B3113/96 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I.1.1. Der Beschwerdeführer in dem zu B3113/96 protokollierten Verfahren ist italienischer Staatsangehöriger und hat - seinen eigenen Angaben zufolge - seit 20. Februar 1986 seinen (Haupt )Wohnsitz in Wien. Mit an die Bezirkswahlbehörde für den
10. Wiener Gemeindebezirk gerichtetem Schreiben vom 6. September 1996 hat er gemäß §30 der Wiener Gemeindewahlordnung 1996 - GWO, LGBl. 16, idF LGBl. 1996/27 und 1996/31, gegen seine Nichtaufnahme in das Wählerverzeichnis für die Gemeinderatswahl am 13. Oktober 1996 Einspruch erhoben. Diesem Einspruch wurde mit Bescheid der genannten Bezirkswahlbehörde vom 9. September 1996 keine Folge gegeben. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der (Wiener) Stadtwahlbehörde vom 13. September 1996 abgewiesen. Begründend wurde dazu ausgeführt, daß der nunmehrige Beschwerdeführer als nichtösterreichischer EU-Bürger gemäß §16 Abs2 GWO nur an der Bezirksvertretungs- und nicht auch an der Gemeinderatswahl teilnahmeberechtigt sei und daher im Wählerverzeichnis (nur) für die Bezirksvertretungswahl als wahlberechtigt eingetragen bleibe.
1.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in dem durch Art117 Abs2 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes bei der Wahl des (Wiener) Gemeinderates sowie in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung, nämlich des §16 Abs1 und 2 GWO, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Begründend wird dazu - unter Wiedergabe eines mittlerweile publizierten Rechtsgutachtens (vgl. Mayer, Das Kommunalwahlrecht der Unionsbürger in Wien, ÖJZ 1997, 361) - im wesentlichen folgendes ausgeführt:
"Mit dem Vertrag über die Europäische Union - Vertrag von Maastricht - wurde ua Art8b EGV geschaffen; dessen Abs1 gewährt jedem Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen im Wohnsitzstaat; dabei gelten für ihn dieselben Bedingungen wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaates. Damit wurde erstmals das Kommunalwahlrecht für Unionsbürger primärrechtlich verankert; es bedarf freilich - das ergibt sich aus Art8b Satz 2 EGV - näherer Ausgestaltung durch Durchführungsvorschriften; in diesen können auch Ausnahmeregelungen vorgesehen werden, wenn dies aufgrund besonderer Probleme eines Mitgliedstaates gerechtfertigt ist.
Die Durchführungsvorschriften wurden fristgerecht vor dem 31. Dezember 1994 durch Richtlinie erlassen. Durch eine Änderung dieser Richtlinie im Jahre 1996 wurde gemeinschaftsrechtlich normiert, daß in Wien die Bezirke als 'lokale Gebietskörperschaft der Grundstufe' anzusehen sind. Dies hat gemeinschaftsrechtlich die Bedeutung, daß in Wien die Einräumung des Kommunalwahlrechtes für Unionsbürger auf Bezirksebene geboten ist. Dem wurde durch die Wiener Gemeindewahlordnung 1996 auch Rechnung getragen.
Die gemeinschaftsrechtliche Regelung ist freilich keine abschließende in dem Sinn, daß die Mitgliedstaaten das Wahlrecht nicht in einem weiteren Umfang gewähren dürften, als es gemeinschaftsrechtlich vorgesehen ist. Art8b legt in Verbindung mit den zit Durchführungsvorschriften ein Mindestmaß an Rechten fest; das Kommunalwahlrecht ist ein bedeutender Schritt in Richtung 'Politische Union'; den Mitgliedstaaten ist es daher gemeinschaftsrechtlich keineswegs verwehrt, das Kommunalwahlrecht über das gemeinschaftsrechtlich gebotene Maß hinaus einzuräumen. Eine diesbezügliche Gebundenheit des nationalen Verfassungsgesetzgebers besteht nicht.
Die B-VG-Nov 1994 vom 21. Dezember 1994 verfolgt das Ziel, die Bundesverfassung den Erfordernissen anzupassen, die sich aus dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union ergaben. ArtI Z15 der zit Novelle änderte Art117 Abs2 B-VG durch Einfügung des folgenden vierten Satzes:
'Unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu.'
Diese Bestimmung trat mit Wirksamwerden des Beitritts der Republik Österreich zur Europäischen Union, dh am 1. Jänner 1995, in Kraft. Die Bestimmung ist zunächst ihrem Wortlaut nach insoweit eindeutig und klar, als sie Unionsbürgern ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Wahlrecht bei Gemeinderatswahlen gewährt. Dieses Recht kann von den Ländern ausgestaltet werden; die Länder können die 'Bedingungen' festlegen, 'unter' welchen dieses Recht besteht. Die zit Bestimmung des Art117 Abs2 B-VG normiert damit ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, das unter einem 'Ausgestaltungsvorbehalt' steht. Der Landesgesetzgeber ist befugt, bestimmte Voraussetzungen zu normieren, von deren Vorliegen oder Nichtvorliegen das Wahlrecht abhängt; dabei sind zunächst die Determinanten zu beachten, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergeben. Soweit das Gemeinschaftsrecht Freiräume läßt, kann der Landesgesetzgeber unter Beachtung der ihm vom nationalen Recht vorgegebenen Determinanten das Recht der Unionsbürger näher ausgestalten.
Es ist hier nicht zu untersuchen, wie weit der Spielraum des Landesgesetzgebers im einzelnen reicht; mit Sicherheit kann man sagen, daß der Landesgesetzgeber nicht befugt ist, das Wahlrecht der Unionsbürger zum Gemeinderat schlechthin auszuschliessen. Art117 Abs2 B-VG ordnet klar an, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber das Wahlrecht gewährt, und nicht, daß er den Landesgesetzgeber ermächtigt, es - verfassungsrechtlich nach Belieben - zu gewähren oder nicht. Der Landesgesetzgeber darf nur die 'Bedingungen' festlegen, dabei einzelne Wahlausschließungsgründe vorsehen; ein allgemeiner Ausschluß von Unionsbürgern bei Gemeinderatswahlen wäre bundesverfassungswidrig; soweit der Wortlaut des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG.
Mit einer bedenklichen methodischen Vorgangsweise scheint Schnedl (Das Wahlrecht der Unionsbürger bei Kommunalwahlen, ÖJZ 1995, 841; derselbe, Die Umsetzung der Kommunalwahlrichtlinie der EU in Österreich, ÖGZ 1996, 22) zu einem anderen Resultat zu gelangen: Obwohl er bei einer Textinterpretation des Art117 Abs2 B-VG zum hier vertretenen Ergebnis - 'Pflicht' der Länder zur Ausgestaltung des Wahlrechts der Unionsbürger - zu kommen scheint, dürfte er vor allem aufgrund des Berichtes des Verfassungsausschusses schlußendlich doch wieder eine andere Auffassung vertreten. Die zit Stelle im AB lautet:
'Durch die vorgeschlagene Neuregelung in Art117 Abs2 B-VG werden die Landesgesetzgeber ermächtigt - jedoch nicht verpflichtet - , bereits vor Inkrafttreten einer künftigen EU-Richtlinie zum Kommunalwahlrecht ausländischen EU-Bürgern das aktive und passive Wahlrecht bei Gemeindewahlen einzuräumen.'
Es ist durchaus einzuräumen, daß der genaue Sinn dieser Äußerung dunkel ist; deutlich scheint nur zu sein, daß der Ausschuß meint, die Länder seien bereits vor Erlassung der entsprechenden EU-Richtlinie zur Einführung des Wahlrechtes für Unionsbürger ermächtigt. Daran ist soviel richtig, daß sich aus keiner Stelle der B-VG-Nov 1994 (BGBl 1013) ergibt, daß das im Art117 Abs2 B-VG vorgesehene verfassungsrechtliche Kommunalwahlrecht für Unionsbürger in irgendeinem Zusammenhang mit der erwähnten Richtlinie stehen soll. Undeutlich ist die Verneinung einer 'Pflicht' der Länder, die in der zit Äußerung des Verfassungsausschusses erfolgt. Die Auffassung, es besteht keine 'Pflicht' der Länder, das Kommunalwahlrecht der Unionsbürger vorzusehen, könnte sich einmal auf die Zeit 'vor dem Inkrafttreten einer künftigen EU-Richtlinie' beziehen oder ganz allgemeine Bedeutung beanspruchen; in dem Sinne also, daß die Länder aufgrund des Art117 Abs2 B-VG überhaupt nicht - zu keiner Zeit - verpflichtet wären, ein Kommunalwahlrecht für Unionsbürger vorzusehen.
Welche dieser beiden Deutungen das trifft, was der Ausschuß tatsächlich gemeint hat, ist indes irrelevant. Denn beide Deutungen stehen mit dem Text des Art117 Abs2 B-VG im Widerspruch; in diesem heißt es nicht, daß die Länder das Wahlrecht der Unionsbürger vorsehen 'können' oder 'dürfen' oder daß sie dazu bloß ermächtigt sind, sondern daß 'das Wahlrecht...zu/steht/'. Damit (hat) der Bundesverfassungsgesetzgeber das Wahlrecht begründet, und zwar als bundesverfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht; dieses Recht besteht auch unabhängig davon, ob eine Richtlinie erlassen wurde oder nicht. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht ist am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten und erfordert seit damals seine nähere Ausgestaltung durch den Landesgesetzgeber.
Daß der durch die B-VG-Nov 1994 (BGBl 1013) geschaffene vierte Satz nicht die normative Bedeutung hat, die ihm der Ausschuß beimessen will, ergibt sich auch aus einem Vergleich mit dem zweiten Halbsatz des Abs2. Diese Bestimmung stellt es dem Landesgesetzgeber tatsächlich frei, das Wahlrecht auch den Staatsbürgern zu gewähren, die in der Gemeinde bloß einen Wohnsitz - nicht aber den Hauptwohnsitz - haben. Im Vergleich dazu ist der Text des vierten Satzes wesentlich anders - nämlich strikt - formuliert.
Damit ist im Ergebnis festzuhalten, daß sich das Kommunalwahlrecht der Unionsbürger als verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht aus Art117 Abs2 B-VG ergibt und daß der Landesgesetzgeber nicht zu dessen Schaffung, sondern bloß zu dessen Ausgestaltung befugt ist. Die möglicherweise gegenteilige Auffassung des Verfassungsausschusses findet im Normtext keinen Niederschlag und ist daher unbeachtlich. Aus gegebenem Anlaß ist in aller Deutlichkeit festzuhalten, daß sich der Inhalt von Rechtsnormen in erster Linie aus dem kundgemachten Text ergibt; dies muß in einer Rechtsordnung, die eine Kundmachung aller Rechtsvorschriften zwingend und als deren existentielle Voraussetzung anordnet, als unzweifelhaft angenommen werden. Dies gilt insb für verfassungsrechtliche Regelungen über Wahlen. Eine Rechtsquelle 'Ausschußfeststellung' gibt es nicht; dennoch kommt es immer wieder vor, daß in den Gesetzesmaterialien Auffassungen 'festgestellt' oder behauptet werden, die im Widerspruch zum Normtext stehen. Sollte diese Unsitte nunmehr auch im Verfassungsrecht weitere Verbreitung finden, so wäre damit ein weiterer Höhepunkt gesetzgeberischer Unkultur erreicht. Nach wie vor hat zu gelten, daß der Gesetzgeber - insb der Verfassungsgesetzgeber - bestrebt sein muß, klare Regelungen zu schaffen; Widersprüche zwischen dem Text der Normen und ihren Erläuterungen sind daher zu vermeiden.
Im Ergebnis ist festzuhalten, daß Art117 Abs2 B-VG ein Wahlrecht für Unionsbürger zum Gemeinderat vorsieht, das als solches nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht; dieser ist nur zur näheren Ausgestaltung ermächtigt und verfassungsrechtlich auch 'verpflichtet'.
Für die Bundeshauptstadt Wien ergibt sich aus Art112 B-VG, daß 'die Bestimmungen des Abschnittes C dieses Hauptstückes' nach Maßgabe der Art108 bis 111 B-VG mit Ausnahme bestimmter genannter Vorschriften Anwendung findet. Damit sind die Vorschriften über Gemeinden grundsätzlich auch für Wien relevant. Art108 B-VG bestimmt, daß die Organe der Gemeinde auch Funktionen des Landes haben; so hat 'der Gemeinderat auch die Funktion des Landtages'. Die Lehre vertritt demgemäß einhellig die Auffassung, daß Wien organisatorisch in erster Linie Gemeinde ist.
