V47/77 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Bei Entscheidung über die vorliegenden Anträge 1. auf Feststellung, daß die für die Landesregierung erlassene Dienstanweisung des Landeshauptmannes von Burgenland vom 28. Oktober 1977, Zl. LAD- 1852/22-1977, gesetzwidrig war, 2. auf Feststellung, daß die Punkte 1 bis 3 und 5 der für die Landesregierung erlassenen Dienstanweisung des Landeshauptmannes von Bgld. vom 24. November 1977, Zl. LAD- 1978/27-1977, sowie der Beschluß über die interne Geschäftsverteilung zur Vorbereitung der kollegialen Beratung und Beschlußfassung der Landesregierung durch ihre Mitglieder (Anlage A zur Dienstanweisung Zl. LAD-1978/27-1977) gesetzwidrig waren, 3. auf Aufhebung des Punktes 4 der für die Landesregierung erlassenen Dienstanweisung des Landeshauptmannes von Bgld. vom 24. November 1977, Zl. LAD-1978/27- 1977, wegen Gesetzwidrigkeit, 4. auf Aufhebung des Punktes 3 des Durchführungserlasses des Landeshauptmannes von Bgld. vom 7. Dezember 1977, Zl. LAD-1978/31-1977, wegen Gesetzwidrigkeit, ist zunächst zu untersuchen, ob dem Mitglied einer Landesregierung, dem die selbständige (monokratische) Erledigung von Angelegenheiten übertragen worden ist, ein subjektives Recht auf die Besorgung dieser Angelegenheiten zukommt. Der VfGH hat schon wiederholt ausgesprochen, daß Rechtsnormen, die die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter nicht berühren (z. B. bezüglich der Funktion richterlicher Organe Slg. 8187/1977 und bezüglich der Organfunktion eines Schulleiters Slg. 8210/1977) . Diese grundsätzliche Feststellung, an der der VfGH festhält, gilt allerdings nicht, soweit sich aus den in Betracht zu ziehenden Regelungen (verfassungsgesetzlicher oder einfachgesetzlicher Art) etwas anderes ergibt.
a) So ist aus den Bestimmungen über das gleiche, unmittelbare, geheime und persönliche Verhältniswahlrecht (Art. 26 Abs. 1, 95 Abs. 1 und 117 Abs. 2 B-VG) eine verfassungsgesetzliche Sicherung nicht nur des aktiven, sondern auch des passiven Wahlrechtes abzuleiten (vgl. Slg. 6087/1969, S 852) , wobei sich das passive Wahlrecht nicht in dem Recht erschöpft, gewählt zu werden, sondern auch gewählt zu bleiben und das auf die Wahl gegründete Amt auszuüben (vgl. Slg. 3169/1957, 3426/1958, 4560/1959, 6106/1969) . Demnach berühren Maßnahmen, die sich gegen die Ausübung eines durch Wahl empfangenen Mandates richten, die individuelle Rechtssphäre des Mandatars. Dabei erstreckt sich aber das aus dem passiven Wahlrecht abzuleitende Recht auf Ausübung einer Funktion nur auf den Schutz eines durch Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper, nicht aber auf den Schutz eines durch Wahl seitens eines solchen Vertretungskörpers empfangenen Mandates. So hat der VfGH ausgesprochen, daß das passive Wahlrecht zum Gemeinderat nicht auch das Recht auf Wahl in den Stadtrat gewährleistet (Slg. 3445/1958, S. 418) . Aus dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten passiven Wahlrecht ist somit für den Standpunkt der Antragsteller nichts zu gewinnen, so daß auf den Umstand nicht eingegangen zu werden braucht, daß in den vorliegenden Fällen nicht die Funktion der Antragsteller als Mitglieder der Landesregierung an sich, sondern nur ihre Zuständigkeit zur selbständigen (monokratischen) Erledigung von Angelegenheiten Gegenstand