JudikaturVwGH

Ra 2024/02/0003 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des M in E, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 30. November 2023, 405 4/5727/1/12 2023, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (Verwaltungsgericht) wurde der Revisionswerber schuldig erachtet, er habe am 7. April 2023 ein Fahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch § 99 Abs. 1b StVO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO übertreten. Über den Revisionswerber wurde eine Geldstrafe von € 1.200, (Ersatzfreiheitsstrafe 11 Tage und 19 Stunden) verhängt. Zudem wurde ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens festgesetzt und der Ersatz von Barauslagen aufgetragen. Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.

2 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es das Ergebnis der klinischen Untersuchung als wesentliches Beweisergebnis für eine Beeinträchtigung durch Suchtgift angenommen habe. Relevant sei jedoch das Ergebnis des toxikologischen Gutachtens. Das Verwaltungsgericht habe sich mit dem dazu erstatteten Vorbringen des Revisionswerbers nicht auseinandergesetzt. Der dort festgehaltene Wert von 1,7 ng/ml THC sei ohne Vorhandensein weiterer beeinträchtigender Faktoren nicht geeignet, zu einer straßenverkehrsrelevanten Beeinträchtigung zu führen. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass alle Ergebnisse der psychophysischen Bewegungs- und Konzentrationstests im Rahmen der klinischen Untersuchung eine Fahrtüchtigkeit ergeben hätten.

7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann durch die klinische Untersuchung zwar die Beeinträchtigung, die auf eine Suchtgifteinnahme schließen lässt, festgestellt werden. Nach einer solchen Feststellung ist jedoch zwingend eine Blutabnahme vorzunehmen. Erst die Blutabnahme bringt demnach Gewissheit, ob der durch die klinische Untersuchung gewonnene Verdacht, die Beeinträchtigung sei auf eine Suchtgifteinnahme zurückzuführen, zutrifft. Die Bedeutung der klinischen Untersuchung liegt jedenfalls in der Feststellung, ob der Lenker fahrtüchtig ist (vgl. VwGH 24.7.2019, Ra 2019/02/0105).

8 Ob die Beeinträchtigung des Lenkers auf Alkohol oder Suchtgift zurückzuführen ist (spezifische Fahruntüchtigkeit gemäß § 5 Abs. 1 StVO) oder eine sonstige Fahruntüchtigkeit gemäß § 58 Abs. 1 StVO vorliegt (etwa wegen starker Übermüdung), ist abgesehen von den Fällen der Verweigerung anhand der Blutuntersuchung festzustellen (vgl. VwGH 11.11.2019, Ra 2019/02/0167).

9 Ein Grenzwert, bei dem jedenfalls eine zur Fahruntauglichkeit führende Beeinträchtigung durch Suchtgift anzunehmen ist (wie dies bei der Frage der Beeinträchtigung durch Alkohol der Fall ist), oder eine Ausnahme für Suchtgifte, bei denen keine Beeinträchtigung iSd § 5 Abs. 1 StVO anzunehmen ist, wurde vom Gesetzgeber nicht festgelegt (vgl. VwGH 24.10.2022, Ra 2022/02/0164, mwN).

10 Werden neben dem sich aus einer Blutuntersuchung ergebenden Konsum von potentiell beeinträchtigenden Substanzen im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO weitere mögliche Ursachen für die im Rahmen der klinischen Untersuchung festgestellte Fahruntüchtigkeit ausgeschlossen, so ist zu klären, ob dieser für sich genommen zu einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit zum Zeitpunkt des Lenkens geführt hat (vgl. hierzu erneut VwGH 24.10.2022, Ra 2022/02/0164, mwN).

11 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde in der klinischen Untersuchung vom Polizeiarzt aufgrund beim Revisionswerber wahrgenommener Symptome (stark gerötete Bindehäute, erweiterte Pupillen, träge Pupillenreaktion, trockene Schleimhäute, leicht erhöhter Blutdruck, starkes Zittern des Körpers und der Augenlider, Unsicherheit beim Finger Finger Test, Silbenstolpern bei der Aussprache, breitbeiniger und verlangsamter Gang) unter Berücksichtigung des von den Meldungslegern beobachteten auffälligen Fahrverhaltens eine Beeinträchtigung durch Suchtgift festgestellt und die Fahrtüchtigkeit verneint. Weitere mögliche Ursachen für die Fahruntüchtigkeit seien im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht hervorgekommen. Das nach der klinischen Untersuchung eingeholte toxikologische Gutachten habe den Verdacht bestätigt. Demgemäß sei die THC Konzentration im Blut des Revisionswerbers bei 1,7 ng/ml gelegen. Der Revisionswerber habe sich unter der Wirkung der Droge Cannabis befunden und sei nicht mehr in der Lage gewesen, sein Fahrzeug mit der notwendigen Sicherheit und Aufmerksamkeit im Straßenverkehr zu bewegen.