Aus Art112 B-VG ergibt sich unzweifelhaft, daß Art117 Abs2 B-VG auch in Wien Anwendung zu finden hat; Art112 B-VG zählt die Bestimmungen der Gemeindeorganisation, die in Wien nicht anzuwenden sind - zB Art117 Abs6 B-VG zweiter Satz -, ausdrücklich auf. Art117 Abs2 B-VG wird nicht genannt. Auch aus der einleitenden Wendung 'nach Maßgabe der Art108 bis 111' ergibt sich nicht, daß Art117 Abs2 B-VG in Wien nicht anzuwenden wäre. Daraus folgt, daß auch in Wien den Unionsbürgern das Wahlrecht zum Gemeinderat zusteht; daß der Gemeinderat auch die Funktion des Landtages hat, vermag allein daran nichts zu ändern.
Im Ergebnis bedeutet dies, daß Unionsbürger gem Art112 iVm Art117 Abs2 B-VG ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Wahlrecht zum Wiener Gemeinderat haben; die Wiener Gemeindewahlordnung, die das Wahlrecht der Unionsbürger auf die Wahlen zu den Bezirksvertretungen beschränkt, ist daher verfassungswidrig. Dies gilt - wie schon erwähnt - ungeachtet des Umstandes, daß nach Gemeinschaftsrecht eine derartige Beschränkung zulässig wäre; denn gemeinschaftsrechtlich ist nicht ausgeschlossen, daß der innerstaatliche Gesetzgeber den Unionsbürgern Rechte einräumt, die (über) das gemeinschaftsrechtlich geforderte Mindestmaß hinausgehen.
Gegen das hier vertretene Ergebnis von der Verfassungswidrigkeit des §16 Abs1 Wiener Gemeindewahlordnung könnte man einwenden, die Geltung des Art117 Abs2 B-VG für Wien sei - ungeachtet des Wortlautes des Art112 B-VG - deshalb nicht anzunehmen, weil man dem Verfassungsgesetzgeber nicht unterstellen dürfe, er habe angeordnet, 'daß Unionsbürger nur in einem einzigen Bundesland (Wien) quasi auch auf Landesebene wahlberechtigt und wählbar sind'. Man könnte diesen Einwand ergänzen und sagen, der Verfassungsgesetzgeber der Novelle 1994 (BGBl 1013) habe nur dem Anpassungsbedarf, der sich aus dem Beitritt Österreichs zur EU ergeben hat, entsprechen und keine Regelungen treffen wollen, die über dieses Ziel hinausgehen.
Auch dieser Einwand ändert am Ergebnis nichts; er ist unzutreffend. Wie ... gezeigt, trat gleichzeitig mit den hier erörterten Neuregelungen der B-VG-Nov 1994 auch die - nahezu gleichzeitig geschaffene - Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1994, 94/80/EG in Kraft. Am 1. Jänner 1995 war Österreich demnach verpflichtet, diese Richtlinie zu erfüllen und das Wahlrecht der Unionsbürger vorzusehen. Ein ganz entscheidender Punkt ist dabei, daß diese Pflicht auch für Wien bestand. Denn die zit Richtlinie galt zu diesem Zeitpunkt ohne Zweifel auch für Wien; die Ausnahme für Wien wurde erst knapp einundeinhalb Jahre später - und zudem erst nach der Erlassung der Wiener Gemeindewahlordnung 1996 - durch die Richtlinie des Rates vom 13. Mai 1996, 96/30/EG verfügt und ist am 22. Mai 1996 in Kraft getreten. Daraus folgt, daß zum Zeitpunkt der Erlassung der B-VG-Nov 1994 (BGBl 1013) die gemeinschaftsrechtliche Situation für Wien nicht anders war als für alle anderen Gemeinden. Man kann dem Verfassungsgesetzgeber daher nicht unterstellen, er habe - noch dazu ohne dies auch nur anzudeuten - die Geltung dieser Regelung für Wien 'sicher nicht gewollt'. Selbst wenn man noch einen Schritt weitergehen wollte und - bei aller Zweifelhaftigkeit eines solchen Unterfangens - einen derartigen politischen Willen des Verfassungsgesetzgebers des Dezembers des Jahres 1994 aufspüren möchte, könnte dies nichts ändern. Bei der Beschlußfassung über die B-VG-Nov 1994 (BGBl 1013) hatten die Regierungsparteien nicht die notwendige Mehrheit, diese B-VG-Nov allein zu beschließen. Die beiden kleineren Oppositionsparteien, die diese Nov mittrugen, wären aber wohl kaum bereit gewesen, gerade Wien von der Geltung des Unionsbürgerwahlrechtes auszunehmen. Auch aus dieser Sicht ist es überaus fragwürdig, irgendeine subjektiv-historische Absicht in diese Richtung zu behaupten, zumal - das sei nochmals betont - der Text der geschaffenen Normen das Gegenteil ausdrückt und auch der im AB erkennbare 'Wille' des Verfassungsgesetzgebers für eine derartige Absicht keinen Anhaltspunkt bietet; der AB ist darüber hinaus von offensichtlich irrigen - letztlich aber unbeachtlichen - rechtlichen Überlegungen geleitet.
Ein weiteres Argument gegen das hier vertretene Ergebnis könnte darin bestehen, daß man meint, der Verfassungsgesetzgeber der B-VG-Nov 1994 (BGBl 1013) habe bloß 'versehentlich' vergessen, im Art112 B-VG klarzustellen, daß das im Art117 Abs2 B-VG verankerte Unionsbürgerwahlrecht in Wien nicht oder nur eingeschränkt gelten soll. Auch dieser Einwand wäre untauglich, ein anderes Ergebnis herbeizuführen; dies deshalb, weil (bei) der Schaffung der B-VG-Nov 1994 der Art112 B-VG sehr wohl beachtet und auch an eine geänderte Fassung des Art142 B-VG angepaßt wurde. Von einem Versehen des Verfassungsgesetzgebers, noch dazu in einer wichtigen Frage des Gemeindewahlrechtes, kann damit nicht die Rede sein.
Ein letzter Einwand, der sich als dogmatischer auszugeben scheint, wurde von Schnedl in seiner letzten Publikation zum Thema vorgetragen. Er behauptet nun, ein Wahlrecht für Unionsbürger nur in einem einzigen Bundesland (Wien) 'quasi auch auf Landesebene' sei 'verfassungsrechtlich gar nicht möglich', weil nach der ständigen Judikatur des VfGH 'der Verfassungsgesetzgeber für alle Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern ein in den Grundzügen einheitliches ... Wahlrecht schaffen wollte'; dies nennt Schnedl 'Homogenitätsprinzip'. Dazu ist zu sagen, daß der Bundesverfassungsgesetzgeber nur an die Grundprinzipien des B-VG (Art44 Abs3 B-VG), nicht aber an Prinzipien, die von der Lehre erfunden werden, gebunden ist. Wer sich der - durchaus geringen - Mühe unterzieht und die Bestimmungen des B-VG über das Wahlrecht zu den allgemeinen Vertretungskörpern liest, wird unschwer feststellen, daß Art95 Abs2 und Art117 Abs2 B-VG bloß einen Mindeststandard normieren, über den hinauszugehen der jeweilige Gesetzgeber - in den übrigen Schranken des B-VG - schon vor der B-VG-Nov 1994 (BGBl 1013) befugt war. Nichts anderes hat auch die bisherige Jud des VfGH gesagt. Es ist aber schlechthin unerfindlich, warum es dem Bundesverfassungsgesetzgeber verfassungsrechtlich (!!) verwehrt sein sollte, ein Wahlrecht der Unionsbürger auch für den Wiener Gemeinderat zu normieren. Daß dies auch weitere Folgen - zB für den Bundesrat - hat, ist zutreffend; es ist aber Sache politischer Entscheidung, hier eine entsprechende Lösung zu treffen. Juristische Interpretationsübungen der dargestellten Art sollten in solch wichtigen Fragen besser unterbleiben."
1.3. Die Wiener Stadtwahlbehörde als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der beantragt wird, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Dazu wird im einzelnen folgendes ausgeführt:
"Der Beschwerdeführer geht davon aus, daß der vierte Satz des Art117 Abs2 B-VG, welcher durch ArtI Z15 der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1994, BGBl. Nr. 1013, eingefügt worden ist und wie folgt lautet: 'Unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu', eindeutig und klar sei, und zwar in der Weise, als er Unionsbürgern ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Wahlrecht bei Gemeinderatswahlen einräumen würde. Dieses Recht könne von den Ländern nur mehr insoferne ausgestaltet werden, als sie die 'Bedingungen' festlegen könnten, unter welchen dieses Recht besteht. Daran könne auch der zu dieser Verfassungsbestimmung ergangene Ausschußbericht nichts ändern, zumal möglicherweise gegenteilige Auffassungen des Verfassungsausschusses im Normtext keinen Niederschlag finden würden und daher unbeachtlich seien.
Richtig an den Ausführungen des Beschwerdeführers ist, daß immer dann, wenn der Wortlaut einer Bestimmung der Bundesverfassung eindeutig ist, es nicht möglich ist, auf die historische Interpretation zurückzugreifen. Zur historischen Interpretation ist nur dann zu greifen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzes zweifelhaft ist (VfGH Slg. 5019/65). Auch in seinem Erkenntnis vom 10. Dezember 1977, Zl. G17/32/77, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß bei der Auslegung der derzeit geltenden Verfassungsnormen historische Betrachtungen lediglich als Interpretationshilfsmittel ihre Berechtigung haben, und zwar dann, wenn der Wortlaut der Bundesverfassung keinen ausreichenden Aufschluß über ihren Inhalt gibt.
Diese in der Lehre als sogenannte Klarheitsregel bezeichnete Interpretationsmaxime fungiert - worauf Schäffer, Verfassungsinterpretation in Österreich, S. 63, zutreffend hinweist - legitimerweise nur als denk- und arbeitsökonomischer Gesichtspunkt, nie dürfe sie zu einer unzulässigen Abschneidung der Argumentation und zum Ausschluß weiterer erkenntnisfördernder Mittel führen. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf die dem Evidenzbegriff notwendig innewohnende Variabilität in der Weise, daß die Klarheit eines erzielten Interpretationsergebnisses naturgemäß mit der Situationsbezogenheit der Regelungen einerseits und mit dem zeitgebundenen Denkniveau und Argumentationsstil andererseits zusammenhänge. Schäffer, aaO, S. 195, kommt daher auch zu dem Ergebnis, daß eigentlich nur zwei Stufen des Interpretationsvorganges als notwendig anzuerkennen seien: Die sprachliche Interpretation und bei deren Ungenügen, was allerdings meist der Fall ist, ein darüber hinausgehendes Verfahren zur Sinnermittlung.
Auch Korinek, Zur Interpretation von Verfassungsrecht, in:
Staatsrecht in Theorie und Praxis (FS für Robert Walter), S. 378 f, weist auf den Vorrang der Wortinterpretation durch den Verfassungsgerichtshof hin, betont aber ebenfalls, daß immer dann, wenn der Wortlaut Zweifel über den Inhalt der Regelung aufkommen ließe, der Inhalt der Bestimmungen nach anderen Auslegungsregeln zu ermitteln ist.
Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 8. Auflage, Rz 132, führen aus, daß jede mögliche Alternative und jede Unklarheit im Text durch einen Rekurs auf den Willen des historischen Gesetzgebers zu lösen ist (subjektive Interpretation). Denn der zentrale Bestimmungsgrund einer positivistischen Interpretationslehre müsse immer der Wille der zur Gesetzgebung berufenen Autorität sein, der freilich durch das Erfordernis einer bestimmten Form positiv-rechtlich eingeschränkt sein kann.
Betrachtet man sich die in Rede stehende Verfassungsbestimmung, so zeigt sich, daß der ihr vom Beschwerdeführer zugesprochene Sinn keineswegs als aus dem Wortlaut klar hervorleuchtend angesehen werden kann.
