Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Dr. Horvath und die Hofrätin Dr. in Oswald als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2022, W101 2247685 1/11E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (Mitbeteiligte: J I), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
1 Die im Jänner 2000 geborene Mitbeteiligte, eine Staatsangehörige von Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 1. April 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. September 2021 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab, soweit die Mitbeteiligte damit die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten begehrt hatte. Es wurde ihr allerdings unter einem gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine für ein Jahr gültige befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt.
3 Die Behörde ging soweit für das Revisionsverfahren von Interesse davon aus, dass die Mitbeteiligte im Heimatland keiner asylrelevanten Verfolgung unterliege. Sie habe Syrien deswegen verlassen, um zu ihrem in Österreich aufhältigen Ehemann (R A A), mit dem es im Herkunftsstaat aber nie ein Familienleben gegeben habe, zu kommen.
4 Es sei ihr auch nach § 34 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten nicht zuzuerkennen. Die Behörde habe aufgrund des Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn unter anderem die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich sei. Das sei jedoch im Fall der Mitbeteiligten nicht gegeben, weil vor der Einreise nie ein Eheleben zwischen ihr und ihrem Ehemann bestanden habe. Einerseits sei der Ehemann im Zeitpunkt der Eheschließung in Österreich wohnhaft gewesen (aus den vorgelegten Verfahrensakten ergibt sich, dass dieser nach unrechtmäßiger Einreise in Österreich am 29. September 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte und die Eheschließung am 1. Oktober 2020 in Talin/Syrien vorgenommen worden war), andererseits gehe aus der (syrischen) Heiratsurkunde hervor, dass nicht beide Eheleute bei der Eheschließung persönlich anwesend gewesen seien. Voraussetzung dafür, als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu gelten, sei, dass die Ehe bereits vor der Einreise des Asylberechtigten bestanden habe. Die Mitbeteiligte lebe in Österreich seit April 2021 mit ihrem Ehemann zusammen. Es liege somit zwar ein im Sinn von Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben in Österreich vor. Jedoch sei die Voraussetzung, wonach die Ehe vor der Einreise des Asylberechtigten (oder subsidiär Schutzberechtigten) bereits im Herkunftsstaat bestanden haben müsse, nicht gegeben.
5 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid, soweit ihr damit die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten versagt wurde, Beschwerde.
6 Vom Bundesverwaltungsgericht wurde der Beschwerde mit Erkenntnis vom 21. Juni 2022 stattgegeben und der Mitbeteiligten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt sowie gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass der Mitbeteiligten nach § 34 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen sei, weil ihrer am 8. Dezember 2021 in Österreich geborenen Tochter der Status der Asylberechtigten (abgeleitet von ihrem Vater nach § 34 AsylG 2005) zuerkannt worden sei. Es müsse infolgedessen nicht geprüft werden, ob die Mitbeteiligte allfällige eigene Fluchtgründe aufweise.
7 Diese Entscheidung wurde vom Verwaltungsgerichtshof über Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl mit Erkenntnis vom 14. September 2022, Ra 2022/20/0195, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Dafür maßgeblich war, dass die Mitbeteiligte zwar im Verhältnis zu ihrer Tochter als Elternteil einer minderjährigen Asylberechtigten und somit als Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005 anzusehen war. Jedoch hatte das Bundesverwaltungsgericht nicht beachtet, dass in Bezug auf diese Konstellation die Bestimmung des § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Mitbeteiligte entgegenstand, weil ihre Tochter diesen Status selbst unter Anwendung der Vorschriften des § 34 AsylG 2005 zuerkannt erhalten hatte. Mit der Frage, ob die Mitbeteiligte den Status der Asylberechtigten als Familienangehörige von R A A ableiten könne, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof anlässlich dieser Entscheidung nicht zu beschäftigen, weil das Bundesverwaltungsgericht dafür keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte; im Besonderen auch nicht für die fallbezogen erforderliche Beurteilung, ob angesichts der Eheschließung im Weg der Stellvertretung überhaupt eine Ehe, die auch in Österreich als gültig anzusehen ist, vorliegt.
8 Im fortgesetzten Verfahren erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Mitbeteiligten neuerlich gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zu und stellte gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 fest, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
9 Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dem (seit seiner im Jahr 2014 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet hier lebenden) R A A sei mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11. Dezember 2014 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Die Mitbeteiligte habe R A A am 1. Oktober 2020 geheiratet. Die Eheschließung sei in Syrien vorgenommen worden. R A A habe sich zu diesem Zeitpunkt (bereits) in Österreich befunden. Er sei bei der (in Syrien abgehaltenen) Trauung nicht anwesend gewesen, sondern dort von seinem Vater vertreten worden. Nach syrischem Recht sei eine Stellvertretung bei der Eheschließung „gemäß Art. 8 PSG“ zulässig und auch üblich. Demzufolge habe die Ehe der Mitbeteiligten mit R A A, die auch rechtswirksam geschlossen worden sei, bereits vor ihrer Einreise in Österreich bestanden. Die Mitbeteiligte sei „spätestens“ am 1. April 2021 unrechtmäßig in Österreich eingereist. Sie habe hier an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
10 In der rechtlichen Beurteilung ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass ungeachtet der Eheschließung durch Stellvertretung eine Verletzung des „ordre public“ nicht vorliege, weil die Ehe von der Mitbeteiligten erkennbar gemeint: und auch von R A A aus freien Stücken eingegangen worden sei. Die Ehe sei somit auch in Österreich als gültig anzusehen.
11 Es sei daher zu prüfen, ob die Mitbeteiligte infolge ihrer Ehe mit einem Asylberechtigten als Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 gelte und § 34 AsylG 2005 anzuwenden sei. Die Ehe habe zwar noch nicht zum Zeitpunkt der Einreise des R A A in das Bundesgebiet, aber bereits vor der Einreise der Mitbeteiligten bestanden. Anders als § 35 Abs. 5 AsylG 2005, nach dessen Wortlaut Ehegatten nur dann Familienangehörige seien, wenn die Ehe bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, setze § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 lediglich voraus, dass die Ehe „vor der Einreise“ bestanden habe, ohne dass darin „präzisiert“ werde, auf wessen Einreise abzustellen sei.
