Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Chvosta und Mag. Schartner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Y Ö, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Senefeldergasse 11/1E, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2024, L502 2290416 1/6E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der 1989 geborene Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2002 im Wege der Familienzusammenführung nach Österreich und verfügt seit November 2009 über einen unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“. Er ist mit einer seit 2009 in Österreich lebenden türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Auch der im Jahr 2018 geborene gemeinsame Sohn besitzt die türkische Staatsangehörigkeit. Die Eltern und Geschwister des Revisionswerbers sowie weitere Verwandte befinden sich ebenso in Österreich, wobei auch in der Türkei mehrere Verwandte leben.
2Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. Dezember 2022 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 4 Z 1 SMG zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber habe einer minderjährigen Person am 2. und 5. September 2022 jeweils zwei Gramm Marihuana zum Gebrauch überlassen.
3Schließlich wurde der Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. August 2023 wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1, 130 Abs. 3; 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dem Urteil lag zugrunde, der Revisionswerber sei gewerbsmäßig im Zeitraum von 21. August 2022 bis 30. Jänner 2023 großteils mit Unterstützung seines Schwagers als Beitragstäter (überwiegend) in Wohnstätten eingebrochen und habe dabei Wertgegenstände (vor allem Bargeld, Goldmünzen und Schmuck) im Gesamtwert von über € 100.000, erbeutet, wobei von den insgesamt 58 Einbruchsdiebstählen 26 Fälle beim Versuch geblieben seien. Mit seinem Schwager habe der Revisionswerber ferner im bewussten und gewollten Zusammenwirken am 15. Juni 2022 durch Einbruch in drei Lagerräume Werkzeug im Gesamtwert von fast € 40.000, weggenommen. Der Revisionswerber befindet sich seit 30. Jänner 2023 zunächst in Untersuchungs und anschließend in Strafhaft.
4Wegen dieser Straftaten erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 11. März 2024 gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFAVG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Ferner erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot, gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA VG die aufschiebende Wirkung ab.
5Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber eine Beschwerde, die das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 11. Juli 2024 als unbegründet abwies. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende nach Ablehnung der Behandlung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 16.9.2024, E 3227/2024 5) fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In ihrer Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revision gegen die vom BVwG vorgenommene Gefährdungsprognose und die Interessenabwägung und macht überdies eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend.
10 Vorauszuschicken ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 BVG ist. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. VwGH 29.8.2024, Ra 2024/21/0011, Rn. 10, mwN).
11Im vorliegenden Fall ging das BVwG bei der für die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot anzustellenden Gefährdungsprognose davon aus, dass mit der strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers vom 24. August 2023 der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG erfüllt und deshalb die Annahme im Sinne des § 52 Abs. 5 FPG gerechtfertigt sei, dass sein weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle. Dabei hat das BVwG hinsichtlich des strafbaren Verhaltens, das zur Verurteilung des bis dahin noch nicht einschlägig vorbestraften Revisionswerbers zu einer sehr hohen unbedingten Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren führte, zu Recht den langen Tatzeitraum, in dem der Revisionswerber eine Vielzahl von „Dämmerungseinbrüchen“ beging, und den erheblichen Wert des erbeuteten Diebsgutes von mehr als € 100.000, zu seinen Lasten ins Treffen geführt. Das BVwG hat überdies zutreffend einbezogen, dass der Revisionswerber „äußerst planvoll“ vorging und bei den gemeinsam mit seinem Schwager durchgeführten Einbrüchen die führende Rolle übernahm. Schließlich durfte es für die Gefährdungsannahme auch berücksichtigen, dass der Revisionswerber die ihm zur Last gelegten Einbrüche gewerbsmäßig und auch noch während des Strafverfahrens, das zu seiner ersten Verurteilung vom 13. Dezember 2022 führte, beging, sich die Intensität der kriminellen Handlungen massiv steigerte und der Revisionswerber erst durch die Festnahme von der Fortsetzung seines delinquenten Verhaltens abgehalten werden konnte. Vor diesem Hintergrund ist die Prognosebeurteilung des BVwG insgesamt jedenfalls nicht zu beanstanden.
12 Im Rahmen der nach § 9 BFA VG vorgenommenen Interessenabwägung gelangte das BVwG zutreffend zum Ergebnis, dass der frühere Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 9 Abs. 4 Z 1 BFA VG idF vor dem FrÄG 2018 wegen Vorliegens eines besonders verwerflichen Verbrechens und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung einer Rückkehrentscheidung und einem Einreiseverbot gegen den Revisionswerber nicht entgegenstehe. Dabei nahm das BVwG auch auf die Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf die familiäre Situation des Revisionswerbers in Österreich, insbesondere auf das Kindeswohl im Hinblick auf seinen minderjährigen Sohn, ausreichend Bedacht. In Anbetracht des vom BVwG ebenfalls zutreffend angenommenengroßen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung vor allem der fallbezogen als besonders gravierend zu qualifizierenden Einbruchskriminalität durfte es trotz der mit den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verbundenen Beeinträchtigung des Kindeswohls davon ausgehen, dass der Revisionswerber und seine Familienangehörigen eine befristete Trennung hinzunehmen hätten (vgl. etwa VwGH 30.3.2023, Ra 2021/21/0028, Rn. 16, mwN). Angesichts dessen erweisen sich die in der Revision kritisierten, eine Alternativbegründung darstellenden Ausführungen des BVwG über eine mögliche Begleitung des Revisionswerbers durch seine Ehefrau und seinen Sohn in die Türkei sowie eine Passage im angefochtenen Erkenntnis, wonach der Kontakt zwischen dem straffällig gewordenen Revisionswerber und seinem Sohn dessen Wohl abträglich sein könnte, als nicht tragend.
13Soweit die Revision in diesem Zusammenhang noch auf das Erkenntnis VwGH 22.2.2024, Ro 2022/21/0010, hinweist, ist aus dieser Entscheidung, die lediglich die Rückkehrentscheidung gegen den unbescholtenen Vater eines minderjährigen Kindes betraf, für den vorliegenden Fall mangels Vergleichbarkeit nichts zu gewinnen.
14Unter Berücksichtigung der besonders hohen vom Revisionswerber ausgehenden Gefährdung durfte das BVwG insgesamt sogar von einem eindeutigen Fall ausgehen, der es ihm ausnahmsweise erlaubte, von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber abzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 24.10.2024, Ra 2024/21/0057, Rn. 14, mwN). Soweit in der Revision insbesondere die Unterlassung der Befragung der Ehefrau des Revisionswerbers bemängelt wird, enthält sie dazu keine Relevanzdarstellung.
15 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG aufgezeigt. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
16Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 29. Jänner 2025