Zum ersten ist darauf hinzuweisen, daß sich die Worte 'unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen' ansonst an keiner Stelle des Bundes-Verfassungsgesetzes wiederfinden. Der Begriff 'Bedingung' findet sich, abgesehen von der in Rede stehenden Verfassungsnorm, nur mehr in den Art51b Abs4, 95 Abs2, 117 Abs2 zweiter Satz und Art133 Z4 B-VG, doch wird hier der Begriff 'Bedingung' in einem anderen Zusammenhang verwendet, als dies bei der in Rede stehenden Verfassungsnorm der Fall ist. Es läßt sich daher aus dem Hinweis auf Art117 Abs2 zweiter Halbsatz B-VG ebensowenig etwas für die Auslegung des vierten Satzes dieser Verfassungsbestimmung gewinnen, wie aus dem Hinweis auf die Art6 und 12 StGG. Abgesehen davon, daß es nicht möglich ist, die dem Gesetzgeber des Jahres 1867 eigene Wortwahl zur Auslegung einer Verfassungsnorm heranzuziehen, welche der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1994 geschaffen hat, läßt sich unschwer erkennen, daß sowohl die Wortwahl als auch die Stellung der einzelnen Worte innerhalb der Sätze eine andere ist. Es kommt nicht von ungefähr, daß Art117 Abs2 vierter Satz B-VG die 'Bedingungen' an die Spitze des Satzes gestellt hat. Der Grund hiefür ist darin zu sehen, daß mit dieser Verfassungsbestimmung lediglich zum Ausdruck gebracht werden soll, daß den Ländern die Kompetenz zukommt, jene Bedingungen festzulegen, unter denen auch Unionsbürgern nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft das Wahlrecht zum Gemeinderat zukommen kann. Die Bedingungen sind somit eine conditio sine qua non für das Wahlrecht von Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es ist daher nicht einsichtig, weshalb der Ausschußbericht mit dem Wortlaut des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG in Widerspruch stehen sollte, wenn er davon spricht, daß die Landesgesetzgeber zwar ermächtigt, aber nicht verpflichtet wären, bereits vor Inkrafttreten einer künftigen EU-Richtlinie zum Kommunalwahlrecht ausländischen EU-Bürgern das aktive und passive Wahlrecht bei Gemeindewahlen einzuräumen. Diese Aussage ist insofern mit der in Rede stehenden Verfassungsbestimmung konform, als dem Begriff 'festzulegenden' nicht - wie bereits oben dargelegt wurde - die Bedeutung einer Verpflichtung für die Länder zukommt, sondern dieser Begriff lediglich eine Kompetenzfestlegung beinhaltet, insoferne als die Länder jene Bedingungen frei festlegen können, unter denen dann - also nach deren Festlegung - das aktive und passive Wahlrecht zum Gemeinderat auch Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zukommt. Es besteht daher tatsächlich keine von Verfassungs wegen ableitbare Verpflichtung der Länder, Bedingungen festzulegen, und ist eine solche Verpflichtung lediglich aus dem Sekundärrecht der Europäischen Union ableitbar. Abgesehen von dem klaren Wortlaut des Ausschußberichtes und den vom Beschwerdeführer zitierten Ausführungen Schnedls, welcher zu dem Schluß kommt, daß es sich nach der Absicht des Gesetzgebers und dem Zweck der Regelung bei Art117 Abs2 vierter Satz B-VG um keine zwingende Festlegung des Kommunalwahlrechtes für Unionsbürger handle (Schnedl, Das Ausländerwahlrecht - ein europäisches Gebot, S. 40), ist auch darauf hinzuweisen, daß Walter/Mayer, aaO, Rz 871, u.a. die Aussage treffen, daß der Landesgesetzgeber auch nichtösterreichischen Unionsbürgern das aktive und passive Wahlrecht einräumen 'kann'.
Bei einem derartigen Echo in der wissenschaftlichen Literatur ist es bereits mehr als fraglich, inwieweit der Wortlaut der in Rede stehenden Verfassungsbestimmung wirklich so klar ist, wie er vom Beschwerdeführer gesehen werden möchte, läßt sich doch bei einer Betrachtung der Entstehungsgeschichte des vierten Satzes des Art117 Abs2 B-VG geradezu das Gegenteil des vom Beschwerdeführer angenommenen Sinngehaltes ableiten. Am 10. August 1994 gelangte ein Ministerialentwurf betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert und das EWR-Bundesverfassungsgesetz aufgehoben wird, im Rahmen der externen Begutachtung zur Versendung. Art117 Abs2 vierter Satz B-VG hätte nach diesem Entwurf folgenden Wortlaut erhalten sollen: 'Unter denselben Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu.'
Mit anderen Worten, der Entwurf ging nicht nur von einer Konkordanz der Bedingungen für das kommunale Wahlrecht von österreichischen und nichtösterreichischen Unionsbürgern aus, er legte die hiefür notwendigen Bedingungen bereits fest und sprach somit dieses Wahlrecht uneingeschränkt und ohne jeden Vorbehalt auch Unionsbürgern mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft zu. Die Länder haben zu dieser in Aussicht genommenen Verfassungsbestimmung eine ablehnende Haltung eingenommen. Vor allem wurde nahezu übereinstimmend in den Stellungnahmen der Ämter der Landesregierungen darauf hingewiesen, daß mit der in Aussicht genommenen Bestimmung das aktive und passive Wahlrecht von Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu den Wahlen in den Gemeinderat ermöglicht werde, obwohl die näheren Einzelheiten dieses Wahlrechtes, die gemäß Art8b Abs1 EG-Vertrag vom Rat vor dem 31. Dezember 1994 einstimmig auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Europäischen Parlamentes festzulegen waren, zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vorlagen. Es wurde daher als fragwürdig angesehen, ob bereits zum 'gegenwärtigen' Zeitpunkt (August 1994) ein derart unbeschränktes Wahlrecht eingeführt werden soll. Auf Grund der verfassungsrechtlichen Sonderstellung Wiens hat das Amt der Wiener Landesregierung wiederholt darauf hingewiesen, daß dem Wiener Gemeinderat auch die Funktion des Landtages zukommt, weshalb im Anhang der 'derzeit' (August 1994) in Beratung stehenden Richtlinie über das Kommunalwahlrecht für ausländische Unionsbürger unbedingt zu verankern wäre, daß dieses Wahlrecht in Wien nur für die Bezirksvertretungen bestehe, da sonst Unionsbürger ohne österreichische Staatsbürgerschaft auch für ein gesetzgebendes Organ, nämlich den Wiener Landtag, wahlberechtigt wären. Dies entspräche aber weder den Intentionen der Richtlinie noch wäre dann eine Gleichbehandlung der österreichischen Landtage gegeben. Weiters wurde von Wien darauf hingewiesen, daß diese Position durch den von den Ländern bestellten gemeinsamen Ländervertreter bereits in der zuständigen Ratsgruppe eingebracht worden ist, und daß diese Position ihre Grundlage in einer einheitlichen, den Bund bindenden Länderstellungnahme finde. Eine B-VG-Novelle, die nicht mit den Beratungsergebnissen aus Brüssel koordiniert sei, sei jedenfalls mit Nachdruck abzulehnen. Die Länderstellungnahmen wurden auch dem Präsidium des Nationalrates zur Kenntnis gebracht.
Auf Grund der ablehnenden Stellungnahmen der österreichischen Bundesländer sah die Regierungsvorlage betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert und das EWR-Bundesverfassungsgesetz aufgehoben wird, keine Novellierung des Art117 B-VG vor. Dem Bericht des Verfassungsausschusses (58 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates XIX. GP) ist zu entnehmen, daß die nunmehr in Rede stehende Verfassungsbestimmung auf einen Abänderungsantrag dieses Ausschusses zurückgeht. Gestellt wurde der Abänderungsantrag von den Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Kohl, Johannes Voggenhuber und Mag. Dr. Heide Schmidt und mit Mehrheit angenommen.
Diese Entstehungsgeschichte des vierten Satzes des Art117 Abs2 B-VG untermauert geradezu die Auffassung der belangten Behörde, daß diese Verfassungsbestimmung nur als Kompetenznorm zu verstehen ist, die den Ländern die Zuständigkeit zur Festlegung der Bedingungen als Voraussetzung für ein von den Ländern zu gewährendes Wahlrecht von Unionsbürgern nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft auf kommunaler Ebene einräumt.
Keinesfalls läßt sich aus Art117 Abs2 B-VG eine Verpflichtung der Landesgesetzgeber ersehen, solche Bedingungen als Voraussetzung für ein derartiges Wahlrecht zu schaffen. Diese Verpflichtung ergibt sich nur auf Grund der Bestimmung des Art23d Abs5 B-VG, wonach die Länder verpflichtet sind, Maßnahmen zu treffen, die in ihrem selbständigen Wirkungsbereich zur Durchführung von Rechtsakten im Rahmen der europäischen Integration erforderlich werden. Im Lichte dieser letztgenannten Verfassungsbestimmung sind auch die Worte im Bericht des Verfassungsausschusses erklärbar, daß die Landesgesetzgeber nicht verpflichtet sind, bereits vor dem Inkrafttreten einer künftigen EU-Richtlinie zum Kommunalwahlrecht ausländischen EU-Bürgern das aktive und passive Wahlrecht bei Gemeindewahlen einzuräumen.
Da somit von Verfassungs wegen die Länder - abgesehen von der europarechtlichen Verpflichtung zur Ausgestaltung eines Kommunalwahlrechtes und der in diesem Zusammenhang relevanten Norm des Art23d Abs5 B-VG - keine Verpflichtung trifft, das Wahlrecht Unionsbürgern nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft auf kommunaler Ebene einzuräumen, läßt sich für den Beschwerdeführer auch aus seinen sonstigen Ausführungen, insbesondere aus seinem Hinweis auf Art112 B-VG nichts gewinnen. Denn wenn die Länder auf Grund des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG keine Verpflichtung zur Einräumung eines Kommunalwahlrechtes für Unionsbürger mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft trifft und diese Verpflichtung sich nur über Art23d Abs5 B-VG im Zusammenhang mit den jeweils durchzuführenden Rechtsakten im Rahmen der europäischen Integration ergibt, ist es demgemäß auch nicht erforderlich, Art117 Abs2 vierter Satz B-VG durch seine Anführung in Art112 B-VG hinsichtlich seiner Anwendbarkeit für die Bundeshauptstadt Wien auszunehmen. Daß die Wiener Gemeindewahlordnung 1996 dem Gemeinschaftsrecht, im konkreten der Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, ABl. Nr. L 368 vom 31. Dezember 1994, geändert durch die Richtlinie 96/30/EG des Rates vom 13. Mai 1996, ABl. Nr. L 122 vom 22. Mai 1996, entspricht, räumt auch der Beschwerdeführer ein. Damit ist Wien seiner europarechtlichen Verpflichtung und seinen Verpflichtungen nach Art23d Abs5 B-VG nachgekommen; weitergehende Verpflichtungen ergeben sich auch aus Art117 Abs2 B-VG nicht.
Unverständlich bleiben allerdings jene Ausführungen in der Beschwerdeschrift, in denen es heißt, daß bei der Beschlußfassung über die B-VG-Novelle 1994 die Regierungsparteien nicht die notwendige Mehrheit gehabt hätten, diese B-VG-Novelle allein zu beschließen, und die beiden kleineren Oppositionsparteien, die diese Novelle mittrugen, wohl kaum bereit gewesen wären, gerade Wien von der Geltung des Unionsbürgerwahlrechtes auszunehmen. Deshalb sei es auch aus dieser Sicht überaus fragwürdig, irgendeine subjektiv-historische Absicht in diese Richtung zu behaupten. Diese Aussage ist insoferne unverständlich, als sie übersieht, daß nicht nur der Wortlaut des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG, sondern auch die Begründung zu dieser Verfassungsnorm von gerade jenen kleinen Oppositionsparteien, die der Beschwerdeführer anspricht, mitgetragen worden ist."
1.4. Der Beschwerdeführer hat auf diese Gegenschrift wie folgt repliziert:
"Die belangte Behörde versucht in ihrer Äußerung mit einer verfehlten Interpretation der verfahrensrelevanten Textstelle zu einem für sie günstigen Ergebnis zu kommen.
Diese Verfassungsbestimmung kann nur so verstanden werden, daß den StaatsbürgerInnen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union das aktive und passive Wahlrecht zusteht, wobei es den Ländern obliegt, die näheren Bedingungen festzulegen. Das Recht, die näheren Bedingungen festzulegen, kann jedoch nicht zum Ergebnis führen, daß den EU-BürgerInnen überhaupt kein kommunales Wahlrecht zusteht. In diesem Zusammenhang wird auf Art117 Abs2 verwiesen, wo es unter anderem heißt: '... die Landesgesetze können jedoch vorsehen, daß auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind.' Nach dieser Textierung ist es evident, daß die Länder die Wahlmöglichkeit haben und es alleine ihnen obliegt, ob sie auch Staatsbürgern, die nicht ihren Hauptwohnsitz in der jeweiligen Gemeinde haben, ein Wahlrecht zugestehen. Hätte der Verfassungsgesetzgeber für die EU_BürgerInnen ähnliches gewollt, dann hätte er sich an diese eindeutige Formulierung gehalten.
