnte auch in eine Zeitphase fallen, in der — aus welchen Gründen auch immer — in Österreich eine außerordentliche Budgetsituation herrscht und die damit als 'Unzeit' zu qualifizieren ist. Die jederzeit mögliche Nachforderung eines kurzfristig bereitzustellenden Geldbetrages in der Höhe von 18 Mrd. Euro (gemessen am derzeitigen Bundeshaushalt sind dies ca. 30% der Bundeseinnahmen) würde offensichtlich die Nachhaltigkeit und Geordnetheit des Bundeshaushaltes gefährden.
Schließlich ist zu bedenken, dass sich der österreichische Bundesgesetzgeber — im Gefolge des Verlustes des AAA-Ratings der Ratingagentur Standard Poor's — gerade erst im Frühjahr 2012 zu einem weitreichenden 'Konsolidierungspaket 2012 — 2016' (Steuererhöhungen und Einsparungen, einschließlich der Reduktion der staatlichen Bausparförderung; vgl. 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl I Nr 22/2012, 2. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl Nr I 35/2012) veranlasst gesehen hat. Dieses 'Sparpaket' umfasst — gerechnet auf vier Jahre — ein Volumen von rund 26 Mrd. Euro. Nur wenige Monate später geht jedoch die Republik Österreich mit der Ratifikation des ESMV eine Haftungsverpflichtung in der Höhe von ca. 19,5 Mrd. Euro ein. Das skizzierte zeitliche Naheverhältnis zwischen dem 'Konsolidierungspaket 2012 — 2016', dem Verlust des AAA-Ratings sowie der Ratifikation des ESMV legen nahe, dass die Teilnahme am ESM erhebliche Gegensteuerungs maßnahmen erforderlich gemacht hat. Da sich nach dem Motivenbericht zu Art13 Abs2 B-VG (RV 203 BIgStenProtNR XXIII. GP, S. 5) die Staatszielbestimmung zu nachhaltig geordneten Haushalten gerade auf eine Haushaltsführung richtet, 'die mittel- bis langfristig ohne erhebliche Gegensteuerungsmaßnahmen aufrecht erhaltbar ist', wird evident, dass das Eingehen der Verpflichtungen des ESMV der Verfassungsvorgabe eines nachhaltig geordneten Haushaltes widerspricht.
Bedenken im Hinblick auf die Übertragung von Hoheitsrechten
Insbesondere folgende Hoheitsrechte werden durch den [ESMV] [...] an internationale Organe übertragen:
der Abruf von genehmigtem, nicht eingezahltem Stammkapital gemäß Art9 Abs1 bis 3 ESMV (zur Sanktionierung siehe Art4 Abs8 ESMV);
die Erhöhung des genehmigten Stammkapitals gemäß Art10 ESMV und die damit verbundene Änderung von Art8 und Anhang II ESMV;
Delegation von Aufgaben an die Europäische Kommission im Benehmen mit der EZB (Art13 Abs1 und 3 ESMV);
Dispositionen über die ebenfalls durch die Republik Österreich zur Verfügung gestellten Kapitalanteile (passim; siehe insbesondere Art13 Abs2 und Art14 ffESMV);
Erlassung von Leitlinien für Modalitäten der einzelnen Finanzhilfefazilitäten (siehe die Art14 Abs4, 15 Abs4, 16 Abs4, 17 Abs4 und 18 Abs5 ESMV);
Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente nach den Art14 bis 18 ESMV (Ergänzung um nicht näher determinierte, weitere Instrumente) durch Beschluss des Gouverneursrats (siehe Art19 ESMV);
Überwachung der Einhaltung der Auflagen, die bei Gewährung der Finanzhilfefazilität auferlegt wurden (siehe Art13 Abs7 ESMV);
der jederzeit mögliche und verbindliche revidierte erhöhte Kapitalabruf gemäß Art25 Abs2 ESMV;
die Entscheidung über alle Auslegungs- und Streitfragen aus dem völkerrechtlichen Vertragsverhältnis. Hiebei sind (außerösterreichischen) zwischenstaatlichen Einrichtungen folgende Befugnisse übertragen:
o Alle Fragen der Auslegung und Anwendung des ESMV und der ESM-Satzung zwischen Österreich und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern werden dem Direktorium des ESM vorgelegt (Art37 Abs1).
o Über Streitigkeiten betreffend die Auslegung und Anwendung des ESMV zwischen Österreich und dem ESM und/oder weiteren ESM-Mitgliedern entscheidet der Gouverneursrat (Art37 Abs2); dies gilt gleichfalls für Streitigkeiten darüber, ob Beschlüsse von ESM-Organen mit dem ESMV vereinbar sind. Wenn solche Entscheidungen Österreich betreffen, käme Österreich im Gouverneursrat kein Stimmrecht zu (Art37 Abs2 letzter Satz ESMV).
o Über die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des Gouverneursrats urteilt der EuGH endgültig und für die Streitparteien 'verbindlich' mit Folgeleistungspflicht (Art37 Abs3 ESMV).
Auslegungs- und Streitbeilegungsregelungen erfassen zentrale Fragen des ESMV, wie beispielsweise die Nachschusspflicht bei Zahlungsunfähigkeit einzelner Mitglieder (Art25 Abs2 ESMV) oder die Änderung (Ausweitung) der Finanzhilfeinstrumente des ESM (Art19 ESMV).
Mit der dargestellten Übertragung einer Vielzahl von Hoheitsrechten an internationale Organe wird das Maß 'einzelner' übertragbarer Hoheitsrechte im Sinne des Art9 Abs2 B-VG erheblich überschritten. Die Übertragung von Hoheitsrechten fällt umso mehr ins Gewicht, als der ESMV einerseits ein Austritts- oder Kündigungsrecht nicht vorsieht und andererseits einzelne der an die ESM-Organe erteilten Ermächtigungen einer inhaltlichen Determinierung entbehren und damit auf eine formatgesetzliche Delegation hinauslaufen (siehe die Eventualanträge zu Art8 Abs2 letzter er Setz und Art, 19 ESMV). Der ESMV erscheint daher auch im Licht des Art, 9 Abs2 B-VG — und zwar mangels Herauslösbarkeit: in seiner Gesamtheit – verfassungswidrig."
3.2. Ihre Eventualanträge begründet die Kärntner Landesregierung folgendermaßen (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"a) Zum Eventualantrag, Art5 Abs6 litb und die Wortfolge "..., sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt' in Art8 Abs2 letzter Satz ESMV als verfassungswidrig festzustellen:
Während nach Art8 Abs2 zweiter Satz ESMV Anteile des genehmigten Stamm-kapitals am anfänglich gezeichneten Stammkapital zum Nennwert ausgegeben werden, eröffnet der letzte Satz dieser Bestimmung die Möglichkeit, andere Anteile nicht zum Nennwert, sondern zum Ausgabekurs auszugeben; dies 'unter besonderen Umständen', wenn der Gouverneursrat im gegenseitigen Einver-nehmen die Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen als zum Nennwert beschließt (Art5 Abs6 litb ESMV).
Diese besondere Dispositionsbefugnis des Gouverneursrats kann im Extremfall dazu führen, den Haftungsrahmen der Mitgliedstaaten nach Art8 Abs5 erster Satz ESMV, der auf deren Anteile am Stammkapital 'zum Ausgabekurs' und nicht zum Nennwert abstellt, in extenso auszureizen, ohne dass es einer Änderung des ESMV oder einer Veränderung des genehmigten Stammkapitals nach Art10 Abs1 in Verbindung mit Art5 Abs6 litd ESMV durch einvernehmlichen Beschluss des Gouverneursrats bedürfte.
Entgegen der Vorgabe des Art50a B-VG, wonach der Nationalrat in Angelegen-heiten des ESM mitwirkt, wird für den Fall der Beschlussfassung des Gouverneursrats nach Art5 Abs6 litb und Art8 Abs2 letzter Satz ESMV eine Mitwirkungsbefugnis des Nationalrates nicht vorgesehen, zumal die abschlie-ßend geregelten Zustimmungserfordernisse des Nationalrates nach Art50b B-VG diesen besonderen Fall nicht berücksichtigen. In Ermangelung parlamentari-scher Informations- und Mitwirkungsbefugnisse in Bezug auf die Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen nach Art5 Abs6 litb und Art8 Abs2 letzter Satz ESMV besteht daher ein Widerspruch zu Art50a B-VG.
Zudem erscheint die Wortfolge 'unter besonderen Umständen' in Art8 Abs2 letzter Satz ESMV infolge ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit im Licht des Legali-tätsprinzips (Art18 Abs1 B-VG) verfassungsrechtlich bedenklich, weil sie dem Gouverneursrat einen weitreichenden Vollzugsspielraum einräumt. Vielmehr würde eine Ausweitung der Haftungs- bzw. Zahlungspflicht der Vertragsparteien des [ESMV] [...] über die Erhöhung des Ausgabekurses einen dem Regelungsgegenstand adäquaten (strengeren) Determinierungsgrad verlangen, als er mit der bestehenden Formulierung 'unter besonderen Umständen' erreicht wird. Art9 Abs2 B-VG ermächtigt zwar — in Durchbrechung des Staatsorganisationsrechts — zur Übertragung einzelner Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen, dispensiert jedoch nicht von den materiellen Anforderungen des österreichi-schen Verfassungsrechts, wie hier dem Legalitätsprinzip.
b) Zu den Eventualanträgen, Art9 Abs2 und 3 ESMV und bezughabende Wortfolgen in Art25 Abs1 litc und in Abs2 sowie Abs3 ESMV als verfas-sungswidrig festzustellen:
Neben der Befugnis des Gouverneursrats, nach Art9 Abs1 ESMV genehmigtes nicht eingezahltes Kapital jederzeit abzurufen und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung zu setzen, werden das Direktorium bzw. der Geschäftsführende Direktor nach Art9 Abs2 und Abs3 ESMV er-mächtigt, genehmigtes nicht eingezahltes Kapital abzurufen.
Nach Art9 Abs2 ESMV kann das Direktorium genehmigtes nicht eingezahltes Kapital durch Beschluss mit einfacher Mehrheit abrufen und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen; dies, um die Höhe des eingezahlten Kapitals wiederherzustellen, wenn diese durch das Auf-fangen von Verlusten unter den in Art8 Abs2 [ESMV] [...] festgelegten Betrag abgesunken ist. Nach Art9 Abs3 erster Satz ESMV ruft der Geschäftsführende Direktor genehmigtes nicht eingezahltes Kapital rechtzeitig ab, damit der ESM bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM nicht in Verzug gerät. ESM-Mitglieder sind nach Art9 Abs3 letzter Satz ESMV 'unwiderruflich und uneingeschränkt' verpflichtet, das vom Geschäftsführenden Direktor abgerufene Kapital innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.
Während der Gouverneursrat nach Art9 Abs1 i.V.m. Art5 Abs6 litc ESMV einen Kapitalabruf 'im gegenseitigen Einvernehmen' und damit im Konsens aller (stimmberechtigten) ESM-Mitglieder zu beschließen hat, können Kapitalabrufe, die nach Art9 Abs2 oder 3 durch das Direktorium oder den Geschäftsführen-den Direktor vorgenommen werden, auch gegen den Willen eines ESM-Mitglieds erfolgen. Ein widerstrebendes ESM-Mitglied müsste freilich seiner Zahlungsver-pflichtung nachkommen, andernfalls es nach Art4 Abs8 ESMV eine Aussetzung sämtlicher Stimmrechte bis zum Zahlungszeitpunkt zu gewärtigen hätte.
Die Möglichkeit, dass die Republik Österreich im Fall eines Kapitalabrufs nach Art9 Abs2 oder 3 ESMV unter Umständen auch gegen ihren Willen zur Einzah-lung verhalten wäre, kann dazu führen, dass die Mitwirkungsbefugnis des Nationalrates in Angelegenheiten des ESM nach Art50a und Art50b Z2 B-VG leer läuft.
Die Regelung des Art9 Abs2 ESMV steht im Widerspruch zu Art50a B-VG, weil infolge des Erfordernisses der einfachen Mehrheit eine Ablehnung durch den österreichischen Vertreter im Gouverneursrat — anders als im Abstimmungsver-fahren nach Art9 Abs1 ESMV — nicht automatisch eine positive Beschlussfassung über den Kapitalabruf verhindert, jedoch dem Nationalrat eine effektive Mitwirkung in Bezug auf eine solche Beschlussfassung verwehrt ist. Ebenso begegnet ein Kapitalabruf gemäß Art9 Abs3 ESMV verfassungsrechtlichen Bedenken nach Art50a und Art50b Z2 B-VG, nachdem in diesem Zusammenhang nicht einmal ein Abstimmungsverfahren und damit die Mitwirkung des österreichischen Vertreters vorgesehen ist, sondern die Alleinzuständigkeit des Geschäftsführenden Direktors zum Tragen kommt. Dass der Bundesverfassungsgesetzgeber bei der Beschlussfassung der Art50a ff. B-VG die Fallkonstellationen des Art9 Abs2 und 3 [ESMV] [...] stillschweigend in Kauf genommen hätte, ist nicht ersichtlich, zumal er die Mitwirkung des Nationalrates in Bezug auf Entscheidungen der Organe des ESM regeln wollte, die potenziell weitreichende Auswirkungen auf den österreichischen Bundeshaushalt haben können (vgl. den Bericht des Verfassungsausschusses, 1878 d.B. StenProtNR XXIV. GP, S. 2); zudem ging er — offenbar irrtümlich — von der Prämisse aus, dass für den Kapitalabruf gemäß Art50b Z2 B-VG ein Dringlichkeitsabstimmungsverfahren analog zu Art4 Abs4 ESMV nicht vorgesehen sei (siehe a.a.O., S. 3 und 5). Nachdem für die Mitwirkung des Nationalrates in Angelegenheiten gemäß Art9 Abs2 und 3 [ESMV] [...] verfassungsrechtliche (Ausnahme-)Regelungen nicht vorgesehen worden sind, erscheinen die genannten staatsvertraglichen Bestimmungen mit Verfassungswidrigkeit belastet.
Die Eventualanträge beziehen sich auf jeweils bezughabende Wortfolgen in Art25 Abs1 litc, Art25 Abs2 und Abs3 ESMV, zumal die genannten Bestimmun-gen auf Art9 Abs2 bzw. Abs3 ESMV abstellen und mit diesen in einem unauflösbaren Zusammenhang stehen.
c) Zum Eventualantrag, die Wortfolge 'und beschließen, sie zu ändern' in Art19 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:
Nach Art19 ESMV kann der Gouverneursrat die in den Art14 bis 18 ESMV vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern. Zu welchem Zweck, unter welchen Voraussetzungen bzw. in welcher Form die Befugnis zur Änderung des Finanzhilfeinstrumentariums stattfinden soll, bleibt im Einzelnen unbestimmt.
Art9 Abs2 B-VG ermächtigt zwar — in Durchbrechung des Staatsorganisations-rechts — zur Übertragung einzelner Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen, dispensiert jedoch nicht von den materiellen Anforderungen des österreichischen Verfassungsrechts, wie hier dem Legalitätsprinzip. Das durch den ESM nutzbare Finanzhilfeinstrumentarium, das letztlich haushaltsrelevante Belastungen für die Republik Österreich als Vertragspartei des ESMV auslösen kann, würde nach einem dem Regelungsgegenstand adäquaten (strengeren) Determinierungsgrad verlangen.
d) Zum Eventualantrag, Art25 Abs2 und 3 ESMV als verfassungswidrig festzu-stellen:
Falls ein ESM-Mitglied die auf Grund eines Kapitalabrufs gemäß Art9 Abs2 oder 3 [ESMV] [...] erforderliche Einzahlung nicht vornimmt, bestimmt Art25 Abs2 erster Satz ESMV, dass an alle ESM-Mitglieder ein revidierter erhöhter Kapitalabruf ergeht, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhält. Sowohl Wortlaut, Zweck (Hintanhaltung einer Kapitalunterdeckung des ESM) als auch die Systematik dieser Bestimmung (im Regelungszusammenhang des Art25 ESMV mit der Überschrift 'Deckung von Verlusten') deuten darauf hin, dass Art25 Abs2 erster Satz ESMV — als eine Art 'Nachschusspflicht' —eine lex specialis zur haftungsbeschränkenden Regelung des Art, 8 Abs5 erster Satz ESMV darstellt ('Die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt.'; siehe ferner Anhang II ESMV, wonach die Kapitalzeichnung der Republik Österreich auf 19 483 800 000,— Euro lautet).
Da Zweifel über die Reichweite der Einzahlungspflicht nach Art2, 5 Abs2 erster Satz ESMV bestehen, wird damit das nach dem Legalitätsprinzip nach Art18 Abs1 B-VG verfassungsrechtlich gebotene Maß inhaltlicher Bestimmtheit unter-schritten. Diese Regelungsunschärfe wiegt umso schwerer, als sich ein Staatsorgan, das den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit gemäß Art126b Abs5 B-VG verpflichtet ist und nach Art13 Abs2 B-VG einen nachhaltig geordneten Haushalt anzustreben hat, — angesichts der gravierenden finanziellen Implikationen einer die Haftungsbeschränkung nach Anhang II ESMV möglicherweise überschreitenden Zahlungsverpflichtung — nicht auf die Vereinbarung einer derartigen staatsvertraglichen Regelung einlassen hätte dürfen.
Dass die von den Vertretern der Vertragsparteien am 27. September 2012 ver-einbarte 'Auslegungserklärung' Zweifel an einer Begrenzung sämtlicher Zahlungsverpflichtungen gemäß Art8 Abs5 ESMV auf eine innerstaatlich rechtsverbindliche Weise ausräumt, wird auf Grund der zu dieser Erklärung (oben unter Pkt. 1.a.) zur Transformation der 'Auslegungserklärung' dargelegten Bedenken bestritten.
Der vorliegende Eventualantrag bezieht sich überdies auf Art25 Abs2 zweiter und letzter Satz und Abs3 ESMV, weil die genannten Bestimmungen mit Art25 Abs2 erster Satz ESMV in einem unauflösbaren Zusammenhang stehen.
e) Zum Eventualantrag die Wortfolge 'der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats,' in Art35 Abs1 ESMV und die Wortfolge 'des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats,' in Art35 Abs2 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:
Innerhalb des ESM kommen dem Gouverneursrat nach Art5 Abs6 und 7 ESMV wesentliche Entscheidungsbefugnisse zu. Nach Art5 Abs1 ESMV ernennt jedes ESM-Mitglied ein Mitglied des Gouverneursrats, wobei das Mitglied des Gouver-neursrats 'ein Regierungsmitglied des jeweiligen ESM-Mitglieds mit Zuständigkeit für die Finanzen' ist. Der Vorsitz des Gouverneursrats wird nach Art5 Abs2 ESMV entweder dem Präsidenten der Euro-Gruppe übertragen oder aus dem Kreis der Mitglieder des Gouverneursrats gewählt. Art35 Abs1 ESMV bestimmt, dass im Interesse des ESM unter anderem der Vorsitzende des Gouverneursrats sowie die Mitglieder des Gouverneursrats Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen genießen.
Die Republik Österreich als ESM-Mitglied wird im Gouverneursrat nach Art5 Abs1 dritter Satz ESMV durch den Bundesminister für Finanzen vertreten. Die Anwendung des Art35 Abs1 ESMV hätte die persönliche Immunität des Bun-desministers für Finanzen in seiner Eigenschaft als Mitglied des Gouverneursrats vor dem Verfassungsgerichtshof als Staatsgerichtshof nach Art142 Abs2 litb B-VG zur Folge. Damit begründet Art35 Abs1 ESMV im Rahmen seines Anwen-dungsbereichs eine Ausnahme zur rechtlichen Verantwortlichkeit eines Mitgliedes der Bundesregierung nach Art76 Abs1 B-VG, wie sie sonst innerhalb des parlamentarischen Regierungssystems die Regel ist. Da für die Tätigkeit des Bundesministers für Finanzen als Mitglied des Gouverneursrats eine bundesver-fassungsrechtliche Ausnahmebestimmung nicht vorgesehen ist, bestehen gegen Art35 Abs1 ESMV verfassungsrechtliche Bedenken. Soweit ersichtlich, wurde der Verpflichtung nach Art35 Abs4 ESMV, eine eigene Umsetzungsmaßnahme (hier: Ausnahmebestimmung) zu erlassen, innerstaatlich bislang nicht nachge-kommen.
Dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken gelten für die Fallkonstellation, dass der Bundesminister für Finanzen zum Vorsitzenden des Gouverneursrats bestellt wird.
Weitere verfassungsrechtliche Bedenken, die gegen die Unverletzlichkeit amtli-cher Schriftstücke und Unterlagen des Vorsitzenden des Gouverneursrats sowie der Mitglieder des Gouverneursrats nach Art35 Abs1 ESMV bestehen, werden unten unter Pkt. 2.f. und g. in Bezug auf die verfassungsrechtlich vorgesehenen Informations- und Mitwirkungsrechte des Nationalrates nach Art50a ff. B-VG dargelegt.
Der vorliegende Eventualantrag bezieht sich überdies auf eine mit Art35 Abs1 ESMV inhaltlich korrespondierende Wortfolge in Art35 Abs2 ESMV.
f) und g) Zu den Eventualanträgen, die Wortfolge 'und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden' in Art32 Abs5 sowie die Wortfolge 'Mitglieder und' in Art34 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:
Sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden, sind nach Art32 Abs5 ESMV unverletzlich. Nach Art34 ESMV dürfen u.a. die Mitglieder des Gouverneursrats keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen wei-tergeben. Im Zusammenhang mit der persönlichen Immunität der Organwalter des ESM (u.a. Mitglieder des Gouverneursrats und der Vorsitzende des Gouver-neursrats) sieht Art35 Abs1 [ESMV] [...] die Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen vor.
Die vorgenannten Bestimmungen gelten absolut und ermangeln einer Ausnah-mevorschrift zugunsten der nationalen Parlamente (Art30 Abs5 ESMV, wonach der Gouverneursrat u.a. den nationalen Parlamenten den jährlichen Prüfbericht des Prüfungsausschusses zugänglich zu machen hat, kann hier außer Betracht bleiben). Sie stehen deshalb im Widerspruch zu den Informations- und Mitwir-kungsrechten des Nationalrates nach Art50a ff. B-VG. Die Beschlussfassung des Nationalrates über eine Ermächtigung des österreichischen Vertreters nach Art50b B-VG und über die Wahrnehmung weiterer Mitwirkungszuständigkeiten nach Art50d Abs2 B-VG setzt nämlich voraus, dass der Nationalrat über dieje-nigen Informationen verfügt, die er für eine Beurteilung der wesentlichen Grundlagen und Folgen seiner Willensbildung benötigt. Dieses umfassende Informationsbedürfnis gilt ebenso für jene ständigen Unterausschüsse des mit der Vorberatung von Bundesfinanzgesetzen betrauten Nationalratsausschusses, denen nach Art50d Abs3 B-VG Zuständigkeiten des Nationalrates nach Art50b und 50d Abs2 B-VG übertragen werden.
Ferner sind den Informationsverpflichtungen der Vollziehung gegenüber dem Nationalrat bzw. den nach Art50d Abs3 B-VG zuständigen Unterausschüssen Einschränkungen fremd, wie sie die Art32 Abs5, 34 und 35 Abs1 ESMV enthal-ten: Art50c Abs1 erster Satz B-VG sieht vor, dass der zuständige Bundesminister den Nationalrat unverzüglich in Angelegenheiten des ESM gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates zu unterrichten hat (siehe hiezu §1 der Anlage 3 zum Geschäfts-ordnungsgesetz 1975, wonach die Unterrichtung des Nationalrates in Angelegenheiten des ESM 'insbesondere durch Informationen, Dokumente und Vorschläge für Beschlüsse' zu erfolgen hat; zur Dokumentenübermittlung siehe ferner §4 der Anlage 3). Nach Art50c Abs2 letzter Satz B-VG hat der zuständi-ge Bundesminister dem Nationalrat nach der Abstimmung unverzüglich Bericht zu erstatten und ihm gegebenenfalls die Gründe mitzuteilen, aus denen der österreichische Vertreter eine Stellungnahme in Angelegenheiten des ESM nicht berücksichtigt hat (vgl. §2 und — zur Dokumentenübermittlung — §4 der Anlage 3 zum Geschäftsordnungsgesetz 1975). Schließlich hat der zuständige Bundesminister nach Art50c Abs3 B-VG dem Nationalrat regelmäßig über die im Rahmen des ESM getroffenen Maßnahmen zu berichten.
Der nach Art50c Abs1 erster Satz, Abs2 letzter Satz und Abs3 B-VG zuständi-ge Bundesminister, der nach Art5 Abs1 dritter Satz ESMV zugleich österreichischer Vertreter im Gouverneursrat ist, könnte den vorgenannten bundesverfassungsrechtlichen Informationsverpflichtungen — die keine Ausnah-me vorsehen — bei Anwendung der Vorschriften des Art32 Abs5, 34 und 35 Abs1 ESMV nicht voll nachkommen.
Die Vertreter der Vertragsparteien haben zwar am 27. September 2012 in Form einer 'Auslegungserklärung' vereinbart, dass Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 [ESMV] [...] der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegenstehen. Dass dadurch jedoch die kategorischen Formulierungen der genannten staatsvertraglichen Vorschriften in einer innerstaatlich rechtsverbindlichen Weise eingeschränkt werden, wird auf Grund der zur Transformation der 'Auslegungserklärung' oben unter Pkt. 1.a. dargelegten Bedenken bestritten.
h) Zum Eventualantrag, die 'Auslegungserklärung' als rechtswidrig festzustellen:
Hiezu wird auf die oben unter Pkt. 1.a. zur Transformation der 'Auslegungserklä-rung' geäußerten Bedenken verwiesen."