jenes Streites ist, der den Ausgangspunkt für die vorliegenden Verfahren bildet. Auch andere verfassungsgesetzliche Vorschriften, aus denen sich ein subjektives Recht von Mitgliedern einer Landesregierung auf Ausübung ihrer Zuständigkeiten ergäbe, bestehen nicht. Die Antragsteller leiten aus ihrer rechtlichen Verantwortlichkeit nach Art. 142 B-VG und Art. 41 L-VG ab, sie seien auch für die Ausübung oder Nichtausübung der einem Mitglied der Landesregierung übertragenen Kompetenzen verantwortlich, so daß eine Rechtsvorschrift, die die Kompetenzen von Mitgliedern der Landesregierung verfassungswidrig regelt, in ihre Rechtssphäre eingreife. Diese Argumentation ist jedoch nicht zielführend. {Bundes-Verfassungsgesetz Art 142, Art. 142 B-VG} (ebenso wie der darauf verweisende Art. 41 L-VG) regelt die Verantwortlichkeit der obersten Landesorgane für die durch ihre Amtsführung erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen. Eine solche Sanktionsvorschrift ist unabhängig davon, ob die Ausübung übertragener Kompetenzen auf Grund eines subjektiven Rechtes erfolgt; aus einer solchen Vorschrift kann daher auch nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines subjektiven Rechtsanspruches abgeleitet werden.
b) Auch einfachgesetzliche Vorschriften, aus denen sich ein subjektives Recht von Mitgliedern einer Landesregierung auf die Besorgung der ihnen übertragenen Angelegenheiten ergäbe, bestehen nicht, so daß die Frage dahingestellt sein kann, inwieweit der einfache Gesetzgeber in dem hier in Betracht zu ziehenden Bereich zur Erlassung solcher Bestimmungen zuständig wäre. In diesem Zusammenhang ist die Rechtslage zu erwähnen, die für die in {Bundes-Verfassungsgesetz Art 20, Art. 20 B-VG} neben der Gruppe der auf Zeit gewählten Organe angeführten zweiten Gruppe von Organen, nämlich die ernannten berufsmäßigen Organe, gegeben ist.
Soweit es sich dabei um die unter die Dienstpragmatik RGBl. 15/1914 fallenden Beamten handelt, hat bis zur Dienstpragmatik-Nov. 1969 BGBl. 148/1969 ein subjektives Recht der Beamten in bezug auf ihre Funktion nicht bestanden. Erst durch diese Nov. wurde im Rahmen des neugefaßten § 67 Abs. 4, 5 und 10 der Dienstpragmatik (der auch nach Inkrafttreten des Beamten-Dienstrechtsgesetzes BGBl. 329/1977 - siehe dessen § 130 Abs. 2 Z 2 - noch in Kraft steht) ein subjektives Recht darauf eingeräumt, von einer bestimmten Verwendung (Funktion) nicht abberufen zu werden. Diese Regelung gilt gemäß § 2 des Landesbeamtengesetzes LGBl. 14/1971 i. d. F. der Berichtigungskundmachung LGBl. 52/1971 und den §§ 3 und 38 des Gemeindebeamtengesetzes 1971 LGBl. 13/1972 auch für die Landesbeamten und die Gemeindebeamten in Bgld.
c) Mangels besonderer Regelungen besteht somit für die Mitglieder der Bgld. Landesregierung kein subjektives Recht auf die Besorgung der ihnen zur selbständigen (monokratischen) Erledigung übertragenen Angelegenheiten. Die Antragsteller können daher durch eine solche Übertragung betreffende Maßnahme, auch wenn sie gesetzwidrig wäre, in ihren Rechten nicht verletzt worden sein.
d) Ist somit durch die von den Antragstellern als Verordnung angefochtenen Vollziehungsakte in die Rechtssphäre der Antragsteller nicht eingegriffen worden, fehlt ihnen die Legitimation zur Antragstellung nach {Bundes-Verfassungsgesetz Art 139, Art. 139 B-VG}.