Die belangte Behörde verweist zu Recht darauf, daß der Begriff 'Bedingung' unter anderem im Art95 Abs2 verwendet wird, und erklärt apodiktisch, daß dort der Begriff 'Bedingung' in einem anderen Zusammenhang verwendet werde. Dabei wird jegliche Begründung für diese Behauptung unterlassen, wohl deshalb, weil es deshalb auch keine Begründung geben kann, da der Bedeutungsinhalt des Begriffes 'Bedingung' in den beiden oben angeführten Normen offensichtlich völlig ident ist.
...
Es ist völlig verfehlt, wenn die belangte Behörde vermeint, daß die Grünen dafür zu haben gewesen wären, daß das kommunale Wahlrecht der EU-BürgerInnen in Wien auf die Bezirksvertretungswahlen beschränkt wird. Es ist der erklärte Wille der Grünen (sowohl auf parlamentarischer, aber auch auf kommunaler Ebene), daß den EU-BürgerInnen in Wien auch auf Gemeinderatsebene ein Wahlrecht eingeräumt wird. Dies kann jedenfalls vom Vertreter der BF mit Sicherheit gesagt werden, und es ist wohl auch davon auszugehen, daß für das Liberale Forum gleiches gilt."
2.1. Der Beschwerdeführer in dem zu B3760/96 protokollierten Verfahren ist französischer Staatsangehöriger und hat - seinen eigenen Angaben zufolge - seit 31. Dezember 1985 seinen (Haupt )Wohnsitz in Wien. Mit an die Bezirkswahlbehörde für den
7. Wiener Gemeindebezirk gerichtetem Schreiben vom 4. September 1996 hat er gemäß §30 GWO gegen seine Nichtaufnahme in das Wählerverzeichnis für die Gemeinderatswahl am 13. Oktober 1996 Einspruch erhoben. Diesem Einspruch wurde mit Bescheid der genannten Bezirkswahlbehörde vom 12. September 1996 keine Folge gegeben. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Stadtwahlbehörde vom 20. September 1996 abgewiesen. Begründend wurde dazu ausgeführt, daß der nunmehrige Beschwerdeführer als nichtösterreichischer Unionsbürger gemäß §16 GWO nur an der Bezirksvertretungs- und nicht auch an der Gemeinderatswahl teilnahmeberechtigt sei und daher im Wählerverzeichnis (nur) für die Bezirksvertretungswahl als wahlberechtigt eingetragen bleibe.
2.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde. Darin wird die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt. Begründend wird dazu im wesentlichen folgendes ausgeführt:
"Art117 Abs2 B-VG sieht ... vor, daß für den Gemeinderat auch Unionsbürger wahlberechtigt sind. Demgegenüber ist in §16 Abs2 der Wiener Gemeindewahlordnung 1996-GWO 1996 geregelt, daß Unionsbürger nur zu den Bezirksvertretungs- und nicht zu den Gemeinderatswahlen wahlberechtigt sind. Dies widerspricht der bundesverfassungsgesetzlichen Regelung des Art117 Abs2 B-VG. Art16 Abs2 GWO 1996 ist somit verfassungswidrig. Obwohl im Art (108) B-VG ausdrücklich geregelt ist, daß der Gemeinderat für die Bundeshauptstadt Wien als Land auch die Funktion des Landtages, der Stadtsenat auch die Funktion der Landesregierung hat, ist eine Ausnahmebestimmung in Art117 Abs2 für Wien nicht vorgesehen. Trotz dieser Sonderbestimmungen für Wien ist im Art117 B-VG keine gesonderte Regelung für Wien getroffen worden. Die Regelung des §16 Abs2 GWO 1996, daß Unionsbürger nur zu den Bezirksvertretungs- und nicht zu den Gemeinderatswahlen wahlberechtigt sind, ist mit Art117 Abs2 B-VG nicht in Einklang zu bringen. Vielmehr ist in Art117 B-VG lediglich von Wahlen in den Gemeinderat die Rede, und ist irgendeine Ausnahmebestimmung betreffend der Bundeshauptstadt Wien nicht getroffen worden. Dies hat demnach zur Folge, daß unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen das aktive und passive Wahlrecht in den Gemeinderat auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zusteht. Dies bedeutet unzweifelhaft, daß auch Unionsbürger für Wahlen für den Gemeinderat in Wien - und nicht nur für die Bezirksvertretungswahl - wahlberechtigt sind. Aus all diesen Gründen ergeht die Anregung, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten und die in Rede stehende Bestimmung des §16 der Wiener Gemeindewahlordnung 1996-GWO als verfassungswidrig aufzuheben.
...
Entsprechend der Kommunalwahlrichtlinie der EU, ABl. Nr. 368/38ff vom 31.12.1994, Richtlinie 1994/80/EG des Rates vom 19.12.1994, sind Unionsbürger in den Mitgliedstaaten der EU, wenn sie dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, bei Kommunalwahlen wahlberechtigt.
...
Es ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer sämtliche ... Voraussetzungen (iS des Art3 der Kommunalwahlrichtlinie) erfüllt hat. Entsprechend dem Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer zu den Bezirksvertretungswahlen zugelassen, jedoch kein Wahlrecht für den Gemeinderat gewährt. Gemäß Art2 der Kommunalwahlrichtlinie der EU sind 'Kommunalwahlen' die allgemeinen, unmittelbaren Wahlen, die darauf abzielen, die Mitglieder der Vertretungskörperschaft und gegebenenfalls gemäß den Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaates den Leiter und die Mitglieder des Exekutivorgans einer lokalen Gebietskörperschaft der Grundstufe zu bestimmen. Es ist somit unbestritten, daß es sich bei den Wahlen zum Gemeinderat in Wien um 'Kommunalwahlen' im Sinne der Kommunalwahlrichtlinie der EU handelt. Entsprechend der den Unionsbürgern zukommenden Freizügigkeit auch in anderen EU-Mitgliedstaaten erscheint ein Ausschluß von Unionsbürgern zum Kommunalwahlrecht - entsprechend dem Bescheid der belangten Behörde - auch gegen die im EU-Vertrag geregelte Freizügigkeit von Unionsbürgern zu verstoßen. Dies insbesondere deshalb, da die Verweigerung des Wahlrechtes zum Gemeinderat eine Verweigerung von politischen Mitwirkungsrechten darstellt. Der Bescheid der belangten Behörde verstößt deshalb auch jedenfalls gegen Gemeinschaftsrecht. Ebenfalls ist es auch nicht nachvollziehbar und widerspricht jedenfalls dem Gleichbehandlungsprinzip, daß Unionsbürger z.B. in München - einer zu Wien von der Größe der Einwohnerzahl vergleichbaren Stadt - wahlberechtigt sind, während Unionsbürgern in Wien dieses Wahlrecht zum Gemeinderat verwehrt wird. Gerade unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung scheint deshalb auch die von der belangten Behörde angeführte Richtlinie 1996/30/EG des Rates vom 13.5.1996, daß Unionsbürgern in Österreich in Gemeinden und Bezirken der Stadt Wien das Kommunalwahlrecht zukommt, nicht mit dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Unionsbürger in Einklang zu bringen (zu sein). Es ist nicht nachvollziehbar und kann auch in keiner Weise sachlich begründet werden, weshalb in anderen, von der Größe mit Wien vergleichbaren Städten der Europäischen Union Unionsbürgern ein Wahlrecht zukommt, während genau dasselbe Kommunalwahlrecht Unionsbürgern in Wien verwehrt wird. Dies ist sachlich nicht zu rechtfertigen, sodaß durch die Versagung des Kommunalwahlrechtes für den Gemeinderat in Wien jedenfalls eine Ungleichbehandlung von Unionsbürgern vorliegt. Dies ist unzulässig. ...
Gemäß Art177 EG-Vertrag entscheidet der EuGH im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Vertrages. Abs3 dieser Bestimmung sieht eine Vorlageverpflichtung der Gerichte vor, wenn ihre Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Der Verfassungsgerichtshof ist daher verpflichtet, im gegenständlichen Fall das Verfahren auszusetzen und den EuGH mit Vorlagefragen zu befassen, da berechtigte Zweifel über die Auslegung der Kommunalwahlrichtlinie bestehen und diese Frage auch noch nicht in einem Urteil geklärt ist. Die vom EuGH vorzunehmende Auslegung dient der Ermittlung des Inhaltes und der Tragweite der Bestimmung des Gemeinschaftsrechtes, wobei im Wege der Auslegung auch über die unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechtes geurteilt wird. Insbesonders wird die Frage zu klären sein, ob die Verweigerung des Wahlrechtes für Unionsbürger zu den Gemeinderatswahlen in Wien dem Gemeinschaftsrecht entspricht.
Unter dem Vertrag (Art177 Abs1 lita) sind laut der
ständigen Rechtsprechung des EuGH neben dessen Bestimmungen einschließlich aller Anhänge, Zusatzprotokolle und Änderungen sowie die Beitrittsverträge und beigefügte Beitrittsanhänge auch die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechtes, die der EuGH im Wege der Auslegung zum Zwecke der Lückenfüllung erarbeitet hat, zu verstehen.
Unter Hinweis auf die oben dargelegten Ausführungen insbesondere im Zusammenhang mit der Judikatur des EuGH stellt der Beschwerdeführer den Antrag, das gegenständliche Verfahren auszusetzen und den EuGH mit Vorlagefragen zu befassen."
2.3. Die Wiener Stadtwahlbehörde als belangte Behörde hat auch in diesem Verfahren die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Begründend wird dazu im wesentlichen auf die im Verfahren zu B3113/96 erstattete Gegenschrift verwiesen und ergänzend angemerkt,
"daß sich aus der Tatsache, daß Art117 Abs2 vierter Satz B-VG in Art112 B-VG nicht genannt ist, allein schon deshalb nichts gewinnen läßt, als die dort enthaltene Aufzählung von Bestimmungen des Abschnittes C des IV. Hauptstückes des B-VG nicht als erschöpfend angesehen werden kann. So ist aus Sicht der Wiener Stadtwahlbehörde auch der sechste Satz des Art117 Abs2 B-VG ('Die Wahlordnung kann bestimmen, daß die Wähler ihr Wahlrecht in Wahlkreisen ausüben, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muß') - obwohl in Art112 B-VG nicht genannt - auf Grund der Art95 Abs3 erster Satz und 108 B-VG für Wien nicht anwendbar und dem Wiener Landegesetzgeber somit kein Wahlrecht dahingehend eingeräumt, eine Wahlkreiseinteilung vorzunehmen oder nicht. Die Bestimmungen des Abschnittes C des IV. Hauptstückes des B-VG gelten eben nur nach Maßgabe der Art108 bis 111 B-VG, sodaß sehr wohl auf die Sonderstellung Wiens als Land und Gemeinde und damit auch auf die Tatsache, daß die Wiener Gemeinderatswahlen gleichzeitig auch Landtagswahlen, also Wahlen zu einer gesetzgebenden Körperschaft sind, Bedacht zu nehmen ist, wenn es um die Frage der Anwendung von Bestimmungen der Art115 bis 119 B-VG auf die Bundeshauptstadt Wien geht.
...
(I)m Hinblick auf ein diesbezügliches Vorbringen des Beschwerdeführers (wird) bemerkt, daß der Vergleich, daß in München, also 'einer zu Wien von der Größe der Einwohnerzahl vergleichbaren Stadt', die Unionsbürger wahlberechtigt seien, in Wien aber nicht, und dies dem Gleichbehandlungsprinzip widerspreche, insoferne unzulässig ist, als das entscheidende Kriterium niemals die Einwohnerzahl oder die flächenmäßige Ausdehnung einer Gebietskörperschaft sein kann. Der wesentliche Unterschied zwischen München und Wien liegt vielmehr darin, daß der Wiener Gemeinderat auch Landtag ist. Ein Wahlrecht von Unionsbürgern zum bayerischen Landtag besteht aber ebenfalls nicht. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsprinzip kann daher nicht vorliegen, und es besteht auch auf Grund der Bestimmungen der Kommunalwahlrichtlinie aus ha. Sicht kein Erfordernis, ein Vorabentscheidungsverfahren in die Wege leiten zu müssen."