12 Dem Revisionswerber gelingt es mit seinem Zulässigkeitsvorbringen nicht, einen relevanten Begründungsmangel im Zusammenhang mit der Annahme der Fahruntüchtigkeit und einer Suchtmittelbeeinträchtigung aufzuzeigen. Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen stützte sich das Verwaltungsgericht nicht bloß auf die Ergebnisse der klinischen Untersuchung, sondern auch auf das anschließend eingeholte gerichtsmedizinische Gutachten. Wider die Argumentation des Revisionswerbers setzte es sich auch mit dem dazu im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erstatteten Vorbringen auseinander und verwies zusammengefasst darauf, dass das vom Revisionswerber vorgelegte gerichtmedizinische Gutachten aus dem Jahr 2022 einen nicht vergleichbaren Sachverhalt betroffen habe. Soweit der Revisionswerber vorbringt, das Verwaltungsgericht sei nicht auf sein im Beschwerdeverfahren erstattetes Vorbringen eingegangen, dass ein Wert von 1,7 ng/ml THC ohne Vorhandensein weiterer beeinträchtigenden Faktoren nicht geeignet sei, eine straßenverkehrsrelevante Beeinträchtigung herbeizuführen, ist festzuhalten, dass nach der ständigen hg. Rechtsprechung schlüssigen Sachverständigengutachten mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, nicht in tauglicher Weise entgegengetreten werden und ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden kann (vgl. etwa VwGH 13.1.2023, Ra 2022/06/0318, mwN).

13 Soweit der Revisionswerber einen Begründungsmangel darin gelegen sieht, dass das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen habe, dass sämtliche im Rahmen der klinischen Untersuchung durchgeführten psychophysischen Bewegungs und Konzentrationstests seine Fahrtüchtigkeit ergeben hätten, entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt, ohne diesen substantiiert zu bestreiten. Schon aus diesem Grund kann keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden (vgl. dazu etwa VwGH 19.10.2023, Ra 2023/02/0192, mwN).

14 Wenn der Revisionswerber zudem bestreitet, dass er die Übertretung grob fahrlässig begangen habe und fehlende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendbarkeit der Legaldefinition des § 6 Abs. 3 StGB für das Verwaltungsstrafverfahren moniert, ist lediglich zu erwidern, dass die Bestrafung des Revisionswerbers gegenständlich bloß fahrlässiges Verhalten voraussetzte (§ 5 Abs. 1 VStG). Auf die in der Revision angesprochene Rechtsfrage der Abgrenzung von leichter und grober Fahrlässigkeit kommt es daher für die Lösung der Revision nicht an.

15 Das Verwaltungsgericht hat als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe gewertet, als mildernd keinen Umstand. Ausgehend davon, dass sich die verhängte Strafe im unteren Bereich des im Gesetz vorgesehenen Strafrahmens befindet, und angesichts des gravierenden Unrechtsgehalts der Tat, gelingt es dem Revisionswerber nicht, eine Unvertretbarkeit der verhängten Strafe aufzuzeigen (vgl. zum Vertretbarkeitsmaßstab VwGH 21.2.2023, Ra 2023/02/0021).

16 Mit dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung, das Verwaltungsgericht habe gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen, weil dieses das gerichtsmedizinische Gutachten nicht verlesen habe und auch kein Verlesungsverzicht vorgelegen sei, ist darauf zu verweisen, dass ein Verstoß gegen den in § 48 VwGVG normierten Unmittelbarkeitsgrundsatz nur dann vorliegt, wenn die verwerteten Beweismittel auch sonst nicht in der Verhandlung „vorgekommen“ sind (vgl. VwGH 2.3.2022, Ra 2022/12/0019, mwN). Davon kann hier jedoch nicht gesprochen werden, hat doch der im Beschwerdeverfahren rechtsanwaltlich vertretene Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung selbst ausdrücklich auf dieses Bezug genommen und ein Vorbringen dazu erstattet (vgl. im Übrigen VwGH 26.2.2019, Ra 2018/03/0134, wo wie im Revisionsfall der Niederschrift über die mündliche Verhandlung der Hinweis zu entnehmen war, dass der Akteninhalt als bekannt vorausgesetzt wird und der dort rechtsanwaltlich vertretene Revisionswerber auf die Verlesung des Akteninhaltes verzichtet hat).

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Jänner 2024

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