4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Anträge der Kärntner Landesregierung begehrt.
4.1. Die Bundesregierung stellt zunächst überblicksartig die Rechtslage dar:
"[…] Mit dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französi-schen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland, BGBl III Nr 138/2012, (im Folgenden: ESM-Vertrag), richten die Vertragspartner untereinander eine internationale Finanzinstitution ein, die den Namen 'Europäischer Stabilitätsmechanismus' ('ESM') trägt (Art1 Abs1) […].
Der Zweck des ESM ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist (Art3).
[…] Wie in den Erläuterungen der Regierungsvorlage des ESM-Vertrags (1731 BlgNR 24. GP 3) näher ausgeführt wird, war für die Bemühungen zur Einrichtung von Stabilitätsmechanismen für das Euro-Währungsgebiet ausschlaggebend, dass hohe Anstiege der Risikoaufschläge für Staatsanleihen einiger Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets zu beobachten waren, die etwa im Falle Griechen-lands bereits im April 2010 zum Verlust des Zugangs zu den Kapitalmärkten geführt hatten (vgl. auch die Zusammenfassung der Rechtsentwicklung durch das deutsche Bundesverfassungsgericht in BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 12. Septem-ber 2012 Rz 2 ff). Daraufhin gewährten die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets Griechenland koordinierte bilaterale Finanzhilfen, die in Öster-reich auf das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz (ZaBiStaG), BGBl I Nr 52/2009, gestützt wurden.
[…] In weiterer Folge beschlossen der Europäische[n] Rat und der Rat der Europäi-schen Union (Wirtschaft und Finanzen) die Schaffung eines Stabilisierungsmechanismus, der auf einer Verordnung gemäß Art122 Abs2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (Europäischer Finanzstabilisierungsmechanismus — EFSM) und einer — auf eine Laufzeit von drei Jahre begrenzten — Zweckgesellschaft nach luxemburgischem Recht (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität — EFSF) beruhte. Auch für die anteilige Haftung Österreichs am EFSF bildet das ZaBiStaG die gesetzliche Grundlage (vgl. näher zum EFSF RV 1390 BlgNR 24. GP).
[…] Bereits auf seiner Tagung vom Oktober 2010 kam der Europäische Rat aller-dings überein, dass die Mitgliedstaaten einen ständigen Stabilitätsmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt einrich-ten müssen.
Auf der Tagung des Europäischen Rats vom 17. Dezember 2010 wurde eine Erklärung der Finanzminister der Euro-Gruppe über allgemeine Merkmale des künftigen 'Europäischen Stabilitätsmechanismus' (ESM) gebilligt (insbesondere: ständige Einrichtung und eine bestehenden internationalen Finanzinstitutionen entsprechende Kapitalstruktur; in Ausnahmefällen: Privatsektorbeteiligung entsprechend der IWF-Praxis; Umschuldungsklauseln in den Vertragsbedingungen neuer Staatsschulden; bevorrechtigten Gläubigerstatus des ESM).
[…] Am 25. März 2011 wurde vom Europäischen Rat der Beschluss 2011/199/EU zur Änderung des Art136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) im vereinfachten Vertragsänderungsverfahren gemäß Art48 Abs6 EUV angenommen, womit Art136 folgender Abs3 angefügt wird: 'Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderli-chen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.' Dieser Beschluss wurde im Amtsblatt L 91/1 vom 6. April 2011 kundgemacht und tritt erst nach Zustimmung aller Mitgliedstaaten im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften in Kraft. Da bis dato (Stand 17. Dezember 2012) noch die Mitteilung der Tschechischen Republik über den Ab-schluss des innerstaatlichen Genehmigungsverfahrens ausständig ist, ist der Beschluss noch nicht in Kraft getreten.
Der Beschluss 2011/199/EU ist ein Beschluss gemäß Art23i Abs4 B-VG (allge-mein zu Beschlüssen gemäß Art48 Abs6 EUV IA 978/A 24. GP 17), der gemäß Art50 Abs4 B-VG der Genehmigung des Nationalrates und der Zustimmung des Bundesrates mit erhöhten Quoren bedarf.
[…] In der Folge wurde unter Einbindung der Nicht-Eurozonen-Mitgliedstaaten die genaue Ausgestaltung des ESM erarbeitet und zunächst am 20. Juni 2011 durch die Finanzminister des Euro-Währungsgebiets abgeschlossen. Auf Grund weiter ansteigender Unsicherheit auf den Finanzmärkten und befürchteter Ansteckungsgefahren wurden Beschlüsse zur Nachverhandlungen gefasst, die insbesondere zu einer Erweiterung der Instrumente des ESM (präventive Maß-nahmen, Rekapitalisierung von Finanzinstituten sowie Interventionen am Sekundärmarkt) führten. Die Nachverhandlungen wurden von den Finanzministern des Euro-Währungsgebiets am 23. Jänner 2012 abgeschlossen.
[…] Der ESM-Vertrag wurde vom Nationalrat am 4. Juli 2012 gemäß Art50 Abs1 Z1 B-VG genehmigt. In dieser (164.) Nationalratssitzung wurden vom Nationalrat weiters die ESM-Begleitnovelle, BGBl I Nr 65/2012, und eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes 1975, BGBl I Nr 66/2012, beschlossen, mit denen umfassende Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der innerstaatlichen Wil-lensbildung in Bezug auf den ESM und Unterrichtungs- und Berichtspflichten des zuständigen Bundesministers erlassen wurden. Die Änderungen des B-VG durch die ESM-Begleitnovelle und die (meisten) Änderungen des Geschäftsordnungsge-setzes 1975 sind gemeinsam mit dem ESM mit 27. September 2012 in Kraft getreten (Art151 Abs52 B-VG; §109 Abs6 Geschäftsordnungsgesetz 1975; vgl. zum Inkrafttreten des ESM-Vertrags unten Pkt. I.10). Weiters hat der Nationalrat in dieser (164.) Sitzung auch den erwähnten Beschluss des Europäischen Rates 2011/199/EU und den Abschluss des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (sog. 'Fiskalpakt') zwischen 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union genehmigt.
[…] Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegenge-zeichnete Ratifikationsurkunde betreffend den ESM-Vertrag wurde am 30. Juli 2012 beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union hinterlegt.
[…] In Reaktion auf das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2012, 2 BvR 1390/12, haben die Vertreter der Vertragsparteien des ESM am 27. September 2012 eine Auslegungserklärung betreffend die Begren-zung der Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder und die Unterrichtung der nationalen Parlamente vereinbart. Diese lautet:
'Art8 Abs5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmecha-nismus (im Folgenden 'Vertrag') begrenzt sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungs-verpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt.
Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 des Vertrages stehen der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen.
Die oben genannten Punkte stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustim-mung der vertragschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein.'
[…] Der ESM-Vertrag ist gemäß Art48 Abs1 mit 27. September 2012, dem Tag der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde, mit der 90% der Kapitalzeichnungen erreicht wurden, in Kraft getreten und mit BGBl III Nr 138/2012 am 28. Septem-ber 2012 kundgemacht worden.
[…] Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Rechtmäßigkeit des Abschlusses des ESM-Vertrags bzw. seiner innerstaatlichen Durchführung bereits Gegenstand von Entscheidungen anderer europäischer Höchstgerichte war:
[…] Als erstes Höchstgericht befand der estnische Riigikohus (3-4-1-6-12, Urteil vom 12. Juli 2012) aufgrund eines Antrags des Justizkanzlers (Ộiguskantsler) über die Verfassungsmäßigkeit des ESM-Vertrags. Der Justizkanzler hat zum einen die Aufgabe, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, Staatsverträgen und anderen Rechtsakten zu prüfen (im Sinne einer Vorkontrolle und eines entsprechenden Antragsrechts an den Riigikohus), zum anderen fungiert er als Rechtsschutzbe-auftragter und Ombudsmann.
Die Republik Estland unterzeichnete den ESM-Vertrag am 2. Februar 2012 und nahm eine Ratifikation bis Juli 2012 in Aussicht. Am 12. März 2012 verlangte der Justizkanzler die verfassungsrechtliche Prüfung von Art4 Abs4 ESM-Vertrag betreffend das Dringlichkeitsverfahren und führte aus, dass dieser das parlamen-tarische Prinzip verletze und insbesondere das Budgetrecht des Parlaments unverhältnismäßig beschränke. Er begründete dies damit, dass die Mehrheitser-fordernisse im Dringlichkeitsverfahren der Republik Estland aufgrund ihres geringen Stimmanteils im Gouverneursrat und Direktorium jede Möglichkeit einer Einflussnahme nähmen. Weiters führte der Justizkanzler aus, dass die Kapitalanteile der Republik Estland 8,5% des BIP ausmachten. Deren volle Inan-spruchnahme durch den ESM würde den Entscheidungsspielraum des Parlaments radikal einschränken (Rz 6 ff).
Der Riigikohus bejahte eine Einschränkung des Parlaments und die fehlende Vetomöglichkeit in Dringlichkeitsverfahren (Rz 153). Auf Grund einer ausführli-chen Analyse des Dringlichkeitsverfahrens kam der Riigikohus zum Schluss, dass dieses ein wesentliches Element für die Sicherstellung der Zwecke des ESM, nämlich die Sicherstellung wirtschaftlicher und finanzieller Stabilität im Euro-Raum sei (Rz 158 ff). Diese Ziele waren nach Auffassung des Riigikohus Bedin-gungen dafür, dass die grundlegenden Werte der estnischen Verfassung gewährleistet werden könnten.
Diese würden nämlich ein stabiles wirtschaftliches und finanzielles Umfeld vor-aussetzen (Rz 165 ff). Auf dieser Grundlage nahm der Riigikohus eine umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung und Sachlichkeitsprüfung in Hinblick auf die Grundprinzipien der estnischen Verfassung und der Ziele des ESM vor (Rz 170 ff). Dabei kam es zum Schluss, dass sowohl die Haftungsbegrenzungen im ESM-Vertrag als auch die strengen Auflagen, die der ESM-Vertrag für die Gewährung von Stabilitätshilfe vorsieht, einen Eingriff in das Haushaltsrecht des Parlaments rechtfertigten.
[…] Das deutsche Bundesverfassungsgericht lehnte am 12. September 2012 in einem Eilverfahren mehrere Anträge ab, die darauf gerichtet waren, dem Bun-despräsidenten im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Zustimmungsgesetze zum ESM-Vertrag und zum sog. Fiskalpakt auszufertigen. Das BVerfG hielt dabei fest, dass die Anträge im Hauptsacheverfahren, soweit 'sie im Hinblick auf den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung […] zu beurteilen sind, nach summarischer Prüfung überwiegend ohne Erfolg bleiben' werden (BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 12. September 2012, Rz 207). Auf dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird im Folgenden im jeweiligen inhaltli-chen Zusammenhang eingegangen werden."
4.2. Zu den Prozessvoraussetzungen bringt die Bundesregierung vor:
"[…] Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz iVm. §66 VfGG hat der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Staatsvertrags die gegen die Rechtmäßigkeit des Staatsvertrags sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Ein Normenkon-trollantrag, der sich auf eine Norm ihrem ganzen Inhalt nach richtet, muss auch Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit aller Bestimmungen dieser Norm darlegen (zB VfSlg 17.768/2006). Unterlässt der Antragsteller konkrete Darlegungen, warum die bekämpften Regelungen im Einzelnen rechtswidrig sind, ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und — gleichsam stellvertretend — das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (zB VfSlg 17.102/2004).
[…] Nach Auffassung der Bundesregierung erfüllt der Antrag, soweit er die Fest-stellung der Rechtswidrigkeit des ESM-Vertrags samt Auslegungserklärung zur Gänze begehrt, diese Voraussetzungen nicht:
Hinsichtlich der Bedenken der antragstellenden Landesregierung in Bezug auf die Auslegungserklärung wird nicht dargelegt, weshalb die behauptete Rechtswid-rigkeit der Auslegungserklärung eine Rechtswidrigkeit auch des ESM-Vertrags selbst nach sich ziehen soll (vgl. Antrag S 8).
Hinsichtlich der Bedenken in Bezug auf den den Gleichheitssatz, auf Art13 Abs2 und Art126b Abs5 B-VG enthält der Antrag (S 12 bis 15) weitgehend pauschale Ausführungen betreffend die Rechtswidrigkeit des ESM-Vertrags als Ganzes und legt nicht dar, inwiefern die vorgebrachten Bedenken jede einzelne Vertragsbestimmung betreffen bzw. warum die Rechtswidrigkeit einzelner, konkret genannter Vertragsbestimmungen zur Rechtswidrigkeit des gesamten Vertrags führen sollte.
Hinsichtlich der Bedenken in Bezug auf die Übertragung von Hoheitsrechten wird im Antrag (S 15 f) nicht dargetan, was gegen die Feststellung der Rechtswidrig-keit nur der im Antrag im Einzelnen aufgelisteten Bestimmungen, durch die Hoheitsrechte auf eine zwischenstaatliche Einrichtung[en] übertragen würden, spricht.
[…]Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des ESM-Vertrags zur Gänze unzulässig ist."
4.3. In der Sache verweist die Bundesregierung eingangs zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach sich der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Bedenken zu beschränken habe. Dasselbe gilt nach Auffassung der Bundesregierung gemäß Art140a B-VG für einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Staatsvertrages.
4.3.1. Den Bedenken des Hauptantrages hält die Bundesregierung Folgendes entgegen:
"Zu den Bedenken gegen die Auslegungserklärung:
[…] Die antragstellende Landesregierung hegt das Bedenken, dass die in der Kundmachung des ESM-Vertrags verlautbarte Auslegungserklärung der Vertrags-parteien vom 27. September 2012 verfassungswidrig sei, da sie nicht gemäß Art50 B-VG vom Nationalrat genehmigt wurde, bzw. dass sie gesetzwidrig sei, da sie mangels Genehmigung durch den Nationalrat nur in Verordnungsrang stehe, obwohl sie den ESM-Vertrag modifiziere.
[…] Bei der oben (Pkt. I.9) wiedergegebenen Auslegungserklärung der Ver-tragsparteien vom 27. September 2012 handelt es sich nicht um einen Vorbehalt, sondern um eine sog. interpretative Erklärung. Ein Vorbehalt ist eine von einem Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags abgegebene einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschließen oder zu ändern (Art2 Abs1 litd des Wiener Überein-kommens über das Recht der Verträge, BGBl Nr 40/1980; im Folgenden: WVK). Hingegen bringt eine Vertragspartei bzw. bringen mehrere Vertragsparteien durch eine interpretative Erklärung ihr Verständnis einzelner Vertragsbestim-mungen zum Ausdruck, ohne jedoch eine Änderung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu bezwecken. Im Gegensatz zu Vorbehalten dienen interpretative Erklärungen also gerade nicht dazu, den Inhalt eines Vertrags zu modifizieren. Die Unterscheidung zwischen Vorbehalten und interpretativen Erklärungen ist ausschließlich anhand der Rechtswirkungen vorzunehmen; eine falsche Bezeichnung ist unerheblich.
[…] Maßgeblich für die Qualifikation der Auslegungserklärung vom 27. Septem-ber 2012 sind neben ihrem Inhalt auch die Umstände ihrer Annahme. Sie wurde vor dem Hintergrund des Urteils des deutschen Bundesverfassungsgerichts zum ESM-Vertrag abgegeben. Das Bundesverfassungsgericht führte aus, dass eine Auslegung 'nicht ausgeschlossen' sei, dass im Fall eines revidierten erhöhten Kapitalabrufes die Haftungsbeschränkung des Art8 Abs5 nicht anwendbar sei bzw. dass eine Auslegung zwar nicht naheliegend, aber möglich sei, dass Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 ESM-Vertrag einer umfassenden Information nationaler Parlamente entgegen stehen (Rz 252 und 254 des Urteils). Eine Ratifi-zierung sei nur zulässig, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine Vertragsauslegung sicherstelle, dass Art8 Abs5 sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Höhe nach auf die in Anhang II genannte Summe begrenze und dass Art25 Abs2 nur so ausgelegt oder angewendet werden könne, dass für die Bundesrepublik Deutschland keine höheren Zahlungsverpflichtungen begründet werden bzw. gewährleiste, dass Bundestag und Bundesrat bei ihren Entscheidungen die für ihre Willensbildung erforderlichen Informationen erhalten (Rz 253 und 259 des Urteils).
Die Auslegungserklärung soll diesen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nachkommen, um der Bundesrepublik Deutschland die Ratifikation des ESM-Vertrags zu ermöglichen. Sie hält fest, was sich ohnedies aus Wortlaut und Sys-tematik des ESM-Vertrags ergibt und zwischen den Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags ohnedies unstrittig war (vgl. zu beiden in der Auslegungserklärung angesprochenen Themenbereichen näher unten Pkt. III.6 und 8). Die Auslegungserklärung stellt daher keine Modifikation des ESM-Vertrags dar. Sie ist also kein Vorbehalt, sondern eine interpretative Erklärung.
[…] Während das Anbringen von Vorbehalten nur unter bestimmten Bedingun-gen bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung zulässig ist (vgl. Art19 WVK), können interpretative Erklärungen jederzeit abgegeben werden. Bis auf Deutschland und Estland hatten zum Zeitpunkt der Abgabe der Auslegungserklärung bereits alle Unterzeichnerstaaten den ESM-Vertrag ratifi-ziert,[…] was ebenfalls dafür spricht, dass es sich bei der Auslegungserklärung vom 27. September 2012 um keinen Vorbehalt handelt.
[…] Zwar heißt es in der Kundmachung BGBl III Nr 138/2012, die Vertreter der Vertragsparteien hätten die Auslegungserklärung 'vereinbart'. Daraus folgt aber nicht, dass der unterzeichnete Vertragstext durch die Auslegungserklärung geändert oder ergänzt wird. Eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung des Vertrags ergibt sich auch nicht aus der Formulierung, der Inhalt der Auslegungserklärung stelle 'eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein'. Dadurch wird lediglich auf bestimmte Regelungen der WVK über die Ungültigkeit von Verträgen (Art48 betreffend den Irrtum) und die Beendigung von Verträgen (Art62 betreffend die grundlegende Änderung der Umstände) Bezug genommen, die auch ohne die Auslegungserklärung anwendbar wären.
[…] Interpretative Erklärungen zu völkerrechtlichen Verträgen ändern, wie bereits erwähnt, nicht die vertraglichen Verpflichtungen der Vertragsparteien und sind daher nicht unter den verfassungsrechtlichen Begriff des 'Staatsvertrags' zu subsumieren. Dies wäre nur dann ausnahmsweise der Fall, wenn sie — entgegen ihrer Bezeichnung — doch vertragliche Verpflichtungen enthalten. Nur in einem solchen Fall wären sie, bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen des Art50 Abs1 B-VG, gemäß dieser Bestimmung zu genehmigen. Da die Auslegungserklärung die vertraglichen Verpflichtungen der Vertragsparteien nicht ändert, ist sie kein Staatsvertrag iSd. B-VG.
[…] Die antragstellende Landesregierung beruft sich auf eine Praxis, nach der 'Erklärungen' üblicherweise vom Nationalrat genehmigt würden. Dazu ist zu-nächst anzumerken, dass nicht jede vom Nationalrat gemäß Art50 Abs1 B-VG genehmigte 'Erklärung' eine interpretative Erklärung im zuvor dargelegten Sinn ist. In der Staatspraxis werden mitunter Vorbehalte (iSd. Art2 Abs1 litd WVK) aus politischen Gründen als 'Erklärungen' bezeichnet bzw. können Staaten auf-grund bestimmter Verträge rechtsgestaltende Erklärungen abgeben (zB die Erklärung gemäß Art3 Abs2 des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffne-ten Konflikten, BGBl III Nr 92/2002, betreffend die Festlegung des Mindestalters für die Einziehung von Freiwilligen zu den nationalen Streitkräften). Diese Form von 'Erklärungen' stellt die Mehrzahl der dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegten Erklärungen dar.
Sofern interpretative Erklärungen dem Nationalrat zugeleitet werden, soll ihm dadurch ein umfassendes Bild von dem zur Genehmigung vorgelegten Staatsver-trag vermittelt werden. Zumeist wird eine solche Erklärung dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegt; in anderen Fällen wird die Erklärung aber nur in die Erläuterungen aufgenommen, wie etwa die von den Vertragsparteien des Fiskal-paktes bei der Unterzeichnung getroffene Regelung betreffend Artikel 8 des Paktes (RV 1725 BlgNR 24. GP 13 f). Die Praxis hinsichtlich der Genehmigung interpretativer Erklärungen ist also nicht einheitlich. Ein Genehmigungserforder-nis für interpretative Erklärungen kann aus ihr jedenfalls nicht abgeleitet werden. Maßgeblich für die Notwendigkeit einer Genehmigung ist ausschließlich, ob diese — entgegen ihrer Bezeichnung — doch vertragliche Verpflichtungen enthalten und zudem die Voraussetzungen des Art50 Abs1 B-VG vorliegen.
[…] Die Bundesregierung vertritt daher zusammenfassend die Auffassung, dass die Auslegungserklärung der Vertragsparteien vom 27. September 2012 die vertraglichen Verpflichtungen der Vertragsparteien nicht ändert und deshalb kein Staatsvertrag ist, sondern eine interpretative Erklärung, die keiner Geneh-migung des Nationalrates bedurfte.
[…] Die antragstellende Landesregierung hegt hinsichtlich der Auslegungserklä-rung ferner das Bedenken, dass die gemeinsame Verlautbarung mit dem gemäß Art50 Abs1 B-VG genehmigten ESM-Vertrag im Bundesgesetzblatt gegen Art49 Abs2 B-VG verstoße. Außerdem sei die Auslegungserklärung nur in der deutschen Sprachfassung kundgemacht worden, während für die übrigen Sprachfassungen ein Beschluss des Nationalrates über eine Sonderkundmachung fehle.
[…] Gemäß Art49 Abs2 B-VG sind die Staatsverträge gemäß Art50 Abs1 B-VG vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Anlässlich der Genehmigung eines solchen Staatsvertrags kann der Nationalrat beschließen, auf welche andere Weise als im Bundesgesetzblatt die Kundmachung des Staatsver-trags oder einzelner genau zu bezeichnender Teile desselben zu erfolgen hat (sog. Sonderkundmachung); solche Beschlüsse des Nationalrates sind vom Bun-deskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Art48 B-VG bestimmt zudem, dass ein gemäß Art50 Abs1 genehmigter Staatsvertrag mit Berufung auf den Beschluss des Nationalrates kundgemacht wird (sog. Promulgationsklausel).
In der Praxis wird in der Kundmachung der Beschluss des Nationalrates dem genehmigten Vertragstext vorangestellt. Darüber hinaus enthält die Kundma-chung häufig weitere Verlautbarungen, wie insbesondere eine Aufzählung der Staaten, die den Vertrag ebenfalls ratifiziert haben, oder Erklärungen und Vorbe-halte anderer Staaten (vgl. Thienel, Art48, 49 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht [1. Lfg 1999] Rz 30). Diese Verlautba-rungen sind nicht vom Beschluss des Nationalrates erfasst, sondern erfolgen auf Grund des §5 Abs1 des Bundesgesetzblattgesetzes — BGBIG, BGBl I Nr 100/2003.
[…] Die Kundmachung des ESM-Vertrags im BGBl III Nr 138/2012 enthält zunächst die Berufung auf den Genehmigungsbeschluss des Nationalrates sowie den Beschluss des Nationalrates zur Sonderkundmachung gemäß Art49 Abs2 B-VG. Anschließend folgen der Titel des Vertrags und der Verweis auf den in der Anlage enthaltenen Vertragstext, daran anschließend — vom Genehmigungsbe-schluss des Nationalrates schon nicht mehr erfasst — ein Hinweis auf die Hinterlegung der Ratifikationsurkunde und den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags sowie eine Aufzählung der Staaten, die den Vertrag ebenfalls ratifiziert haben. Durch einen weiteren Absatz deutlich getrennt wird die Auslegungserklärung vom 27. September 2012 verlautbart. Die Reihenfolge und die graphische Gestaltung der Kundmachung verdeutlichen, dass die Auslegungserklärung nicht von der Promulgationsklausel erfasst ist.
[…] Da ein Beschluss über eine Sonderkundmachung nur anlässlich der Geneh-migung eines Staatsvertrags gemäß Art50 Abs1 B-VG erfolgen kann, konnte ein solcher Beschluss hinsichtlich der Auslegungserklärung nicht erfolgen. Da die Auslegungserklärung kein Staatsvertrag iSd. Art50 Abs1 B-VG ist, konnte diese auch keiner Sonderkundmachung gemäß Art49 Abs2 B-VG zugeführt werden. Vielmehr wurde die Auslegungserklärung gemäß §5 Abs2 BGBIG auf dieselbe Weise kundgemacht wie der Staatsvertrag, zu dem der Nationalrat einen Be-schluss gemäß Art49 Abs2 B-VG gefasst hat und auf welchen sie sich bezieht.
[…] Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, dass weder die gemeinsame Verlautbarung der Auslegungserklärung mit dem ESM-Vertrag im Bundesgesetz-blatt noch das Unterbleiben eines Beschlusses über eine Sonderkundmachung für die anderen Sprachfassungen der Auslegungserklärung gegen Art49 Abs2 B-VG verstoßen.
[…] Angemerkt wird Folgendes: Im Antrag (S 8 bis 10) wird ausgeführt, dass der Bundespräsident — 'wohl auf Grund eines Missverständnisses dieser Zuständigkeit [nach Art65 Abs1 B-VG] und offenbar in Verwechslung mit der Funktion der Beurkundung im Verfahren der Bundesgesetzgebung' — von seiner Befugnis nicht Gebrauch gemacht habe, beim Abschluss eines Staatsvertrags auch nicht offenkundige Verfassungswidrigkeiten aufzugreifen und einen Staatsvertrag nicht abzuschließen. Der Antrag zieht aber nicht den Schluss, dass der ESM-Vertrag aus diesem Grund rechtswidrig sei. Auf diese Ausführungen ist daher nicht weiter einzugehen.