12 In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass einfachgesetzliche Regelungen stets verfassungskonform ausgelegt werden müssten, wenn dies nach dem Wortlaut möglich sei. In Art. 2 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern sei der verfassungsrechtliche Anspruch des Kindes auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen normiert. Ein Kind habe grundsätzlich Anspruch auf „verlässliche Kontakte“ zu beiden Elternteilen. Vor diesem Hintergrund widerspräche es dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch des Kindes auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 dahin auszulegen, dass die Ehe zwischen den Elternteilen bereits vor Einreise beider Elternteile bestanden haben müsse. Andernfalls bestünde in Konstellationen wie im gegenständlichen Fall die Möglichkeit, dass der Status des Asylberechtigten einem Elternteil und dem Kind zuerkannt und dem zweiten Elternteil verwehrt würde. Eine daraus resultierende Trennung des Kindes und eines seiner Elternteile würde eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen. Folglich sei § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 dahin auszulegen, dass die Mitbeteiligte als Ehefrau des R A A die dortige, sich auf Ehegatten beziehende Definition erfülle. Somit könne die Mitbeteiligte den Status der Asylberechtigten von ihrem Ehemann, dem dieser Status bereits früher zuerkannt worden sei, ableiten. Aufgrund der Bestimmungen des § 34 Abs. 2 und Abs. 4 AsylG 2005 sei ihr daher ebenfalls dieser Status zuzuerkennen, ohne dass es erforderlich sei zu prüfen, ob sie eigene Fluchtgründe habe.
13 Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht bloß mit der Verneinung der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG.
14 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erhobene Revision, die vom Bundesverwaltungsgericht samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Vom Verwaltungsgerichtshof wurde das Vorverfahren eingeleitet. Es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
16 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, es sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bislang nicht geklärt, ob die in § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 enthaltene Wortfolge „sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft vor der Einreise bestanden hat“ auf die Einreise sowohl des Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, als auch auf die Einreise jener Person, der in Österreich bereits früher der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden war, abstellt oder es für die Erfüllung des Begriffs des Familienangehörigen nach dieser Bestimmung genügt, wenn die Ehe vor der Einreise jenes Fremden bestanden hat, der den späteren Antrag auf internationalen Schutz stellt. Nach Ansicht der revisionswerbenden Behörde liege der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 was sich aus den Materialien zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 ableiten lasse der Art. 9 Abs. 2 Familienzusammenführungsrichtlinie zugrunde, wonach die Mitgliedstaaten die Anwendung des Kapitels V dieser Richtlinie betreffend die Familienzusammenführung von Flüchtlingen auf (die Familienangehörigen jener) Flüchtlinge beschränken könnten, deren familiäre Bindungen bereits vor ihrer Einreise bestanden hätten. Da die Familienzusammenführungsrichtlinie nur (die Familienangehörigen jener) Flüchtlinge erfasse, die bereits einen Schutzstatus erhalten hätten, könne für die Erfüllung des Begriffs des Familienangehörigen nach § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 nicht bloß die Einreise des (später) antragstellenden Fremden ausschlaggebend sein. Das Bundesverwaltungsgericht habe der Mitbeteiligten sohin zu Unrecht den Status der Asylberechtigten unter Anwendung der Vorschriften des § 34 AsylG 2005 zuerkannt. In den Revisionsgründen tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zudem den Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, es sei aus den Gründen des Kindeswohls geboten, der Mitbeteiligten den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, weil diese worauf der Verwaltungsgerichtshof bereits im sie betreffenden Erkenntnis Ra 2022/20/0195 hingewiesen habe ohnedies aufgrund der ihr als subsidiär Schutzberechtigten erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigung rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei.
17 Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig. Sie ist (im Ergebnis) auch begründet.
18 Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten (auszugsweise und samt Überschrift):
„Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. ...
...
22. Familienangehöriger:
a. ...
b. der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;
c. ...
...
...
...
Familienverfahren im Inland
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) ...
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“
19 Vorweg ist anzumerken, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Revision auf seine früher in Bezug auf die Ehe der Mitbeteiligten erkennbar geäußerten Zweifel, ob einerseits die in Abwesenheit des Bräutigams (R A A) unter Mitwirkung eines Stellvertreters in Syrien geschlossene Ehe in Österreich mit Blick auf die Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG überhaupt Rechtswirkungen zu entfalten vermöge (vgl. zu den Kriterien der Prüfung, ob eine derart geschlossene Ehe dem „ordre public“ widerspricht, OGH 1.12.2022, 5 Ob 42/22w; dort auch mit Hinweis auf VwGH 23.2.2021, Ra 2019/22/0226; vgl. dazu weiters VwGH 12.11.2020, Ra 2020/22/0198; 25.4.2019, Ra 2019/22/0043; 19.9.2017, Ra 2016/20/0068) und ob andererseits im Fall der Mitbeteiligten (auch wenn sie nach § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 als Familienangehörige des R A A anzusehen sein sollte) nicht die Anwendung der Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 aufgrund des § 34 Abs. 6 Z 3 AsylG 2005 ausgeschlossen sein könnte (vgl. zu dieser Bestimmung ausführlich VwGH 15.12.2021, Ra 2021/20/0105; sowie darauf Bezug nehmend VwGH 17.5.2022, Ra 2021/19/0209), nicht mehr zurückkommt. Dass die dazu vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung ungeachtet der dabei vorhandenen Begründungsmängel nicht dem Gesetz entsprochen hätte, macht die revisionswerbende Behörde sohin nicht geltend. Da infolgedessen auch die Relevanz von Verfahrensfehlern in der Revision nicht dargestellt wird, ist dem Bundesverwaltungsgericht auf Basis des von ihm (nach Ergänzung seiner Feststellungen nunmehr) angenommenen Sachverhalts nicht entgegenzutreten, wenn es (zum Teil: im Ergebnis) davon ausging, es liege eine auch in Österreich gültige Ehe vor und § 34 Abs. 6 Z 3 AsylG 2005 stehe der Anwendung der (übrigen) Bestimmungen des § 34 AsylG 2005 nicht entgegen. Auf diese vom Verwaltungsgerichtshof im die Mitbeteiligte betreffenden Vorerkenntnis Ra 2022/20/0195 noch angesprochenen Themen war daher im gegenständlichen Revisionsverfahren nicht weiter im Detail einzugehen.
20 Für die Lösung des vorliegenden Revisionsfalles ist somit maßgeblich, ob die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten an die Mitbeteiligte vom Bundesverwaltungsgericht zu Recht auf die Bestimmung des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 gegründet wurde.
21 Der in § 34 AsylG 2005 verwendete Begriff des Familienangehörigen ist anders als etwa bei der Anwendung des § 35 AsylG 2005, der in seinem Abs. 5 festlegt, wer nach dieser Bestimmung als Familienangehöriger anzusehen ist im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu verstehen (vgl. VwGH 14.9.2022, Ra 2022/20/0195, mwN).