3. Der Verfassungsgerichtshof hat auch das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst, das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten-Völkerrechtsbüro und das Bundesministerium für Inneres ersucht, zu den in den beiden Beschwerden aufgeworfenen Fragen - gegebenenfalls auf Grundlage der im Zuge der Vorbereitung der einschlägigen landesgesetzlichen Bestimmungen von diesen Stellen erstatteten Gutachten und Äußerungen - Stellung zu nehmen.
3.1. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst hat sich u.a. wie folgt geäußert:
"Gemäß Art115 Abs2 B-VG hat die Landesgesetzgebung, soweit nicht ausdrücklich eine Zuständigkeit des Bundes festgesetzt ist, das Gemeinderecht 'nach den Grundsätzen der folgenden Artikel (des Abschnittes C des vierten Hauptstückes)' zu regeln. Letzteres ist insoweit selbstverständlich, als diese 'Grundsätze' bundesverfassungsgesetzlich festgelegt und daher, wie alle anderen Bundesverfassungsnormen auch, von der Landesgesetzgebung zu respektieren sind (Ringhofer, Bundesverfassung (1977), 345).
Art117 Abs2 B-VG legt jene Grundsätze fest, die der Landesgesetzgeber bei der Regelung des Gemeinderatswahlrechtes zu beachten hat. Gemäß Art117 Abs2 erster Satz B-VG finden die Wahlen zum Gemeinderat - vorbehaltlich des zweiten Halbsatzes dieser Bestimmung - 'auf Grund es gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechtes aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben'. Nach Art117 Abs2 zweiter Satz B-VG dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes in der Wahlordnung nicht enger gezogen werden als in der Wahlordnung zum Landtag.
Die 'Bundesbürgerschaft'(heute: 'Staatsbürgerschaft') wird bereits bei Kelsen/Froehlich/Merkl (Die Bundesverfassung vom 1.10.1920 (1922), 94) als 'Bedingung' des aktiven Wahlrechtes gemäß Art26 B-VG bezeichnet; dies ergebe sich indirekt daraus, daß bestimmt werde, daß die Wahl des Nationalrates durch das Bundesvolk, das sei 'die Gesamtheit der Bundesbürger', zu wählen sei. Zu Art95 Abs2 B-VG 1920 führen Kelsen/Froehlich/Merkl (aaO, 195 f) aus, daß die Wahlordnung den Kreis der Wahlberechtigten nur weiter ziehen dürfe,
'soweit dies mit den Bestimmungen des (Art95) Abs1 im Einklang steht. So darf sie wohl die Altersgrenze unter das 20. Lebensjahr herabsetzen, sie darf aber z.B. nicht Ausländern das Wahlrecht zum Landtage geben, da nach Absatz 1 nur die im Lande wohnhaften Bundesbürger zum Landtag wahlberechtigt sein dürfen.'
Für die Wahlen zum Gemeinderat galt nach Art119 Abs2 und 3 B-VG 1920 - den Vorgängerbestimmungen des heutigen Art117 Abs2 B-VG - Entsprechendes. Demgemäß beschränken sich Kelsen/Froehlich/Merkl (aaO, 231) in ihren Erläuterungen zu diesen Bestimmungen auf die Bemerkung, daß durch sie widersprechenden Normen in den Gemeindewahlordnungen derogiert worden sei, und verweisen im übrigen auf die Erläuterungen zu Art95 B-VG 1920.
Der Begriff der 'Bedingungen' des Wahlrechtes wird von Kelsen/Froehlich/Merkl nicht zum ersten Mal verwendet, sondern stammt aus der vorrepublikanischen Rechtsordnung. So bestimmte bereits der - durch Art119 Abs2 B-VG 1920 derogierte - Art4 Abs2 StGG 1867, daß allen in einer Gemeinde wohnhaften und steuerpflichtigen Staatsbürgern das aktive und passive Wahlrecht zur Gemeindevertretung 'unter denselben Bedingungen' wie den Gemeindeangehörigen gebühren sollte. Auch in der österreichischen und deutschen Lehre des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wird der Begriff der 'Bedingung' des Wahlrechtes - zum Teil synonym mit den Begriffen 'Erfordernis' oder 'Voraussetzung' - verwendet (vgl. ausführlich Schick, Probleme der Wahlrechtsreform 1992, ÖJZ 1994, 289 (302)).
Ein (aktives oder passives) Wahlrecht von Ausländern zu einem allgemeinen Vertretungskörper hätte dem Wahlrechtsgrundsatz widersprochen, daß die allgemeinen Vertretungskörper nach dem B-VG 1920 von 'Bundesbürgern' ('Staatsbürgern') zu wählen sind. Ein Wahlrecht von Nichtstaatsbürgern (also auch: Unionsbürgern) zum Gemeinderat bedurfte daher unter dem B-VG 1920 einer entsprechenden bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung.
Art117 Abs2 vierter Satz B-VG ist nun, verfassungsrechtlich betrachtet, keineswegs die erste Bestimmung, die ein Wahlrecht von Nichtstaatsbürgern zu einem allgemeinen Vertretungskörper vorsieht (zum folgenden vgl. ausführlich Schick, Ist der Ausschluß der Auslandsösterreicher vom Wahlrecht verfassungswidrig?, ÖGZ 3/1989, 2):
Durch §1 des Gesetzes vom 9. Jänner 1919, StGBl. Nr. 15, wurde §11 der Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung, StGBl. Nr. 115/1918, um eine Bestimmung ergänzt, nach der unter der Bedingung der Gegenseitigkeit auch jene reichsdeutschen Staatsangehörigen wahlberechtigt waren, die am Tage der Verlautbarung der Wahlausschreibung ihren ordentlichen Wohnsitz in einer Gemeinde Deutschösterreichs hatten. Diese Gegenseitigkeitsklausel gegenüber dem Deutschen Reich wurde jedoch im Gefolge des Staatsvertrages von St. Germain durch eine Novelle zur Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung (Gesetz über die Wahlordnung zur Nationalversammlung vom 20. Juli 1920, StGBl. Nr. 316) wieder beseitigt. Zur Wahl in die Nationalversammlung 1920, die nach der - mit Vollzugsanweisung der Staatsregierung vom 21. Juli 1920, StGBl. Nr. 351, neu verlautbarten - Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung durchgeführt wurde, waren reichsdeutsche Staatsangehörige daher nicht wahlberechtigt.
Mit der B-VG-Novelle 1929 wurde das Ziel, Reichsdeutschen unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit ein Wahlrecht zum Nationalrat zu ermöglichen, wieder aufgegriffen. Der zweite Satz des durch ArtI Z12 der B-VG-Novelle 1929 zur Gänze neu gefaßten Art26 Abs1 B-VG war in der Regierungsvorlage (RV 382 BlgNR III. GP) noch nicht enthalten und geht auf einen Abänderungsantrag des (großdeutschen) Abgeordneten Dr. Schönbauer zurück (vgl. das Protokoll der 1. Sitzung des Verfassungsausschusses vom 29. November 1929, bei Berchtold, Die Verfassungsreform 1929. Dokumente und Materialien zur Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle von 1929 II (1979), 219 (223), insb. den in FN 261 wiedergegebenen Initiativantrag (238/A III. GP) betreffend die Verleihung des Wahlrechtes an in Österreich ansässige Männer und Frauen reichsdeutscher Staatsangehörigkeit). Die Ermächtigung des Art26 Abs1 zweiter Satz B-VG hat keine praktische Bedeutung erlangt und wurde durch die B-VG-Novelle 1968, BGBl. Nr. 412, - ohne Angabe von Gründen - aufgehoben (vgl. AB 1002 BlgNR XI. GP).
Wie die folgende Textgegenüberstellung zeigt, sind gewisse Ähnlichkeiten zwischen Art26 Abs1 B-VG (idF der B-VG-Novelle 1929) und Art117 Abs2 vierter Satz B-VG im Jahr 1994 feststellbar.
'Artikel 26. (1) Der Nationalrat
wird vom Bundesvolk auf Grund
des gleichen, unmittelbaren,
geheimen und persönlichen
Wahlrechtes der Männer und Frauen, die das einundzwanzigste
Lebensjahr vollendet haben, nach
den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Ob und
unter welchen Voraussetzungen
auf Grund staatsvertraglich
gewährleisteter Gegenseitigkeit
auch Personen, die nicht die Bundesbürgerschaft besitzen, das Wahlrecht zusteht, wird in dem Bundesgesetz über die Wahlordnung geregelt. Für die Wahl besteht Wahlpflicht in den Bundesländern, in denen dies
durch Landesgesetz angeordnet
wird ...'
'Artikel 117. (1) Die Wahlen in
den Gemeinderat finden auf Grund
des gleichen, unmittelbaren,
geheimen und persönlichen
Verhältniswahlrechts aller
Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben
... Unter den von den Ländern
festzulegenden Bedingungen steht
das aktive und passive Wahlrecht
auch den Staatsbürgern anderer
Mitgliedstaaten der Europäischen
Union zu. Die Bestimmungen über
die Wahlpflicht bei den Wahlen
zum Landtag (Art95 Abs1 letzter Satz) finden für die Wahlen in den Gemeinderat
sinngemäß Anwendung ...'
Beide Bestimmungen regeln denselben Gegenstand (Einräumung des Wahlrechtes an Nichtstaatsbürger) und weisen darüber hinaus eine auffallende sprachliche Ähnlichkeit in der Wortwahl auf. Die ungewöhnliche Formulierung, bestimmten Personen 'stehe' das Wahlrecht 'zu', wird in den anderen Wahlrechtsbestimmungen (der geltenden Fassung) des B-VG nicht verwendet. Auch die systematische Einordnung der Bestimmung unmittelbar vor dem die Wahlpflicht regelnden fünften Satz des Art117 Abs2 B-VG könnte als Indiz dafür angesehen werden, daß Art26 Abs1 B-VG (idF der B-VG-Novelle 1929) bei ihrer Formulierung als Vorbild gedient hat.
Während jedoch Art26 Abs1 B-VG in der Fassung der B-VG-Novelle 1929 zwischen der Entscheidung, ob Nichtstaatsbürgern ein Wahlrecht eingeräumt werden soll, und dessen Voraussetzungen differenziert, spricht Art117 B-VG lediglich von festzulegenden 'Bedingungen'. Im Gegensatz zu Art26 Abs1 B-VG in der Fassung der B-VG-Novelle 1929 enthält Art117 Abs2 B-VG also keine explizite Aussage darüber, wer von Verfassungs wegen ermächtigt sein soll, zu entscheiden, ob Nichtstaatsbürgern ein Wahlrecht zustehen soll. Warum dies so ist, kann allerdings nicht mit Sicherheit gesagt werden.
...
Bei Auslegung des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG kommen im wesentlichen zwei Auslegungsvarianten in Betracht:
Unter Zugrundelegung des Grundsatzes des Vorrangs der objektiven Auslegung (vgl. VfSlg. 2872/1955, 3437/1958, 4440/1963, 7698/1975, 8027/1977) müßte wohl der ersten Auslegungsvariante der Vorzug gegeben und ein gänzlicher Ausschluß der Unionsbürger von Wahlen zum Gemeinderat durch die Landesgesetzgebung als mit der Bundesverfassung unvereinbar angesehen werden:
Wie der Verfassungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen Slg. 4442/1963 und 8027/1977 in Bezug auf die Auslegung von Verfassungsvorschriften ausgesprochen hat, ist dann, wenn der völlig eindeutige und klare Wortlaut der Vorschrift Zweifel über den Inhalt der Regelung nicht aufkommen läßt, eine Untersuchung nicht möglich, ob nicht etwa die historische oder teleologische Auslegungsmethode einen anderen Inhalt ergeben würde. Bei unbefangener Betrachtung des Wortlautes des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG erscheint aber die Auslegung, diese Verfassungsbestimmung gestatte auch den gänzlichen Ausschluß derer, denen sie - wenn auch unter vom jeweiligen Landesgesetzgeber festzulegenden Bedingungen - das Wahlrecht zugesteht, vom Wahlrecht zum Gemeinderat, bei Auslegung nach dem Wortsinn und dem systematischen Zusammenhang nicht als vom Verfassungswortlaut gedeckt.
Demgegenüber ließen sich jedoch auch Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes ins Treffen führen, in denen etwa der Absicht des historischen Verfassungsgesetzgebers, eine vorgefundene einfachgesetzliche Rechtslage zu übernehmen, größeres Gewicht beigemessen wurde als dem scheinbar eindeutigen Wortlaut der Bundesverfassung (vgl. etwa VfSlg. 8524/1979)."