[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf Art125 AEUV:
Die antragstellende Landesregierung hegt das Bedenken, dass es sich beim ESM-Vertrag — bei materieller Betrachtungsweise — um einen Staatsvertrag handle, durch den die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert würden, und der daher gemäß Art50 Abs1 Z2 iVm. Abs4 B-VG zu genehmigen gewesen wäre. Der ESM-Vertrag sei daher zur Gänze verfassungswidrig.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 27. November 2012, Rs. C-370/12, Pringle, Rz 129 ff, festgestellt dass der ESM-Vertrag mit dem Uni-onsrecht und insbesondere auch mit der sog. 'No-Bailout-Klausel' des Art125 AEUV vereinbar ist. Der ESM-Vertrag ist daher kein Staatsvertrag iSd. Art50 Abs 1 Z2 B-VG, durch den die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden. Er war daher auch nicht gemäß Art50 Abs4 B-VG zu geneh-migen.
[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz, auf Art13 Abs2 B-VG und Art126b Abs5 B-VG
[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, der ESM-Vertrag sei unsach-lich und verstoße gegen die Staatszielbestimmung des Art13 Abs2 B-VG betreffend nachhaltig geordnete Haushalte sowie gegen die Grundsätze der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung gemäß Art126b Abs5 B-VG. Auf Grund des Anteils der Republik Österreich am genehmig-ten Stammkapital in der Höhe von ca. 19,5 Mrd. Euro hätte es vor der Ratifikation einer 'volkswirtschaftlichen Grundlagenforschung', auch über Alternativen zum ESM bedurft. Der ESM stelle die Fortschreibung bisheriger Finanzhilfen für bestimmte Staaten dar, die ihrer unionsrechtlichen Verpflichtung zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite nicht nachgekommen seien und bewirke dadurch eine unsachliche Privilegierung rechtswidrig handelnder Staaten. Unsachlich sei es auch, dass die Republik Österreich als 'Hochsteuerland' an einem Finanzhilfeinstrument für Staaten teilnehme, die teilweise über eine niedrigere Abgabenquote bzw. eine weniger effektive Finanzverwaltung verfügten. Die Beschränkung des Kreises der Vertragsparteien auf Euro-Mitgliedstaaten sei unsachlich, da auch andere, nicht am Euro teilnehmende Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom ESM profitierten. Die Mitgliedschaft am ESM und im Besonderen die Verpflichtung, Kapitalabrufen nachzukommen, widerspreche der unionsrechtlich zulässigen Staatsverschuldung und der verfassungsrechtlichen Zielsetzung eines nachhaltig geordneten Haushaltes ua. deshalb, weil sie erhebli-che 'Gegensteuerungsmaßnahmen', nämlich das 'Konsolidierungspaket 2012 – 2016' mit einem Volumen von 26 Mrd Euro, erforderlich gemacht habe. Mangels 'volkswirtschaftlicher Grundlagenforschung' verstoße der ESM auch gegen das Gebot der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung.
[…] Vorauszuschicken ist, dass Prüfungsmaßstab im Verfahren nach Art140a B-VG nicht das Unionsrecht ist (VfSlg 16.628/2002). Insoweit der Antrag daher einen Verstoß gegen Art126 Abs1 AEUV und anderes Unionsrecht behauptet, ist darauf nicht weiter einzugehen.
[…] Gemäß Art13 Abs2 B-VG haben Bund, Länder und Gemeinden bei ihrer Haushaltsführung die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben. Der Antrag (S 12, 14 f) be-hauptet nur einen Verstoß gegen das Ziel der Sicherstellung nachhaltig geordneter Haushalte; auf das Ziel der Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist daher nicht weiter einzugehen. Die Verpflichtung zur Sicher-stellung nachhaltig geordneter Haushalte ist eine bloße Zielbestimmung (RV 203 BlgNR 23. GP 5). Sie bezieht sich auf die Haushaltsführung der Gebietskörper-schaften, worunter nur die Budgetplanung, die Budgeterstellung, der Budgetvollzug und die Gebarungskontrolle zu verstehen sind (RV 203 BlgNR 23. GP 5), nicht aber die materielle Rechtsetzung (Lödl, Die Reform des Bundes-haushaltsrechts, JRP 2008, 101 [108 f]; Stöger, Art51 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill-Schäffer-Kommentar [6. Lfg 2010] Rz 85), also auch nicht der Ab-schluss eines Staatsvertrags wie der ESM. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung scheidet daher von vornherein aus.
Aus Art126b Abs5 B-VG ist ein Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit abzuleiten, das sowohl die Gesetzgebung als auch die Vollzie-hung bindet (VfSlg 12.929/1991 und — für sog. Ausgliederungen — VfSlg 14.473/1996) und daher wohl auch für Staatsverträge gilt. Die Rechtskontrolle des Verfassungsgerichtshofes beschränkt sich allerdings auf eine Vertretbarkeits-kontrolle (Kroneder-Partisch, Art126b B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht [4. Lfg 2001] Rz 37; Kucsko-Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, 15. ÖJT I/1 [2003] 61).
[…] In der Sache ist zunächst darauf hinzuweisen, dass durch den Abschluss des ESM-Vertrags nicht über die Verwendung des österreichischen Anteils am ge-nehmigten Kapital verfügt wurde. Zwar hat sich die Republik Österreich verpflichtet, ihren Anteil am eingezahlten Kapital zu leisten (vgl. Art41) und Kapitalabrufen fristgerecht nachzukommen. Die Abrufung des genehmigten nicht eingezahlten Kapitals erfolgt durch den Gouverneursrat im gegenseitigen Einver-nehmen (Art5 Abs6 litc iVm. Art9 Abs1) und erfordert daher die Einstimmigkeit (Art4 Abs3), also auch die Zustimmung des österreichischen Mitglieds im Gouverneursrat, das dafür gemäß Art50b Z2 B-VG der Ermächtigung des Nationalrates bedarf. Erst die Gewährung von Stabilitätshilfe birgt ein wirtschaftliches Risiko. Sie erfolgt durch Beschluss des Gouverneursrats im gegenseitigen Einvernehmen (Art5 Abs6 litf), wobei das österreichische Mitglied gemäß Art50b Z1 B-VG nur nach Ermächtigung des Nationalrates zustimmen darf. Erfolgt die Stabilitätshilfe mittels Darlehen des ESM, hat dieser den Rang eines bevorrechtigten Gläubigers (Erwägungsgrund 13).
[…] Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der ESM-Vertrag weder unsachlich ist noch gegen die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verstößt:
[…] Zur Entstehungsgeschichte des ESM-Vertrags wird in den Erläuterungen der Regierungsvorlage Folgendes ausgeführt (1731 BIgNR 24. GP 3 f):
'Ausschlaggebend für die Bemühungen zur Einrichtung von Stabilitätsmechanis-men für das Euro-Währungsgebiet war der im Frühjahr 2010 beobachtete, dramatische Anstieg der Risikoaufschläge für Staatsanleihen einiger Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets. Im Mai 2010 war ein Niveau erreicht, das im Falle von Griechenland kurz zuvor zum Verlust des Zugangs zu den Kapitalmärkten geführt hatte. Bei einem Sondergipfel des Europäischen Rates bestätigten die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets ihre Entschlossenheit, alle zur Verfügung stehenden Mittel zur Wahrung der Stabilität, Einheit und Integrität des Euro-Währungsgebiets auszuschöpfen. Kurz darauf beschloss der Rat der Europäischen Union (Wirtschaft und Finanzen) die Einrichtung eines bis Mitte 2013 befristeten Stabilisierungsmechanismus: die 'European Financial Stability Facility' (EFSF), die auf der Grundlage anteiliger Haftungen der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets operiert.
Am 28./29. Oktober 2010 kam der Europäische Rat überein, dass die Mitglied-staaten einen ständigen Stabilitätsmechanismus zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt einrichten müssen. Im November 2010 stellte Irland an die anderen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets einen Antrag auf Gewährung von Finanzhilfe durch die EFSF, und auch die Risikoaufschläge portugiesischer Staatsanleihen stiegen weiter stark an. Bereits am 28. November 2010 hat die Euro-Gruppe in einer Erklärung allgemeine Merkmale des künftigen 'Europäischen Stabilitätsmechanismus' (ESM) festgelegt. Diese wurden am 17. Dezember 2010 vom Europäischen Rat gebilligt. Es wurde beschlossen, dass der ESM auf den bestehenden Regeln und Verfahren der EFSF aufbauen soll: über den ESM wird Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets unter strikten Auflagen Finanzhilfe bereitgestellt. Der ESM unterscheidet sich von der EFSF durch seine ständige Einrichtung und eine bestehenden internationalen Finanzinstitutionen entsprechende Kapitalstruktur. In Ausnahmefällen ist eine Beteiligung des Privatsektors entsprechend der IWF-Praxis in Betracht zu ziehen. Die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets haben sich verpflichtet, zur Erleichterung des Verfahrens sogenannte Umschuldungsklauseln ('collective action clauses' — CAC) in die Vertragsbedingungen aller neuen Staatsschuldtitel mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr aufzunehmen. ESM wird außerdem einen bevorrechtigten Gläubigerstatus ('preferred creditor status') beanspruchen, wobei akzeptiert wird, dass der IWF gegenüber dem ESM als Gläubiger vorrangig ist.
Auf dieser Grundlage erfolgte unter Einbindung der Nicht-Eurozonen-Mitgliedstaaten die Erarbeitung der genauen Ausgestaltung des ESM, die am 21. März 2011 von den Finanzministern beschlossen und am 25. März 2011 in Form einer Vereinbarung über die Merkmale des Europäischen Stabilitätsmechanismus vom Europäischen Rat gebilligt wurde (sogenanntes 'Term Sheet').
Am 25. März 2011 hat der Europäische Rat den Beschluss 2011/199/EU zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) angenommen, womit Artikel 136 folgender Absatz angefügt wird: 'Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsme-chanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.' Der ESM. erfüllt die darin getroffenen Vorgaben für einen Stabili-tätsmechanismus, der im vorliegenden Fall mittels EU-rechtskonformen völkerrechtlichen Vertrags eingerichtet wird. Bei den Verhandlungen wurde der Frage des Verhältnisses des ESM-Vertrags zum Recht der Europäischen Union besonderes Augenmerk gewidmet. Insbesondere wurden die zur Verfügung stehenden Finanzhilfeinstrumente so gewählt, dass sie jedenfalls im Einklang mit den Bestimmungen des Artikel 125 Abs1 AEUV stehen.
Auf Grundlage des 'Term Sheets' wurden Verhandlungen über den Vertrag zur Einrichtung des ESM aufgenommen und am 20. Juni 2011 durch die Finanzminis-ter des Euro-Währungsgebiets abgeschlossen. Am 20. Juni 2011 ermächtigten die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Vertragsparteien des ESM-Vertrags außerdem, die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) dazu aufzufordern, die im Vertrag vorgesehenen Aufgaben zu erfüllen. Der Europäische Rat hat den Vertragstext am 24. Juni 2011 begrüßt, allerdings stieg die Unsicherheit auf den Finanzmärkten weiter an, da traditionell auf den europäischen Anleihenmärkten tätige Investoren aufgrund der allgemein hohen Schuldenquoten der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets vermehrt Ansteckungsgefahren orteten. Am 21. Juli 2011 fassten die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets daher weite-re Beschlüsse, die zu Nachverhandlungen führten und die Palette an Instrumenten erweiterten. Zusätzlich zur Kreditvergabe und Interventionen am Primärmarkt sollen präventive Maßnahmen, die Rekapitalisierung von Finanzin-stituten sowie Interventionen am Sekundärmarkt möglich sein. Die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets haben anlässlich des Europäischen Rates vom 8./9. Dezember 2011 weitere konkrete Vorgaben zur Frage der Ge-samtausstattung von EFSF/ESM, der Privatsektoreinbindung und der Schaffung eines Dringlichkeitsverfahrens mit qualifizierter Mehrheit beschlossen. Die Nachverhandlungen wurden von den Finanzminister/innen des Euro-Währungsgebiets am 23. Jänner 2012 abgeschlossen. Das federführend zuständige Bundesministerium für Finanzen hat dem Nationalrat und dem Bundesrat laufend über den Fortgang der Verhandlungen berichtet.'
Vor dem Hintergrund dieser gesamteuropäischen Entwicklung bedarf es nach Auffassung der Bundesregierung keines weiteren Nachweises, dass der Abschluss eines Staatsvertrags zur Einrichtung einer internationalen Finanzinstitution, dessen Ziel die Mobilisierung von Finanzmitteln zur Bereitstellung von Stabili-tätshilfen für seine Mitglieder, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitglieder unabdingbar ist (Art3), nicht unsachlich ist und auch nicht gegen das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaft-lichkeit und Zweckmäßigkeit verstößt.
Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht hat einen weiten Einschätzungs-spielraum von Bundestag und Bundesregierung hinsichtlich der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am ESM akzeptiert: Die Annahme, dass mit der Zurverfügungstellung der deutschen Anteile am ESM noch überschaubare Risiken eingegangen würden, während ohne die Gewährung von Finanzfazilitäten durch den ESM nicht absehbare, schwerwiegende Konsequenzen für das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem drohten, sei nicht evident fehlerhaft; das Bundes-verfassungsgericht dürfe daher seine Einschätzung nicht an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen (BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 12. September 2012, Rz 271; vgl. auch aa0 Rz 217).
Nach Auffassung der Bundesregierung tragen auch die in den Art50a bis 50d B-VG und im Geschäftsordnungsgesetz 1975 idF BGBl I Nr 66/2012 vorgesehe-nen Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der innerstaatlichen Willensbildung in Bezug auf den ESM und die Unterrichtungs- und Berichtspflichten des zustän-digen Bundesministers zur sachlichen Rechtfertigung des ESM-Vertrags bei. Insbesondere darf der österreichische Vertreter im ESM jenen Beschlüssen, die potenziell weitreichende Auswirkungen auf den österreichischen Bundeshaushalt haben, nur auf Grund einer Ermächtigung des Nationalrates zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten (Art50b B-VG; IA 1985/A 24. GP 6).
[…] Der ESM ist ein dauerhafter Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes (vgl. Erwägungsgrund 1, in dem von einem 'ständi-gen Stabilitätsmechanismus' die Rede ist), der allen Mitgliedern, also auch der Republik Österreich, unter denselben Bedingungen Stabilitätshilfe bereitstellt. Die Gewährung von Stabilitätshilfe ist nur zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitglieder zulässig und darf nur unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen erfolgen (Art12 Abs1). Es ist für die Bundesregierung daher nicht nachvollzieh-bar, warum durch den ESM eine unsachliche Privilegierung einzelner Mitglieder des ESM erfolgen sollte. Die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes ist aber auch dann im wirtschaftlichen und politischen Inte-resse der Republik Österreich, wenn sie selbst keine Stabilitätshilfe in Anspruch nimmt.
[…] Auch die Beschränkung der Vertragsparteien auf jene Staaten, deren Währung der Euro ist, ist nicht unsachlich. Zum einen liegt es auf der Hand, dass angesichts der starken Interdependenzen innerhalb des Euro-Währungsgebietes ernsthafte Risiken für die Finanzstabilität einzelner solcher Staaten die Finanzstabilität des gesamten Euro-Währungsgebietes gefährdet (vgl. Erwägungsgrund 6), sodass hinsichtlich dieser Staaten die Einrichtung einer gemeinsamen Finanzinstitution, die solchen Gefahren vorbeugen soll, jedenfalls sachgerecht erscheint. Zum anderen kann (und soll) in einem so eng miteinander verbundenen Wirtschafts- und Finanzraum wie jenem der Europäischen Union gar nicht ausgeschlossen werden, dass die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes positive Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat. Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist, können zwar nicht Mitglieder des ESM werden. Wenn sie sich jedoch im Einzelfall neben dem ESM an einer Stabilitätshilfsmaßnahme für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes beteiligen, werden sie als Beobachter zu den Sitzungen des ESM eingeladen, auf denen diese Stabilitätshilfemaßnahmen und ihre Überwachung erörtert werden. Sie erhalten überdies zeitnahen Zugang zu sämtlichen Informationen und werden ordnungsgemäß konsultiert (vgl. Erwägungsgrund 9).
[…] Zu den Bedenken im Hinblick auf Art9 Abs2 B-VG
[…] Die antragstellende Landesregierung hegt das Bedenken, dass durch den ESM-Vertrag erheblich mehr als nur einzelne Hoheitsrechte auf eine zwischen-staatliche Einrichtung übertragen würden. Der ESM-Vertrag sei daher 'mangels Herauslösbarkeit' zur Gänze verfassungswidrig.
[…] Vorauszuschicken ist, dass nicht alle im Antrag (S 15 f) aufgelisteten Bestim-mungen eine Übertragung von Hoheitsrechten iSd. Art9 Abs2 B-VG vorsehen. So ist etwa die in Art10 Abs1 ESM-Vertrag vorgesehene Veränderung des genehmigten Stammkapitals und die damit verbundene Änderung von Art8 und Anhang II keine Übertragung von Hoheitsrechten, da ein entsprechender Be-schluss des Gouverneursrats erst in Kraft tritt, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert ha-ben. Ein solcher Beschluss stellt vielmehr einen Staatsvertrag iSd. Art50 Abs1 Z 1 B-VG dar (und bedarf der vorherigen Ermächtigung des österreichischen Vertreters im Gouverneursrat gemäß Art50b Z2 B-VG).
[…] Gemäß Art9 Abs2 B-VG können durch Gesetz oder durch einen gemäß Art50 Abs1 genehmigten Staatsvertrag einzelne Hoheitsrechte auf andere Staaten oder zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden. Durch diese Bestim-mung sollte eine maßgebliche Erleichterung für die völkerrechtlichen Beziehungen der Republik Österreich geschaffen werden: Angesichts der 'seit 1945 immer deutlicher in Erscheinung tretende[n] institutionell-organisatorische[n] Integration der zwischenstaatlichen Beziehungen […] die sich vor allem in der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf internationale Organisationen gezeigt hat' solle es aufgrund von Art9 Abs2 B-VG 'künftig nicht erforderlich sein, die entsprechenden Bestimmungen als verfassungsändernd [...] zu behandeln' (RV 427 BlgNR 15. GP 9). Art9 Abs2 B-VG erlaubt daher jedenfalls die Übertragung von Hoheitsrechten der Art, wie sie zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bestanden haben.
Hinsichtlich des Umfangs der Übertragung geht die Lehre davon aus, dass —angesichts des Bestandes an Beschlussbefugnissen zwischenstaatlicher Einrichtungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art9 Abs2 B-VG — die Wendung 'einzelne Hoheitsrechte' nicht zu eng verstanden werden darf (Griller, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen [1989] 247; Öhlinger, Art9/2 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht [9. Lfg 2009] Rz 13; Cl. Mayer, Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der WWU und Europäischer Stabilitätsmechanis-mus, JRP 2012, 124 [136]). Nach herrschender Auffassung deckt Art9 Abs2 B-VG aber nur die Übertragung von Hoheitsbefugnissen, deren Umfang deutlich unter dem Stand der Hoheitsbefugnisse bleibt, die der Europäischen Gemein-schaft im Jahr 1981 zukamen (Griller, aa0 248; Öhlinger, aa0 Rz 13).
[…] Vor diesem Hintergrund geht die Bundesregierung davon aus, dass durch den ESM-Vertrag nur einzelne Hoheitsrechte übertragen werden. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art9 Abs2 B-VG waren etwa durch das Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds, BGBl Nr 105/1949, das eine dem ESM vergleichbare internationale Finanzinstitution geschaffen hat, Hoheitsrechte in einem Umfang an eine zwischenstaatliche Einrichtung übertragen, der durch den ESM-Vertrag nicht überschritten wird (vgl. die Aufzählung der durch dieses Über-einkommen übertragenen Hoheitsrechte in Art3 Abs2 Z1 der Regierungsvorlage zum Ersten Staatsverträge-Sanierungsgesetz, 122 BlgNR 13. GP). Zudem bleibt der Umfang der durch den ESM-Vertrag übertragenen Hoheitsrechte deutlich unter dem Stand der Hoheitsbefugnisse, die der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1981 zukamen."
4.3.2. Den in den Eventualanträgen der Kärntner Landesregierung geäußerten Bedenken entgegnet die Bundesregierung wie folgt:
"[…] Zu den Bedenken gegen Art19 ESM-Vertrag
[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, die Wortfolge 'und beschlie-ßen, sie zu ändern' in Art19 sei nicht hinreichend determiniert. Es handle sich um eine Übertragung von Hoheitsrechten, die gleichwohl dem Determinierungs-gebot des Art18 B-VG entsprechen müsse.
[…] Gemäß Art12 Abs1 kann der ESM einem ESM-Mitglied Stabilitätshilfe gewähren, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Die ESM-Stabilitätshilfe kann gemäß Art12 Abs2 — unbeschadet des Art19 — mittels der in den Art14 bis 18 vorgesehenen Instrumenten gewährt werden, das sind die vorsorgliche ESM-Finanzhilfe, die Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds, ESM-Darlehen, die Primärmarkt-Unterstützungsfazilität und die Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität. Gemäß Art19 kann der Gouverneursrat die in den Art14 bis 18 vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern.
Gemäß Art5 Abs6 liti fasst der Gouverneursrat Beschlüsse über Änderungen an der Liste der Finanzhilfeinstrumente im gegenseitigen Einvernehmen. Einver-nehmen erfordert gemäß Art4 Abs3 die Einstimmigkeit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder, die durch Enthaltung allerdings nicht verhindert wird. Gemäß Art50b Z3 B-VG (vgl. auch §74d GOG 1975) darf der österreichische Vertreter im Gouverneursrat einer solchen Änderung nur zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, wenn ihn der Nationalrat auf Grund eines Vorschlages der Bundesregierung dazu ermächtigt hat, wobei in Fällen besonde-rer Dringlichkeit der zuständige Bundesminister den Nationalrat befassen kann. Ohne Ermächtigung des Nationalrates muss der österreichische Vertreter im Gouverneursrat den Vorschlag für einen solchen Beschluss ablehnen.
[…] Es kann dahinstehen, ob Art19 ESM-Vertrag Hoheitsrechte iSd. Art9 Abs2 B-VG überträgt. Das Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG gelangt nämlich keinesfalls zur Anwendung. Der gemäß Art19 zur Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente berufene Gouverneursrat führt nämlich keine 'staatliche Verwaltung' iSd. B-VG. Allenfalls könnte es sich bei der Mitwirkung österreichischen Mitgliedes im Gouverneursrat um staatliche Verwaltung handeln. Dessen Verhalten bei einer Beschlussfassung über Änderungen der Finanzhilfeinstrumente ist aber unmittelbar durch Art50b Z3 B-VG, der für ein bestimmtes Stimmverhalten eine Ermächtigung des Nationalrates vorsieht, determiniert. Auch die Lehre geht davon aus, dass für bestimmte Rechtsakte im Rahmen der Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten, für die eine verfassungsgesetzliche Ermächtigung zur unmittelbaren Vollziehung besteht, eine einfachgesetzliche Konkretisierung nicht geboten bzw. sogar ausgeschlossen ist (Rill, Art18 B-VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg], Rill-Schäffer-Kommentar [1. Lfg 2001] Rz 49), nennt beispielhaft die parlamentarische Einflussnahme auf die Mitwirkung der österreichischen Regierungsorgane an der Willensbildung in der EU).
Selbst wenn man aber das Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG an Art19 anlegte, erschiene diese Bestimmung hinreichend bestimmt. Nach der Recht-sprechung des Verfassungsgerichtshofes verlangt Art18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad (VfSlg 13.875/1994). Wie ausgeführt soll der ESM ein dauerhafter Stabilitätsmechanis-mus für die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes sein. Er ist nicht auf die Bewältigung der gegenwärtigen Finanzkrise beschränkt. Es ist aber unmöglich, alle künftigen wirtschaftlichen Entwicklungen oder die Entwicklung neuer Finanz-instrumente vorherzusehen. Soll der ESM seine Funktion als dauerhafter Stabilitätsmechanismus, der rasch Finanzmittel mobilisieren und ESM-Mitgliedern eine Stabilitätshilfe gewähren kann, effektiv erfüllen können, muss es eine Möglichkeit geben, im konkreten Fall der Gewährung einer Stabilitätshilfe die Liste der Finanzinstrumente an die jeweilige wirtschaftliche Situation und die finanztechnischen Entwicklungen und Notwendigkeiten anzupassen, ohne dass es dazu einer Vertragsänderung durch alle Vertragsparteien bedarf. Art19 gewährleistet eine solche Möglichkeit.
[…] Zu den Bedenken gegen Art25 Abs2 und 3 ESM-Vertrag
[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, es sei unklar, ob auch für einen revidierten erhöhten Kapitalabruf nach Art25 Abs2 erster Satz die Haf-tungsbeschränkung des Art8 Abs5 gelte, wonach die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapi-tal zum Ausgabekurs begrenzt bleibe. Wortlaut, Zweck und Systematik deuteten darauf hin, dass Art25 Abs2 erster Satz eine lex specialis zur Haftungsbe-schränkung des Art8 Abs5 darstelle. Da Zweifel über die Reichweite der Einzahlungspflicht nach Art25 Abs2 erster Satz bestünden, werde 'das nach dem Legalitätsprinzip nach Art18 Abs1 B-VG verfassungsrechtlich gebotene Maß inhaltlicher Bestimmtheit unterschritten'.