22 Dem Bundesverwaltungsgericht ist beizupflichten, dass allein aus dem (aktuellen) Wortlaut des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 nicht hervorgeht, auf wessen Einreise sich die darin enthaltene Wendung „sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat“ bezieht.
23 Um die fallbezogen strittige Frage zu klären, ob die Mitbeteiligte aufgrund ihrer Ehe mit R A A als Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 anzusehen ist, erscheint es sohin und nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für die Richtigkeit der von ihm vertretenen Rechtsansicht auf den Willen des Gesetzgebers beruft zweckmäßig, die historische Entwicklung und die bisherigen (mehrfachen) Änderungen des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 sowie soweit anhand der Materialien eruierbar die diesbezüglichen Beweggründe darzustellen.
24 Das (am 1. Jänner 1998 in Kraft getretene) Asylgesetz 1997 AsylG (BGBl. I Nr. 76/1997) enthielt zunächst in seinem die Begriffsbestimmungen festlegenden § 1 bis zum 30. April 2004 keine Definition des Familienangehörigen. Der den Asylerstreckungsantrag regelnde § 10 Abs. 1 AsylG sprach in seiner bis 30. April 2004 geltenden Fassung davon, dass Fremde „mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl“ begehren. Der Begriff des „Angehörigen“ wurde nicht ausdrücklich definiert, jedoch in § 10 Abs. 2 AsylG festgelegt, dass Asylerstreckungsanträge „frühestens zur selben Zeit wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden“ können und nur zulässig sind „für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder [...], für Ehegatten überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den Asylantrag eingebracht hat“. Die für Ehegatten normierte Einschränkung, einen Asylerstreckungsantrag stellen zu können, wurde in den Materialien damit begründet, dass mit dieser einschränkenden Regelung der Möglichkeit entgegengewirkt werden sollte, dass sich Fremde die Asylgewährung „gleichsam erheiraten“. Asylerstreckungsanträge sonstiger „Angehöriger“ seien als unzulässig zurückzuweisen (RV 686 BlgNR 20. GP, 21).
25 Mit der AsylG Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, wurde in das AsylG erstmals eine Definition des Begriffs des „Familienangehörigen“ aufgenommen. Gemäß § 1 Z 6 AsylG in dieser von 1. Mai 2004 bis zur Aufhebung des AsylG mit 31. Dezember 2005 gültigen Fassung war „Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist“. Allerdings war in der Bestimmung des § 10 Abs. 1 AsylG betreffend die Möglichkeit eines Ehegatten, einen „Antrag auf Gewährung desselben Schutzes“ im (nach dem ab Inkrafttreten der AsylG Novelle 2003 in § 10 AsylG damals neu vorgesehenen) Familienverfahren zu stellen, (wie im vorherigen § 10 Abs. 2 AsylG) die Einschränkung enthalten, dass ein solcher Antrag von einem Ehegatten nur dann gestellt werden konnte, „wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat“.
26 Den Materialien zur AsylG Novelle 2003 ist zu § 1 Z 6 AsylG zu entnehmen, dass die Ergänzungen der Begriffsbestimmungen eine „Fortsetzung der Definitionen des Asylgesetzes 1997“ seien, sich aus den Erfordernissen dieser Novelle ergäben, und der leichteren Lesbarkeit der einzelnen Bestimmungen dienten. Der Begriff der „Kernfamilie“ sollte (nach dem Fremdengesetz 1997) auch in das Asylgesetz 1997 Eingang finden; diese bestehe aus den Eltern und den unverheirateten minderjährigen Kindern; die Minderjährigkeit richte sich nach österreichischem Recht (§ 21 ABGB) und ende mit der Vollendung des 18. Lebensjahres (RV 120 BlgNR 22. GP, 13). Zu § 10 Abs. 1 AsylG wird dort ausgeführt, diese Bestimmung diene der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband und ersetze die „sogenannte Asylerstreckung“. Die Bestimmungen des § 10 seien auf die Ehegatten und minderjährigen, unverheirateten Kinder eines Asylberechtigten oder eines Asylwerbers oder sonst Schutzberechtigten anzuwenden (RV 120 BlgNR 22. GP, 15). Die Einschränkung, dass die Möglichkeit, einen Antrag nach § 10 stellen zu können, für Ehegatten nur gelte, „wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat“, wurde in den Materialien nicht kommentiert. Erkennbar liegt aber der Fortschreibung dieser bereits in § 10 Abs. 2 AsylG in der Fassung vor der AsylG Novelle 2003 enthaltenen Wendung weiterhin die vom Gesetzgeber schon davor verfolgte Intention zugrunde, wonach mit dieser Einschränkung dem entgegengewirkt werden sollte, dass sich Fremde die Asylgewährung „gleichsam erheiraten“.
27 Mit dem Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005) wurde (unter anderem) das AsylG 2005 erlassen, das gemäß dessen § 73 Abs. 1 am 1. Jänner 2006 in Kraft getreten ist. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 in der Stammfassung sah vor, dass „Familienangehöriger“ ist, „wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat“. Soweit es die Ehegatten betrifft, wurde dazu in den Materialien festgehalten: „Die Familieneigenschaft hat bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat zu bestehen; nach Verlassen des Herkunftsstaates geborene Kinder werden von der Begriffsbestimmung jedenfalls erfasst.“ (RV 952 BlgNR 22. GP, 31).
28 Mit Art. 57 des BGBl. I Nr. 135/2009 wurde anlässlich der Schaffung des Eingetragene Partnerschafts Gesetzes auch das AsylG 2005 novelliert. Unter anderem wurde die Z 22 des § 2 Abs. 1 AsylG 2005 neu gefasst, die mit Wirkung vom 1. Jänner 2020 (§ 73 Abs. 8 AsylG 2005) folgenden Wortlaut erhielt: „Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat“.
29 In den Erläuterungen zur Änderung dieser Bestimmung wird auszugsweise und soweit hier von Interesse Folgendes ausgeführt (RV 485 BlgNR 24. GP, 27):
„Im Hinblick auf die mit der Erlassung eines Bundesgesetzes über die eingetragene Partnerschaft (EPG) vorgesehene Einführung des Instituts der eingetragenen Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare in die österreichische Rechtsordnung ist das Asylgesetz 2005 insofern anzupassen, als die im Asylrecht für Ehegatten normierten Sonderbestimmungen künftig auch für eingetragene Partner gelten sollen. Dazu wird der eingetragene Partner den Familienangehörigen iSd des § 2 Abs. 1 Z 22 gleichgehalten und damit die gleichförmige Behandlung von eingetragenen Partnern und Ehegatten garantiert. Dies ist naturgemäß insbesondere für die dadurch anwendbaren Sonderbestimmungen für das Familienverfahren (§§ 34 und 35) von Relevanz.