3.2. Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten-Völkerrechtsbüro hat sich wie folgt geäußert:
"Durch Art8b Abs1 EGV wird jedem Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen in diesem Mitgliedstaat unter denselben Bedingungen wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaates gewährt. Die nähere Ausgestaltung dieser primärrechtlichen Bestimmung erfolgte durch die Kommunalwahlrichtlinie (RL 94/80/EG des Rates vom 19.12.1994, ABl. Nr. L 368 vom 31.12.1994, geändert durch RL 96/30/EG des Rates vom 13.5.1996, ABl. Nr. L 122 vom 22.5.1996). Die Umsetzung der RL erfolgte durch das EU-Begleit-BVG (BGBl. Nr. 1013/1994) und die Wiener Gemeindewahlordnung 1996 (vgl. LGBl. Nr. 16/1996, kundgemacht am 28.3.1996).
Durch die RL 96/30/EG des Rates wurde der Anhang der RL 94/80/EG um folgenden Wortlaut betreffend Österreich ergänzt: 'in Österreich: Gemeinden, Bezirke der Stadt Wien'. Aus der gesonderten Erwähnung der Bezirke für die Stadt Wien und der Nichterwähnung Wiens bei den Gemeinden kann geschlossen werden, daß Österreich mit der Einräumung des Wahlrechts zu den Bezirksvertretungen in Wien an den wahlberechtigten Kreis von Unionsbürgern seine diesbezüglichen, Wien betreffenden gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen erfüllt hat. Für diese Auslegung spricht auch der Umstand, daß dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten bis dato keine Beschwerden von Seiten der Kommission in dieser Angelegenheit bekannt sind. Nach dem Wortlaut der RL kann freilich eine andere Interpretation nicht völlig ausgeschlossen werden, nämlich, daß der Hinweis auf Gemeinden im Anhang der RL auch die Gemeindeebene in Wien umfaßt.
Eine abschließende verfassungsrechtliche Beurteilung der im Zuge des Begleit-BVG getroffenen Novellierung des Art117 Abs2 B-VG sowie der Verfassungskonformität der einschlägigen Bestimmungen der Wiener Gemeindewahlordnung 1996 bleibt anderen Stellen vorbehalten."
3.3. Das Bundesministerium für Inneres hat sich wie folgt geäußert:
"Für das Bundesministerium für Inneres steht außer Zweifel, daß die Wiener Gemeindewahlordnung (insbesondere der von der Beschwerde betroffene §16) mit dem Recht der Europäischen Union im Einklang steht. Von dieser Tatsache geht auch die Beschwerde von O F K aus. Nach dem Wortlaut des Anhanges zur Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen (in seiner Fassung der Richtlinie 96/30/EG des Rates vom 13. Mai 1996), sind als Gebiet der lokalen Grundstufe (Art2) - abweichend von allen anderen Gemeinden Österreichs - die 'Bezirke in der Stadt Wien' zu verstehen. Hinsichtlich der Konformität des §16 der Wiener Gemeindewahlordnung mit dem Gemeinschaftsrecht scheint es auch keinerlei Auslegungsspielraum zu geben. In besonderem Maße ist der in der Beschwerde von P L aufgestellten Behauptung entgegenzutreten, wonach das Wiener Wahlrecht dem 'Gleichbehandlungsprinzip' widerspreche, weil Unionsbürger in München, einer zu Wien von der Größe der Einwohnerzahl vergleichbaren Stadt, für den Gemeinderat wahlberechtigt seien. Wien ist keinesfalls mit München vergleichbar, hat doch Wien - anders als München - gleichzeitig auch die Eigenschaft eines Landes. Maßstab bei den von Österreich im Zusammenhang mit der Erstellung der Kommunalwahlrichtlinie geführten Verhandlungen waren daher stets die Stadt-Staaten Bremen und Hamburg, in denen EU-Bürgern ebenfalls nur auf Bezirksebene das Wahlrecht eingeräumt wird.
Für die Beantwortung der Frage, ob die in Rede stehende Bestimmung der Wiener Gemeindewahlordnung auch mit Art117 B-VG in Einklang steht, ist insbesondere die historische Entwicklung im Zusammenhang mit dieser Bestimmung zu beleuchten. Mit dem am 21. Dezember 1994 in Kraft getretenen Art117 Abs2 B-VG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 1013/1994 wurde bereits vor Inkrafttreten, ja sogar Abfassen einer für Österreich verbindlichen EU-Richtlinie betreffend das Wahlrecht nichtösterreichischer EU-Bürger auf Kommunalebene eine Regelung geschaffen, die die Landesgesetzgeber ermächtigen sollte, den Betroffenen richtlinienkonform das aktive und passive Wahlrecht bei Gemeinderatswahlen einzuräumen. Dies sollte durch die zukunftsbezogene Wendung 'unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen ...' gewährleistet werden.
Zeitgleich mit der parlamentarischen Behandlung der genannten Bestimmung der Bundesverfassung im Herbst 1994 lag im Zusammenhang mit der Frage der von Österreich einzunehmenden Haltung in der Arbeitsgruppe des Rates der EU 'Aktives und passives Wahlrecht bei Kommunalwahlen' mit Datum 19. Dezember 1994 eine einhellige Stellungnahme der Länder im Sinne des Art23d Abs2 B-VG mit folgendem Wortlaut vor: 'Bei den im Anhang zur Richtlinie für Österreich anzuführenden lokalen Gebietskörperschaften der Grundstufe wären die Gemeinden und für Wien - wegen seiner Sonderstellung als Land und Gemeinde - die Bezirksvertretungen anzuführen'. Dementsprechend wurde in der genannten Arbeitsgruppe auch der Zugang nicht-österreichischer Unionsbürger zu Kommunalwahlen erörtert, ohne daß diese Erörterung in die zu beratende Richtlinie einfließen konnte, war doch Österreich noch nicht Mitglied der Europäischen Union. Erst nach erfolgtem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde nach neuerlichen Verhandlungen mit Datum vom 13. Mai 1996 die oben erwähnte Richtlinie 96/30/EG des Rates erlassen.
Aus dem ... beschriebenen historischen Ablauf wird offenkundig, daß sich der Bundes(verfassungs)gesetzgeber veranlaßt sah, eine die Kommunalwahl-Richtlinie widerspiegelnde Regelung zu schaffen, ohne den definitiven Inhalt der Richtlinie schon zu kennen. Nichts deutet darauf hin, daß er in Art117 Abs2 zweiter Satz B-VG die Anforderungen für die Teilnahme von nicht-österreichischen EU-Bürgern anders, insbesondere großzügiger und abweichend von der einhellig verabschiedeten Stellungnahme der Länder, gestalten wollte. Auch aus dem Ausschußbericht zu der unter anderem die Änderung des Art117 Abs2 betreffenden B-VG-Novelle ist als einziges Ziel der Gesetzesänderung herauszulesen, daß den Landesgesetzgebern die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, nicht-österreichischen EU-Bürgern bereits vor Inkrafttreten eines modifizierten Anhanges zur Kommunalwahl-Richtlinie ein entsprechendes Kommunal-Wahlrecht zu normieren; es findet sich jedoch auch dort kein Hinweis darauf, daß der Umfang des Wahlrechtes für nicht-österreichische EU-Bürger kraft Bundesverfassung größer sein soll, als durch die (geplante) Kommunalwahl-Richtlinie in Aussicht genommen.
Aus der beschriebenen außergewöhnlichen Situation resultiert eine in Art117 Abs2 B-VG verwendete Diktion, die gänzlich anders lautet, als sie in vergleichbaren Abschnitten der Bundesverfassung lauten würde:
a) In Art117 Abs2 zweiter Satz B-VG hat sich der Gesetzgeber - wie bereits angeführt - der Formulierung 'unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen' bedient. Im Wort 'festzulegenden' spiegelt sich der Auftrag des Verfassungsgesetzgebers an die Länder wider, die Kommunalwahl-Richtlinie umzusetzen, ohne daß er sich formell auf diese oder auch nur auf deren genauen Inhalt berufen hätte können.
b) Durch das Nicht-Anführen des Begriffes 'Gemeinderat' im zweiten Satz der in Rede stehenden Bestimmung wollte der Gesetzgeber dem Anschein nach eine Rechtslage schaffen, die eine neuerliche Novellierung der Bestimmung nach dem unmittelbar auf das Inkrafttreten gefolgten Beitritt Österreichs zur Europäischen Union entbehrlich machen sollte. Die Länder sollten so in die Lage versetzt werden, die Bestimmungen der Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 samt dem für Österreich relevanten, der einhelligen Stellungnahme entsprechenden Anhang ehestmöglich antizipieren zu können.
Mit dem speziell im Art117 Abs2 B-VG verwendeten Ausdruck 'unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen' hat der Verfassungsgesetzgeber eine - auf der Ebene der Bundesverfassung zulässige - formalgesetzliche Delegation an die EU-Normensetzung geschaffen. Im Lichte dieser Delegation ist bei der Beurteilung der Verfassungskonformität des Wiener Wahlrechtes direkt auf die Kommunalwahl-Richtlinie zurückzugreifen. Da die einschlägigen Bestimmungen des Wiener Wahlrechtes mit dieser in Einklang stehen, sind sie somit auch verfassungskonform."
II.Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden, die er wegen ihres sachlichen Zusammenhanges in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden hat, erwogen:
1.1. Die in den vorliegenden Beschwerdefällen maßgebliche Rechtslage ergibt sich aus Art117 Abs2 B-VG sowie aus §16 GWO.
1.1.1. Art117 Abs2 B-VG idF BGBl. 1994/1013 lautet wie folgt:
"Die Wahlen in den Gemeinderat finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechtes aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben; die Landesgesetze können jedoch vorsehen, daß auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind. In der Wahlordnung dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger gezogen sein als in der Wahlordnung zum Landtag. Es kann jedoch bestimmt werden, daß das aktive und passive Wahlrecht in den Gemeinderat Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht zukommt, wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist. Unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu. Die Bestimmungen über die Wahlpflicht bei den Wahlen zum Landtag (Art95 Abs1 letzter Satz) finden für die Wahlen in den Gemeinderat sinngemäß Anwendung. Die Wahlordnung kann bestimmen, daß die Wähler ihr Wahlrecht in Wahlkreisen ausüben, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muß. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. Für den Fall, daß keine Wahlvorschläge eingebracht werden, kann in der Wahlordnung bestimmt werden, daß Personen als gewählt gelten, deren Namen auf den Stimmzetteln am häufigsten genannt werden."
1.1.2. §16 GWO hat folgenden Wortlaut:
"(1) Wahlberechtigt sind alle Männer und Frauen, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben und am Stichtag (§3 Abs4)
(2) Wahlberechtigt zu den Bezirksvertretungswahlen sind auch Unionsbürger, die abgesehen von der österreichischen Staatsbürgerschaft die Bedingungen des Abs1 erfüllen."
1.2. Weiters sind im vorliegenden Zusammenhang auch Art8b Abs1 EGV und die dazu ergangene EG-(Kommunalwahl )Richtlinie samt Änderung bedeutsam.
1.2.1. Art8b Abs1 EGV lautet wie folgt:
"Jeder Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, hat in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Wohnsitz hat, das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen, wobei für ihn dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats. Dieses Recht wird vorbehaltlich der Einzelheiten ausgeübt, die vom Rat vor dem 31. Dezember 1994 einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments festzulegen sind; in diesen können Ausnahmeregelungen vorgesehen werden, wenn dies aufgrund besonderer Probleme eines Mitgliedstaats gerechtfertigt ist."
1.2.2.1. Die im vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Bestimmungen der Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Kommunalwahlen für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, ABl. Nr. L 368 vom 31.12.1994, S 38, lauten wie folgt:
"Artikel 1
(1) In dieser Richtlinie werden die Einzelheiten festgelegt, nach denen die Unionsbürger, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, dort das aktive und passive Wahlrecht bei den Kommunalwahlen ausüben können.
...
Artikel 2
(1) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) 'lokale Gebietskörperschaft der Grundstufe' die im Anhang aufgeführten Verwaltungseinheiten, die nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in allgemeiner, unmittelbarer Wahl gewählte Organe besitzen und auf der Grundstufe der politischen und administrativen Organisation für die Verwaltung bestimmter örtlicher Angelegenheiten unter eigener Verantwortung zuständig sind;
b) 'Kommunalwahlen' die allgemeinen, unmittelbaren Wahlen, die darauf abzielen, die Mitglieder der Vertretungskörperschaft und gegebenenfalls gemäß den Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaats den Leiter und die Mitglieder des Exekutivorgans einer lokalen Gebietskörperschaft der Grundstufe zu bestimmen;
...
