Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des P in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Riha, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. November 2023, LVwG S 360/001 2023, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Amstetten), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4. Jänner 2023 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe 1. zu einer bestimmten Tatzeit an einem näher genannten Tatort mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeug die in diesem Bereich durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 39 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits abgezogen worden sei, und 2. die mit Schreiben der belangten Behörde vom 20. April 2022 verlangte Lenkerauskunft, wer das näher umschriebene Kraftfahrzeug zur genannten Tatzeit am angegebenen Ort gelenkt habe, nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist ordnungsgemäß erteilt. Der Revisionswerber habe dadurch 1. § 52 lit. a Z 10a StVO und 2. § 103 Abs. 2 KFG verletzt, weshalb über ihn zu Spruchpunkt 1. gemäß § 99 Abs. 2d StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 245, (Ersatzfreiheitsstrafe 43 Stunden) und zu Spruchpunkt 2. gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von € 300, (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt wurden.
2 Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) insoweit Folge, als Spruchpunkt 1. des bekämpften Straferkenntnisses aufgehoben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt wurde. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses hingegen wies das Verwaltungsgericht als unbegründet ab, sprach aus, dass der Revisionswerber bezogen auf diesen Spruchpunkt einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und setzte den Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens neu fest. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.
4 Die Revision erweist sich als nicht zulässig.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen.
9 Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus der gesonderten Darstellung in der Zulässigkeitsbegründung ergeben.
10 In der gesonderten Darstellung ist konkret aufzuzeigen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Findet sich eine derartige Darstellung in der Angabe der Gründe der Zulässigkeit der Revision aber nicht, sondern etwa nur der allgemeine Hinweis, dass die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweiche, so genügt dies jedenfalls nicht, um das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt zudem nur dann vor, wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung eben dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 23.12.2024, Ra 2024/02/0241, mwN).
11 Zur Zulässigkeit führt die Revision pauschal an, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher genannter Rechtsprechung (Hinweis auf VwGH 98/17/0296) ab, weil keine Auseinandersetzung mit dem Verschulden stattgefunden habe. Es liege auch keine Rechtsprechung zur Frage vor, ob es sich bei der Wohnungsnummer um einen wesentlichen Bestandteil der Adresse handle. Der Revisionswerber habe nicht damit rechnen müssen, dass die Nichtangabe der Wohnungsnummer eine Zustellung an seinen Sohn verhindere, wenn alle anderen Angaben zutreffend seien. Dies entspreche der Lebenserfahrung.
12 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt:
13 Der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG ist erfüllt, wenn eine Lenkerauskunft des Zulassungsbesitzers nicht richtig und vollständig erfolgt ist (vgl. VwGH 12.10.2022, Ra 2022/02/0183).
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner ständigen Rechtsprechung bereits festgehalten, dass die Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG das Interesse an einer jederzeit und ohne unnötige Verzögerung möglichen Ermittlung von Personen schützt, die im Verdacht stehen, eine straßenpolizeiliche oder kraftfahrrechtliche Übertretung begangen zu haben, mithin das Interesse an einer raschen und lückenlosen Strafverfolgung.
15 § 103 Abs. 2 KFG liegt sohin die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl. zum Ganzen VwGH 5.10.2023, Ra 2023/02/0095, mwN).
16 Im vorliegenden Fall ist die behördliche Zustellung an den als Lenker bekanntgegebenen Sohn des Revisionswerbers an dessen vom Revisionswerber angegebene Adresse in der Provinz Buenos Aires, Argentinien, deswegen nicht zustandegekommen, weil zwar Ort, Straße und Hausnummer, aber nicht die Wohnungsnummer mitgeteilt worden waren, weshalb das behördliche Schriftstück mit dem Vermerk „Adresse unvollständig“ retourniert wurde. Der Behörde war es auch nicht möglich, diese Unvollständigkeit durch nicht bloß geringfügige Erhebungen zu ergänzen (vgl. demgegenüber der VwGH 26.3.2004, 2003/02/0213 zugrundeliegende Fall, in dem bloß die Postleitzahl des in Kroatien liegenden angegebenen Orts einer ansonsten näher und widerspruchsfrei bezeichnete Wohnadresse eines namhaft gemachten Lenkers zu ergänzen war). Das Verwaltungsgericht ist nicht von den oben dargestellten Leitlinien abgewichen, wenn es einzelfallbezogen zum Ergebnis gekommen ist, dass der Revisionswerber die Lenkerauskunft deswegen nicht gesetzmäßig erteilt hat.
17 Daran ändert auch nichts, dass dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt nach der erfolglosen behördlichen Zustellung mit seinem Sohn Kontakt aufnahm, um die vollständige Adresse in Erfahrung zu bringen. Entgegen dem Vorbringen in der Revision hatte der Revisionswerber keinen Grund zur Annahme und entspricht es auch nicht der Lebenserfahrung, dass auch an einer wie fallbezogen bedingt durch die fehlende Angabe der Wohnungsnummer (hier: Nummer 31) an der Adresse eines offenbar großen Mehrparteienhauses unvollständigen Adresse regelmäßig Zustellungen vorgenommen werden. Der Revisionswerber hat auch nicht etwa behauptet, er habe einen konkreten Grund für die Annahme gehabt, dass die angegebene Adresse für Zustellungen dennoch ausreichend sei (z.B. weil bereits erfolgreich an diese unvollständige Adresse Briefe zugestellt worden seien, vgl. zu dieser Fallkonstellation VwGH 13.6.1990, 89/03/0291). Indem er seinen Sohn, wie die Revision festhält, erst später „nochmals genau nach seiner Anschrift gefragt“ habe, hat der Revisionswerber auch nicht darlegen können, dass ihn an der unvollständigen Lenkerauskunft kein Verschulden treffe.
18 Entgegen der Behauptung in der Zulässigkeitsbegründung hat sich das Verwaltungsgericht sehr wohl mit dem Verschulden des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist ausgehend davon, dass zur Strafbarkeit mit Blick auf § 5 Abs. 1 VStG fahrlässiges Verhalten zur Strafbarkeit genügt, zum Ergebnis gekommen, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass ihn kein Verschulden trifft. Insoweit kann der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach auch die subjektive Tatseite erfüllt sei, nicht entgegengetreten werden.
19 Die vom Revisionswerber behauptete Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses vom Erkenntnis VwGH 25.1.1999, 98/17/0296, liegt schon deshalb nicht vor, weil der dieser Entscheidung zugrundeliegende Fall einen völlig anderen Sachverhalt betrifft, der auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar ist.
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. März 2025