§ 2 Abs. 1 Z 22 in der geltenden Fassung sieht vor, dass die Eigenschaft als Familienangehöriger bei Ehegatten nur dann vorliegt, wenn die Familieneigenschaft, also die Ehe, bereits im Herkunftsstaat bestanden hat. Gleichgelagertes soll künftig naturgemäß auch für eingetragene Partner gelten. Die eingetragene Partnerschaft muss daher bereits im Herkunftsstaat bestanden haben.
...“
30 Die nächste Novellierung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 erfolgte mit dem FNG Anpassungsgesetz (BGBl. I Nr. 68/2013). Die darin enthaltene, diese Bestimmung betreffende Novellierungsanordnung des Art. 3 Z 2 hatte folgenden Wortlaut: „In § 2 Abs. 1 Z 22 wird nach der Wortfolge ‚bestanden hat‘ die Wortfolge ‚ , sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland‘ ersetzt und wird der Punkt am Ende des Satzes durch einen Strichpunkt ersetzt.“. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderung wurde gemäß § 73 Abs. 12 und Abs. 13 AsylG 2005 (Art. 3 Z 13 des FNG Anpassungsgesetzes) mit 1. Jänner 2014 festgelegt.
31 Den Materialien zufolge sollte durch „die Ausweitung des Familienbegriffs auf den gesetzlichen Vertreter einer minderjährigen, nicht verheirateten Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, [...] Art. 2 lit. j der Statusrichtlinie umgesetzt“ werden. Der gesetzliche Vertreter sei „im Rahmen des Asylverfahrens nur dann als ‚Familienangehöriger‘ zu sehen, wenn die gesetzliche Vertretung bereits im Herkunftsstaat bestanden hat“ (RV 2144 BlgNR 24. GP, 17).
32 Es wurde zudem mit dem FNG Anpassungsgesetz erstmals im § 35 AsylG 2005 eine Definition des Familienangehörigen geschaffen (Art. 3 Z 12 FNG Anpassungsgesetz), die sich allein auf das nach § 35 AsylG 2005 vorgesehene Verfahren bezieht. In den Erläuterungen wird dazu ausgeführt (RV 2144 BlgNR 24. GP, 17 f):
„§ 35 regelt das Verfahren betreffend Anträge auf Einreise von Angehörigen von in Österreich Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten bei den Vertretungsbehörden. Anders als in § 34 wo sich der Familienangehörige bereits in Österreich befindet und die Beschleunigung der gleichzeitig anhängigen Verfahren im Familienverband einerseits sowie die Gewährung gleichen Schutzes andererseits bezweckt werden geht es hier um die Zusammenführung von nicht gemeinsam in Österreich aufhältigen Angehörigen. Demnach sind für diese Einreiseverfahren nicht die Bestimmungen der Statusrichtlinie anwendbar, sondern weiterhin jene der Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung, ABl. Nr. L 251 vom 03.10.2003 S. 12, denen zu Folge die Familienzusammenführung auf jeden Fall für die Mitglieder der Kernfamilie, d.h. den Ehegatten und die minderjährigen Kinder gelten soll. Eine darüber hinausgehende Zusammenführung mit weiteren Verwandten ist nicht vorgesehen. Da § 35 somit eine unterschiedliche Definition des Familienangehörigen zugrunde liegt als dem Familienverfahren im Inland, ist eine eigene Begriffsdefinition nur für die Zwecke des § 35 erforderlich.“
33 Die oben erwähnte Novellierungsanordnung (Art. 3 Z 2) des FNG Anpassungsgesetzes zur Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 wurde mit dem Bundesgesetz, mit dem (unter anderem) das FNG Anpassungsgesetz geändert wurde (BGBl. I Nr. 144/2013) dahingehend abgeändert, dass die in dieser Novellierungsanordnung enthaltene Wortfolge „bereits im Herkunftsland“ durch die Wortfolge „bereits im Herkunftsland bestanden hat“ ersetzt wurde (Art. 1 Z 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 144/2013). Damit sollte den Materialien zufolge lediglich ein Redaktionsversehen bereinigt werden (AB 2548 BlgNR 24. GP, 1).
34 Somit erhielt die Z 22 des § 2 Abs. 1 AsylG 2005 mit Wirkung vom 1. Jänner 2014 folgenden Wortlaut: „Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat“.
35 Eine weitere Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 erfolgte mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FrÄG 2017; BGBl. I Nr. 84/2017). Damit wurden die in dieser Bestimmung enthaltenen Wendungen „im Herkunftsstaat“ jeweils durch die Wortfolge „vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten“ ersetzt (Art. 3 Z 2 FrÄG 2017). Auch die in § 35 Abs. 5 AsylG 2005 enthaltenen Wendungen „im Herkunftsstaat“ wurden jeweils durch die Wortfolge „vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten“ ersetzt (Art. 3 Z 16 FrÄG 2017).
36 Da im Gesetzgebungsverfahren zur Erlassung des FrÄG 2017 mit BGBl. I Nr. 84/2017 ein Fehler unterlaufen war (vgl. dazu IA 2285/A 25. GP, 92), wurde das FrÄG 2017 mit BGBl. I Nr. 145/2017 neu erlassen. Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 84/2017 trat mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 145/2017 außer Kraft (Art. 7 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 145/2017).
37 Das mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 145/2017 erlassene FrÄG 2017 enthielt betreffend die Änderungen des § 2 Abs. 1 Z 22 und des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 dieselben Anordnungen wie zuvor das mit BGBl. I Nr. 84/2017 erlassene FrÄG 2017.
38 Zu dieser Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 wurde in den Materialien festgehalten, dass sie der Anpassung an die Änderung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005, auf dessen Erläuterung verwiesen werde, diene (IA 2285/A 25. GP, 75). Die Änderung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 wurde darin folgendermaßen begründet: „Es handelt sich hiebei um eine sprachliche Anpassung der Definition des Familienangehörigen für die Anwendung des § 35 vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Familienzusammenführungs RL zum Recht auf Familienzusammenführung. Im Hinblick darauf, welche Personen als Familienangehörige gelten, sind betreffend Ehegatten und eingetragene Partner, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft im Ausland geschlossen wurde, §§ 16 iVm 6 IPRG und die diesbezügliche OGH-Judikatur zu berücksichtigen.“ (IA 2285/A 25. GP, 83).
39 § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 hatte sohin ab dem gemäß § 73 Abs. 18 und 19 AsylG 2005 am 1. November 2017 erfolgten Inkrafttreten der Änderungen durch das mit BGBl. I Nr. 145/2017 erlassene FrÄG 2017 folgenden Wortlaut: „Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat“.