(2) Wenn eine im Anhang aufgeführte lokale Gebietskörperschaft der Grundstufe aufgrund einer Änderung einzelstaatlicher Rechtsvorschriften durch eine andere lokale Gebietskörperschaft der Grundstufe ersetzt wird, die die in Absatz 1 Buchstabe a) genannten Aufgaben hat, oder wenn aufgrund einer solchen Änderung der Rechtsvorschriften eine lokale Gebietskörperschaft der Grundstufe abgeschafft oder geschaffen wird, teilt der betreffende Mitgliedstaat dies der Kommission mit.
Innerhalb von drei Monaten nach Erhalt einer solchen Mitteilung in Verbindung mit der Erklärung des Mitgliedstaats, daß die im Rahmen dieser Richtlinie zuerkannten Rechte unberührt bleiben, paßt die Kommission den Anhang durch die entsprechenden Ersetzungen, Streichungen oder Hinzufügungen an. Der solchermaßen geänderte Antrag wird im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.
Artikel 3
Jede Person, die am maßgeblichen Tag
a) Unionsbürger im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 2 des Vertrags ist und,
b) ohne die Staatsangehörigkeit des Wohnsitzmitgliedstaats zu besitzen, die Bedingungen erfüllt, an die die Rechtsvorschriften dieses Staates das aktive und das passive Wahlrecht seiner Staatsangehörigkeit knüpfen, besitzt das aktive und das passive Wahlrecht bei den Kommunalwahlen im Wohnsitzmitgliedstaat gemäß dieser Richtlinie.
...
Artikel 14
Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie vor dem 1. Januar 1996 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.
...
Artikel 15
Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.
Artikel 16
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 19. Dezember 1994.
...
Anhang
Im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe a) dieser Richtlinie gelten als 'lokale Gebietskörperschaften der Grundstufe':
in Dänemark: amtskommune, Kobenhavns kommune, Frederiksberg kommune, primärkommune;
in Belegien: commune/gemeente/Gemeinde;
in Deutschland: kreisfreie Stadt bzw. Stadtkreis, Kreis;
Gemeinde, Bezirk in der Freien und Hansestadt Hamburg und im Land Berlin; Stadtgemeinde Bremen in der Freien Hansestadt Bremen;
Stadt-, Gemeinde- oder Ortsbezirke bzw. Ortschaften;
in Griechenland: koinotis; dimos;
in Spanien: municipio, entidad de ambito territorial inferior al municipal;
in Frankreich: commune, arrondissement dans les villes determinees par la legislation interne, section de commune;
in Irland: county, county borough, borough, urban district, town;
in Italien: comune, circoscrizione;
in Luxemburg: commune;
in den Niederlanden: gemeente, deelgemeente;
in Portugal: municipio, freguesia;
im Vereinigten Königreich: counties in England; counties, county boroughs and communities in Wales; regions and Islands in Scotland; districts in England, Scotland and Northern Ireland; London boroughs; parishes in England; the City of London in relation to ward elections for common councilmen."
1.2.2.2. Die im vorliegenden Zusammenhang bedeutsamen Bestimmungen der Richtlinie 96/30/EG des Rates vom 13. Mai 1996 zur Änderung der Richtlinie 94/80/EG, ABl. Nr. L 122 vom 22.5.1996, S 14, lauten wie folgt:
"...
Im Anhang der Richtlinie 94/80/EG des Rates vom 19. Dezember 1994 ... werden die lokalen Gebietskörperschaften der Grundstufe aller Mitgliedstaaten aufgeführt.
Infolge des Beitritts von Österreich, Finnland und Schweden ist der Anhang der Richtlinie 94/80/EG zu ändern, um dort die lokalen Gebietskörperschaften der Grundstufe dieser drei Länder aufzunehmen.
...
Artikel 1
Der Anhang der Richtlinie 94/80/EG wird um folgenden Wortlaut ergänzt:
'in Österreich:
Gemeinden, Bezirke in der Stadt Wien,
in Finnland:
kunta, kommun, kommmun paa AAland,
in Schweden:
kommuner, landsting.'
Artikel 2
Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.
Artikel 3
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am 13. Mai 1996."
2.1. Das Vorbringen der beiden Beschwerdeführer geht - auf das Wesentliche zusammengefaßt - dahin, daß schon eine Wortinterpretation des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG ergebe, daß den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union von Bundesverfassungs wegen - somit als ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht - das aktive und passive Wahlrecht bei der Wahl des Gemeinderates zustehe und der Landesgesetzgeber nicht zur Schaffung dieses Wahlrechtes, sondern bloß zu dessen Ausgestaltung, nämlich zur näheren Regelung der Bedingungen, unter denen der grundsätzlich schon von Verfassungs wegen eingeräumte Anspruch zustehe, ermächtigt sei. Demnach sei der Ausschluß der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom Wahlrecht in den (Wiener) Gemeinderat und die Beschränkung ihres Wahlrechtes auf die Bezirksvertretung, wie §16 GWO dies vorsieht, bundesverfassungswidrig.
2.2. In der zu B3760/96 protokollierten Beschwerde wird darüber hinaus noch vorgebracht, daß die Richtlinie 96/30/EG des Rates vom 13. Mai 1996, insoweit sie das Kommunalwahlrecht der Unionsbürger, die nichtösterreichische Staatsbürger sind, auf die Bezirke der Stadt Wien beschränkt, mit dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Unionsbürger nicht in Einklang zu bringen sei; diesbezüglich wird die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art177 EGV angeregt.
3. Die ob der Verfassungsmäßigkeit des §16 GWO von den Beschwerdeführern erhobenen Bedenken treffen aus den nachstehenden Erwägungen nicht zu:
3.1. Anders als die Beschwerdeführer meinen, ist der Wortlaut des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG hinsichtlich der hier in erster Linie maßgeblichen Frage, ob damit den Unionsbürgern, die nicht österreichische Staatsbürger sind, ein subjektives (verfassungsgesetzlich gewährleistetes) Recht auf Teilnahme an der Wahl des Gemeinderates eingeräumt wird oder bloß die Länder (die Landesgesetzgeber) ermächtigt werden, nähere Regelungen über das aktive und passive Wahlrecht dieser Personen bei der Wahl des Gemeinderates zu erlassen, nicht eindeutig.
Auch eine systematische Auslegung, sei es im Kontext des
Art117 Abs2 B-VG selbst (insbesondere arg. "... die Bedingungen
des aktiven und passiven Wahlrechtes .." im zweiten Satz
leg.cit.; vgl. dazu Schnedl, ÖJZ 1995, 841, 850f.), sei es im
Zusammenhang mit anderen bundesverfassungsgesetzlichen
Regelungen, etwa mit Art95 Abs2 B-VG (arg. "... die Bedingungen
des aktiven und passiven Wahlrechtes ...") oder mit Art6 StGG
(arg. "... unter den gesetzlichen Bedingungen ...") sowie mit dem
Ausgestaltungsvorbehalt des Art12 StGG (vgl. zu beidem Mayer, ÖJZ 1997, 362, FN 8 und 11), führt zu keinem eindeutigen Ergebnis.
3.2. Vor diesem Hintergrund kommt aber dem entstehungsgeschichtlichen Zusammenhang der in Rede stehenden Regelung besondere Bedeutung zu. Dazu ist auf folgendes hinzuweisen:
3.2.1.1. Mit Note vom 10. August 1994, GZ 671.800/92-V/8/94, leitete das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst den Entwurf einer begleitenden Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union dem allgemeinen Begutachtungsverfahren zu. Dieser Entwurf sah unter anderem die folgende Neufassung des Art117 Abs2 B-VG vor (der hier vor allem maßgebliche vierte Satz ist hervorgehoben):
"(2) Die Wahlen in den Gemeinderat finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben; die Landesgesetze können jedoch vorsehen, daß auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind. In der Wahlordnung dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger gezogen sein als in der Wahlordnung zum Landtag. Es kann jedoch bestimmt werden, daß das aktive und passive Wahlrecht in den Gemeinderat Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht zukommt, wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist. Unter denselben Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu. Die Bestimmungen über die Wahlpflicht bei den Wahlen zum Landtag (Art95 Abs1 letzter Satz) finden für die Wahlen in den Gemeinderat sinngemäß Anwendung. Die Wahlordnung kann bestimmen, daß die Wähler ihr Wahlrecht in Wahlkreisen ausüben, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muß. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. Für den Fall, daß keine Wahlvorschläge eingebracht werden, kann in der Wahlordnung bestimmt werden, daß Personen als gewählt gelten, deren Namen auf den Stimmzetteln am häufigsten genannt werden."
Die Erläuterungen zu dieser Entwurfsbestimmung lauteten wie folgt:
"Art8b Abs1 des EG-Vertrages zielt darauf ab, daß alle Unionsbürger, unabhängig davon, ob sie Staatsangehörige des Wohnsitzmitgliedstaates sind oder nicht, im jeweiligen Wohnsitzmitgliedstaat ihr aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsbürger der betreffenden Staaten ausüben können. Deshalb müssen für Unionsbürger, die nicht Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaates sind, insbesondere bezüglich der Wohnsitzdauer und des Wohnsitznachweises die gleichen Bedingungen gelten, wie sie gegebenenfalls für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates gelten. Die geltende Regelung des Art117 Abs2 war daher in systementsprechender Weise zu erweitern."
3.2.1.2. Diese Entwurfsbestimmung ist im Begutachtungsverfahren auf die Kritik der Länder gestoßen.
In einer Stellungnahme der Landeshauptmännerkonferenz heißt es dazu:
"Was die endgültige Festlegung der Bestimmungen über das Kommunalwahlrecht von Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union anbelangt, sollte das Ergebnis der noch laufenden Beratungen über die endgültige Fassung der Richtlinie abgewartet werden."
Auch in der Stellungnahme der einzelnen Länder wurde überwiegend die Auffassung vertreten, daß eine derartige bundesverfassungsgesetzliche Regelung "verfrüht" sei und zunächst die Beschlußfassung und das Wirksamwerden der diesbezüglichen EG-Richtlinie (diese lag damals, nämlich im September 1994, noch nicht vor) abgewartet werden sollte. Besonders deutlich wurde diese Haltung in der Stellungnahme des Amtes der Wiener Landesregierung zum Ausdruck gebracht. Darin heißt es u.a.:
"Zum Kommunalwahlrecht für ausländische Unionsbürger hat Wien seine Position mit Schreiben vom 29. Juli 1994, Zl. MD-VfR-880/94, dem Bundeskanzleramt bekanntgegeben. Danach sollte von der geltenden Rechtslage, wonach der Wiener Gemeinderat auch die Funktion des Landtages hat, keinesfalls abgegangen werden. Im Anhang zur derzeit beratenen Richtlinie über das Kommunalwahlrecht für ausländische Unionsbürger wäre daher unbedingt zu verankern, daß dieses Wahlrecht in Wien nur für die Bezirksvertretungen besteht, da sonst Unionsbürger ohne österreichische Staatsbürgerschaft auch für ein gesetzgebendes Organ, nämlich den Wiener Landtag, wahlberechtigt wären. Dies entspräche weder den Intentionen der Richtlinie noch wäre dann eine Gleichbehandlung der österreichischen Landtage gegeben.
Wien hat seine Position im Wege des gemeinsamen Ländervertreters auch bereits in die zuständige Ratsgruppe eingebracht. Bei der Sitzung dieser Ratsgruppe vom
19./20. September 1994 wurden vom Vorsitzenden noch zwei weitere Sitzungen angekündigt. Die nächste soll Ende Oktober 1994 stattfinden.
Auf Grund dieser Ausführungen wird auch in den gegenständlichen Entwurf eine Bestimmung aufzunehmen sein, daß für Wien das Kommunalwahlrecht für ausländische Unionsbürger nur bei Wahlen zu den Bezirksvertretungen besteht. Eine entsprechende Ausnahme könnte z.B. im Text des derzeitigen Art112 B-VG verankert werden. Eine B-VG-Novelle, die nicht mit den Beratungsergebnissen aus Brüssel koordiniert ist, ist jedenfalls mit Nachdruck abzulehnen."
Die Stellungnahmen der Länder wurden auch dem Präsidium des Nationalrates zur Kenntnis gebracht.
