JudikaturVwGH

Ra 2025/01/0074 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2025, Zl. W248 23065151/10E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: M W A M, in I, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6/6 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die als Revision zu wertende Revisionsbeantwortung des Mitbeteiligten wird zurückgewiesen.

1 Der Mitbeteiligte, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 7. Oktober 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nicht binnen sechs Monaten entschied. Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2024 erhob der Mitbeteiligte Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das BFA.

2Mit dem angefochtenen Erkenntnis beauftragte das Verwaltungsgericht das BFA gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG, den versäumten Bescheid „unter Zugrundelegung folgender Rechtsanschauung binnen acht Wochen zu erlassen“. In weiterer Folge legte das Verwaltungsgericht allgemein ohne Bezugnahme auf die konkrete Rechtssache unter Spruchpunkt A)I. Beispiele einer asylrelevanten Verfolgung in Zusammenhang mit Wehrdienstverweigerung und unter Spruchpunkt A)II.) die Voraussetzungen einer „realen Gefahr“ einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK dar. Schließlich sprach es aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

3Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, zu deren Zulässigkeit unter anderem vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es der belangten Behörde einen Auftrag gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG erteilt habe, jedoch keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt habe, unter deren Zugrundelegung die Behörde einen Bescheid zu erlassen habe.

4 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, der Amtsrevision stattzugeben und dem Mitbeteiligten Aufwandersatz zuzusprechen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 Die Amtsrevision erweist sich aus den in Rn. 3 wiedergegebenen Gründen als zulässig. Sie ist auch begründet.

6Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 15. März 2016, Ra 2015/01/0208, bereits mit den maßgeblichen Voraussetzungen eines Grundsatzerkenntnisses im Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG auseinandergesetzt. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG kann daher auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.

7 Den darin aufgestellten Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht entsprochen, weil es keine Rechtsanschauung zu einzelnen maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt, sondern ohne im konkreten Fall zu lösende Rechtsfragen zu entscheidender Verwaltungsbehörde die Erlassung des versäumten Bescheides unter Setzung einer Nachfrist aufgetragen hat. Die Ausführungen in den Spruchpunkten A)I. und A)II. beschränken sich ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall auf die allgemeine Darstellung einerseits von Beispielen einer für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) erforderlichen drohenden Verfolgung iSd Art. I Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention in Bezug auf Wehrdienstverweigerung, andererseits der Voraussetzungen einer, für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erforderlichen „realen Gefahr“ einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK. Damit wird dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 7 VwGVG, nämlich der Behörde eine Entscheidung in den einzelnen (und daher fallbezogen) maßgeblichen Rechtsfragen vorzugeben, nicht entsprochen (vgl. erneut VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0208, Rn. 9; sowie etwa VwGH 19.12.2023, Ra 2023/01/0116, Rn. 9; 8.3.2024, Ra 2023/18/0360, Rn. 8, jeweils mwN).

8Da das Verwaltungsgericht dies verkannte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

9Von der Durchführung der in der Revisionsbeantwortung beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

10Die Zurückweisung der Revisionsbeantwortung des Mitbeteiligten beruht darauf, dass das VwGG keinen Eintritt in das Revisionsverfahren auf Seite der revisionswerbenden Partei kennt. Wenn sich daher der Mitbeteiligte in seiner Revisionsbeantwortung den Argumenten der revisionswerbenden Partei anschloss, war dieser Schriftsatz der Sache nach als Revision zu werten (vgl. etwa VwGH 28.5.2024, Ro 2023/04/0052, Rn. 28). Da der Mitbeteiligte bereits vor Einbringung der als Revision zu wertenden Revisionsbeantwortung gegen das vorliegend angefochtene Erkenntnis selbst eine außerordentliche Revision erhoben hat, war die Revisionsbeantwortung wegen Verbrauchs des Revisionsrechts zurückzuweisen (vgl. zum Verbrauch des Revisionsrechts und der Unzulässigkeit mehrerer Revisionen gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts etwa VwGH 17.5.2024, Ra 2024/04/0160 bis 0301, Rn. 8, mwN).

11Dem Mitbeteiligten kommt bereits deshalb gemäß § 47 VwGG kein Anspruch auf Aufwandersatz zu.

Wien, am 15. April 2025