40 Die nächste Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 erfolgte mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 (FrÄG 2018; BGBl. I Nr. 56/2018). Damit wurden die zuvor mit dem FrÄG 2017 eingefügten Wendungen „vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten“ wieder aus dem Gesetzeswortlaut beseitigt. Die entsprechenden Wortfolgen sowie die Wendung „im Herkunftsland“ wurden jeweils durch die Wendung „vor der Einreise“ ersetzt (Art. 3 Z 1 FrÄG 2018). Damit lautete § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ab dem gemäß § 73 Abs. 20 erster Satz AsylG 2005 mit 1. September 2018 erfolgten Inkrafttreten dieser Änderungen wie folgt: „Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat“. § 35 Abs. 5 AsylG 2005 wurde mit dem FrÄG 2018 keiner Änderung unterzogen.
41 In den Materialien wird zu dieser Änderung des § 22 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 lediglich festgehalten, dass legistische Versehen bereinigt würden (RV 189 BlgNR 26. GP, 20).
42 Mit Erkenntnis vom 26. Juni 2020, G 298/2019 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idF des BGBl. I Nr. 56/2018 als verfassungswidrig auf. Er sprach weiters aus, dass die Aufhebung mit 30. Juni 2021 in Kraft trete und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft träten (siehe dazu auch die Kundmachung des Bundeskanzlers über diese Aufhebung BGBl. I Nr. 69/2020).
43 In seiner Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, es sei zwar nach § 2 Abs. 1 Z 22 iVm § 34 AsylG 2005 (in der damals geltenden Fassung) dem gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Kindes möglich, den Schutzstatus seines Schutzbefohlenen kraft Gesetzes abgeleitet zu erlangen. Im umgekehrten Fall sei dies jedoch nicht vorgesehen. Ein minderjähriges Kind stehe zu seinem gesetzlichen Vertreter in vielen Fällen in einem Verhältnis, das dem zwischen Eltern und Kind entspreche, wie es von § 34 AsylG 2005 besonders geschützt werde. Derartige Fälle würden aber von der gesetzlichen Regelung die insbesondere das Kindeswohl schützen solle nicht ausreichend berücksichtigt, weil damit keine Ableitung des Schutzstatus vom gesetzlichen Vertreter auf das Kind ermöglicht werde, auch wenn zwischen dem gesetzlichen Vertreter und dem Vertretenen ein Eltern Kind ähnliches Verhältnis vor der Einreise bestehe. Damit erweise sich die Regelung als in sich unsachlich und sie stehe im Widerspruch zu Art. I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung. Es sei davon auszugehen, dass sich der Sitz der angenommenen Verfassungswidrigkeit ausschließlich in § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 befinde und dies auch den geringstmöglichen Aufhebungsumfang im Hinblick auf den dem Anlassfall zugrunde liegenden Sachverhalt darstelle.
44 In Reaktion auf dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes änderte der Gesetzgeber erneut die Z 22 des § 2 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 145/2020. Die damit erfolgte Änderung trat gemäß § 73 Abs. 23 AsylG 2005 mit Ablauf des Tages der am 23. Dezember 2020 erfolgten Kundmachung, sohin am 24. Dezember 2020, in Kraft. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 steht seitdem unverändert in dieser Fassung in Geltung. Er war in dieser Fassung im vorliegenden Fall vom Bundesverwaltungsgericht anzuwenden.
45 In den diesbezüglichen Erläuterungen wird angemerkt, dass „in Umsetzung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs die Legaldefinition des ‚Familienangehörigen‘ im Anwendungsbereich des AsylG 2005 adaptiert werden“ sollte (RV 349 BlgNR 27. GP, 1). Zur konkreten Neugestaltung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 wird ausgeführt (RV 349 BlgNR 27. GP, 5):
„Mit Erkenntnis vom 26.6.2020, G 298/2019 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 wegen Verstoßes gegen Art. I Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973 (BVG Rassendiskriminierung), als verfassungswidrig aufgehoben und für das Außerkrafttreten der Bestimmung eine Frist bis einschließlich 30.6.2021 festgesetzt. Die vorgeschlagene Änderung nimmt dieses Erkenntnis zum Anlass, den Begriff des Familienangehörigen in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des VfGH zu erweitern. Zwecks besserer Lesbarkeit soll die Bestimmung ferner weiter untergliedert werden, ohne dabei über die Umsetzung des VfGH Erkenntnisses hinausgehende Änderungen vorzunehmen.
Aufgrund der in Z 22 enthaltenen Definition des Familienangehörigen kann im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern sowohl das Kind vom Elternteil als auch der Elternteil vom Kind den Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren ableiten. Andererseits schließt Z 22 eine solche Ableitung des Schutzstatus ‚in beide Richtungen‘ im Verhältnis zwischen einem minderjährigen Asylwerber, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten und einem gesetzlichen Vertreter, der nicht Elternteil ist, im Rahmen des Familienverfahrens nach derzeitiger Rechtslage aus; hier kann nur der gesetzliche Vertreter den dem Vertretenen zuerkannten Schutzstatus abgeleitet erlangen. Laut oz. Erkenntnis des VfGH vom 26.6.2020 ist diese Einschränkung mit Blick auf die im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern mögliche Ableitung des Schutzstatus ‚in beide Richtungen‘ unsachlich und stellt einen Verstoß gegen Art. I Abs. 1 BVG Rassendiskriminierung dar, da jene Fälle nicht berücksichtigt werden, in denen zwischen dem gesetzlichen Vertreter und dem Vertretenen ein ‚Eltern Kind ähnliches Verhältnis‘ besteht (VfGH, a.a.O. Rn. 31). Die Definition des Familienangehörigen in Z 22 soll daher in Umsetzung dieses Erkenntnisses dahingehend erweitert werden, dass auch ein minderjähriger und lediger Asylwerber, Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter im Verhältnis zu seinem gesetzlichen Vertreter, der nicht Elternteil ist, als Familienangehöriger gilt und den dem Vertreter zuerkannten Schutzstatus im Rahmen des Familienverfahrens abgeleitet erlangen kann.