[…] Nach Auffassung der Bundesregierung kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Haftungsbeschränkung des Art8 Abs5 auch im Fall eines revidierten erhöhten Kapitalabrufs gilt. Der Wortlaut des Art8 Abs5 könnte nicht klarer formuliert sein: Die Haftung eines ESM-Mitglieds bleibt 'unter allen Umständen' auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt. Das genehmigte Stammkapital wird gemäß Art8 Abs2 in eingezahlte und abrufbare Anteile unterteilt; Veränderungen des genehmigten Stammkapitals — und damit auch der Anteile eines jeden ESM-Mitglieds — sind nur im Verfahren gemäß Art10 Abs1 möglich. Die Haftungsbeschränkung des Art8 Abs5 bezieht sich daher auf die Summe der eingezahlten Anteile und der Kapitalabrufe, einschließlich solcher nach Art25 Abs2 (ebenso BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 12. September 2012, Rz 249).
Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass die Haftungs-beschränkung des Art8 Abs5 für sämtliche Kapitalabrufe einschließlich eines revidierten erhöhten Kapitalabrufes gelten dürfte. Es hält allerdings eine Ausle-gung des ESM-Vertrags dahingehend, dass sich die ESM-Mitgliedstaaten bei einem revidierten erhöhten Kapitalabruf nicht auf die Haftungsbeschränkung des Art8 Abs5 berufen können, für 'nicht ausgeschlossen' (BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 12. September 2012, Rz 250 ff, hier Rz 252; vgl. in diesem Zusammenhang die oben Pkt. 1.9 wiedergegebene Auslegungserklärung). Dass der österreichi-sche Nationalrat bei der Genehmigung des ESM-Vertrags — die in der 164. Sitzung des Nationalrates in der 24. GP am 4. Juli 2012, also vor dem Urteil des deut-schen Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2012 erfolgt ist — keine solchen Zweifel gehabt hat, zeigen die Erläuterungen zu Art8 Abs5, nach denen '[a]llfällige Kapitalabrufe [...] jedenfalls durch den in Anhang II ausgewiesenen Betrag (abzüglich des eingezahlten Kapitals) begrenzt [wären]' (1731 BlgNR 24. GP 7).
Anzumerken ist, dass ein revidierter erhöhter Kapitalabruf lediglich einen tempo-rären Ausgleich für den Anteil eines in Zahlungsverzug geratenen ESM-Mitglieds darstellt. Dieses ESM-Mitglied ist von der Begleichung seiner Schuld keineswegs befreit (vgl. Art25 Abs2 Satz 2 und 3); begleicht es seine Schuld gegenüber dem ESM, wird das überschüssige Kapital an die anderen ESM-Mitglieder zurück-gezahlt (Art25 Abs3).
[…] Insoweit die antragstellende Landesregierung ausführt, 'ein Staatsorgan, das den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit gemäß Art126b Abs5 B-VG verpflichtet ist und nach Art13 Abs2 B-VG einen nach-haltig geordneten Haushalt anzustreben hat', hätte sich nicht auf eine solche staatsvertragliche Regelung einlassen dürfen' (Antrag S 20), handelt es sich um eine politische Aussage. Ein Verstoß gegen die genannten Bestimmungen des B-VG wird jedenfalls nicht behauptet.
[…] Zu den Bedenken gegen Art35 Abs1 und 2 ESM-Vertrag
[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, die Wortfolge 'der Vorsit-zende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats' in Art35 Abs1 und eine entsprechende Wortfolge in Art35 Abs2 habe die persönliche Immu-nität des Bundesministers für Finanzen in seiner Eigenschaft als Mitglied des Gouverneursrats von der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art142 Abs2 Iit. b B-VG zur Folge und begründe eine Ausnahme von der rechtlichen Verantwortlichkeit der Mitglieder der Bundesregierung nach Art76 Abs1 B-VG.
[…] Gemäß Art35 Abs1 genießen im Interesse des ESM ua, der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenomme-nen Handlungen. Diese Immunität kann gemäß Art35 Abs2 nur vom Gouverneursrat aufgehoben werden. Das von jedem ESM-Mitglied zu ernennende Mitglied des Gouverneursrats ist gemäß Art5 Abs1 dritter Satz ein Regierungsmitglied mit Zuständigkeit für die Finanzen. Das Mitglied der Republik Österreich im Gouverneursrat ist der Bundesminister für Finanzen (Abschnitt D. des Teils 2 der Anlage zu §2 BMG).
Gemäß Art76 Abs1 B-VG sind die Mitglieder der Bundesregierung dem Natio-nalrat gemäß Art142 B-VG verantwortlich. Gemäß Art142 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Anklage, mit der die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltend gemacht wird. Die Anklage kann gemäß Abs2 litb leg.cit. gegen die Mitglieder der Bundesre-gierung wegen Gesetzesverletzung durch Beschluss des Nationalrates erhoben werden.
[…] Klarzustellen ist zunächst, dass Beschlüsse und sonstige Handlungen des Gouverneursrats dem ESM, der eine eigenhändige Rechtspersönlichkeit besitzt (Art32 Abs2), nicht aber der Republik Österreich zuzurechnen sind (Griller, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen [1989] 313) und daher auch unter staatsrechtlichen Gesichtspunkten vom B-VG — insbesondere von dessen Art76 und 142 — nicht erfasst werden.
[…] Fraglich ist, ob die in Art35 Abs1 vorgesehene 'Immunität von der Ge-richtsbarkeit' auch die in Art142 B-VG geregelte besondere rechtliche Verantwortlichkeit der obersten Staatsorgane, also auch Fälle einer sog. Staats-gerichtsbarkeit erfasst. Art35 Abs1 enthält keine Definition des Begriffes 'Gerichtsbarkeit' und auch aus dem allgemeinen Völkerrecht ergibt sich keine verbindliche Bedeutung. Die Bedeutung dieses Begriffes muss daher durch Auslegung des ESM-Vertrags ermittelt werden, wobei nach den völkerrechtlichen Auslegungsregeln auch die Gründungsverträge anderer internationaler vergleichbare Immunitätsregelung enthalten, heranzuziehen sind.
Bei internationalen Finanzinstitutionen genießen die von den Vertragsparteien ernannten Organmitglieder — darunter auch die üblicherweise vom Bundesminister für Finanzen ausgeübte Funktion eines Gouverneurs — regelmäßig funktionelle Immunität in allen Mitgliedstaaten, einschließlich ihres Heimatstaates (zB ArtVII Abs8 des Abkommens der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Wirtschaftsförderung, BGBI. Nr 105/1949 ['Immunität gegenüber gerichtlichen Verfahren'], Art55 Zi des Abkommens über die Errichtung der Asiatischen Entwicklungsbank, BGBI. Nr 13/1967 ['Immunität gegenüber gerichtlichen Verfahren'], ArtIX Abschnitt 8 lita des Übereinkommens zur Errichtung der Inter-Amerikanischen Entwicklungsbank, BGBI. Nr 174/1977 'Immunität von Gerichtsbarkeit'], ArtIX Abschnitt 8 Zi des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds, BGBI. Nr 189/1978 ['Immunität von der Gerichtsbarkeit'], oder Art51 des Übereinkommens zur Errichtung der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, BGBI. Nr 222/1991 ['Immunität von der Gerichtsbarkeit']). Allen diesen Bestimmungen ist gemeinsam, dass die Immunität nicht den persönlichen Schutz der Gouverneure als Organwalter bezweckt, sondern ausschließlich den Schutz der Finanzinstitution, die daher auch alleine über die Aufhebung der Immunität entscheidet. Maßgeblich für diese Entscheidung ist, ob eine Aufhebung der Immunität die Funktion der Institution beeinträchtigen würde. Art35 entspricht den bei internationalen Finanzinstitutionen üblichen Regelungen, die als Vorbild gedient haben (vgl. die Erläuterungen 1731 BlgNR 24. GP 9).
Beachtlich ist, dass bei jenen Gründungsverträgen anderer internationaler Fi-nanzinstitutionen, bei denen einzelne Bestimmungen als verfassungsändernd genehmigt worden sind, die Immunitätsbestimmungen nicht dazu zählten (vgl. hinsichtlich des Abkommens BGBI. Nr 13/1967 die 'Entkleidung' von Verfas-sungsbestimmungen durch §7 Abs1 Z10 des Ersten Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetzes — 1. BVRBG, BGBI. I Nr 2/2008, hinsichtlich des Übereinkommens BGBI. Nr 174/1977 die 'Entkleidung' von Verfassungsbestimmungen durch §7 Abs1 Z47 des 1. BVRBG und hinsichtlich des Übereinkommens BGBI. Nr 189/1978 die 'Entkleidung' von Verfassungsbe-stimmungen durch §7 Abs1 Z53 des 1. BVRBG). Die (internationale) Staatspraxis ist offenbar einheitlich davon ausgegangen, dass die völkerrechtlich vorgesehene Immunität des Bundesministers für Finanzen als Gouverneur einer internationalen Finanzinstitution nicht mit der Staatsgerichtsbarkeit des Art142 B-VG unvereinbar ist. Nichts anderes kann dann aber für die in Art35 Abs1 vorgesehene Immunität der Mitglieder des Gouverneursrats 'von der Gerichts-barkeit' gelten. Eine solche Auslegung stimmt auch mit dem zuvor erwähnten Telos solcher Immunitätsbestimmungen überein: Eine Anklage gegen den Bun-desminister für Finanzen gemäß Art142 B-VG, weil er etwa seine Informationspflichten gegenüber dem Nationalrat oder dessen Mitwirkungsrechte nach den Art50a ff B-VG verletzt hat, würde die Funktion des ESM als ein ständiger Stabilitätsmechanismus der Euro-Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen. Mit einer solchen Anklage würde lediglich die politisch-rechtliche Verantwortlichkeit des Bundesministers für Finanzen gegenüber dem Nationalrat, die eine demokratische Komponente aufweist, effektuiert. In vergleichbarer Weise geht die oben (Pkt. I.9) wiedergegebene Auslegungserklärung davon aus, dass die Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 der Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegenstehen.
[…] Zu den Bedenken gegen Art32 Abs5 und Art34 ESM-Vertrag
[…] Die antragstellende Landesregierung behauptet, die in Art32 Abs5 vorge-sehene Unverletzlichkeit der Archive und Urkunden des ESM und die in Art34 vorgesehene berufliche Schweigepflicht der Mitglieder des Gouverneursrats stünden in Widerspruch zu den Informations- und Mitwirkungsrechten des Nationalrates nach Art50a ff B-VG. Die Beschlussfassung des Nationalrates über eine Ermächtigung des österreichischen Vertreters im ESM gemäß Art50b B-VG und die Wahrnehmung weiterer Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der Ausübung von dessen Stimmrecht gemäß Art50d Abs2 B-VG setzten voraus, dass der Nationalrat über die erforderlichen Informationen verfüge. Der zustän-dige Bundesminister könne seinen Informationspflichten gemäß Art50c B-VG gegenüber dem Nationalrat auf Grund der angefochtenen Bestimmungen nicht voll nachkommen.
[…] Gemäß Art32 Abs5 sind die Archive und Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden, unverletzlich. Gemäß Art34 geben ua. die Mitglieder des Gouverneursrats keine der beruflichen Schweigepflicht unterlie-genden Informationen weiter. Auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit dürfen sie keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weiterge-ben. Gemäß Art35 Abs1 genießen ua. die Mitglieder des Gouverneursrats Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen.
Durch die ESM-Begleitnovelle wurden in den Art50a bis 50d B-VG und durch eine Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 Mitwirkungsrechte des Nationalrates an der innerstaatlichen Willensbildung in Bezug auf den ESM und Unterrichtungs- und Berichtspflichten des zuständigen Bundesministers vorgese-hen (vgl. oben Pkt. I.7).
[…] Art34 enthält keine nähere Bestimmung des Begriffes der 'beruflichen Schweigepflicht'. Auch aus dem allgemeinen Völkerrecht ergibt sich keine ver-bindliche Bedeutung. Ähnliches gilt hinsichtlich der Unverletzlichkeit der Archive und Unterlagen des ESM. Der Umfang der beruflichen Schweigepflicht und der Unverletzlichkeit der Archive und Unterlagen des ESM ergibt sich im hier rele-vanten Zusammenhang aber aus der gemäß Art5 Abs9 vom Gouverneursrat am 8. Oktober 2012 angenommenen Satzung […].
Gemäß Art1 Z1 und 2 der Satzung ergänzt diese den ESM-Vertrag und ist im Sinne dieses Vertrags auszulegen. Im Fall eines Widerspruches zwischen der Satzung und dem ESM-Vertrag hat der Vertrag Vorrang. Art17 der Satzung regelt unter der Überschrift 'Offenlegung von Dokumenten' ('Disclosure of Do-cuments') gemäß Z1 die Bedingungen, unter denen der ESM Dokumente, die von ihm erstellt wurden oder sich in seinem Besitz befinden, anderen natürlichen oder juristischen Personen übermitteln oder sonst nach außen hin offen legen darf ('This Article 17 sets forth the conditions under which the ESM may commu-nicate documents drawn up or held by the ESM to other persons or entities or otherwise disclose such documents externally.'). Gemäß Art17 Abs1 litb der Satzung regelt dieser Artikel nicht den Informationsfluss innerhalb und zwischen den nationalen Regierungen und Parlamenten der ESM-Mitglieder ('This Article 17 does not concern [...] the flow of Information within and between the natio-nal governments and parliaments of ESM Members [...]'). Gemäß Art17 Z11 der Satzung verweist der ESM Informationsersuchen oder Anträge auf Dokumente, die von nationalen Parlamenten der ESM-Mitglieder gestellt werden, an die Regierung des jeweiligen ESM-Mitglieds ('The ESM shall refer requests of Infor-mation or documents by national Parlaments of ESM Members to the govern-ment of the relevant ESM Member'.).
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich nach Auffassung der Bundesregierung eindeutig, dass sich die berufliche Schweigepflicht gemäß Art34 und die Unver-letzlichkeit der Archive und Unterlagen des ESM gemäß Art32 Abs5 nicht auf die Unterrichtung des Parlaments eines ESM-Mitglieds durch dessen Regierung bezieht und einer Unterrichtung daher auch nicht entgegen steht. Ob und in welcher Form eine solche Unterrichtung erfolgt, ist vielmehr eine Sache des nationalen (Verfassungs-)Rechts.
In ähnlicher Weise ist das deutsche Bundesverfassungsgericht davon ausgegan-gen, dass eine Auslegung 'nahe liegt', nach der durch die Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 eine umfassende Information der nationalen Parlamente nicht ausgeschlossen wird, da diese Regelungen vor allem Informationsflüsse an unbe-rechtigte Dritte, etwa Beteiligte am Kapitalmarkt, unterbinden wollen (BVerfG, 2 BvR 1390/12 vom 12. September 2012, Rz 256 ff). Diese Auslegung ist durch die oben (Pkt. I.9) wiedergegebene Auslegungserklärung bestätigt worden, nach der die genannten Bestimmungen der umfassenden Unterrichtung nationaler Parla-mente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegenstehen.
[…] Ein Widerspruch der Art32 Abs5 und Art34 mit Art50b, Art50c und Art50d Abs2 B-VG liegt nach Auffassung der Bundesregierung daher nicht vor. Ein Widerspruch mit Art50a B-VG, der lediglich in allgemeiner Art die Mitwirkung des Nationalrates in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus vorsieht, mit Art50d Abs1 B-VG, der den Geschäftsordnungsgesetzgeber zur näheren Regelung der Art50b und 50c Abs2 und 3 B-VG ermächtigt, und zu Art50d Abs3 B-VG, der Regelungen über die Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte des Nationalrates in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus durch Ausschüsse und deren Zusammensetzung regelt, ist von vornherein ausgeschlossen.
[…] Sollte der Verfassungsgerichtshof dennoch einen solchen Widerspruch fin-den, wären die Bestimmungen des B-VG völkerrechtskonform so einschränkend auszulegen, dass ein Widerspruch nicht entsteht. Nach der Begründung des Initiativantrages betreffend die ESM-Begleitnovelle wurden die Regelungen dieser Novelle nämlich 'so gestaltet, dass Österreich in jedem Fall seine vertraglichen Verpflichtungen aufgrund des ESM-Vertrags einhält' (1985/A BIgNR 24. GP 5).
[…] Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass der ESM-Vertrag nach An-sicht der Bundesregierung nicht rechtswidrig ist."
4.4. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof dennoch eine Rechtswidrigkeit feststellen sollte, beantragt die Bundesregierung, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art140a Z1 B-VG eine Frist von zwei Jahren festsetzen, innerhalb derer der ESMV weiterhin anzuwenden ist. Diese Frist sei erforderlich, um die erforderlichen rechtlichen Vorkehrungen, insbesondere auch auf völkerrechtlicher Ebene, zu treffen.
5. Der Verfassungsgerichtshof führte am 6. März 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser nahmen die Parteien insbesondere zu Fragen nach der Bedeutung des Urteils des EuGH vom 27. November 2012, Rs. C 370/12, Pringle , zur Bedeutung einzelner, Organen des ESM zukommender Befugnisse im Hinblick auf Art9 Abs2 B VG, zum Verständnis und zum Hintergrund einzelner Bestimmungen des ESMV und zur Bedeutung und zum Zustandekommen der von den Vertragsparteien am 27. September 2012 vereinbarten Auslegungserklärung Stellung.
II. Rechtslage
1. Der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland (Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus — ESMV) ist im BGBl III 138/2012 wie folgt kundgemacht (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"Der Nationalrat hat beschlossen:
1. Der Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages wird gemäß Art50 Abs1 Z1 B-VG genehmigt.
2. Die englische, estnische, finnische, französische, griechische, irische, italienische, maltesische, niederländische, portugiesische, schwedische, slowakische, slowenische sowie spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages sind gemäß Art49 Abs2 B-VG dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.
Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland
[Vertragstext in deutscher Sprachfassung siehe Anlagen]
Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Ratifikationsurkunde wurde am 30. Juli 2012 beim Generalsekretär des Rates der Europäischen Union hinterlegt; der Vertrag tritt daher gemäß seinem Art48 Abs1 mit 27. September 2012 in Kraft.
Nach Mitteilung des Generalsekretärs des Rates der Europäischen Union haben folgende weitere Staaten den Vertrag ratifiziert, angenommen oder genehmigt:
Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Zypern.
Ferner haben die Vertreter der Vertragsparteien, die am 27. September 2012 in Brüssel zusammengetreten sind, folgende Auslegungserklärung vereinbart:
Art8 Abs5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden 'Vertrag') begrenzt sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds unter Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt.
Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 des Vertrages stehen der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen.
Die oben genannten Punkte stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein."
2. Die Bestimmungen des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland (Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus — ESMV), BGBl III 138/2012, auf die sich die Bedenken der Kärntner Landesregierung im Wesentlichen beziehen, lauten:
"ARTIKEL 3
Zweck
Zweck des ESM ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt.
KAPITEL 2
GESCHÄFTSFÜHRUNG
ARTIKEL 4
Aufbau und Abstimmungsregeln
(1) Der ESM hat einen Gouverneursrat und ein Direktorium sowie einen Geschäftsführenden Direktor und andere für erforderlich erachtete eigene Bedienstete.
(2) Der Gouverneursrat und das Direktorium beschließen nach Maßgabe dieses Vertrags in gegenseitigem Einvernehmen, mit qualifizierter Mehrheit oder mit einfacher Mehrheit. Bei allen Beschlüssen ist die Beschlussfähigkeit erreicht, wenn 2/3 der stimmberechtigten Mitglieder, auf die insgesamt mindestens 2/3 der Stimmrechte entfallen, anwesend sind.
(3) Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen erfordert die Einstimmigkeit der an der Abstimmung teilnehmenden Mitglieder. Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen wird durch Enthaltungen nicht verhindert.
(4) Abweichend von Absatz 3 wird in Fällen, in denen die Europäische Kommission und die EZB beide zu dem Schluss gelangen, dass die Unterlassung der dringlichen Annahme eines Beschlusses zur Gewährung oder Durchführung von Finanzhilfe in aller Eile gemäß der Regelung in den Artikeln 13 bis 18 die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität des Euro-Währungsgebiets bedrohen würde, ein Dringlichkeitsabstimmungsverfahren angewandt. Die Annahme eines Beschlusses in gegenseitigem Einvernehmen durch den Gouverneursrat gemäß Artikel 5 Absatz 6 Buchstaben f und g und durch das Direktorium nach diesem Dringlichkeitsverfahren erfordert eine qualifizierte Mehrheit von 85 % der abgegebenen Stimmen.
[…]
(5) Für die Annahme eines Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit sind 80 % der abgegebenen Stimmen erforderlich.
(6) Für die Annahme eines Beschlusses mit einfacher Mehrheit ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.
(7) Die Stimmrechte eines jeden ESM-Mitglieds, die von dessen Beauftragten oder dem Vertreter des Letztgenannten im Gouverneursrat oder im Direktorium ausgeübt werden, entsprechen der Zahl der Anteile, die dem betreffenden Mitglied gemäß Anhang II am genehmigten Stammkapital des ESM zugeteilt wurden.
(8) Versäumt es ein ESM-Mitglied, den Betrag, der aufgrund seiner Verpflichtungen im Zusammenhang mit eingezahlten Anteilen oder Kapitalabrufen nach Maßgabe der Artikel 8, 9 und 10 oder im Zusammenhang mit der Rückzahlung der Finanzhilfe nach Maßgabe der Artikel 16 oder 17 fällig werden, in voller Höhe zu begleichen, so werden sämtliche Stimmrechte dieses ESM-Mitglieds solange ausgesetzt, bis die Zahlung erfolgt ist. Die Stimmrechtsschwellen werden entsprechend neu berechnet.
ARTIKEL 5
Gouverneursrat
(1) Jedes ESM-Mitglied ernennt ein Mitglied des Gouverneursrats und ein stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats. Die Ernennungen können jederzeit widerrufen werden. Das Mitglied des Gouverneursrats ist ein Regierungsmitglied des jeweiligen ESM-Mitglieds mit Zuständigkeit für die Finanzen. […]
(2) Der Gouverneursrat beschließt entweder, seinen Vorsitz dem in dem dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokoll (Nr 14) betreffend die Euro-Gruppe genannten Präsidenten der Euro-Gruppe zu übertragen, oder er wählt aus dem Kreis seiner Mitglieder einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden für eine Amtszeit von zwei Jahren. […]
(3) Das für Wirtschaft und Währung zuständige Mitglied der Europäischen Kommission und der Präsident der EZB sowie der Präsident der Euro-Gruppe (sofern er nicht der Vorsitzende oder ein Mitglied des Gouverneursrats ist) können als Beobachter an den Sitzungen des Gouverneursrats teilnehmen.
(4) Vertreter der Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören und sich auf Ad-hoc-Basis neben dem ESM an einer Stabilitätshilfemaßnahme für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets beteiligen, werden ebenfalls als Beobachter zu den Sitzungen des Gouverneursrats eingeladen, auf denen diese Stabilitätshilfe und ihre Überwachung erörtert werden.
[…]
(6) Der Gouverneursrat fasst die folgenden Beschlüsse im gegenseitigen Einvernehmen:
[…]
b) Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen als zum Nennwert nach Maßgabe des Artikels 8 Absatz 2;
c) Kapitalabrufe nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 1;
d) Veränderungen des genehmigten Stammkapitals und Anpassung des maximalen Darlehensvolumens des ESM nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 1;
[…]
f) Gewährung von Stabilitätshilfe durch den ESM einschließlich der in dem Memorandum of Understanding nach Artikel 13 Absatz 3 festgelegten wirtschaftspolitischen Auflagen sowie Wahl der Instrumente und Festlegung der Finanzierungsbedingungen nach Maßgabe der Artikel 12 bis 18;
[…]
i) Änderungen an der Liste der Finanzhilfeinstrumente, die der ESM nutzen kann, nach Maßgabe des Artikels 19;
[…]
m) Übertragung der in diesem Artikel genannten Aufgaben auf das Direktorium.
(7) Der Gouverneursrat fasst die folgenden Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit:
[…]
c) Festlegung der Satzung des ESM und der Geschäftsordnung des Gouverneursrats und des Direktoriums (einschließlich des Rechts zur Einsetzung von Ausschüssen und nachgeordneten Gremien) nach Maßgabe des Absatzes 9;
[…]
k) Aufhebung der Immunität des Vorsitzenden des Gouverneursrats, eines Mitglieds des Gouverneursrats, eines stellvertretenden Mitglieds des Gouverneursrats, eines Mitglieds des Direktoriums, eines stellvertretenden Mitglieds des Direktoriums oder des Geschäftsführenden Direktors nach Maßgabe des Artikels 35 Absatz 2;
[…]
[…]
ARTIKEL 6
Direktorium
(1) Jedes Mitglied des Gouverneursrats ernennt aus einem Personenkreis mit großem Sachverstand im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen ein Mitglied und ein stellvertretendes Mitglied des Direktoriums. Diese Ernennungen können jederzeit widerrufen werden. […]
(2) Das für Wirtschaft und Finanzen zuständige Mitglied der Europäischen Kommission und der Präsident der EZB können jeweils einen Beobachter ernennen.
(3) Vertreter der Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören und sich im Einzelfall neben dem ESM an einer Finanzhilfemaßnahme für einen Mitgliedstaat des Euro-Währungsgebiets beteiligen, werden ebenfalls als Beobachter zu den Sitzungen des Direktoriums eingeladen, auf denen diese Finanzhilfemaßnahme und ihre Überwachung erörtert werden.
[…]
(5) Soweit in diesem Vertrag nicht anders vorgesehen, beschließt das Direktorium mit qualifizierter Mehrheit. Beschlüsse, die auf Grundlage von Befugnissen, die der Gouverneursrat delegiert hat, zu fassen sind, werden gemäß den einschlägigen Abstimmungsregeln in Artikel 5 Absätze 6 und 7 angenommen.