3.2.2. Die von der Bundesregierung am 15. November 1994 beschlossene Regierungsvorlage eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz idF von 1929 geändert und das EWR-Bundesverfassungsgesetz aufgehoben wird, 27 BlgNR 19. GP, die im übrigen im wesentlichen auf den erwähnten Begutachtungsentwurf zurückgeht, enthielt keine den Art117 Abs2 B-VG neu fassende Entwurfsbestimmung.
Im Zuge der Ausschußberatungen wurde jedoch - basierend auf einem Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Peter Kostelka, Dr. Andreas Khol, Johannes Voggenhuber und Dr. Heide Schmidt, abweichend von der erwähnten Regierungsvorlage - die folgende, den Art117 Abs2 B-VG betreffende Neuregelung vorgeschlagen (der hier vor allem maßgebliche vierte Satz ist wiederum hervorgehoben):
"(2) Die Wahlen in den Gemeinderat finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts aller Staatsbürger statt, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben; die Landesgesetze können jedoch vorsehen, daß auch Staatsbürger, die in der Gemeinde einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, wahlberechtigt sind. In der Wahlordnung dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger gezogen sein als in der Wahlordnung zum Landtag. Es kann jedoch bestimmt werden, daß das aktive und passive Wahlrecht in den Gemeinderat Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht zukommt, wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist. Unter den von den Ländern festzulegenden Bedingungen steht das aktive und passive Wahlrecht auch den Staatsbürgern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu. Die Bestimmungen über die Wahlpflicht bei den Wahlen zum Landtag (Art95 Abs1 letzter Satz) finden für die Wahlen in den Gemeinderat sinngemäß Anwendung. Die Wahlordnung kann bestimmen, daß die Wähler ihr Wahlrecht in Wahlkreisen ausüben, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muß. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. Für den Fall, daß keine Wahlvorschläge eingebracht werden, kann in der Wahlordnung bestimmt werden, daß Personen als gewählt gelten, deren Namen auf den Stimmzetteln am häufigsten genannt werden."
Im Bericht des Verfassungsausschusses, 58 BlgNR 19. GP, 5, wird - bezugnehmend auf den erwähnten Abänderungsantrag - die folgende, vom Verfassungsausschuß beschlossene Feststellung wiedergegeben:
"Durch die vorgeschlagene Neuregelung in Art117 Abs2 B-VG werden die Landesgesetzgeber ermächtigt - jedoch nicht verpflichtet -, bereits vor dem Inkrafttreten einer künftigen EU-Richtlinie zum Kommunalwahlrecht ausländischen EU-Bürgern das aktive und passive Wahlrecht bei Gemeindewahlen einzuräumen."
3.2.3. Mit diesem Inhalt hat Art117 Abs2 B-VG Eingang in die B-VG-Novelle 1994, BGBl. 1013, gefunden.
Die Bestimmung ist gemäß Art151 Abs11 Z2 leg.cit. zugleich mit dem Staatsvertrag über den Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union, somit am 1. Jänner 1995, in Kraft getreten.
3.3.1. Für den Verfassungsgerichtshof ergibt sich daraus, daß - und dies ist im Hinblick auf die mangelnde Eindeutigkeit des Wortlautes der in Rede stehenden Regelung für deren Auslegung maßgeblich - der Verfassungsgesetzgeber mit dieser Bestimmung der B-VG-Novelle 1994 bloß dem Regelungsbedarf entsprechen wollte, der sich im Hinblick auf den (künftigen) Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und das damit verbundene Wirksamwerden der Kommunalwahlrichtlinie ergeben würde.
Dem entspricht aber die Deutung des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG in dem Sinne, daß damit der Landesgesetzgeber ermächtigt wird, - nach Maßgabe der diesbezüglich bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen - die näheren Bedingungen zu regeln, unter denen den Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union das aktive und passive Wahlrecht bei der Wahl des Gemeinderates zukommt. Im Hinblick auf den bundesverfassungsgesetzlichen Charakter dieser Ermächtigung wird damit ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht statuiert. Dagegen spricht nichts dafür, daß beabsichtigt war, - über dieses Ziel hinausgehend - von Bundesverfassungs wegen einen unmittelbaren Anspruch der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Teilnahme an der Wahl des Gemeinderates, und zwar auch in Wien, zu schaffen.
Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist dabei zu
berücksichtigen, daß ohne eine derartige bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung solche landesgesetzlichen Regelungen im Widerspruch zu Art117 Abs2 erster Satz B-VG stünden, der das Wahlrecht in den Gemeinderat auf österreichische Staatsbürger beschränkt.
Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ist weiters darauf hinzuweisen, daß anders als für das aktive und passive Wahlrecht österreichischer Staatsbürger in die allgemeinen Vertretungskörper, insbesondere in den Gemeinderat (s. dazu den soeben erwähnten Art117 Abs2 erster Satz B-VG), das aktive und passive Kommunalwahlrecht der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht notwendigerweise einer anspruchsbegründenden Regelung im österreichischen (Verfassungs )Recht bedarf. Dem Grunde nach ist dieser Anspruch nämlich schon in Art8b Abs1 erster Satz EGV bzw. in der EG-Kommunalwahlrichtlinie, insbesondere in deren Art3, vorgesehen. Für die mitgliedstaatlichen Ausführungsregelungen - in Österreich sind das die landesgesetzlichen Regelungen über das Gemeinderatswahlrecht nach Maßgabe der Art23d Abs5 iVm Art115 Abs2 B-VG im allgemeinen und die spezifische Ermächtigung des Art117 Abs2 vierter Satz leg.cit. im besonderen - folgt daraus, daß sie an einen derartigen - gemeinschaftsrechtlichen - Anspruch anknüpfen können und einen solchen nicht erst begründen müssen.
3.3.2. An dieser Stelle ist nun darauf hinzuweisen, daß die soeben vorgenommene Deutung des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG selbst vom Beschwerdeführer in dem zu B3113/96 protokollierten Verfahren als erwägenswert bezeichnet wird. (In der zu B3760/96 protokollierten Beschwerde wird der behauptete Widerspruch des §16 GWO zu Art117 Abs2 vierter Satz B-VG dagegen nicht näher begründet.)
Dieser Beschwerdeführer meint allerdings, daß eine solche Auffassung aus folgendem Grund unzutreffend sei: Gleichzeitig mit der hier erörterten Neuregelung der B-VG-Novelle 1994 sei auch die - nahezu gleichzeitig geschaffene - EG-Kommunalwahlrichtlinie in Kraft getreten. Am 1. Jänner 1995 wäre Österreich demnach verpflichtet gewesen, diese Richtlinie zu erfüllen und das Wahlrecht der Unionsbürger vorzusehen. Ein ganz entscheidender Punkt sei dabei, daß diese Pflicht auch für Wien bestand. Denn die zitierte Richtlinie habe zu diesem Zeitpunkt ohne Zweifel auch für Wien gegolten; die Ausnahme für Wien sei erst eineinhalb Jahre später - und zudem erst nach der Erlassung der Wiener Gemeindewahlordnung 1996 - durch die Richtlinie des Rates vom 13. Mai 1996, 96/30/EG, verfügt worden und am 22. Mai 1996 in Kraft getreten. Daraus folge, daß zum Zeitpunkt der Erlassung der B-VG-Novelle 1994 die gemeinschaftsrechtliche Situation für Wien nicht anders gewesen sei als für alle anderen Gemeinden. Man könne daher dem Verfassungsgesetzgeber nicht unterstellen, er habe die Geltung dieser Regelung für Wien "sicher nicht gewollt".
Diese Ausführungen sind unzutreffend:
Die EG-Kommunalwahlrichtlinie ist nämlich, wie sich aus deren Art15 ergibt, nicht am 1. Jänner 1995, sondern am 20. Jänner 1995, somit erst nach Inkrafttreten (des Art117 Abs2 idF) der B-VG-Novelle 1994, in Kraft getreten.
Österreich konnte also - anders als der erwähnte Beschwerdeführer meint - schon im Hinblick darauf am 1. Jänner 1995 keinesfalls verpflichtet sein, diese Richtlinie auszuführen und vorzusehen, daß auch Unionsbürgern, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, das Wahlrecht zum Gemeinderat - im allgemeinen und in Wien im besonderen - zukommt.
Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob die erwähnte Richtlinie (vgl. dazu deren oben in Pkt. II.1.2.2.1 wiedergegebenen Anhang) auf jene Staaten, die zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Rechtsvorschrift am 19. Dezember 1994 der EG noch nicht angehörten, sondern der Gemeinschaft erst am darauffolgenden 1. Jänner 1995 beigetreten sind, nicht Bedacht genommen hat. Dies ist vielmehr erst mit der Richtlinie 96/30/EG des Rates vom 13. Mai 1996, die am 22. Mai 1996 in Kraft getreten ist, geschehen. Diese Richtlinie enthält eine auf Österreich bezugnehmende Regelung, derzufolge - wie sich aus dem oben in Pkt. II.1.2.2.2. wiedergegebenen Text dieser Bestimmung ergibt - als "lokale Gebietskörperschaft der Grundstufe" die "Gemeinden, Bezirke in der Stadt Wien" festgelegt sind.
Jedenfalls ergibt sich nämlich, daß die am 1. Jänner 1995 bestehende Gemeinschaftsrechtslage, die - aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle - in ihren Einzelheiten zu beurteilen, nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist, keinen Anlaß gibt, anzunehmen, der Bundesverfassungsgesetzgeber habe mit der B-VG-Novelle 1994 für Unionsbürger, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Teilnahme an den Wahlen zum Gemeinderat auch in Wien schaffen wollen, um einer im genannten Zeitpunkt etwa bestandenen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zu genügen.
Somit erweisen sich die Argumente des Beschwerdeführers in dem zu B3113/96 protokollierten Verfahren als nicht stichhaltig, die er der von ihm erwogenen und - wie oben dargelegt - im Hinblick auf den Ermächtigungscharakter der Regelung vom Verfassungsgerichtshof für zutreffend gehaltenen Deutung des Art117 Abs2 vierter Satz B-VG entgegenhält.
3.4. Art117 Abs2 vierter Satz B-VG ist vielmehr allein dahingehend zu verstehen, daß es sich dabei um eine bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung des Landesgesetzgebers handelt, - abweichend vom ersten Satz dieser Bestimmung, wonach für das Wahlrecht zum Gemeinderat das Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft besteht - Regelungen betreffend das aktive und passive Wahlrecht von Unionsbürgern, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, auch bei der Wahl des Gemeinderates zu erlassen. Dagegen wird mit Art117 Abs2 vierter Satz B-VG kein verfassungsgesetzlich gewährleisteter Anspruch dieser Personen geschaffen, mit dem eine landesgesetzliche Regelung, die solches nicht vorsieht, im Widerspruch stehen könnte.
3.5. Die in den Beschwerden behaupteten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §16 GWO treffen nicht zu. Auch im übrigen sind - aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle - verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung nicht entstanden.
4. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §16 GWO sind die Beschwerdeführer durch die von ihnen bekämpften Bescheide nicht in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt worden.
5. Die vom Beschwerdeführer in dem zu B3113/96
protokollierten Verfahren geltend gemachte Verletzung in dem durch Art117 Abs2 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechtes bei der Wahl des (Wiener) Gemeinderates durch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Europäische Union ist allein deshalb ausgeschlossen, weil - wie sich aus dem bisher Gesagten ergibt - ein derartiges verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht gar nicht besteht.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären.
6. Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes ist nur zu entscheiden, ob ein Beschwerdeführer in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde. Welche Fragen der Gerichtshof zu beantworten hat, richtet sich ausschließlich nach den für seine Aufgabe maßgeblichen Vorschriften (EuGH Rs 6/64 Costa/ENEL, Slg. 1964, 1251 ff; 53/79 Damiani, Slg. 1980, 273 ff, 281 und 209-213/84 Asjes, Slg. 1986, 1425 ff, 1460) und damit nach dem Inhalt der in Betracht kommenden Grundrechte (VfGH 26.6.1997 B877/96). Die vom Beschwerdeführer in dem zu B3760/96 protokollierten Verfahren aufgeworfene Frage, ob die Richtlinie 96/30/EG des Rates vom 13. Mai 1996 mit dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Unionsbürger in Einklang zu bringen ist, fällt - aus der Sicht der vorliegenden Beschwerdefälle - nicht darunter. Der Verfassungsgerichtshof hat daher keinen Anlaß und Grund, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften diese Frage im Verfahren gemäß Art177 EGV vorzulegen.
7. Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.