Die lit. a bis c und lit. d, soweit sie den gesetzlichen Vertreter erfasst, entsprechen der bisherigen Rechtslage mit der Maßgabe, dass auch der gesetzliche Vertreter eines Asylwerbers als Familienangehöriger gilt. Darüber hinaus definiert lit. d in Umsetzung des vorgenannten Erkenntnisses des VfGH das minderjährige ledige Kind, für das einem Asylwerber, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten die gesetzliche Vertretung zukommt, als Familienangehörigen, der in das Familienverfahren einzubeziehen ist. Dabei soll wie im schon bisher erfassten Fall des gesetzlichen Vertreters eines minderjährigen und nicht verheirateten Fremden, dem internationaler Schutz zuerkannt worden ist in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben an der Voraussetzung festgehalten werden, dass die gesetzliche Vertretung bereits vor der Einreise nach Österreich bestanden hat.“
46 Aus dieser historischen Entwicklung ergibt sich, dass bereits das Asylgesetz 1997 Einschränkungen in Bezug auf Ehegatten vorsah, voneinander zunächst nach dessen Stammfassung die Erstreckung von Asyl und ab 1. Mai 2004 nach der AsylG Novelle 2003 die Gewährung von Asyl im Weg eines Familienverfahrens ableiten zu können. Das begründete der Gesetzgeber bei der Schaffung des Asylgesetzes 1997 damit, dass verhindert werden sollte, dass sich Fremde die Gewährung von Asyl „erheiraten“.
47 Das Asylgesetz 1997 in der Fassung nach der AsylG Novelle 2003, mit der eine Begriffsdefinition für den „Familienangehörigen“ geschaffen wurde stellte aber dennoch für das Verständnis des Begriffes des „Familienangehörigen“ in Bezug auf Ehegatten nicht auf den Zeitpunkt der Eheschließung oder der Einreise (egal welchen Ehegattens) ab (§ 1 Z 6 AsylG). Es enthielt nur (wie zuvor für die Erstreckung von Asyl) für Ehegatten die Einschränkung der Möglichkeit, das damals vorgesehene Familienverfahren betreiben zu können, indem dafür als Voraussetzung vorgesehen war, dass „die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat“ (§ 10 Abs. 1 AsylG).
48 Das AsylG 2005 (mit dem auch das Asylgesetz 1997 aufgehoben wurde) legte dann bereits in der Stammfassung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 bei der Legaldefinition des „Familienangehörigen“ fest, dass Ehegatten nur dann als „Familienangehörige“ im Sinn des AsylG 2005 gelten, „sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat“.
49 Erkennbar sollte damit der bereits im Asylgesetz 1997 zum Ausdruck kommende Gedanke, nicht in allen Konstellationen einer Ehe vom Ehepartner aus asylrechtlichen Bestimmungen herrührende Rechtspositionen ableiten zu können, fortgeschrieben werden, wobei im AsylG 2005 aber zudem die für Ehegatten maßgebliche Einschränkung in Bezug auf den Zeitpunkt der Eheschließung (noch) enger als zuvor im Asylgesetz 1997 gezogen wurde.
50 Dass der Gesetzgeber mit dem zu dieser Zeit verwendeten Begriff „Familieneigenschaft“ nicht bloß auf das Bestehen einer solchen Lebensführung, wie sie üblicherweise unter Ehegatten gepflogen wird, abstellen wollte, sondern er damit zum Ausdruck bringen wollte, dass er die „Familieneigenschaft“ auch als im formellen Sinn hergestellte Familienbande verstanden wissen wollte, geht selbst wenn man die Ansicht vertritt, dieser Begriff sei mehrdeutig letztlich unzweifelhaft aus den Materialien zur Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 mit BGBl. I Nr. 135/2009 hervor. Dort wird nämlich anlässlich der Aufnahme der eingetragenen Partner in die Legaldefinition davon gesprochen, dass schon die bis dahin geltende Fassung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 vorgesehen habe, „dass die Eigenschaft als Familienangehöriger bei Ehegatten nur dann“ vorliege, „wenn die Familieneigenschaft, also die Ehe, bereits im Herkunftsstaat bestanden“ habe. Das solle „künftig naturgemäß auch für eingetragene Partner gelten. Die eingetragene Partnerschaft“ müsse „daher bereits im Herkunftsstaat bestanden haben“. Dies brachte der Gesetzgeber zudem mit der mit BGBl. I Nr. 135/2009 neu geschaffenen Formulierung in § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 auch sprachlich deutlich zum Ausdruck, weil darin ab dieser Zeit davon gesprochen wurde, dass „die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden“ haben muss; in gleicher Weise wurde zudem festgelegt, dass auch „die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden“ haben muss.
51 Die mit dem FNG Anpassungsgesetz erfolgte Novellierung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 bezog sich zwar nicht auf die Familienangehörigeneigenschaft von Ehegatten. Jedoch geht aus den Erläuterungen zur gleichzeitigen Schaffung einer für die Anwendung des § 35 AsylG 2005 von § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 abweichenden Definition des „Familienangehörigen“ (in § 35 Abs. 5 AsylG 2005) hervor, dass der Gesetzgeber bewusst die Entscheidung getroffen hat, den Anwendungsbereich des § 34 AsylG 2005 einerseits und den des § 35 AsylG 2005 andererseits unterschiedlich auszugestalten. Für die Verfahren nach § 35 AsylG 2005 sollten nicht die Bestimmungen der Statusrichtlinie (gemeint war bereits die Richtlinie 2011/95/EU, zumal mit dem FNG Anpassungsgesetz auch das Ziel verfolgt wurde, diese Richtlinie umzusetzen, vgl. dazu RV 2144 BlgNR 24. GP, 1) maßgeblich sein, sondern jene der Familienzusammenführungsrichtlinie (Richtlinie 2003/86/EG), „denen zu Folge die Familienzusammenführung auf jeden Fall für die Mitglieder der Kernfamilie, d.h. den Ehegatten und die minderjährigen Kinder gelten soll. Eine darüber hinausgehende Zusammenführung mit weiteren Verwandten“ sei „nicht vorgesehen. Da § 35 somit eine unterschiedliche Definition des Familienangehörigen zugrunde“ liege „als dem Familienverfahren im Inland,“ sei „eine eigene Begriffsdefinition nur für die Zwecke des § 35 erforderlich“. „Anders als in § 34 AsylG 2005 wo sich der Familienangehörige bereits in Österreich befindet und die Beschleunigung der gleichzeitig anhängigen Verfahren im Familienverband einerseits sowie die Gewährung gleichen Schutzes andererseits bezweckt werden “ gehe es beim Verfahren nach § 35 AsylG 2005 „um die Zusammenführung von nicht gemeinsam in Österreich aufhältigen Angehörigen“ (RV 2144 BlgNR 24. GP, 17 f).