[…]
ARTIKEL 7
Geschäftsführender Direktor
(1) Der Geschäftsführende Direktor wird vom Gouverneursrat aus einem Kreis von Kandidaten ernannt, die die Staatsangehörigkeit eines ESM-Mitglieds, einschlägige internationale Erfahrung und großen Sachverstand im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen besitzen. Der Geschäftsführende Direktor darf während seiner Amtszeit weder Mitglied noch stellvertretendes Mitglied des Gouverneursrats oder des Direktoriums sein.
[…]
(5) Der Geschäftsführende Direktor ist der gesetzliche Vertreter des ESM und führt nach den Weisungen des Direktoriums die laufenden Geschäfte des ESM.
KAPITEL 3
KAPITAL
ARTIKEL 8
Genehmigtes Stammkapital
(1) Das genehmigte Stammkapital beträgt 700 Milliarden EUR. […]
(2) Das genehmigte Stammkapital wird in eingezahlte Anteile und abrufbare Anteile unterteilt. Der anfängliche Gesamtnennwert der eingezahlten Anteile beläuft sich auf 80 Milliarden EUR. Die Anteile des genehmigten Stammkapitals am anfänglich gezeichneten Stammkapital werden zum Nennwert ausgegeben. Andere Anteile werden zum Nennwert ausgegeben, sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt.
[…]
(4) Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, ihren Beitrag zum genehmigten Stammkapital gemäß ihrem Beitragsschlüssel in Anhang I zu leisten. Sie kommen sämtlichen Kapitalabrufen gemäß den Bedingungen dieses Vertrages fristgerecht nach.
(5) Die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt. Kein ESM-Mitglied haftet aufgrund seiner Mitgliedschaft für die Verpflichtungen des ESM. Die Verpflichtung der ESM-Mitglieder zur Leistung von Kapitalbeiträgen zum genehmigten Stammkapital gemäß diesem Vertrag bleibt unberührt, falls ein ESM-Mitglied Finanzhilfe vom ESM erhält oder die Voraussetzungen dafür erfüllt.
ARTIKEL 9
Kapitalabrufe
(1) Der Gouverneursrat kann genehmigtes nicht eingezahltes Kapital jederzeit abrufen und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen.
(2) Das Direktorium kann genehmigtes nicht eingezahltes Kapital durch Beschluss mit einfacher Mehrheit abrufen, um die Höhe des eingezahlten Kapitals wiederherzustellen, wenn diese durch das Auffangen von Verlusten unter den in Artikel 8 Absatz 2 festgelegten Betrag – der vom Gouverneursrat gemäß dem Verfahren nach Artikel 10 geändert werden kann – abgesunken ist, und den ESM-Mitgliedern eine angemessene Frist für dessen Einzahlung setzen.
(3) Der Geschäftsführende Direktor ruft genehmigtes nicht eingezahltes Kapital rechtzeitig ab, falls dies notwendig ist, damit der ESM bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM nicht in Verzug gerät. Der Geschäftsführende Direktor setzt das Direktorium und den Gouverneursrat über jeden derartigen Abruf in Kenntnis. Wird ein potenzieller Fehlbetrag in den Mitteln des ESM entdeckt, so führt der Geschäftsführende Direktor (einen) entsprechende(n) Abruf(e) baldmöglichst durch, um sicherzustellen, dass der ESM über ausreichende Mittel verfügt, um fällige Zahlungen an Gläubiger fristgerecht und in voller Höhe leisten zu können. Die ESM-Mitglieder verpflichten sich unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor gemäß diesem Absatz von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.
(4) Das Direktorium beschließt die ausführlichen Regelungen und Bedingungen, die für Kapitalabrufe nach Maßgabe dieses Artikels gelten.
ARTIKEL 10
Veränderungen des genehmigten Stammkapitals
(1) Der Gouverneursrat überprüft das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals des ESM regelmäßig, mindestens jedoch alle fünf Jahre. Er kann beschließen, das genehmigte Stammkapital zu verändern und Artikel 8 und Anhang II entsprechend zu ändern. Dieser Beschluss tritt in Kraft, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben. Die neuen Anteile werden den ESM-Mitgliedern nach dem in Artikel 11 und Anhang I vorgesehenen Beitragsschlüssel zugeteilt.
(2) Das Direktorium beschließt die ausführlichen Regelungen und Bedingungen, die für sämtliche oder etwaige gemäß Absatz 1 vorgenommene Kapitalveränderungen gelten.
(3) Wird ein Mitgliedstaat der Europäischen Union neues ESM-Mitglied, so wird das genehmigte Stammkapital des ESM automatisch erhöht, indem die zum betreffenden Zeitpunkt geltenden Beträge mit der Verhältniszahl aus dem Gewichtsanteil des neuen ESM-Mitglieds und dem Gewichtsanteil der bestehenden ESM-Mitglieder im Rahmen des in Artikel 11 vorgesehenen angepassten Beitragsschlüssels multipliziert werden.
ARTIKEL 11
Beitragsschlüssel
(1) Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM stützt sich vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 auf den Schlüssel für die Zeichnung des EZB-Kapitals durch die nationalen Zentralbanken der ESM-Mitglieder gemäß Artikel 29 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls (Nr 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank ('ESZB-Satzung'").
(2) Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM ist in Anhang I niedergelegt.
(3) Der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM wird angepasst, wenn
a) ein Mitgliedstaat der Europäischen Union neues ESM-Mitglied wird und sich das genehmigte Stammkapital des ESM nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 3 automatisch erhöht oder
b) die gemäß Artikel 42 ermittelte zwölfjährige zeitweilige Korrektur, die für ein ESM-Mitglied gilt, endet.
(4) Der Gouverneursrat kann beschließen, etwaige Aktualisierungen des in Absatz 1 genannten Schlüssels für die Zeichnung des EZB-Kapitals zu berücksichtigen, wenn der Beitragsschlüssel gemäß Absatz 3 angepasst wird oder wenn sich das genehmigte Stammkapital nach Maßgabe des Artikels 10 Absatz 1 verändert.
(5) Wird der Beitragsschlüssel für die Zeichnung des genehmigten Stammkapitals des ESM angepasst, übertragen die ESM-Mitglieder einander genehmigtes Stammkapital in dem Umfang, der erforderlich ist, damit die Verteilung des genehmigten Stammkapitals dem angepassten Schlüssel entspricht.
(6) Bei jeder Anpassung im Sinne dieses Artikels wird Anhang I durch Beschluss des Gouverneursrats geändert.
(7) Das Direktorium trifft alle weiteren Maßnahmen, die zur Anwendung dieses Artikels erforderlich sind.
[…]
ARTIKEL 12
Grundsätze
(1) Ist dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar, so kann der ESM einem ESM-Mitglied unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen Stabilitätshilfe gewähren. Diese Auflagen können von einem makroökonomischen Anpassungsprogramm bis zur kontinuierlichen Erfüllung zuvor festgelegter Anspruchsvoraussetzungen reichen.
[…]
ARTIKEL 13
Verfahren für die Gewährung von Stabilitätshilfe
(1) Ein ESM-Mitglied kann an den Vorsitzenden des Gouverneursrats ein Stabilitätshilfeersuchen richten. In diesem Ersuchen wird angegeben, welche(s) Finanzhilfeinstrument(e) zu erwägen ist/sind. Bei Erhalt eines solchen Ersuchens überträgt der Vorsitzende des Gouverneursrats der Europäischen Kommission, im Benehmen mit der EZB, die folgenden Aufgaben:
a) das Bestehen einer Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten zu bewerten, es sei denn, die EZB hat bereits eine Analyse nach Artikel 18 Absatz 2 vorgelegt;
b) zu bewerten, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist. Es wird erwartet, dass diese Bewertung, wann immer dies angemessen und möglich ist, zusammen mit dem IWF durchgeführt wird;
c) den tatsächlichen oder potenziellen Finanzierungsbedarf des betreffenden ESM-Mitglieds zu bewerten.
(2) Auf der Grundlage des Ersuchens des ESM-Mitglieds und der in Absatz 1 genannten Bewertung kann der Gouverneursrat beschließen, dem betroffenen ESM-Mitglied grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren.
(3) Wird ein Beschluss nach Absatz 2 angenommen, so überträgt der Gouverneursrat der Europäischen Kommission die Aufgabe, – im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF – mit dem betreffenden ESM-Mitglied ein Memorandum of Understanding ('MoU') auszuhandeln, in dem die mit der Finanzhilfefazilität verbundenen Auflagen im Einzelnen ausgeführt werden. […] Gleichzeitig arbeitet der Geschäftsführende Direktor des ESM einen Vorschlag für eine Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität aus, der unter anderem die Finanzierungsbedingungen sowie die gewählten Instrumente enthält und vom Gouverneursrat anzunehmen ist.
[…]
(7) Die Europäische Kommission wird – im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem IWF – damit betraut, die Einhaltung der mit der Finanzhilfefazilität verbundenen wirtschaftspolitischen Auflagen zu überwachen.
ARTIKEL 14
Vorsorgliche ESM-Finanzhilfe
(1) Der Gouverneursrat kann beschließen, nach Maßgabe des Artikels 12 Absatz 1 eine vorsorgliche Finanzhilfe in Form einer vorsorglichen bedingten Kreditlinie oder in Form einer Kreditlinie mit erweiterten Bedingungen zu gewähren.
(2) Die mit der vorsorglichen ESM-Finanzhilfe verbundenen Auflagen werden gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt.
(3) Die Finanzierungsbedingungen der vorsorglichen Finanzhilfe werden in einer Vereinbarung über eine vorsorgliche ESM-Finanzhilfefazilität niedergelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist. (4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der vorsorglichen ESM-Finanzhilfe.
[…]
ARTIKEL 15
Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds
(1) Der Gouverneursrat kann beschließen, Finanzhilfe mittels Darlehen an ein ESM-Mitglied speziell zum Zwecke der Rekapitalisierung von Finanzinstituten dieses ESM-Mitglieds zu gewähren.
(2) Die mit der Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds verbundenen Auflagen werden gemäß Artikel 13 Absatz 3 im MoU im Einzelnen ausgeführt.
(3) Unbeschadet der Artikel 107 und 108 AEUV werden die Finanzierungsbedingungen der Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität ausgeführt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist. (4) Das Direktorium beschließt detaillierte Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten eines ESM-Mitglieds.
[…]
ARTIKEL 16
ESM-Darlehen
(1) Der Gouverneursrat kann beschließen, einem ESM-Mitglied nach Maßgabe des Artikels 12 Finanzhilfe in Form eines Darlehens zu gewähren.
[…]
(3) Die Finanzierungsbedingungen eines jeden ESM-Darlehens werden in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität niedergelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist. (4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der ESM-Darlehen.
[…]
ARTIKEL 17
Primärmarkt-Unterstützungsfazilität
(1) Nach Maßgabe des Artikels 12 und mit dem Ziel, die Kosteneffizienz der Finanzhilfe zu maximieren, kann der Gouverneursrat beschließen, Vorkehrungen für den Ankauf von Anleihen eines ESM-Mitglieds am Primärmarkt zu treffen.
[…]
(3) Die Finanzierungsbedingungen, unter denen der Ankauf der Anleihen durchgeführt wird, werden in einer Vereinbarung über eine Finanzhilfefazilität festgelegt, die vom Geschäftsführenden Direktor zu unterzeichnen ist.
(4) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der Primärmarkt-Unterstützungsfazilität.
[…]
ARTIKEL 18
Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität
(1) Der Gouverneursrat kann beschließen, nach Maßgabe des Artikels 12 Absatz 1 Vorkehrungen für Sekundärmarktoperationen in Bezug auf die Anleihen eines ESM-Mitglieds zu treffen.
[…]
(5) Das Direktorium beschließt ausführliche Leitlinien für die Durchführungsmodalitäten der Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität.
[…]
ARTIKEL 19
Überprüfung der Liste der Finanzhilfeinstrumente
Der Gouverneursrat kann die in den Artikeln 14 bis 18 vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern.
[…]
ARTIKEL 25
Deckung von Verlusten
(1) Verluste aus den Operationen des ESM werden beglichen
a) zunächst aus dem Reservefonds,
b) sodann aus dem eingezahlten Kapital und
c) an letzter Stelle mit einem angemessenen Betrag des genehmigten nicht eingezahlten Kapitals, der nach Maßgabe des Artikels 9 Absatz 3 abgerufen wird.
(2) Nimmt ein ESM-Mitglied die aufgrund eines Kapitalabrufs gemäß Artikel 9 Absätze 2 oder 3 erforderliche Einzahlung nicht vor, so ergeht an alle ESM-Mitglieder ein revidierter erhöhter Kapitalabruf, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhält. Der Gouverneursrat beschließt geeignete Schritte, um sicherzustellen, dass das betreffende ESM-Mitglied seine Schuld gegenüber dem ESM innerhalb vertretbarer Zeit begleicht. Der Gouverneursrat hat das Recht, auf den überfälligen Betrag Verzugszinsen zu erheben.
(3) Begleicht ein ESM-Mitglied eine in Absatz 2 genannte Schuld gegenüber dem ESM, so wird das überschüssige Kapital gemäß den vom Gouverneursrat zu beschließenden Vorschriften an die anderen ESM-Mitglieder zurückgezahlt.
[…]
ARTIKEL 32
Rechtsstatus, Vorrechte und Befreiungen
[…]
(5) Die Archive des ESM und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden, sind unverletzlich.
[…]
ARTIKEL 34
Berufliche Schweigepflicht
Die Mitglieder und früheren Mitglieder des Gouverneursrats und des Direktoriums sowie alle anderen Personen, die für den ESM oder in Zusammenhang damit tätig sind oder tätig waren, geben keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weiter. Auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit dürfen sie keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weitergeben.
ARTIKEL 35
Persönliche Immunitäten
(1) Im Interesse des ESM genießen der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats, die stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums, die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie der Geschäftsführende Direktor und die anderen Bediensteten des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen.
(2) Der Gouverneursrat kann die durch diesen Artikel gewährten Immunitäten des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats, der stellvertretenden Mitglieder des Gouverneursrats, der Mitglieder des Direktoriums, der stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums sowie des Geschäftsführenden Direktors in dem Maße und zu den Bedingungen, die er bestimmt, aufheben.
[…]
(4) Jedes ESM-Mitglied trifft unverzüglich alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um diesen Artikel in seinem eigenen Recht in Kraft zu setzen, und unterrichtet den ESM entsprechend.
[…]
ARTIKEL 37
Auslegung und Streitbeilegung
(1) Alle Fragen der Auslegung oder Anwendung der Bestimmungen dieses Vertrages und der Satzung des ESM, die zwischen einem ESM-Mitglied und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern auftreten, werden dem Direktorium zur Entscheidung vorgelegt.
(2) Der Gouverneursrat entscheidet über alle Streitigkeiten zwischen einem ESM-Mitglied und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern über die Auslegung und Anwendung dieses Vertrags, einschließlich etwaiger Streitigkeiten über die Vereinbarkeit der vom ESM gefassten Beschlüsse mit diesem Vertrag. Das Stimmrecht des Mitglieds (der Mitglieder) des Gouverneursrats, das das/die betroffene(n) ESM-Mitglied(er) vertritt, wird bei der Abstimmung des Gouverneursrats über eine solche Entscheidung ausgesetzt und die zur Abstimmung des Gouverneursrats über diese Entscheidung notwendige Stimmrechtsschwelle wird entsprechend neu berechnet.
(3) Ficht ein ESM-Mitglied die in Absatz 2 genannte Entscheidung an, so wird die Streitigkeit beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig gemacht. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für die Parteien dieses Rechtsstreits verbindlich; diese treffen innerhalb der vom Gerichtshof festgelegten Frist die erforderlichen Maßnahmen, um dem Urteil nachzukommen.
[…]
ANHANG I
Beitragsschlüssel des ESM
ESM-Mitglied ESM-Schlüssel (%)
[…]
Republik Österreich 2,7834
[…]
ANHANG II
Zeichnungen des genehmigten Stammkapitals
ESM-Mitglied Anzahl der Anteile Kapitalzeichnung (EUR)
[…]
Republik Österreich 194 838 19 483 800 000
[…]"
3. Art50a bis 50d Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl 1/1930 idF BGBl I 65/2012, lauten:
"Artikel 50a. Der Nationalrat wirkt in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus mit.
Artikel 50b. Ein österreichischer Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus darf
1. einem Vorschlag für einen Beschluss, einem Mitgliedstaat grundsätzlich Stabilitätshilfe zu gewähren,
2. einer Veränderung des genehmigten Stammkapitals und einer Anpassung des maximalen Darlehensvolumens des Europäischen Stabilitätsmechanismus sowie einem Abruf von genehmigtem nicht eingezahlten Stammkapital und
3. Änderungen der Finanzhilfeinstrumente
nur zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, wenn ihn der Nationalrat auf Grund eines Vorschlages der Bundesregierung dazu ermächtigt hat. In Fällen besonderer Dringlichkeit kann der zuständige Bundesminister den Nationalrat befassen. Ohne Ermächtigung des Nationalrates muss der österreichische Vertreter den Vorschlag für einen solchen Beschluss ablehnen.
Artikel 50c. (1) Der zuständige Bundesminister hat den Nationalrat unverzüglich in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates zu unterrichten. Durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates sind Stellungnahmerechte des Nationalrates vorzusehen.
(2) Hat der Nationalrat rechtzeitig eine Stellungnahme in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus erstattet, so hat der österreichische Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus diese bei Verhandlungen und Abstimmungen zu berücksichtigen. Der zuständige Bundesminister hat dem Nationalrat nach der Abstimmung unverzüglich Bericht zu erstatten und ihm gegebenenfalls die Gründe mitzuteilen, aus denen der österreichische Vertreter die Stellungnahme nicht berücksichtigt hat.
(3) Der zuständige Bundesminister berichtet dem Nationalrat regelmäßig über die im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus getroffenen Maßnahmen.
Artikel 50d. (1) Das Nähere zu den Art50b und 50c Abs2 und 3 bestimmt das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates.
(2) Durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates können weitere Zuständigkeiten des Nationalrates zur Mitwirkung an der Ausübung des Stimmrechtes durch österreichische Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus vorgesehen werden.
(3) Zur Mitwirkung in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus wählt der mit der Vorberatung von Bundesfinanzgesetzen betraute Ausschuss des Nationalrates ständige Unterausschüsse. Jedem dieser ständigen Unterausschüsse muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören. Zuständigkeiten des Nationalrates nach Abs2, Art50b und 50c können durch das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates diesen ständigen Unterausschüssen übertragen werden. Das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates hat Vorsorge zu treffen, dass die ständigen Unterausschüsse jederzeit einberufen werden und zusammentreten können. Wird der Nationalrat nach Art29 Abs1 vom Bundespräsidenten aufgelöst, so obliegt den ständigen Unterausschüssen die Mitwirkung in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus."
4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 — GOG 1975), BGBl 410/1975 idF BGBl I 66/2012, lauten:
"§20c. Das stellvertretende österreichische Mitglied des Gouverneursrats des Europäischen Stabilitätsmechanismus, das österreichische Mitglied im Direktorium des Europäischen Stabilitätsmechanismus und dessen Stellvertreter sind zur Teilnahme an den Verhandlungen der Ständigen Unterausschüsse in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus gemäß §32f berechtigt. Sie können in den Debatten auch wiederholte Male, jedoch ohne Unterbrechung eines Redners, das Wort nehmen.
V. Gegenstände der Verhandlung
§21
[…]
(2) Gegenstände der Verhandlung des Nationalrates sind weiters folgende Vorlagen der Ausschüsse:
[…]
Berichte und Anträge des Ständigen Unterausschusses des Budgetausschusses in Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus.
[…]
§23
[…]
(3) Ersuchen um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung von Abgeordneten gemäß §10 Abs2 und Abs3 erster Satz, Ersuchen um Entscheidung über das Vorliegen eines Zusammenhanges im Sinne des §10 Abs3 und Mitteilungen von Behörden gemäß §10 Abs5, Anträge von Behörden gemäß Art63 Abs2 B-VG, Ersuchen um die Ermächtigung zur Verfolgung von Personen wegen Beleidigung des Nationalrates sowie Zuschriften über die Ernennung von Mitgliedern der Bundesregierung und von Staatssekretären werden nicht vervielfältigt und verteilt. Die Vervielfältigung und Verteilung von dem Nationalrat zu übermittelnden Vorlagen, Dokumenten, Berichten, Informationen und Mitteilungen in Zusammenhang mit Art23c, 23e, 23f Abs1 und 3, 23g Abs1 und 2, 23h, 23i und 23j B-VG richten sich nach §31b, jene von dem Nationalrat zu übermittelnden Vorlagen Dokumente, Berichte, Informationen und Mitteilungen im Zusammenhang mit Art50b, 50c und 50d B-VG nach §74f, jene von Petitionen und Bürgerinitiativen nach §100 Abs5.
[…]
§32f. (1) Der Budgetausschuss wählt gemäß Art50d Abs3 B-VG
1. einen ständigen Unterausschuss, der mit der Mitwirkung an sekundärmarktrelevanten Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (Ständiger Unterausschuss in Sekundärmarktangelegenheiten-ESM) und
2. einen ständigen Unterausschuss, der mit der Mitwirkung in allen anderen, nach diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten des Europäischen Stabilitätsmechanismus und der Vorberatung von Vorlagen gemäß §74d Abs1 (Ständiger Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten)
betraut ist. Jedem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören. Für die Ständigen Unterausschüsse gelten die Bestimmungen über die Organisation und Verfahren der Unterausschüsse, sofern in den folgenden Absätzen und in den §§32g bis 32k nichts anderes bestimmt ist. Eine Unterbrechung der Sitzung ist abweichend von §34 Abs4 jedoch nur im Rahmen der für die Beschlussfassung auf der Ebene des Europäischen Stabilitätsmechanismus maßgeblichen Fristvorgaben zulässig.
(2) Die Verhandlungen der Ständigen Unterausschüsse sind abgesehen von der Vorberatung von Vorlagen gemäß §74d Abs1 und soweit diese nicht anderes beschließen, vertraulich. Sie sind jedenfalls vertraulich, wenn dies gemäß §74g Abs1 erforderlich ist.
(3) Für den Ständigen Unterausschuss in Sekundärmarktangelegenheiten-ESM gilt §31 Abs2 sinngemäß. Vor der Wahl gemäß Abs1 Z1 hat der Präsident mit den Mitgliedern der Präsidialkonferenz Rücksprache über die Zusammensetzung des Unterausschusses zu halten. Seine Mitglieder sind vom Präsidenten des Nationalrates auf Wahrung der Vertraulichkeit zu vereidigen. §32d Abs5 gilt sinngemäß.
[…]
§32h. (1) Der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten kann aufgrund einer Vorlage gemäß §74e Abs1 Z1 und 2 den österreichischen Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus ermächtigen,
1. einer Veränderung des genehmigten Stammkapitals und einer Anpassung des maximalen Darlehensvolumens des Europäischen Stabilitätsmechanismus nach Art10 Abs1 Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag),
2. einem Abruf von genehmigtem nicht eingezahlten Stammkapital nach Art9 Abs1 ESM-Vertrag,
3. wesentlichen Änderungen der Regelungen und Bedingungen für Kapitalabrufe nach Art9 Abs4 ESM-Vertrag,
4. einer Annahme einer Vereinbarung über die Finanzhilfefazilität nach Art13 Abs3 Satz 3 ESM-Vertrag und einer entsprechenden Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) nach Art13 Abs4 ESM-Vertrag und
5. einer Entscheidung über die Bereitstellung zusätzlicher Instrumente ohne Änderung des Gesamtfinanzierungsvolumens einer bestehenden Finanzhilfefazilität sowie wesentlichen Änderungen der Bedingungen der Finanzhilfefazilität zuzustimmen oder sich bei der Beschlussfassung zu enthalten. Ohne eine solche Ermächtigung muss der österreichische Vertreter den Vorschlag für einen Beschluss ablehnen.
(2) Erfordert die besondere Dringlichkeit eine unverzügliche Beschlussfassung gemäß Abs1 Z4 und 5, so hat der zuständige Bundesminister in der diesbezüglichen Vorlage ausdrücklich darauf hinzuweisen und die Gründe für die besondere Dringlichkeit sowie die maßgeblichen Fristvorgaben auf Ebene des Europäischen Stabilitätsmechanismus für dessen Behandlung anzugeben.
(3) Der Vorsitzende hat den Ständigen Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten in den Fällen des Abs2 unverzüglich gemäß §32g Abs1 einzuberufen und die Vorlage auf die Tagesordnung zu stellen.
(4) In einer auf die Annahme eines Beschlusses gemäß Abs1 Z4 und 5 in den Organen des ESM folgenden Sitzung des Nationalrates findet eine ESM-Erklärung von Mitgliedern der Bundesregierung gemäß §74d Abs4 statt.
§32i. (1) Der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten kann zu Vorlagen gemäß §74d Abs1 und §74e Abs1 Z1 und 2 sowie zu Vorlagen, Dokumenten und Vorschlägen für Beschlüsse gemäß §1 ESM-Informationsordnung auch wiederholt Stellungnahmen gemäß Art50c Abs1 B-VG abgeben.
(2) Im Fall der Erstattung einer Stellungnahme gemäß Abs1 hat der österreichische Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus diese bei Verhandlungen und Abstimmungen zu berücksichtigen. Der zuständige Bundesminister hat dem Ständigen Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten nach der Abstimmung unverzüglich Bericht zu erstatten und ihm gegebenenfalls die Gründe mitzuteilen, aus denen der österreichische Vertreter die Stellungnahme nicht berücksichtigt hat.
