Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Stüger, über die Revisionen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen die am 24. Mai 2024 mündlich verkündeten und am 28. Mai 2024 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes jeweils vom 28. Mai 2024, 1. I413 2284105 1/10E, 2. I413 2284101 1/10E, 3. I413 2284103 1/10E und 4. I413 2284104 1/10E, betreffend jeweils Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Parteien: 1. Z K, 2. H A, 3. G K, und 4. N K, 3. und 4. vertreten durch Z K, alle in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
1 Der Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte sind miteinander verheiratet und die Eltern des Drittmitbeteiligten und der Viertmitbeteiligten. Die mitbeteiligten Parteien sind Staatsangehörige von Syrien. Sie stellten am 9. September 2022 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab diesen Anträgen insofern statt, als es den Mitbeteiligten mit Bescheiden jeweils vom 27. November 2023 den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte mit der Gültigkeit für die Dauer eines Jahres erteilte. In Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung des Asylberechtigten wurden die von den Mitbeteiligten gestellten Anträge jedoch abgewiesen.
3 Dagegen erhoben die Mitbeteiligten Beschwerden und brachten unter anderem vor, es hätte auch geprüft werden müssen, ob sie den Asylstatus von dem in Österreich aufhältigen asylberechtigten Sohn (und Bruder) im Rahmen eines Familienverfahrens ableiten könnten.
4 Das Bundesverwaltungsgericht gab diesen Beschwerden nach Durchführung einer Verhandlung mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen statt und sprach aus, dass den mitbeteiligten Parteien gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt werde, dass ihnen damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die Erhebung einer Revision wurde vom Verwaltungsgericht für jeweils nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig erklärt.
5 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass dem am 26. Juli 2003 geborenen Sohn der erst und zweitmitbeteiligten Partei (Bruder der dritt und viertmitbeteiligten Partei), Dari K., mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2. Mai 2021 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden und er im Zeitpunkt seiner Antragstellung minderjährig gewesen sei. Rechtlich erachtete das Verwaltungsgericht, aufgrund des Umstandes, dass dem Sohn (und Bruder) der Mitbeteiligten der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei und dieser als Familienangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 gelte er sei ein minderjähriger Asylwerber gewesen , sei gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG 2005 den Mitbeteiligten derselbe Status wie Dari K., somit der Status von Asylberechtigten, zuzuerkennen.
6 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene Revisionen, die vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Vom Verwaltungsgerichtshof wurde das Vorverfahren eingeleitet. Es wurden keine Revisionsbeantwortungen erstattet.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revisionen in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Ra 2023/01/0162 (Erkenntnis vom 4. April 2024), ab, wonach es auf den Umstand, dass das Kind zu dem Zeitpunkt, als ihm selbst (originär) der Status des Asylberechtigten (bzw. des subsidiär Schutzberechtigten) zuerkannt worden sei, noch minderjährig gewesen sei, nach dem Gesetz nicht ankomme. Die Vorschriften über das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 seien in diesem Fall nicht anwendbar, weil das (mittlerweile) volljährige Kind keine taugliche Bezugsperson sei.
9 Die Revisionen erweisen sich aus diesem Grund als zulässig. Sie sind auch berechtigt.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 4. April 2024, Ra 2023/01/0162, des Näheren damit befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen Eltern im Familienverfahren nach § 34 Abs. 1 Z 1 oder Z 2 AsylG 2005 einen Schutzstatus von einem Kind, das diesen Schutz bereits früher erhalten hat, ableiten können. Es kann daher dazu gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.
11 Für den vorliegenden Fall ist maßgeblich, dass der Verwaltungsgerichtshof in der zuvor zitierten Entscheidung ausgesprochen hat, dass in dem Fall, in dem ein schutzberechtigtes Kind bereits im Zeitpunkt der Stellung der Anträge seiner Eltern auf internationalen Schutz volljährig sei, das Kind keinesfalls „minderjähriger“ Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigter (mehr) sei, weshalb die Legaldefinition des Familienangehörigen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005 auf die Eltern nicht zutreffe. Auf den Umstand, dass das Kind zu dem Zeitpunkt, als ihm selbst (originär) der Status des Asylberechtigten (bzw. des subsidiär Schutzberechtigten) zuerkannt wurde, noch minderjährig gewesen sei, komme es nach dem Gesetz nicht an. Die Vorschriften über das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 seien in diesem Fall nicht anwendbar, weil das (mittlerweile) volljährige Kind keine taugliche Bezugsperson sei, von dem die Eltern den Status von Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 oder Abs. 3 (iVm Abs. 1 Z 1 oder Z 2) AsylG 2005 ableiten könnten. Davon ausgehend könnten aber auch allfälligen weiteren (minderjährigen, ledigen) Geschwistern der Bezugsperson nämlich in Ableitung von den Eltern nach Maßgabe des § 34 Abs. 6 Z 2 letzter Halbsatz AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten nicht im Familienverfahren zuerkannt werden (vgl zum Ganzen VwGH 4.4.2024, Ra 2023/01/0162, insbesondere Rz 24 ff, samt den dort zitierten Nachweisen).
12 Eine solche Konstellation liegt auch im vorliegenden Revisionsfall vor:
13 Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes war die Bezugsperson der erst und zweitmitbeteiligten Parteien, der in Österreich asylberechtigte Sohn, im Zeitpunkt der Antragstellung seiner Eltern bereits volljährig.
14 Den oben dargelegten Leitlinien folgend konnte dieser nicht als Bezugsperson, von dem die Eltern im Familienverfahren nach § 34 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG 2005 einen Schutzstatus ableiten möchten, angesehen werden. Davon ausgehend kann auch den minderjährigen Geschwistern der Bezugsperson, der Dritt und dem Viertmitbeteiligten, in Ableitung von den Eltern nach § 34 Abs. 6 Z 2 letzter Halbsatz AsylG 2005 kein Status von Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt werden.
15 Infolgedessen war es nicht zulässig, den Mitbeteiligten unter Anwendung des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen und von der Prüfung Abstand zu nehmen, ob es die von ihnen zu einer Verfolgung im Herkunftsstaat vorgebrachten Gründe rechtfertigten, ihnen diesen Status nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen.
16 Die angefochtenen Erkenntnisse waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 8. Oktober 2024