52 Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber anlässlich dieser Änderung des AsylG 2005 unmissverständlich zum Ausdruck brachte, dass er nur im Rahmen der Änderung des § 35 AsylG 2005, der künftig in erster Linie der Familienzusammenführung dienen solle, auch auf die Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie Bedacht nehmen wollte. Hingegen dient § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 erkennbar neben der Verfolgung innerstaatlicher Ziele auch der Umsetzung der asylrechtliche Belange regelnden unionsrechtlichen Vorgaben (und insoweit in erster Linie der Statusrichtlinie). Darauf wird im Hinblick auf die Argumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, der Gesetzgeber habe mit § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 die Vorgaben der Familienzusammenführungsrichtlinie umsetzen wollen noch zurückzukommen sein.
53 Bis zur Erlassung des FrÄG 2017 enthielt § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 in Bezug auf Ehegatten sodann die Wendung, „sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat“ (sowie auch eine die eingetragenen Partnerschaften betreffende gleichartige Wortfolge).
54 Mit dem FrÄG 2017 wurde § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 dahingehend geändert, dass diese Wendung in Bezug auf Ehegatten durch die Wortfolge „sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat“ ersetzt wurde. Auf die diese Anordnung schaffende Gesetzesänderung durch das FrÄG 2017 und die diesbezüglichen Materialien, wonach § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 an § 35 Abs. 5 AsylG 2005 angeglichen werden sollte, bezieht sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wenn es davon ausgeht, der Gesetzgeber habe bei dieser Gesetzesänderung die Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie vor Augen gehabt. Der revisionswerbenden Behörde ist darin Recht zu geben, dass sich der Gesetzgeber in den Materialien zum FrÄG 2017 betreffend die Änderung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 auf die Familienzusammenführungsrichtlinie bezogen hat und in den Erläuterungen zur Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 auf die Erläuterungen zur Änderung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 verwiesen hat. Jedoch hat der Gesetzgeber aber auch was das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übersieht diese Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 bereits mit dem FrÄG 2018 wieder rückgängig gemacht und dazu in den Materialien darauf verwiesen, dass damit „legistische Versehen bereinigt“ würden.
55 Damit stellt sich allerdings die auch in der Revision vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erwähnte Frage, worauf sich die vom Gesetzgeber in den Materialien zum FrÄG 2018 angesprochene, im FrÄG 2017 unterlaufene Fehlerhaftigkeit bezogen hat. Die Erläuterungen zum FrÄG 2018 geben darüber keinen Aufschluss.
56 Es geht aus dem mit dem FrÄG 2017 geschaffenen Wortlaut des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 hervor, dass der Gesetzgeber wie schon bisher vor Augen hatte, dass die Ehe wenn auch nunmehr vor der Einreise und nicht schon im Herkunftsstaat bereits zu einer Zeit geschlossen worden war, zu der sich noch keiner der Ehegatten in Österreich befunden hat. Jedoch wurden von § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idF des FrÄG 2017 nur noch jene Ehegatten erfasst, deren Ehe „bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat“. Damit wäre aber der Anwendungsbereich des § 34 AsylG 2005, soweit er sich nach dessen Abs. 1 Z 3 auch auf Familienangehörige von einem Asylwerber bezieht, in Bezug auf Ehegatten gänzlich ausgeschlossen, und zwar selbst dann, wenn die Ehe vor der Einreise beider Ehegatten geschlossen worden wäre. Infolge der Änderungen des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 mit dem FrÄG 2018 wurde aber insoweit der Anwendungsbereich für einen Ehegatten eines Asylwerbers wieder eröffnet.
57 Damit wird aber auch klar, dass der Gesetzgeber letztlich gerade die (in den Materialien zum FrÄG 2017 angesprochene) Intention, § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 an § 35 Abs. 5 AsylG 2005 anzugleichen, als fehlerhaft vom Gesetzgeber in den Materialien zum FrÄG 2018 als „legistisches Versehen“ bezeichnet verworfen hat.
58 Aufgrund dieser mit dem FrÄG 2018 sogleich im Anschluss an das FrÄG 2017 vorgenommenen neuerlichen Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, dessen unmittelbar davor liegende Änderung mit dem FrÄG 2017 der Gesetzgeber als nicht seiner Intention entsprechend eingestuft hat, ist der Ansicht des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, diese Bestimmung solle auch in ihrer aktuellen Fassung und soweit sie die Umsetzung von Unionsrecht verfolge statt der Umsetzung von im Bereich des Asylrechts bestehender unionsrechtlicher Vorgaben nun der Umsetzung der Familienzusammenführungsrichtlinie dienen, nicht beizupflichten.
59 Dem mit dem FrÄG 2017 beibehaltenen Gedanken, dass die Ehe bereits vor der Einreise beider Ehepartner bestanden haben muss, folgt erkennbar aber weiterhin auch die mit dem FrÄG 2018 vorgenommene Änderung, mit der wie hier ausdrücklich festzuhalten ist nicht bloß der Rechtszustand vor dem FrÄG 2017 wiederhergestellt, sondern auch eine gegenüber der vor dem FrÄG 2017 geltenden Rechtslage inhaltliche Änderung vorgenommen wurde. Während nämlich die hier in Rede stehende Wendung gemäß der Rechtslage vor dem FrÄG 2017 den Wortlaut „sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat“ aufwies, lautete sie ab der Änderung mit dem FrÄG 2018 „sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat“.
60 Dass der Gesetzgeber mit dem FrÄG 2018 nicht gänzlich die vor dem FrÄG 2017 geltende Rechtslage wiederherstellte, kann demnach ungeachtet dessen, dass in den Materialien zum FrÄG 2018 lediglich von der Bereinigung eines im Rahmen des FrÄG 2017 unterlaufenen legistischen Versehens gesprochen wird nur so verstanden werden, dass der Gesetzgeber künftig in Weiterführung der insoweit schon mit dem FrÄG 2017 geschaffenen Rechtslage nicht als maßgeblich ansehen wollte, dass die Ehe bereits im Herkunftsstaat geschlossen worden sein musste, sondern dass es ausreichend ist, dass die Ehe bereits vor der Einreise in das Bundesgebiet gleich an welchem Ort außerhalb Österreichs geschlossen worden war. Ausgehend davon, dass somit gegenüber der vor dem FrÄG 2017 geltenden Rechtslage im Ergebnis nach der Rechtslage des FrÄG 2018 bloß die Wortfolge „bereits im Herkunftsstaat bestanden“ durch die Wortfolge „bereits vor der Einreise bestanden“ ersetzt wurde, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber damit wie bisher seit Schaffung des AsylG 2005 (weiterhin) darauf abgestellt hat, dass diese Voraussetzung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 nur dann erfüllt ist, wenn im Zeitpunkt der Eheschließung noch keiner der Ehepartner in Österreich eingereist war. Dass diese Voraussetzung, die der Gesetzgeber bis dato stets hinreichend deutlich im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gebracht hatte, mit der mit dem FrÄG 2018 erfolgten Änderung auch wenn der damit geschaffene Wortlaut des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 die früher insoweit gegebene Präzision vermissen ließ wegfallen sollte, ist demgegenüber den Materialien nicht zu entnehmen.