(3) Der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten kann Berichte gemäß Abs2 zur Kenntnis nehmen oder die Kenntnisnahme verweigern.
§32j. (1) Vor Eingang in die Debatte über eine Vorlage gemäß §74d Abs1 und §74e Abs1 kann der Vorsitzende dem zuständigen Bundesminister bzw. dem österreichischen Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus gemäß §20c das Wort zu einem einleitenden Bericht über die Vorlage und dessen Haltung dazu erteilen.
(2) Nach Eröffnung der Debatte kann jedes Mitglied des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten schriftlich Anträge auf Stellungnahme gemäß §32i einbringen.
(3) Der Präsident des Nationalrates hat
1. Beschlüsse gemäß §32h unverzüglich an die Mitglieder der Bundesregierung, und
2. Stellungnahmen gemäß §32i unverzüglich an den zuständigen Bundesminister
zu übermitteln. Sofern der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten nichts anderes beschließt, sind Beschlüsse gemäß §32h und Stellungnahmen gemäß §32i gemäß §39 Abs1 zu verlautbaren.
(4) Sofern die Beratungen und die Beschlussfassung des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten vertraulich sind, hat eine Verteilung oder eine Verlautbarung gemäß Abs3 solange zu unterbleiben, bis die Gründe für die Vertraulichkeit entfallen sind. Über den Zeitpunkt einer solchen Verlautbarung entscheidet der Ständige Unterausschuss mit Beschluss.
(5) Der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten kann mit Ausnahme der Dringlichkeitsfälle gemäß §32h Abs2 beschließen, dass eine Vorlage gemäß §32h Z1 bis 5 bzw. §32i vom Nationalrat verhandelt wird. In diesem Fall hat der Ständige Unterausschuss einen Bericht zu erstatten, der Beschlussempfehlungen gemäß §32h und Anträge gemäß Abs2 sowie Anträge gemäß §27 Abs3 enthalten kann."
5. §5 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 2004 (Bundesgesetzblattgesetz – BGBlG), BGBl I 100/2003 idF BGBl I 51/2012, lautet:
"§5. (1) Das Bundesgesetzblatt III (BGBl III) ist bestimmt zur Verlautbarung
1. der Staatsverträge des Bundes einschließlich ihrer Übersetzung in die deutsche Sprache, der Beschlüsse des Nationalrates nach Art49 Abs2 und Art50 Abs2 Z4 B-VG, der Anordnungen des Bundespräsidenten nach Art65 Abs1 zweiter Satz B-VG sowie der Erklärungen des Beitritts zu solchen Staatsverträgen;
[…]
6. sonstiger Kundmachungen oder Verordnungen, die eine in Z1 oder Z5 genannte Rechtsvorschrift betreffen.
[…]
(4) Ist ein Staatsvertrag in mehr als zwei Sprachen authentisch festgelegt worden, reicht es aus, wenn
1. zwei authentischen Sprachfassungen und eine Übersetzung in die deutsche Sprache,
2. wenn jedoch die deutsche Sprachfassung authentisch ist, diese und eine weitere authentische Sprachfassung
kundgemacht werden."
III. Erwägungen
A. Zur Zulässigkeit der Anträge
1. Gemäß Art140a B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Dabei ist auf die politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträge (sowie auf Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden) Art140 B VG, auf alle anderen Staatsverträge Art139 B-VG sinngemäß anzuwenden.
2. Bei dem von der antragstellenden Kärntner Landesregierung angefochtenen ESMV handelt es sich um einen gemäß Art50 Abs1 Z1 B-VG vom Nationalrat genehmigten Staatsvertrag. Auf dessen Prüfung nach Art140a B-VG ist somit Art140 B-VG sinngemäß anzuwenden.
3.1. Die antragstellende Landesregierung beantragt nicht nur, den ESMV (bzw. einzelne seiner Bestimmungen) als "rechts- bzw. verfassungswidrig" festzustellen, sondern ausdrücklich auch "samt der 'Auslegungserklärung' der Vertreter der Vertragsparteien vom 27. September 2012". Die antragstellende Landesregierung ist der Auffassung, die Auslegungserklärung stehe als Zusatzvereinbarung zum ESMV insoweit mit diesem inhaltlich in einem untrennbaren Zusammenhang, als mit ihr zum Ausdruck gebracht werde, dass die völkerrechtliche Bindungswirkung des gesamten ESMV mit den inhaltlichen Maßgaben der Auslegungserklärung stehen und fallen solle. Angesichts ihrer völkerrechtlichen Beachtlichkeit erscheine daher befremdlich, dass die Auslegungserklärung, die ebenfalls von der Republik Österreich mitgetragen werde, ohne parlamentarische Genehmigung abgegeben ("vereinbart") und innerstaatlich nicht einer ordnungsgemäßen Transformation gemäß Art50 B-VG unterzogen worden sei. Dies widerspreche der herrschenden Staatspraxis zu Art50 B-VG, wie sie sonst im Fall völkerrechtlicher Vorbehalte bzw. interpretativer Erklärungen üblicherweise eingehalten werde. Da die Auslegungserklärung ausdrücklich "vereinbart" und nicht im Sinne des Art2 Abs1 litd des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention — WVK), BGBl 40/1980, in Form einer einseitigen Erklärung bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrages oder beim Beitritt abgegeben worden sei, liege es nahe, in diesem Dokument eine Zusatzvereinbahrung zum ESMV zu erblicken. Erklärtermaßen bildeten die materiellen Punkte der Auslegungserklärung eine "wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten […], durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein." Unter (impliziter) Bezugnahme auf die "clausula rebus sic stantibus" als Grund für die Beendigung des ESMV gemäß Art62 Abs1 lita WVK sei damit zum Ausdruck gebracht worden, dass die völkerrechtliche Bindungswirkung des gesamten ESMV mit den inhaltlichen Maßgaben der Auslegungserklärung stehen und fallen solle (nach Art44 Abs2 WVK könne ein von der WVK anerkannter Grund dafür, einen Vertrag u.a. zu beenden, grundsätzlich nur hinsichtlich des gesamten Vertrages geltend gemacht werden).
3.2. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es sich bei der Auslegungserklärung der Vertragsparteien vom 27. September 2012 weder um eine Zusatzvereinbarung zum ESMV noch um einen Vorbehalt, sondern um eine sogenannte interpretative Erklärung handle. Durch eine interpretative Erklärung brächte eine Vertragspartei bzw. brächten mehrere Vertragsparteien ihr Verständnis einzelner Vertragsbestimmungen zum Ausdruck, ohne jedoch eine Änderung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu bezwecken. Maßgeblich für die Qualifikation der Auslegungserklärung seien neben ihrem Inhalt auch die Umstände ihrer Annahme. Sie sei vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2012, 2 BvR 1390/12 ua., zum ESMV abgegeben worden. Das Bundesverfassungsgericht habe ausgeführt, dass eine Auslegung "nicht ausgeschlossen" sei, dass im Fall eines revidierten erhöhten Kapitalabrufes die Haftungsbeschränkung des Art8 Abs5 ESMV nicht anwendbar sei, bzw. dass eine Auslegung zwar nicht naheliegend, aber möglich sei, dass die Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 ESMV einer umfassenden Information nationaler Parlamente entgegen stünden (Rz 252 und 254 des Urteils). Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass eine Ratifizierung des ESMV nur zulässig sei, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine Vertragsauslegung sicherstelle, dass Art8 Abs5 ESMV sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Höhe nach auf die in Anhang II genannte Summe begrenze und dass Art25 Abs2 ESMV nur so ausgelegt oder angewendet werden könne, dass für die Bundesrepublik Deutschland keine höheren Zahlungsverpflichtungen begründet werden könnten bzw. gewährleistet sei, dass Bundestag und Bundesrat bei ihren Entscheidungen die für ihre Willensbildung erforderlichen Informationen erhielten (Rz 253 und 259 des Urteils). Die Auslegungserklärung solle — so die Bundesregierung — diesen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nachkommen, um der Bundesrepublik Deutschland die Ratifikation des ESMV zu ermöglichen. Sie halte fest, was sich nach Auffassung der Bundesregierung ohnedies aus Wortlaut und Systematik des ESMV ergebe und zwischen den Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages ohnedies unstrittig gewesen sei. Eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung des ESMV ergebe sich auch nicht aus der Formulierung, der Inhalt der Auslegungserklärung stelle "eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein". Dadurch werde lediglich auf bestimmte Regelungen der WVK über die Ungültigkeit von Verträgen (Art48 betreffend den Irrtum) und die Beendigung von Verträgen (Art62 betreffend eine grundlegende Änderung der Umstände) Bezug genommen, die auch ohne die Auslegungserklärung anwendbar wären.
3.3. Auch bei der Auslegungserklärung vom 27. September 2012 handelt es sich auf Grund der folgenden Erwägungen um einen nach Art140a B-VG tauglichen Anfechtungsgegenstand:
3.3.1. Der ESMV ist am 2. Februar 2012 unterzeichnet worden. Daraufhin hat die Bundesregierung für die Republik Österreich, wie andere Vertragsparteien des ESMV auch, das parlamentarische Genehmigungsverfahren eingeleitet, das am 4. Juli 2012 zur Genehmigung gemäß Art50 Abs1 Z1 B-VG durch den Nationalrat und am 6. Juli 2012 zum Beschluss des Bundesrates, keinen Einspruch zu erheben, geführt hat. Die vom Bundespräsidenten unterzeichnete und vom Bundeskanzler gegengezeichnete Ratifikationsurkunde wurde am 30. Juli 2012 beim Generalsekretär des Rates der Europäischen Union als Depositar des ESMV hinterlegt.
Am 27. September 2012 sind — in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2012, 2 BvR 1390/12 ua., — die "Vertreter der Vertragsparteien" in Brüssel zusammengetreten und haben die folgende Auslegungserklärung "vereinbart", die dem Generalsekretariat des Rates auch am 27. September 2012 von Zypern (als amtierende Ratspräsidentschaft) notifiziert wurde:
"Art8 Abs5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im Folgenden 'Vertrag') begrenzt sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt.
Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 des Vertrages stehen der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen.
Die oben genannten Punkte stellen eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten dar, durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein."
Die Auslegungserklärung lag dem Nationalrat bei seiner Beschlussfassung über die Genehmigung des ESMV am 4. Juli 2012 nicht vor (und konnte angesichts der zeitlichen Abfolge auch gar nicht vorliegen). Die Auslegungserklärung selbst ist vom Nationalrat also nicht genehmigt worden. Gemäß seinem Art48 Abs1 ist der ESMV am 27. September 2012 in Kraft getreten. Er wurde im BGBl III 138/2012, ausgegeben am 28. September 2012, ebenso kundgemacht wie die genannte Auslegungserklärung.
3.3.2. Gemäß Art140a B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Darunter fallen zunächst alle Vereinbarungen, die zwischen Völkerrechtssubjekten in der Absicht geschlossen werden, ihre völkerrechtlichen Beziehungen zu gestalten ( Öhlinger , in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art50 B-VG, Rz 12). Lehre und Staatspraxis beziehen auch bestimmte einseitige völkerrechtsgeschäftliche Erklärungen, denen rechtlich Bedeutung für einen völkerrechtlichen Vertrag zukommt, wie Vorbehalte oder interpretative Erklärungen, in den Begriff des Staatsvertrages im Sinne der Art50 und 140a B-VG mit ein ( Öhlinger , in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art50 B-VG, Rz 14; Griller , Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, 1989, 70 f. mwH). Gleiches muss für Erklärungen gelten, die alle Vertragsparteien mit dem Zweck vereinbaren, die Bedeutung eines völkerrechtlichen Vertrages zu bestimmen. Völkerrechtlich müssen solche Vereinbarungen nicht Teil des Vertrages oder selbst ein völkerrechtlicher Vertrag sein, "but it must be a clear expression of the intention of the parties" ( Aust , Modern Treaty Law and Practice 2 , 2007, 236). Denn nach Art31 Abs1 WVK ist ein völkerrechtlicher Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Der die gewöhnliche Bedeutung bestimmende Zusammenhang umfasst nach Art31 Abs2 lita WVK auch eine "sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde". Art140a B-VG unterwirft — "(e)rfüllt vom Gedanken der Rechtssicherheit" (Erläut. zur RV 287 BlgNR, 10. GP, 5) — auch solche Übereinkünfte oder Auslegungserklärungen als Staatsverträge in einem weiten Sinn hinsichtlich ihrer innerstaatlichen Rechtswirkungen dem Fehlerkalkül dieses Verfahrens, und zwar sowohl im Hinblick auf ihr durch die innerstaatliche Rechtsordnung bestimmtes Zustandekommen als auch ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit. Was Vertreter dieses Staates mit völkerrechtlichem Gehalt vereinbaren, ist innerstaatlich durch Art140a B-VG auch verfassungsrechtlich als Anfechtungsgegenstand erfasst.
3.3.3. Die Auslegungserklärung ist im BGBl III 138/2012 im Zusammenhang mit dem ESMV, aber als von seinem Vertragstext getrennte Erklärung kundgemacht, was die zeitliche Abfolge von Unterzeichnung des Vertragstextes und Vereinbarung der Auslegungserklärung widerspiegelt. Als von den "Vertretern der Vertragsparteien" des ESMV vereinbarte Erklärung, die ein jeweils näher zum Ausdruck gebrachtes Verständnis von Bestimmungen des ESMV als wesentlich für die von den vertragsschließenden Staaten übernommene Verpflichtung aus dem ESMV statuiert, bestimmt diese Auslegungserklärung die Bedeutung der Bestimmungen des ESMV — auch für die Auslegung und Streitbeilegung nach Art37 ESMV — mit, auf die sie sich bezieht. Die Auslegungserklärung ist nicht Bestandteil des Vertragstextes des vom Nationalrat gemäß Art50 Abs1 Z1 B VG genehmigten und als solcher im BGBl III 138/2012 kundgemachten ESMV. Sie ist als davon getrennt kundgemachter, zwischen Völkerrechtssubjekten vereinbarter und nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang normative Bedeutung beanspruchender Text unter dem hier maßgeblichen innerstaatlichen Blickwinkel selbständiger Anfechtungsgegenstand im Sinne des Art140a B-VG.
4. Auf die Prüfung der Auslegungserklärung nach Art140a B-VG ist Art139 B-VG sinngemäß anzuwenden:
4.1. Nach Art140a B-VG ist auf die politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträge und auf die Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, Art140 B-VG, auf alle anderen Staatsverträge Art139 B-VG sinngemäß anzuwenden.
Mit der B-VG-Novelle BGBl I 51/2012 hat der Verfassungsgesetzgeber Art140a B-VG unter anderem dahingehend geändert, dass die in Art140a B-VG vordem enthaltene Wendung, derzufolge "auf die mit Genehmigung des Nationalrats gemäß Art50 abgeschlossenen Staatsverträge" Art140 B-VG sinngemäß anzuwenden ist, entfallen und durch die Formulierung ersetzt worden ist, dass auf "die politischen, gesetzändernden und gesetzesergänzenden Staatsverträge" Art140 B-VG sinngemäß anzuwenden ist. Die Erläut. zur RV 1618 BlgNR 24. GP, 6, begründen diese Änderung wie folgt:
"Bei wörtlicher Auslegung des Art140a Abs1 B-VG ist auf Staatsverträge, die nach Art50 Abs2 Z1 B-VG — ungeachtet ihres politischen, gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalts — nicht (mehr) der Genehmigung nach Art50 Abs1 B-VG unterliegen, systemwidriger Weise nicht Art140 B-VG, sondern Art139 B-VG anzuwenden (arg. 'die mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art50 abgeschlossenen Staatsverträge')."
Und der AB 1771 BlgNR, 24. GP, 5, hält im Zusammenhang mit dieser Änderung fest:
"Durch die B-VG -Novelle BGBl I Nr 2/2008 wurde (ua.) Art50 B-VG dahin geändert, dass politische Staatsverträge sowie Staatsverträge, die gesetzändernden- oder gesetzesergänzenden Inhalt haben und nicht unter Art16 Abs1 fallen (Abs1 Z1), unter bestimmten Voraussetzungen nicht der Genehmigung des Nationalrates bedürfen. Der geltende Art140a B-VG ordnet jedoch (nur) für die 'mit Genehmigung des Nationalrates gem. Art50 abgeschlossen Staatsverträge' eine sinngemäße Anwendung des Art140 B-VG an. Aus diesem Grund wird in der Regierungsvorlage eine Neufassung des Art140a B-VG vorgeschlagen."
Der Verfassungsgesetzgeber hatte bei der dargestellten Änderung des Art140a B-VG also die Fallkonstellation des Art50 Abs2 Z1 B-VG vor Augen. Der Verfassungsgerichtshof geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass sich, abgesehen von der genannten Fallkonstellation des Art50 Abs2 Z1 B-VG, die Frage, ob auf die Prüfung eines Staatsvertrages nach Art140a B-VG Art140 oder Art139 B-VG sinngemäß anzuwenden ist, weiterhin danach richtet, ob es sich bei dem beim Verfassungsgerichtshof angefochtenen Staatsvertrag um einen vom Nationalrat genehmigten Staatsvertrag handelt oder nicht.
4.2. Die Auslegungserklärung vom 27. September 2012 wurde ohne parlamentarische Behandlung nach Art50 B-VG im BGBl III 138/2012 kundgemacht. Auf ihre Prüfung nach Art140a B-VG ist daher Art139 B-VG sinngemäß anzuwenden.
5. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen unter anderem auf Antrag einer Landesregierung (Art140 Abs1 zweiter Satz B-VG). Solche Anträge sind zulässig, sobald das Gesetz rechtswirksam erlassen wurde, und zwar auch schon dann, wenn es noch nicht in Wirksamkeit getreten ist (vgl. VfSlg 6460/1971, 14.187/1995, 14.895/1997). Ein Staatsvertrag nach Art50 B-VG ist innerstaatlich mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt verbindlich (VfSlg 18.576/2008, 18.740/2009).
Das den ESMV kundmachende BGBl III 138/2012 wurde am 28. September 2012 ausgegeben. Die vorliegenden Anträge der Kärntner Landesregierung wurden von dieser am 22. Oktober 2012 beschlossen und sind am 25. Oktober 2012 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Sie sind daher, soweit sie sich auf den ESMV bzw. einzelne seiner Bestimmungen beziehen, auch insoweit zulässig.
6. Gemäß Art139 Abs1 zweiter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde auf Antrag einer Landesregierung. Angesichts der Kundmachung der Auslegungserklärung im BGBl III 138/2012 ist der vorliegende Antrag der Kärntner Landesregierung, auch soweit er sich auf die genannte Auslegungserklärung bezieht, zulässig.
7. Die Kärntner Landesregierung begehrt mit ihrem (Haupt)Antrag festzustellen, dass der ESMV samt der Auslegungserklärung rechts- bzw. verfassungswidrig ist. Sie begründet ihren Antrag mit Bedenken: ob der Verfassungsmäßigkeit des Genehmigungsverfahrens ("Bedenken zur Transformation") der Auslegungserklärung, was wegen des Zusammenhangs zur Verfassungswidrigkeit des Genehmigungsverfahrens des ESMV insgesamt führe; ob eines Verstoßes des ESMV gegen die sogenannte "no-bail-out-Klausel" des Art125 AEUV, woraus nicht nur die Unionsrechtswidrigkeit des ESMV, sondern auch das Erfordernis, diesen der parlamentarischen Genehmigung nach Art50 Abs1 Z2 iVm Art50 Abs4 B-VG zuzuführen, folge; ob eines Verstoßes der mit dem Beitritt zum ESMV bewirkten Kapitalzeichnung der Republik Österreich gemäß Anhang II zum ESMV gegen den Gleichheitsgrundsatz, gegen Art13 Abs2 B-VG und gegen Art126b Abs5 B-VG; und schließlich mit Bedenken im Hinblick darauf, dass mit dem ESMV in einer gegen Art9 Abs2 B-VG verstoßenden Weise Hoheitsrechte auf ein internationales Organ übertragen würden.
Die Kärntner Landesregierung hat damit ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des ESMV hinreichend konkret dargelegt. Träfen bestimmte dieser Bedenken, etwa dasjenige eines Verstoßes gegen Art125 AEUV oder die Bedenken der Kärntner Landesregierung im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, im Hinblick auf Art13 Abs2 B-VG oder im Hinblick auf Art126b Abs5 B-VG zu, könnte mit Feststellung der Rechtswidrigkeit des gesamten ESMV durch den Verfassungsgerichtshof vorzugehen sein (vgl. §66 Z2 VfGG). Dies würde — ungeachtet der jeweils unterschiedlichen, sinngemäß anzuwendenden Prüfungsverfahren, die aber nur der innerstaatlichen Einordnung im Verhältnis zu und nicht der Gleichsetzung mit innerstaatlichen Rechtsakten dienen — auch die Auslegungserklärung umfassen. Sollten sich die Bedenken nur im Hinblick auf den ESMV selbst oder — wie mit dem letzten (Eventual)Antrag der Kärntner Landesregierung auch gesondert zum Gegenstand gemacht — nur im Hinblick auf die Auslegungserklärung als zutreffend erweisen, wäre der (Haupt)Antrag der Kärntner Landesregierung insoweit zu weit gestellt und eine allfällige Feststellung einer Rechtswidrigkeit durch den Verfassungsgerichtshof entsprechend einzuschränken (vgl. sinngemäß VfGH 14.3.2013, G65/12, G69/12). Der (Haupt)Antrag der Kärntner Landesregierung erweist sich daher auch diesbezüglich als zulässig.
8. Auch die von der Kärntner Landesregierung in eventu gestellten Anträge sind zulässig. Bei diesen Anträgen handelt es sich erkennbar nicht um solche, die nur für den Fall gestellt sind, dass der Verfassungsgerichtshof den ersten (Haupt)Antrag als unzulässig zurückweisen sollte. Sie stellen vielmehr eigenständige weitere (Eventual)Anträge dar, die Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des ESMV geltend machen, die für den Fall zum Tragen kommen sollen, dass der Verfassungsgerichtshof nicht, wie mit dem (Haupt)Antrag begehrt, den ESMV samt Auslegungserklärung zur Gänze als rechts- bzw. verfassungswidrig feststellen sollte. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was gegen die Zulässigkeit dieser von der Kärntner Landesregierung eventualiter gestellten einzelnen Anträge spricht. Auch die Bundesregierung hat diesbezüglich — sieht man davon ab, dass sie die Anfechtbarkeit der Auslegungserklärung nach Art140a B-VG bestreitet, was für den letzten, auf die Auslegungserklärung bezogenen Antrag der Kärntner Landesregierung von Bedeutung ist (siehe dazu aber bereits oben Punkt 3.3.) — keine Einwände vorgebracht.
9. Die Anträge der Kärntner Landesregierung gemäß Art140a B-VG erweisen sich daher insgesamt als zulässig.
B. In der Sache
1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG wie in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung nach Art139 B-VG auf die Erörterung der auf geworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließ lich zu beurteilen, ob die angefochtenen Bestimmungen aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungs- oder gesetzeswidrig sind (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Da Art139 und 140 B-VG in diesem Verfahren sinngemäß anzuwenden sind, hat sich der Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung der vorliegenden Anträge der Kärntner Landesregierung auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (näher bezeichneter Bestimmungen) des ESMV bzw. der Auslegungserklärung auf die von der antragstellenden Landesregierung vorgebrachten Bedenken zu beschränken.
2. Durch den ESMV richten die Vertragsparteien (im Folgenden: ESM-Mitglieder) eine internationale Finanzinstitution ein, die als "Europäischer Stabilitätsmechanismus" ("ESM") bezeichnet wird (Art1 ESMV). Ziel des ESM ist es, "Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben […] unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen" (Art3 ESMV). Diese Stabilitätshilfe soll nur dann gewährt werden, wenn es "zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist" (Art3 und 12 ESMV). Das genehmigte Stammkapital beträgt € 700 Milliarden, die in sieben Millionen Anteile mit einem Nennwert von je € 100.000,— aufgeteilt sind (Art8 ESMV). Auf die Republik Österreich entfallen 194 838 Anteile (Anhang II ESMV), das entspricht einem Nennwert von rund € 19,5 Milliarden. Daraus ergibt sich ein Beitragsschlüssel von 2,7834 % (Anhang I ESMV). Jedes ESM-Mitglied kann an den Vorsitzenden des Gouverneursrats ein Stabilitätshilfeersuchen richten. In diesem wird angegeben, welche Finanzhilfeinstrumente zu erwägen sind. Bei Erhalt eines solchen Ersuchens überträgt der Vorsitzende des Gouverneursrats der Europäischen Kommission die Bewertung, ob eine "Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten" besteht, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist, und ob tatsächlich oder potentiell Finanzierungsbedarf besteht (Art13 Abs1 ESMV). Auf Grundlage dieses Ersuchens kann der Gouverneursrat beschließen, Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zu gewähren (Art13 Abs2 ESMV). In den Art14 bis 18 ESMV werden die einzelnen Finanzhilfefazilitäten angeführt, darunter Kreditlinien im Rahmen der vorsorglichen Finanzhilfe (Art14 ESMV) und Darlehen (Art16 ESMV). Bejahendenfalls handelt die Europäische Kommission mit dem betreffenden ESM-Mitglied ein Memorandum of Understanding ("MoU") aus, in dem die mit der Finanzhilfefazilität verbundenen Auflagen im Einzelnen ausgeführt werden (Art13 Abs3 ESMV). Die Europäische Kommission hat die Einhaltung der Auflagen zu überwachen (Art13 Abs7 ESMV).
