JudikaturVwGH

Ra 2025/19/0083 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
10. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2025, 1. I406 2272167 1/7E und 2. I406 22721661/6E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Parteien: 1. A B, und 2. R A), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1Der Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte sind miteinander verheiratet und Staatsangehörige Syriens. Der Erstmitbeteiligte stellte am 9. Juli 2021, die Zweitmitbeteiligte am 17. Oktober 2022 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag des Erstmitbeteiligten zunächst mit Bescheid vom 21. Dezember 2021 gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass sich der Erstmitbeteiligte nach Griechenland zurückzubegeben habe. Es erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG 2005) die Außerlandesbringung des Erstmitbeteiligten an und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 zulässig sei.

3Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 2022 wurde dieser Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen. Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, das BFA habe es unterlassen, sich näher mit der konkreten Rückkehrsituation in Griechenland auseinanderzusetzen.

4 In der Folge wies das BFA die Anträge der beiden Mitbeteiligten mit Bescheiden vom 6. April 2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab, erkannte ihnen den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihnen befristete Aufenthaltsberechtigungen.

5Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerden der Mitbeteiligten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt, erkannte ihnen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zu und stellte fest, dass ihnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die Erhebung einer Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

6 Das Bundesverwaltungsgericht stellte soweit für das Revisionsverfahren relevant fest, dass KB, dem Sohn der Mitbeteiligten, in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Es sei beim BFA gegen KB kein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten anhängig.

7In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Sohn der Mitbeteiligten sei gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Mitbeteiligten jeweils der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

9Das BFA bringt zur Begründung der Zulässigkeit der Revision vor, der gemeinsame Sohn der Mitbeteiligten sei im Jahr 1994 geboren worden und damit im Zeitpunkt der Stellung der Anträge auf internationalen Schutz seiner Eltern nicht mehr minderjährig gewesen. Indem das Bundesverwaltungsgericht den Mitbeteiligten den Status der Asylberechtigten gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 zuerkannt habe, sei es von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Familienangehörigenbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005 abgewichen, wonach Familienangehöriger der Elternteil eines minderjährigen Asylberechtigten (bzw. eines minderjährigen Asylwerbers oder subsidiär Schutzberechtigten) sei.

10Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem Revisionsbeantwortungen nicht erstattet wurden, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig und begründet.

12Für den vorliegenden Fall ist maßgeblich, dass der Verwaltungsgerichtshof in den in der Amtsrevision zitierten Entscheidungen ausgesprochen hat, dass der in § 34 AsylG 2005 verwendete Begriff des Familienangehörigenanders als etwa bei der Anwendung des § 35 AsylG 2005, der in seinem Abs. 5 festlegt, wer nach dieser Bestimmung als Familienangehöriger anzusehen istim Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu verstehen ist (vgl. VwGH 28.3.2023, Ra 2022/20/0391, mwN). Ist ein schutzberechtigtes Kind bereits im Zeitpunkt der Stellung der Anträge seiner Eltern auf internationalen Schutz volljährig, ist das Kind keinesfalls „minderjähriger“ Asylbzw. subsidiär Schutzberechtigter (mehr), weshalb die Legaldefinition des Familienangehörigen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005 auf die Eltern nicht zutrifft (vgl. VwGH 8.10.2024, Ra 2024/20/0394, mVa VwGH 4.4.2024, Ra 2023/01/0162).

13 Eine derartige Konstellation liegt auch im vorliegenden Revisionsfall vor:

14Das Bundesverwaltungsgericht traf zum Alter des Sohnes KB der Mitbeteiligten im Zeitpunkt der Antragstellung der Mitbeteiligten keine Feststellungen. Aus den vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergibt sich jedoch, dass KB am 22. Juni 1994 geboren wurde; dies wurde vom erkennenden Richter des Bundesverwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung festgehalten und die Karte für Asylberechtigte (§ 51a AsylG 2005) des KB, die dessen Geburtsdatum enthält, wurde der Niederschrift der mündlichen Verhandlung in Kopie als Beilage angeschlossen.

15Der in Österreich asylberechtigte Sohn der Mitbeteiligten KB war im Zeitpunkt der Stellung der Anträge auf internationalen Schutz seiner Eltern am 9. Juli 2021 und am 17. Oktober 2022 somit bereits volljährig. Den oben dargelegten Leitlinien folgend erfüllten die Mitbeteiligten nicht die gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 notwendige Voraussetzung, in Bezug auf ihren Sohn Familienangehörige (iSd § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005) zu sein.

16Infolge dessen war es nicht zulässig, den Mitbeteiligten unter Anwendung des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und von der Prüfung Abstand zu nehmen, ob es die von ihnen zu einer Verfolgung im Herkunftsstaat vorgebrachten Gründe rechtfertigten, ihnen diesen Status nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zu gewähren.

17Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 10. September 2025