61 Der vom Verfassungsgerichtshof der Prüfung und letztlich der Aufhebung unterworfene § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 stand bis dahin unverändert in der Fassung des FrÄG 2018 in Geltung.
62 Im Gefolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2020, G 298/2019 u.a., mit dem diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben wurde, entschloss sich der Gesetzgeber zu einer gänzlichen Neufassung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 145/2020. In den Materialien wird aber betont, dass die neue Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 mit Ausnahme der Bedachtnahme auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im angeführten Erkenntnis in Bezug auf das Verhältnis von ledigen Minderjährigen und deren gesetzlichen Vertretern (die nicht auch Elternteil sind) inhaltlich gegenüber der aufgehobenen Bestimmung nicht verändert werden sollte. Die nunmehr neu vorgenommenen Untergliederungen sollten (lediglich) zu „besserer Lesbarkeit“ führen.
63 Vor diesem Hintergrund ist die nunmehrige (seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 145/2020) in § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 enthaltene Wendung, „sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat“, in jenem Sinn zu verstehen, wie schon zuvor die darin nach der Rechtslage in der Fassung des FrÄG 2018 enthaltene gleichartige Wortfolge „sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat“. Dass aber auch die damalige Wendung so zu verstehen war, dass die Ehe bereits zu einer Zeit geschlossen sein musste, als noch keiner der Ehepartner in Österreich eingereist war, wurde bereits dargelegt.
64 Anders als das Bundesverwaltungsgericht meint, gebietet auch eine Bedachtnahme auf das Kindeswohl keine andere Sichtweise. Die hier zu klärende Frage bezieht sich nämlich allein darauf, ob eine vor Antragstellung auf internationalen Schutz, aber nach Einreise in das Bundesgebiet eines Ehepartners geschlossene Ehe im Hinblick auf den Zeitpunkt der Eheschließung dazu führt, dass ein Fremder im Verhältnis zum Ehegatten als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 zu gelten hat und infolgedessen die nach § 34 Abs. 2 AsylG 2005 für die Gewährung von Asyl nach dieser Bestimmung festgelegte Voraussetzung, Familienangehöriger sein zu müssen, erfüllt. Eine nähere Erläuterung, weshalb sich die Verneinung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 auf die Frage auswirken könnte, ob ein Fremder als Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1 Z 22 lit. a AsylG 2005, also als Elternteil eines minderjährigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, anzusehen sei, bleibt das Bundesverwaltungsgericht ebenso schuldig wie für die von ihm geäußerte Annahme, es käme andernfalls dazu, dass das Kind von einem Elternteil getrennt würde. Allein die Versagung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an einen Elternteil bedeutet nämlich nicht, dass dieser Elternteil schon deswegen das Bundesgebiet verlassen müsste. Wird dieser Status nicht zuerkannt, sieht das Gesetz (für den Regelfall) vor, dass zu prüfen ist, ob dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005; fallbezogen erfolgte tatsächlich die Zuerkennung dieses Status an die Mitbeteiligte). Sollten die dafür vorgesehenen Voraussetzungen nicht gegeben sein, ist sodann (im Regelfall) zu prüfen, ob dem Fremden ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen ist und wenn ein solcher Aufenthaltstitel nicht erteilt wird ob gegen ihn eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist (§ 10 Abs. 1 AsylG 2005, § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005). Im Rahmen der bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA Verfahrensgesetz vorzunehmenden Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist dann auch darauf Rücksicht zu nehmen, ob und inwieweit sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (auch) aus dem Blickwinkel des Kindeswohls als verhältnismäßig darstellt (vgl. aus der diesbezüglichen umfangreichen Rechtsprechung bloß beispielsweise VwGH 19.1.2023, Ra 2022/19/0216 bis 0219; 21.12.2022, Ra 2021/18/0411 und Ra 2022/18/0104; 3.11.2022, Ra 2022/01/0303, jeweils mwN). Das Kindeswohl ist bei der Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK selbst dann zu berücksichtigen, wenn es sich beim Adressaten der Entscheidung nicht um das Kind selbst, sondern um einen Elternteil handelt (vgl. VwGH 25.1.2023, Ra 2020/22/0245 und 0246, dort in Bezug auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Hinweis auf das zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung ergangene Erkenntnis VwGH 3.12.2021, Ra 2021/18/0299).
65 Es ist angesichts der vom Bundesverwaltungsgericht dargebrachten Argumente aber auch sonst nicht zu sehen, weshalb eine Auslegung der hier in Rede stehenden gesetzlichen Anordnungen des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b und des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 im Licht der damit vom Gesetzgeber verfolgten oben dargestellten Intention verfassungswidrig wäre und diese Bestimmungen daher einer vom Bundesverwaltungsgericht als notwendig erachteten anderslautenden verfassungskonformen Interpretation bedürften.
66 Somit ist als Ergebnis festzuhalten, dass die in § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 enthaltene Wendung „sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat“ so zu verstehen ist, dass die Ehe bereits zu einem Zeitpunkt geschlossen worden sein muss, als sich noch keiner der Ehepartner in Österreich aufgehalten hat. Das gilt sinngemäß auch für den Fall einer eingetragenen Partnerschaft.
67 Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass es nicht hinreichend ist, um als Familienangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG 2005 zu gelten, dass die Ehe zwischen der Mitbeteiligten und R A A zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, als R A A bereits als Asylberechtigter in Österreich gelebt und sich lediglich die Mitbeteiligte zu dieser Zeit noch im Ausland befunden hat.
68 Somit erfüllt die Mitbeteiligte nicht die gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 notwendige (und sich der Rechtsprechung zufolge nach § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 richtende) Voraussetzung, in Bezug auf ihren Ehemann Familienangehörige zu sein. Infolge dessen war es nicht zulässig, der Mitbeteiligten unter Anwendung des § 34 Abs. 2 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und von der Prüfung Abstand zu nehmen, ob es die von ihr zu einer Verfolgung im Herkunftsstaat vorgebrachten Gründe rechtfertigten, ihr diesen Status nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen.
69 Das Bundesverwaltungsgericht hat sohin seine Entscheidung mit seiner anderslautenden, aber nach dem Gesagten nicht dem Gesetz entsprechenden Rechtsansicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 28. März 2023