3. Der (Haupt)Antrag der Kärntner Landesregierung, festzustellen, dass der ESMV samt der Auslegungserklärung rechts- bzw. verfassungswidrig ist, ist nicht begründet:
3.1. Die Kärntner Landesregierung bringt zunächst vor, dass die Auslegungserklärung nach Art50 Abs1 Z1 B-VG der parlamentarischen Genehmigungspflicht unterliege. Da eine solche nicht eingeholt worden sei, sei die Auslegungserklärung rechtswidrig. Weil die Auslegungserklärung "eine wesentliche Grundlage für die Zustimmung der vertragsschließenden Staaten dar[stelle], durch die Bestimmungen des Vertrags gebunden zu sein", habe dies die Rechtswidrigkeit des "gesamten Transformats (ESMV samt 'Auslegungserklärung')" zur Konsequenz.
Dieses Bedenken der Kärntner Landesregierung trifft aber schon deswegen nicht zu, weil selbst eine solche Rechtswidrigkeit, läge sie vor, nicht die von der Kärntner Landesregierung behauptete Rechtswidrigkeit des "ESMV samt 'Auslegungserklärung'" zur Folge hätte. Denn die Rechtswidrigkeit läge dann darin begründet, dass bei Abschluss der Auslegungserklärung nicht das von Art50 B-VG geforderte Verfahren eingehalten worden wäre. Art140a B-VG ordnet innerstaatlich eine solche allfällige Rechtswidrigkeit der — wie oben dargelegt (siehe Punkt III/A/3.3.2.) — einen selbständigen Anfechtungsgegen-stand bildenden Auslegungserklärung selbst zu.
3.2. Eine allenfalls rechtswidrige Kundmachung der Auslegungserklärung hätte daher auch keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Kundmachung des ESMV, die als solche auch von der Kärntner Landesregierung nicht bestritten wird. Auch die im Hinblick auf ihre Sprachfassungen auf Art49 Abs2 B-VG gegen die Kundmachung der Auslegungserklärung gestützten Bedenken der Kärntner Landesregierung ob einer daraus folgenden Rechtswidrigkeit der Kundmachung des ESMV selbst, treffen daher nicht zu. Auch insoweit sind also die im Hauptantrag vorgebrachten Bedenken der Kärntner Landesregierung gegen den "ESMV samt 'Auslegungserklärung'" nicht begründet.
3.3. Soweit der Antrag der Kärntner Landesregierung unter dem Titel "Bedenken betreffend den Staatsvertragsinhalt als solchen" sodann zunächst Ausführungen zur Vornahme der Ratifikation des ESMV durch den Bundespräsidenten enthält, stützt die Kärntner Landesregierung — worauf die Bundesregierung zu Recht hinweist — darauf keine Bedenken ob der Rechtmäßigkeit des ESMV. Nähere Gründe, warum es durch Art65 Abs1 erster Satz B-VG (oder durch Art67 Abs1 B-VG) dem Bundespräsidenten mit der Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit des abgeschlossenen Staatsvertrages verwehrt gewesen sein soll, den ESMV zu ratifizieren, bringt die Kärntner Landesregierung nicht vor.
3.4. Die Kärntner Landesregierung macht des Weiteren mit im Einzelnen näherer Begründung geltend, der ESMV modifiziere der Sache nach Art125 Abs1 AEUV, womit der ESMV dem parlamentarischen Genehmigungsverfahren nach Art50 Abs1 Z2 iVm Art50 Abs4 B-VG zu unterziehen gewesen wäre.
Der EuGH hat mit Urteil vom 27. November 2012, Rs. C-370/12, Thomas Pringle , entschieden, dass unter anderem die Art125 bis 127 AEUV dem nicht entgegenstehen, dass die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, eine Übereinkunft wie den ESMV abschließen und ratifizieren. Die Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.
Soweit die Kärntner Landesregierung darüber hinaus "einige unionsrechtliche Fragen" des "ESMV im Licht des künftigen Art136 Abs3 AEUV" aufwirft, berührt sie keine vom Verfassungsgerichtshof nach Art140a iVm 140 B-VG zu beurteilenden Fragen (siehe zu Art140 B-VG VfSlg 19.496/2011).
3.5.1. Die Kärntner Landesregierung bringt des Weiteren das Bedenken vor, der ESMV sei unsachlich und verstoße daher gegen den Gleichheitsgrundsatz, stehe im Widerspruch zum Grundsatz der sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltungsführung (Art126b Abs5 B-VG) und auch zur Staatszielbestimmung eines nachhaltig geordneten Haushalts gemäß Art13 Abs2 B-VG. Die mit dem ESMV bewirkte Kapitalzeichnung der Republik Österreich in Höhe von ca. € 19,5 Milliarden (Anhang II ESMV) sei ohne entsprechende volkwirtschaftliche Grundlagenforschung erfolgt. Der ESMV ermögliche Maßnahmen der Finanzhilfe auch für Staaten, die in rechtswidriger Weise ihren unionsrechtlichen Verpflichtungen zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite unzulänglich nachgekommen seien, und zwar auch dann, wenn diese Staaten eine niedrigere Abgabequote als die Republik Österreich hätten. Unsachlich sei auch, dass am ESM lediglich die Euro-Staaten teilnähmen, nicht jedoch andere EU-Mitglieder, auch wenn sie potentiell vom ESM profitieren könnten. Das Eingehen der Verpflichtungen nach dem ESMV verstoße auch gegen die Staatszielbestimmung des Art13 Abs2 B-VG, einen nachhaltig geordneten Haushalt anzustreben, weil unwägbar sei, welche Nachschusspflicht die Republik Österreich aus Art8 Abs4 letzter Satz ESMV treffen könne und weil das Eingehen der Verpflichtungen nach dem ESMV in Österreich umfangreiche Sparmaßnahmen erforderlich gemacht habe, was aber nach Art13 Abs2 B-VG unzulässig sei, weil sich das Gebot nachhaltig geordneter Haushalte gerade auf eine Haushaltsführung richte, die mittel- bis langfristig ohne erhebliche Gegensteuerungsmaßnahmen aufrecht erhaltbar sei.
3.5.2. Die Bundesregierung hält diesem Vorbringen entgegen, dass es sich bei dem von der Kärntner Landesregierung ins Treffen geführten Gebot des Art13 Abs2 B-VG, nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben, um eine Staatszielbestimmung handle, die sich nur auf die Haushaltsführung der Gebietskörperschaften, nicht aber auf die materielle Rechtsetzung, also auch nicht auf den Abschluss von Staatsverträgen wie den ESMV, beziehe. Gemessen am gebotenen Maßstab einer Vertretbarkeitskontrolle stelle vor dem Hintergrund der gesamteuropäischen Entwicklung der Abschluss eines Staatsvertrages zur Einrichtung einer internationalen Finanzinstitution, dessen Ziel die Mobilisierung von Finanzmitteln zur Bereitstellung von Stabilitätshilfen für seine Mitglieder ist, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitglieder unabdingbar ist (siehe Art3 ESMV), keinen Verstoß gegen das Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit dar und sei auch nicht unsachlich. Schließlich erfolge durch den ESMV auch keine unsachliche Privilegierung einzelner Mitglieder. Die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets sei auch dann im wirtschaftlichen und politischen Interesse der Republik Österreich, wenn sie selbst keine Stabilitätshilfe in Anspruch nehme.
3.5.3. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum ESMV (Erläut. zur RV1731 BlgNR, 24. GP) heißt es dazu auszugsweise:
"Übergeordnetes Ziel ist die Wahrung der Stabilität, Einheit und Integrität des Euro-Währungsgebiets. Gerade für kleine offene Volkswirtschaften wie Österreich, die eine überdurchschnittlich hohe außenwirtschaftliche Verflechtung aufweisen, sind stabile Währungsbeziehungen von enormer Bedeutung, da sich dadurch die Planungssicherheit für Unternehmen – vor allem Exporteure – deutlich verbessert, zusätzliche Impulse für den Außenhandel generiert werden und davon positive Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort ausgehen. Der ESM soll dazu beitragen, systemische Krisen, welche sich potenziell negativ auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich auswirken würden, in Zukunft zu verhindern." (S 1)
"Ausschlaggebend für die Bemühungen zur Einrichtung von Stabilitätsmechanismen für das Euro-Währungsgebiet war der im Frühjahr 2010 beobachtete, dramatische Anstieg der Risikoaufschläge für Staatsanleihen einiger Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets. Im Mai 2010 war ein Niveau erreicht, das im Falle von Griechenland kurz zuvor zum Verlust des Zugangs zu den Kapitalmärkten geführt hatte." (S 3)
"[…] allerdings stieg die Unsicherheit auf den Finanzmärkten weiter an, da traditionell auf den europäischen Anleihenmärkten tätige Investoren aufgrund der allgemein hohen Schuldenquoten der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets vermehrt Ansteckungsgefahren orteten. […] Die konsequente Umsetzung der Auflagen ist die Bedingung für die Aufrechterhaltung der Stabilitätshilfe." (S 4)
Die Frage, ob sich die Republik Österreich an Maßnahmen wie dem ESMV beteiligen soll oder nicht, hängt von vielfältigen allgemein politischen und komplexen finanz-, währungs- und wirtschaftspolitischen Einschätzungen und Abwägungen (auch hinsichtlich möglicher Alternativen) ebenso ab, wie sie durch die Stellung der Republik Österreich in den internationalen Beziehungen und als Mitglied des Euro-Währungsgebiets der Europäischen Union bestimmt ist. Wenn sich Bundesregierung und Nationalrat für die Teilnahme der Republik Österreich am ESMV und damit dafür entscheiden, diese vertraglich geregelten und begrenzten Verpflichtungen zur Vermeidung möglicher, nicht absehbarer wirtschaftlicher und sozialer Schäden in Wahrnehmung ihrer bundesverfassungsrechtlich zugewiesenen Zuständigkeit und Verantwortung einzugehen, ist ihnen weder unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes noch am Maßstab des Art13 Abs2 B-VG oder des Art126 Abs5 B-VG entgegenzutreten. Die von der Kärntner Landesregierung vorgebrachten Bedenken, die sich grundsätzlich dagegen richten, dass die Republik Österreich die Verpflichtungen als Vertragspartei des ESMV eingegangen ist, sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen eine der genannten Verfassungsbestimmungen darzutun. Denn diese Bedenken münden auf dem einen oder anderen Weg der Sache nach jeweils in das Argument, dass eine andere als die von Bundesregierung und Nationalrat gewählte politische Handlungsoption naheliegender oder richtiger gewesen wäre. Diese rechtspolitische Frage zu beurteilen kommt nicht dem Verfassungsgerichtshof zu.
3.6.1. Die antragstellende Landesregierung hegt schließlich das Bedenken, dass durch den ESMV das Maß "einzelner" Hoheitsrechte, das durch diesen Vertrag auf internationale Organe übertragen werde, im Sinne des Art9 Abs2 B-VG überschritten werde, was mangels Herauslösbarkeit dieser Hoheitsrechte wiederum den ESMV in seiner Gesamtheit wegen Verstoßes gegen Art9 Abs2 B VG verfassungswidrig mache. Im Einzelnen bezieht die Kärntner Landesregierung ihre Bedenken auf folgende Maßnahmen:
"der Abruf von genehmigtem, nicht eingezahltem Stammkapital gemäß Art9 Abs1 bis 3 ESMV (zur Sanktionierung siehe Art4 Abs8 ESMV);
die Erhöhung des genehmigten Stammkapitals gemäß Art10 ESMV und die damit verbundene Änderung von Art8 und Anhang II ESMV;
Delegation von Aufgaben an die Europäische Kommission im Benehmen mit der EZB (Art13 Abs1 und 3 ESMV);
Dispositionen über die ebenfalls durch die Republik Österreich zur Verfügung gestellten Kapitalanteile (passim; siehe insbesondere Art13 Abs2 und Art14 ffESMV);
Erlassung von Leitlinien für Modalitäten der einzelnen Finanzhilfefazilitäten (siehe die Art14 Abs4, 15 Abs4, 16 Abs4, 17 Abs4 und 18 Abs5 ESMV);
Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente nach den Art14 bis 18 ESMV (Ergänzung um nicht näher determinierte, weitere Instrumente) durch Beschluss des Gouverneursrats (siehe Art19 ESMV);
Überwachung der Einhaltung der Auflagen, die bei Gewährung der Finanzhilfefazilität auferlegt wurden (siehe Art13 Abs7 ESMV);
der jederzeit mögliche und verbindliche revidierte erhöhte Kapitalabruf gemäß Art25 Abs2 ESMV;
die Entscheidung über alle Auslegungs- und Streitfragen aus dem völkerrechtlichen Vertragsverhältnis. Hiebei sind (außerösterreichischen) zwischenstaatlichen Einrichtungen folgende Befugnisse übertragen:
o Alle Fragen der Auslegung und Anwendung des ESMV und der ESM-Satzung zwischen Österreich und dem ESM oder zwischen ESM-Mitgliedern werden dem Direktorium des ESM vorgelegt (Art37 Abs1).
o Über Streitigkeiten betreffend die Auslegung und Anwendung des ESMV zwischen Österreich und dem ESM und/oder weiteren ESM-Mitgliedern entscheidet der Gouverneursrat (Art37 Abs2); dies gilt gleichfalls für Streitigkeiten darüber, ob Beschlüsse von ESM-Organen mit dem ESMV vereinbar sind. Wenn solche Entscheidungen Österreich betreffen, käme Österreich im Gouverneursrat kein Stimmrecht zu (Art37 Abs2 letzter Satz ESMV).
o Über die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des Gouverneursrats urteilt der EuGH endgültig und für die Streitparteien 'verbindlich' mit Folgeleistungspflicht (Art37 Abs3 ESMV).
Auslegungs- und Streitbeilegungsregelungen erfassen zentrale Fragen des ESMV, wie beispielsweise die Nachschusspflicht bei Zahlungsunfähigkeit einzelner Mitglieder (Art25 Abs2 ESMV) oder die Änderung (Ausweitung) der Finanzhilfeinstrumente des ESM (Art19 ESMV)."
3.6.2. Die Bundesregierung hält dem zunächst entgegen, dass nicht alle dieser genannten Regelungen eine Übertragung von Hoheitsrechten im Sinne des Art9 Abs2 B-VG vorsehen würden. So sei etwa die in Art10 Abs1 ESMV vorgesehene Veränderung des genehmigten Stammkapitals und die damit verbundene Änderung von Art8 und Anhang II ESMV keine Übertragung von Hoheitsrechten, weil ein entsprechender Beschluss des Gouverneursrats erst in Kraft trete, nachdem die ESM-Mitglieder dem Verwahrer den Abschluss ihrer jeweiligen nationalen Verfahren notifiziert haben. Ein solcher Beschluss stelle vielmehr einen Staatsvertrag im Sinne des Art50 Abs1 Z1 B-VG dar (und bedürfe der vorherigen Ermächtigung des österreichischen Vertreters im Gouverneursrat gemäß Art50b Z2 B-VG). Im Übrigen dürfe die Wendung "einzelne Hoheitsrechte" in Art9 Abs2 B-VG nicht zu eng verstanden werden. Auch ein Vergleich mit dem Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds, BGBl 105/1949, mit dem eine dem ESM vergleichbare Finanzinstitution geschaffen worden sei, zeige, dass das Maß des nach Art9 Abs2 B-VG Zulässigen nicht überschritten sei.
3.6.3. Zweck des ESM ist es, Art3 ESMV zufolge, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereit zu stellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt. Dafür steht dem ESM das in Art8 Abs1 ESMV definierte genehmigte Stammkapital zur Verfügung und verpflichten sich die ESM-Mitglieder unwiderruflich und uneingeschränkt, ihren Beitrag zu diesem genehmigten Stammkapital gemäß ihrem Beitragsschlüssel in Anhang I zu leisten.
Die von der Kärntner Landesregierung genannten Bestimmungen des ESMV übersteigen, selbst unter der — hier nicht im Einzelnen zu überprüfenden — Annahme, dass es sich sämtlich um Hoheitsrechte im Sinne dieser Verfassungsbestimmung handeln würde, das Maß des nach Art9 Abs2 B-VG zulässigerweise Übertragbaren nicht. Dieses wird zum einen dadurch bestimmt, dass, worauf die Bundesregierung zu Recht hinweist, die Wendung "einzelne Hoheitsrechte" nicht zu eng verstanden werden darf (vgl. Griller , Die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen, 1989, 247; Öhlinger, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art9, Rz 13; Cl. Mayer , Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der WWU und Europäischer Stabilitätsmechanismus, JRP 2012, 124 [136]). Auf der anderen Seite wäre die Übertragung von Hoheitsbefugnissen, wie sie den Europäischen Gemeinschaften 1981 zugekommen sind, nicht mehr von Art9 Abs2 B-VG gedeckt. Angesichts des begrenzten Zwecks des ESM und der Tatsache, dass die von der Kärntner Landesregierung genannten Bestimmungen Befugnisse enthalten, die sich auf die Umsetzung dieses Zwecks beschränken (geregelt werden Fragen der Mittelaufbringung des ESMV, des Entscheidungsverfahrens, der Durchführung jener Maßnahmen, für die der ESMV eingerichtet ist, und Verfahren zur Entscheidung über Auslegungs- und Streitfragen aus dem Vertragsverhältnis bzw. der Beurteilung der Rechtmäßigkeit bestimmten Organhandelns), bleiben sie von ihrem Inhalt her und auch in ihrer Gesamtheit im Rahmen dessen, was nach Art9 Abs2 B-VG zulässig ist.
Die von der Kärntner Landesregierung im Hinblick auf Art9 Abs2 B-VG geltend gemachten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des ESMV treffen daher nicht zu.
3.7. Die von der Kärntner Landesregierung gegen die Rechtmäßigkeit des ESMV samt Auslegungserklärung vorgebrachten Bedenken treffen daher, sowohl soweit "Bedenken zur Transformation der 'Auslegungserklärung'" (Punkt II/1/a des Antrages der Kärntner Landesregierung) als auch soweit "Bedenken betreffend den Staatsvertragsinhalt als solchen" (Punkt II/1/b des Antrages der Kärntner Landesregierung) geltend gemacht werden, nicht zu. "Der ESMV samt 'Auslegungserklärung'" ist nicht aus den von der Kärntner Landesregierung geltend gemachten Gründen rechtswidrig. Der (Haupt)Antrag der Kärntner Landesregierung ist daher abzuweisen.
4. Auch die von der Kärntner Landesregierung eventualiter gestellten Anträge sind nicht begründet:
4.1.1. Die Kärntner Landesregierung begehrt, Art5 Abs6 litb ESMV und die Wortfolge "sofern der Gouverneursrat nicht unter besonderen Umständen eine anderweitige Ausgabe beschließt" in Art8 Abs2 letzter Satz ESMV als verfassungswidrig festzustellen. Art8 Abs2 letzter Satz ESMV eröffne die Möglichkeit, unter besonderen Umständen Kapitalanteile am ESM nicht zum Nennwert sondern zum Ausgabekurs auszugeben. Dies könne der Gouverneursrat im gegenseitigen Einvernehmen beschließen (Art5 Abs6 litb ESMV). Für eine solche Beschlussfassung sehe Art50b B-VG keine Mitwirkungsbefugnis vor, wodurch ein Widerspruch zu Art50a B-VG entstünde. Zudem erscheine die Wortfolge "unter besonderen Umständen" in Art8 Abs2 letzter Satz ESMV im Lichte des Bestimmtheitsgebots verfassungsrechtlich bedenklich.
4.1.2. Mit der ESM-Begleitnovelle, BGBl I 65/2012, wurden die Art50a bis 50d B-VG in das B-VG eingefügt. Sie regeln die Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM und sind gemäß Art151 Abs52 B-VG idF der genannten ESM-Begleitnovelle gleichzeitig mit dem ESMV in Kraft getreten. Angesichts dieses Regelungszusammenhangs ist es ausgeschlossen, dass aus dem Umstand, dass Art50b B-VG eine bestimmte Beschlussfassung in einem Organ des ESM nicht dem in dieser Verfassungsbestimmung geregelten Ermächtigungserfordernis unterwirft, ein Widerspruch zu Art50a B-VG resultiert. Art50a B-VG verlangt nicht mehr an Mitwirkung des Nationalrats, als in den nachfolgenden Art50b und 50c B-VG dem Nationalrat an Mitwirkung und Information gewährleistet ist (das schließt, wie Art50d Abs2 B-VG deutlich macht, nicht aus, dass der Gesetzgeber in der Geschäftsordnung des Nationalrats weitere Mitwirkungsrechte vorsieht, verhalten wird er durch Art50a B-VG dazu nicht). Die auf einen Widerspruch zu Art50a B-VG gegründeten Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.
Auch dass der Gouverneursrat nach Art8 Abs2 letzter Satz ESMV ermächtigt ist, über eine anderweitige Ausgabe von Anteilen als zum Nennwert "unter besonderen Umständen" zu beschließen, begegnet — im Hinblick auf Art9 Abs2 B-VG (siehe dazu, dass es hier auf die Bestimmtheit im Sinne dieser Ermächtigung, einzelne Hoheitsrechte zu übertragen, ankommt unten Punkt III/B/4.3.) — keinen Bedenken, dass die Übertragung von Hoheitsrechten nicht ausreichend bestimmt wäre. In verfahrensmäßiger Hinsicht ist auf Art5 Abs6 litb ESMV zu verweisen, wonach die "Auflage neuer Anteile zu anderen Konditionen als zum Nennwert nach Maßgabe des Art8 Abs2 ESMV" im gegenseitigen Einvernehmen zu beschließen ist. Angesichts des ESM als internationaler Finanzinstitution (Art1 ESMV) für Finanzhilfeinstrumente mit spezifischer Zwecksetzung (Art3 ESMV) und der geschilderten verfahrensrechtlichen Vorkehrungen ist die Ermächtigung an den Gouverneursrat, unter besonderen Umständen bei der Auflage neuer Anteile auf die allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen wie die wirtschaftliche Entwicklung des ESM und die damit verbundenen Implikationen Bedacht zu nehmen, auch in inhaltlicher Sicht rechtlich spezifiziert.
Auch diese Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu, sodass dieser (Eventual)Antrag der Kärntner Landesregierung insgesamt unbegründet ist.
4.2. Die Kärntner Landesregierung begehrt, Art9 Abs2 und 3 ESMV und Bezug habende Wortfolgen in Art25 Abs1 litc, in Art25 Abs2 sowie in Art25 Abs3 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:
4.2.1. Nach Art9 Abs2 respektive Abs3 ESMV würden neben dem Gouverneursrat auch das Direktorium bzw. der geschäftsführende Direktor ermächtigt, genehmigtes, nicht eingezahltes Kapital abzurufen. Das Direktorium erhalte diese Befugnis für den Fall, dass die Höhe des eingezahlten Kapitals durch Auffangen von Verlusten unter den in Art8 Abs2 ESMV festgelegten Betrag abgesunken ist. Dem geschäftsführenden Direktor werde diese Befugnis zur Verhinderung von Verzug bei planmäßigen oder sonstigen fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern des ESM eingeräumt. Diese Fälle von Kapitalabrufen könnten auch gegen den Willen eines ESM-Mitglieds erfolgen (Art9 Abs2 ESMV) bzw. sei eine Mitwirkung der ESM-Mitglieder von vorneherein nicht vorgesehen (Art9 Abs3 ESMV). Daraus folge, dass — sollte ein Kapitalabruf gegen den Willen der Republik Österreich erfolgen — die Mitwirkungsbefugnis des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM leerlaufe. Art9 Abs2 und 3 ESMV stünden daher in Widerspruch zu Art50a B-VG.
4.2.2. Wie bereits oben unter Punkt III/B/4.1.2. ausgeführt, regeln die Art50a ff. B-VG die Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM. Dass Art50b Z2 B-VG im Hinblick auf Beschlüsse nach Art9 Abs2 ESMV nicht bewirken kann, dass dem österreichischen Nationalrat im Wege der Ermächtigung des österreichischen Vertreters ein Zustimmungsrecht zukommt, verstößt schon auf Grund des verfassungsrechtlichen Regelungszusammenhangs von Art50a und Art50b B-VG nicht gegen eine der genannten Verfassungsbestimmungen. Gleiches gilt dafür, dass Art50b B-VG Kapitalabrufe nach Art9 Abs3 ESMV nicht erfasst.
Art50b B-VG enthält in dieser Hinsicht, anders als die Kärntner Landesregierung mit ihrer Behauptung einer offenbar irrtümlichen Annahme des Verfassungsgesetzgebers meint, keine planwidrige Regelungslücke, die im Lichte des Art50a B VG systematisch geschlossen werden müsste. Denn weder Art50a B-VG noch sonst eine Bestimmung der Bundesverfassung verlangen, dass jedes Organhandeln des ESM einer Einflussnahmemöglichkeit des Nationalrats unterliegt, die auf eine Zustimmungsbefugnis hinausläuft. Dies folgt schon aus Art9 Abs2 B-VG. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die wichtigste Grundlage für später möglicherweise erfolgende Kapitalabrufe nach Art9 Abs2 ESMV in der Gewährung von Stabilitätshilfen nach Art13 ESMV liegt. Auf diese kommt dem Nationalrat nach Art50b Z1 B-VG entscheidender Einfluss zu (zum Einvernehmen bei Beschlussfassungen nach Art13 Abs2 ESMV und im Übrigen auch zu weiteren wesentlichen Verfahrensschritten auf dem Weg dorthin siehe Art5 Abs6 litf ESMV). Im Übrigen wirkt der Nationalrat nach den Art50a ff. B-VG in vielfältiger Weise und nicht nur durch Ermächtigungen nach Art50b B-VG in Angelegenheiten des ESM mit. So sieht Art50c B-VG Informationsverpflichtungen des zuständigen Bundesministers vor. In Ausführung dazu erfasst die ESM-Informationsordnung (Anlage 3 zum GOG 1975) auch die Unterrichtung durch Informationen, Dokumente und Vorschläge für Beschlüsse betreffend Kapitalabrufe gemäß Art9 Abs1 und 2 ESMV sowie jener "Regeln für Kapitalabrufe" gemäß Art9 Abs4 ESMV, die das Handeln des geschäftsführenden Direktors nach Art9 Abs3 ESMV bestimmen. Diese Informationen, Dokumente und Vorschläge für Beschlüsse gemäß den Bestimmungen der ESM-Informationsordnung sind Gegenstände der Verhandlungen des ständigen Unterausschusses des Nationalrats in ESM-Angelegenheiten (§74e Abs1 Z3 GOG 1975) und unterliegen damit auch — §32i Abs1 GOG 1975 — der Möglichkeit für (auch wiederholte) Stellungnahmen gemäß Art50c Abs1 B-VG durch den Nationalrat.
