Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2023, Zl. W220 2268481 1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: I M, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner und Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 17. Jänner 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in weiterer Folge nicht entschied. Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2022 erhob der Mitbeteiligte Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das BFA.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BVwG der Säumnisbeschwerde statt und beauftragte das BFA, den versäumten Bescheid „unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG binnen acht Wochen zu erlassen“. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, in deren Zulässigkeitsbegründung insbesondere vorgebracht wird, das BVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es der belangten Behörde zwar einen Auftrag gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG erteilt, jedoch keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen darlegt habe, unter deren Zugrundelegung die Behörde einen Bescheid zu erlassen habe. Dadurch habe es das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet.
5 Der anwaltliche vertretene Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
6 Die Revision ist zulässig und begründet.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 15. März 2016, Ra 2015/01/0208, bereits mit den maßgeblichen Voraussetzungen eines Grundsatzerkenntnisses im Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG auseinandergesetzt.
8 Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG kann daher auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.
9 Den darin aufgestellten Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht entsprochen, weil es keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt, sondern ohne die im konkreten Fall zu lösenden Rechtsfragen zu entscheiden der Verwaltungsbehörde die Erlassung des versäumten Bescheides unter Setzung einer Nachfrist aufgetragen hat. In seiner Begründung beschränkt sich das gegenständliche Erkenntnis im Wesentlichen auf allgemeine Ausführungen zum Flüchtlingsbegriff sowie auf den bloßen Hinweis, dass die Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens „in concreto“ zu prüfen sein werde. Damit wird dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 7 VwGVG, nämlich der Behörde eine Entscheidung in den einzelnen (und daher fallbezogen) maßgeblichen Rechtsfragen vorzugeben, jedoch nicht entsprochen (vgl. erneut VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0208, VwSlg. 19325 A/2016; vgl. auch VwGH 11.7.2023, Ra 2022/07/0205, mwN).
10 Da das BVwG dies verkannte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
11 Der Mitbeteiligte hat bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Aufwandersatz (vgl. VwGH 4.12.2020, Ra 2020/01/0365, mwN).
Wien, am 19. Dezember 2023