Die von der Kärntner Landesregierung geltend gemachten Bedenken treffen also nicht zu.
4.3. Die Kärntner Landesregierung begehrt, die Wortfolge "und beschließen, sie zu ändern" in Art19 ESMV als verfassungswidrig festzustellen.
4.3.1. Begründend führt die Kärntner Landesregierung aus, der Gouverneursrat könne nach Art19 ESMV die in den Art14 bis 18 ESMV vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern. Art19 ESMV enthalte diesbezüglich keine weiteren Vorgaben, weshalb die Bestimmung mangels ausreichender Determinierung gegen Art9 Abs2 B-VG verstoße.
4.3.2. Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass der Gouverneursrat Beschlüsse über Änderungen an der Liste der Finanzhilfeinstrumente nach Art19 ESMV nur im gegenseitigen Einvernehmen treffen dürfe (Art5 Abs6 liti ESMV). In der Sache könne es dahinstehen, ob Art19 ESMV Hoheitsrechte im Sinne des Art9 Abs2 B-VG übertrage. Das Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG gelange nämlich schon deswegen nicht zur Anwendung, weil der Gouverneursrat keine "staatliche Verwaltung" im Sinne der Bundesverfassung führe. Die Mitwirkung des österreichischen Mitglieds im Gouverneursrat sei durch Art50b Z3 B-VG determiniert. Selbst wenn man das Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG an Art19 ESMV anlege, sei diese Bestimmung hinreichend bestimmt. Da es unmöglich sei, alle künftigen wirtschaftlichen Entwicklungen oder die Entwicklung neuer Finanzinstrumente vorherzusehen, müsse es, solle der ESM seine Funktion als dauerhafter Stabilitätsmechanismus, der rasch Finanzmittel mobilisieren und ESM-Mitgliedern eine Stabilitätshilfe gewähren kann, effektiv erfüllen können, eine Möglichkeit geben, im konkreten Fall der Gewährung einer Stabilitätshilfe die Liste der Finanzhilfeinstrumente an die jeweilige wirtschaftliche Situation und die finanztechnischen Entwicklungen und Notwendigkeiten anzupassen.
4.3.3. Gemäß Art12 Abs1 ESMV kann der ESM einem ESM-Mitglied — unter strengen, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen — Stabilitätshilfe gewähren, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Eine solche ESM-Stabilitätshilfe kann mittels der in den Art14 bis 18 ESMV vorgesehenen Instrumente (vorsorgliche ESM-Finanzhilfe, Finanzhilfe zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten, ESM-Darlehen, Primärmarkt Unterstützungsfazilität und Sekundärmarkt-Unterstützungsfazilität), aber eben — im Lichte dessen, dass es sich beim ESM um einen ständigen Stabilitätsmechanismus handelt — auch durch ein Finanzinstrument gewährt werden, das gemäß Art19 ESMV neu hinzukommt. Beschlüsse des Gouverneursrats zur Änderung der in den Art14 bis 18 ESMV vorgesehenen Liste der Finanzhilfeinstrumente bedürfen des gegenseitigen Einvernehmens (Art5 Abs6 liti ESMV; siehe in diesem Zusammenhang auch Art50b Z3 B-VG).
Staatsverträge nach Art50 Abs1 Z1 B-VG sind aus innerstaatlichem Blickwinkel eine formellen Gesetzen prinzipiell gleichwertige parlamentarische Rechtsatzform ( Öhlinger , in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art50 B-VG, Rz 37, siehe auch Rz 26). Einen, den Anforderungen des Art18 B-VG genügenden Bestimmtheitsgrad müssen staatsvertragliche Bestimmungen insoweit aufweisen, als sie im Sinne dieser Verfassungsbestimmung die Grundlage für innerstaatliche Vollzugsakte bilden sollen ( Rill , in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar, Art18 B-VG, Rz 13). Um einen solchen Fall handelt es sich bei der Bestimmung des Art19 ESMV jedenfalls nicht. Was das aus Art9 Abs2 B-VG folgende Gebot anlangt, dass die durch den Staatsvertrag übertragenen einzelnen Hoheitsrechte eben als solche entsprechend bestimmt sein müssen — was allerdings nicht einen dem Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG gleichzuhaltenden Determinierungsgrad verlangt (schließlich können internationalen Organen gemäß Art9 Abs2 B-VG auch Befugnisse übertragen werden, die innerstaatlich der Gesetzgeber ausüben müsste) — so verstößt Art19 ESMV gegen diese verfassungsrechtliche Anforderung nicht. Im Lichte der spezifischen Zwecksetzung des ESM, des durch die bestehende Liste der Finanzhilfeinstrumente vorgegebenen Regelungszusammenhangs und des Verfahrens zur Änderung dieser Liste der Finanzhilfeinstrumente ist die in Rede stehende Befugnis des Gouverneursrats im Hinblick auf Art9 Abs2 B-VG hinreichend spezifiziert.
Auch diese Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.
4.4. Die Kärntner Landesregierung begehrt, Art25 Abs2 und 3 ESMV als verfassungswidrig festzustellen:
4.4.1. Gemäß Art25 Abs2 erster Satz ESMV dürfe in dem Fall, dass ein ESM-Mitglied die auf Grund eines Kapitalabrufs gemäß Art9 Abs2 oder 3 ESMV erforderliche Einzahlung nicht vornimmt, an alle ESM-Mitglieder ein revidierter Kapitalabruf ergehen, um sicherzustellen, dass der ESM die Kapitaleinzahlung in voller Höhe erhalte. Nach Ansicht der Kärntner Landesregierung handle es sich bei dieser "Nachschusspflicht" um eine lex specialis zur haftungsbeschränkenden Regelung des Art8 Abs5 erster Satz ESMV. Da (zumindest) Zweifel über die Reichweite der "Nachschusspflicht" bestünden, verstoße Art25 Abs2 erster Satz ESMV gegen das Bestimmtheitsgebot. Die Auslegungserklärung habe — wegen der von der Kärntner Landesregierung ebenfalls vorgebrachten Bedenken ob ihrer Transformation — diese Zweifel nicht ausgeräumt.
4.4.2. Die Bundesregierung weist zunächst darauf hin, dass die Haftungsbeschränkung des Art8 Abs5 ESMV auch im Fall eines revidierten erhöhten Kapitalabrufs gelte, was aus dem klaren Wortlaut — "die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt" — deutlich werde. Die Haftungsbeschränkung des Art8 Abs5 ESMV beziehe sich daher auf die Summe der eingezahlten Anteile und der Kapitalabrufe, einschließlich solcher nach Art25 Abs2 ESMV (die Bundesregierung verweist darauf, dass auch das Bundesverfassungsgericht — BVerfG, 12.9.2012, 2 BvR 1390/12 ua., — von dieser Auffassung ausgehe). Auch der Nationalrat habe dieses Verständnis bei seiner Genehmigung des ESMV zugrunde gelegt (Erläut. zur RV 1731 BlgNR 24. GP, 7, wonach allfällige Kapitalabrufe jedenfalls durch den in Anhang II ausgewiesenen Betrag [abzüglich des eingezahlten Kapitals] begrenzt wären).
4.4.3. Im vorliegenden Zusammenhang genügt es — unter Zugrundelegung jenes Verständnisses, von dem die Bundesregierung (Erläut. zur RV 1731 BlgNR 24. GP, 7) und auch der Nationalrat bei der Genehmigung zum Abschluss des ESMV ausgegangen sind, und das durch die nachfolgende Auslegungserklärung gesichert wurde —, darauf hinzuweisen, dass Art8 Abs5 ESMV nach Maßgabe der Auslegungserklärung "sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne [begrenzt], dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt." Damit ist den Bedenken der Kärntner Landesregierung, Art25 Abs2 erster Satz ESMV sei hinsichtlich einer allfälligen "Nachschusspflicht" unbegrenzt, jedenfalls der Boden entzogen.
Auch die gegen Art25 Abs2 und 3 ESMV vorgebrachten Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.
4.5. Die Kärntner Landesregierung begehrt, die Wortfolge "der Vorsitzende des Gouverneursrats, die Mitglieder des Gouverneursrats," in Art35 Abs1 ESMV und die Wortfolge "des Vorsitzenden des Gouverneursrats, der Mitglieder des Gouverneursrats," in Art35 Abs2 ESMV als verfassungswidrig festzustellen.
4.5.1. Begründend führt die Kärntner Landesregierung aus, die Anwendung des Art35 Abs1 ESMV habe die persönliche Immunität des jeweiligen Bundesministers für Finanzen, der die Republik Österreich als ESM-Mitglied im Gouverneursrat vertrete, vor dem Verfassungsgerichtshof als Staatsgerichtshof gemäß Art142 Abs2 litb B-VG zur Folge. Art35 Abs1 ESMV stehe daher im Widerspruch zu Art76 Abs1 B-VG. Diese Bedenken hege die Kärntner Landesregierung auch für den Fall, dass der jeweilige österreichische Bundesminister für Finanzen zum Vorsitzenden des Gouverneursrats bestellt werde.
4.5.2. Die Bundesregierung stellt zunächst klar, dass Beschlüsse und sonstige Handlungen des Gouverneursrats dem ESM, der eine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt (Art32 Abs2 ESMV), nicht der Republik Österreich zuzurechnen seien und daher auch unter staatsrechtlichen Gesichtspunkten vom B-VG — insbesondere von dessen Art76 und 142 — nicht erfasst würden. Fraglich sei, ob die in Art35 Abs1 ESMV vorgesehene "Immunität von der Gerichtsbarkeit" auch die in Art142 B-VG geregelte besondere rechtliche Verantwortlichkeit der obersten Staatsorgane erfasse. Art35 Abs1 ESMV enthalte keine Definition des Begriffes "Gerichtsbarkeit" und auch aus dem allgemeinen Völkerrecht ergebe sich keine verbindliche Bedeutung. Die Bedeutung dieses Begriffes müsse daher durch Auslegung des ESMV ermittelt werden. Bei internationalen Finanzinstitutionen genössen die von den Vertragsparteien ernannten Organmitglieder regelmäßig funktionelle Immunität in allen Mitgliedstaaten, einschließlich ihres Heimatstaates (die Bundesregierung nennt einige Beispiele wie den Internationalen Währungsfonds oder die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, siehe näher die unter Punkt I./4.3.1. wiedergegebene Äußerung der Bundesregierung). Allen diesen Bestimmungen sei gemeinsam, dass die Immunität nicht den persönlichen Schutz der Gouverneure als Organwalter bezwecke, sondern ausschließlich den Schutz der Finanzinstitution, die daher auch allein über die Aufhebung der Immunität entscheide. Maßgeblich für diese Entscheidung sei, ob eine Aufhebung der Immunität die Funktion der Institution beeinträchtigen würde. Art35 ESMV entspreche daher den bei internationalen Finanzinstitutionen üblichen Regelungen, die als Vorbild gedient hätten. Auch zeige der Umstand, dass bei jenen Gründungsverträgen internationaler Finanzinstitutionen, bei denen einzelne Bestimmungen früher als verfassungsändernd genehmigt worden seien, die Immunitätsbestimmungen nicht dazu zählten (für die einzelnen Nachweise siehe die unter Punkt I/4.3.1. wiedergegebene Äußerung der Bundesregierung). Die Staatspraxis sei daher offenbar einheitlich davon ausgegangen, dass die völkerrechtlich vorgesehene Immunität des Bundesministers für Finanzen als Gouverneur einer internationalen Finanzinstitution nicht mit der Staatsgerichtsbarkeit des Art142 B-VG unvereinbar sei. Eine solche Auslegung stimme auch mit dem erwähnten Telos solcher Immunitätsbestimmungen überein. Eine Anklage gegen den Bundesminister für Finanzen gemäß Art142 B-VG, weil er etwa seine Informationspflichten gegenüber dem Nationalrat oder dessen Mitwirkungsrechte nach den Art50a ff. B-VG verletzt hätte, würde die Funktion des ESM nicht beeinträchtigen.
4.5.3. Nach Art35 Abs1 ESMV genießen u.a. die Mitglieder des Gouverneursrats (wie dessen Vorsitzender) Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich ihrer in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen. Absatz 2 dieser Bestimmung zufolge kann der Gouverneursrat diese Immunität in dem Maße und unter den Bedingungen, die er bestimmt, aufheben.
Die (berufliche) Immunität für Organwalter wie hier für Gouverneure internationaler Finanzinstitutionen ist eine wesentliche Bedingung der Funktionsfähigkeit der jeweiligen Institution und daher, wie die Bundesregierung darlegt, gängige völkerrechtliche Praxis. Diese Immunität steht aber einer innerstaatlich nach Art142 Abs2 litb B-VG wahrzunehmenden Verantwortlichkeit wegen der Verletzung von Informationspflichten gemäß Art50c B-VG iVm den einschlägigen Bestimmungen des GOG 1975 oder wegen Nichteinhaltung einer Ermächtigung gemäß Art50b B-VG oder wegen Verletzung sonstiger Vorschriften der Bundesverfassung oder anderer innerstaatlicher Rechtsvorschriften nicht entgegen.
Die von der Kärntner Landesregierung angefochtenen Wortfolgen in Art35 Abs1 und Abs2 ESMV verstoßen daher nicht gegen Art76 Abs1 B-VG. Die diesbezüglichen Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen also nicht zu.
4.6. Die Kärntner Landesregierung begehrt, die Wortfolge "und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder im Besitz des ESM befinden" in Art32 Abs5 ESMV sowie die Wortfolge "Mitglieder und" in Art34 ESMV als verfassungswidrig festzustellen.
4.6.1. Diese (Eventual)Anträge betreffen Art32 Abs5 ESMV, wonach sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder Besitz des ESM befinden, unverletzlich sind, und Art34 ESMV, wonach Mitglieder des Gouverneursrats keine der beruflichen Schweigepflicht unterliegenden Informationen weitergeben dürfen. Diese Be stimmungen stehen nach Ansicht der Kärntner Landesregierung im Widerspruch zu den Informations- und Mitwirkungsrechten des Nationalrats gemäß den Art50a ff. B-VG.
4.6.2. Die Bundesregierung erläutert ausführlich, warum ihrer Auffassung zufolge die angefochtenen Bestimmungen nicht in der Weise auszulegen sind, dass sie sich auf die Unterrichtung des Parlaments eines ESM-Mitglieds durch dessen Regierung bezögen und einer solchen Unterrichtung daher auch nicht entgegen stünden.
4.6.3. Die durch die ESM-Begleitnovelle, BGBl I 65/2012, in das B-VG eingefügten Art50a bis 50d B-VG regeln die Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM. Diese Verfassungsbestimmungen sind gemäß Art151 Abs52 B-VG idF der genannten ESM-Begleitnovelle gleichzeitig mit dem ESMV in Kraft getreten. Art50c Abs1 B-VG verpflichtet den zuständigen Bundesminister, den Nationalrat in Angelegenheiten des ESM unverzüglich zu unterrichten. Die in Zusammenhang mit der ESM-Begleitnovelle in das GOG 1975 durch BGBl I 66/2012 eingefügten Regelungen insbesondere der §§74c bis 74g GOG 1975 konkretisieren diese Informationspflichten. Dieser Regelungszusammenhang zeigt, dass die genannten Verfassungsbestimmungen die Informations- und Mitwirkungsrechte des Nationalrats in Ansehung der einzelnen Bestimmungen des ESMV und damit auch dessen Art32 Abs5 und Art34 regeln. Dem Verfassungsgesetzgeber kann nicht unterstellt werden, er hätte mit seinen Regelungen der Art50a ff. B-VG in der ESM-Begleitnovelle verfassungsrechtliche Verpflichtungen für die Informations- und Mitwirkungsrechte des Nationalrats festgelegt, deren Erfüllung die Art32 Abs5 und 34 ESMV entgegenstehen würden.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Auslegungserklärung (zu ihrer Bedeutung siehe oben Punkt III/A/3.3.3.) gerade ein Verständnis sichert, wonach unter anderem Art32 Abs5 und Art34 ESMV "der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften nicht entgegen" stehen.
Die auf einen Widerspruch von Art32 Abs5 und Art34 ESMV zu Art50a B-VG gegründeten Bedenken der Kärntner Landesregierung treffen daher nicht zu.
4.7. Mit ihrem letzten (Eventual)Antrag begehrt die Kärntner Landesregierung schließlich festzustellen, dass die Auslegungserklärung der Vertreter der Vertragsparteien vom 27. September 2012 rechts- bzw. verfassungswidrig ist.
4.7.1. Zur Begründung verweist die Kärntner Landesregierung auf ihre schon im Zusammenhang mit ihrem (Haupt)Antrag "zur Transformation" der Auslegungserklärung vorgebrachten Bedenken, dass die Auslegungserklärung nach Art50 Abs1 Z1 B-VG der parlamentarischen Genehmigungspflicht unterliege. Da eine solche nicht eingeholt worden sei, sei die Auslegungserklärung rechtswidrig.
4.7.2. Die Bundesregierung hält dem entgegen, dass es sich bei der Auslegungserklärung um eine interpretative Erklärung zu einem völkerrechtlichen Vertrag handle, die nicht die vertraglichen Verpflichtungen der Vertragsparteien ändere. Zwar würden in der Staatspraxis interpretative Erklärungen zumeist dem Nationalrat zur Genehmigung zugeleitet (allenfalls würden sie auch nur in die Erläuterungen aufgenommen), ein Genehmigungserfordernis für interpretative Erklärungen bestünde allerdings nur dann, wenn diese völkervertragliche Verpflichtungen enthielten und zudem die Voraussetzungen des Art50 Abs1 B-VG vorlägen.
4.7.3.1. Wie der Verfassungsgerichtshof unter Punkt III/A/3.3.3. bereits dargelegt hat, handelt es sich bei der Auslegungserklärung aus innerstaatlicher Sicht um einen Rechtsakt, der völkerrechtlich eine bestimmte Bedeutung von Bestimmungen des — innerstaatlich nach Art50 Abs1 Z1 B-VG genehmigten — ESMV sichert. Wie dieser einer Genehmigung nach Art50 Abs1 Z1 B-VG bedarf, bedürfte die Auslegungserklärung einer solchen dann, wenn sie — in dem Sinn gesetzändernd oder gesetzesergänzend — die von ihr bezogenen Bestimmungen des ESMV in einer Weise änderte, die nicht mehr von jenem möglichen Verständnis dieser Bestimmungen erfasst wäre, in dem sie dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegen sind. Wie gegenüber nachträglichen Änderungen eines völkerrechtlichen Vertrages muss die Genehmigungsbefugnis des Nationalrats nach Art50 iVm Art140a B-VG auch in einem Fall wie dem vorliegenden innerstaatlich gewahrt werden, in dem die Bedeutung des dem Nationalrat zur Genehmigung vorgelegten völkerrechtlichen Vertrages nach seiner Zustimmung zu dessen Abschluss durch eine für die Republik Österreich von Verwaltungsorganen abgeschlossene Vereinbarung bestimmt wird.
Die Auslegungserklärung behandelt — im Gefolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 12. September 2012, 2 BvR 1390/12 ua., — in zweierlei Hinsicht Fragen des Regelungsgehalts des ESMV: Zum einen die Frage, ob die in Art8 Abs5 Satz 1 ESMV "unter allen Umständen" geregelte Haftungsbegrenzung eines jeden ESM-Mitglieds auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs auch bei Anwendung der Vorschriften über revidierte erhöhte Kapitalabrufe nach Art9 Abs2 und Abs3 ESMV iVm Art25 Abs2 ESMV gilt. Zum zweiten die Frage, ob die Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 ESMV einer umfassenden Information der nationalen Parlamente entgegenstehen.
4.7.3.2. Nach dem Wortlaut des Art8 Abs5 erster Satz ESMV bleibt die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds "unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt".
Das lässt zunächst auch eine Auslegung des ESMV zu, die die Haftungsgrenze des Art8 Abs5 Satz 1 ESMV nicht auf den Fall revidierter erhöhter Kapitalabrufe nach Art9 Abs2 und Abs3 iVm Art25 Abs2 ESMV bezieht (weil es hier um die zur Sicherstellung der Kapitaleinzahlung in voller Höhe für den ESM notwendige vorübergehende Übernahme von Verpflichtungen anderer ESM-Mitglieder geht). Die Auslegungserklärung besagt nun, dass Art8 Abs5 ESMV "sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne [begrenzt], dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt".
Die Auslegungserklärung sichert somit — in Abgrenzung zu einer möglichen anderen — jene Bedeutung des ESMV, insbesondere seines Art8 Abs5, die das Budget (potentiell) weniger belastet und insofern auch weniger Befugnisse auf den ESM überträgt. Ein solches Verständnis kommt im Übrigen auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Ausdruck, die ausführen: "Die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt. Allfällige Kapitalabrufe wären daher jedenfalls durch den in Anhang II ausgewiesenen Betrag (abzüglich des eingezahlten Kapitals) begrenzt." (Erläut. zur RV 1731 BlgNR, 24. GP, 7).
Die Auslegungserklärung überschreitet daher nicht die Grenzen jener Bedeutung des ESMV, die von der Genehmigung des Nationalrats erfasst ist. Die Auslegungserklärung ist somit, was zunächst ihren Absatz 1 angeht, in ihrer Bedeutungsbestimmung innerstaatlich nicht als gesetzändernd oder gesetzesergänzend im Sinne des Art50 B-VG zu qualifizieren.
4.7.3.3. Nach Art32 Abs5 ESMV sind die Archive des ESM und sämtliche Unterlagen, die sich im Eigentum oder Besitz des ESM befinden, unverletzlich. Nach Art34 ESMV unterliegen Mitglieder des Gouverneursrats und des Direktoriums sowie alle anderen Mitarbeiter des ESM einer beruflichen Schweigepflicht. Art35 Abs1 ESMV gewährleistet diesen Personen im Interesse des ESM Immunität von der Gerichtsbarkeit hinsichtlich der in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen und Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen. Vor diesem Hintergrund statuiert der zweite Absatz der Auslegungserklärung, dass Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 ESMV "der umfassenden Unterrichtung der nationalen Parlamente gemäß den nationalen Vorschriften" nicht entgegenstehen.
Wie die durch die ESM-Begleitnovelle, BGBl I 65/2012, in die Bundesverfassung eingefügten Art50a bis 50d B-VG, nach denen der Nationalrat in Angelegenheiten des ESM mitwirkt, und die in diesem Zusammenhang erlassenen Änderungen des GOG 1975 (BGBl I 66/2012) zeigen, hat der (Verfassungs)Gesetzgeber umfangreiche Vorkehrungen für die Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM getroffen. Dabei nimmt das GOG 1975 insbesondere in seinen §§74c bis 74 g und in der in diesen Bestimmungen verwiesenen, als Anlage 3 dem GOG 1975 angefügten ESM-Informationsordnung auch auf Sicherheitseinstufungen der Organe des ESM über eine besondere Vertraulichkeit von Vorlagen, Dokumenten, Berichten und Vorschlägen für Beschlüsse Bedacht. Diese (verfassungs)gesetzlich geregelte Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM setzt entsprechende Informationsflüsse und damit auch ein entsprechendes Verständnis der hier in Rede stehenden Bestimmungen des ESMV voraus. Der Nationalrat ist daher bei seiner Genehmigung des ESMV offensichtlich davon ausgegangen, dass die im ESMV geregelten Geheimhaltungs- und Schweigeverpflichtungen den mit der ESM-Begleitnovelle und der in diesem Zusammenhang erlassenen Änderungen des GOG 1975 vorgesehenen Mitwirkungsbefugnissen und –verfahren des Nationalrats nicht entgegenstehen. Wenn daher die Auslegungserklärung in ihrem zweiten Absatz solches betont, hält sie sich auch hier im Rahmen der vom Nationalrat dem ESMV erteilten parlamentarischen Genehmigung. Auch im Hinblick auf ihren Absatz 2 bedarf daher die Auslegungserklärung innerstaatlich keiner eigenen Genehmigung als gesetzändernd oder gesetzesergänzend im Sinne des Art50 Abs1 Z1 B-VG.
4.7.3.4. Bewegt sich die Auslegungserklärung aber in ihren Absätzen 1 und 2 auf der Grundlage der dem ESMV vom Nationalrat erteilten Genehmigung und damit in den ihr diesbezüglich durch Art50 Abs1 Z1 B-VG gesetzten Grenzen, dann überschreitet sie diese auch nicht dadurch, dass sie in ihrem Absatz 3 die völkerrechtliche Verbindlichkeit der in den Absätzen 1 und 2 erfolgten Bedeutungsbestimmung besonders betont.
4.7.4. Die Bedenken der Kärntner Landesregierung, die Vereinbarung der Auslegungserklärung vom 27. September 2012 hätte der Genehmigung nach Art50 Abs1 Z1 B-VG bedurft, und auf die Prüfung nur dieser geltend gemachten Bedenken hat sich der Verfassungsgerichtshof zu beschränken, treffen daher nicht zu.
IV. Ergebnis
Die Anträge der Kärntner Landesregierung sind insgesamt abzuweisen.