Rückverweise
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des A S in W, vertreten durch Dr. Michael Meyenburg, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Linke Wienzeile 4/2/2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. November 2023, Zl. VGW 021/014/10903/2022/E 14, betreffend Übertretung des Tabak und Nichtraucherinnen bzw. Nichtraucherschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 24. Oktober 2017 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe als Inhaber einer näher bezeichneten Tabaktrafik dadurch gegen §§ 1 Z 2 iVm. 6 Abs. 3 Tabak und Nichtraucherinnenbzw. Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG) verstoßen, dass am 23. Februar 2017 im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der ca. 200 Sorten Zigaretten, welche von ihm zum Verkauf angeboten worden seien, vor den in Verkaufsregalen hintereinander aufgereihten Zigarettenpackungen von 31 näher genannten Sorten im Regal Steckschilder mit den Werbeaufdrucken der jeweiligen Zigarettensorte gesteckt seien. Dabei sei die jeweils näher genannteGröße der Steckschilder an die Größe der dahinter befindlichen Zigarettenpackungen angepasst gewesen, wodurch die Steckschilder bei den betreffenden 31 Zigarettensorten die auf den Zigarettenpackungen vorhandenen „Schockbilder“ (gesundheitsbezogene Warnhinweise) jeweils zur Gänze verdeckt hätten. Deswegen wurde über ihn gemäß § 14 Abs. 1 Z 5 iVm. § 1 Z 2 und § 6 Abs. 3 TNRSG eine Geldstrafe in der Höhe von € 350, (Ersatzfreiheitsstrafe von 21 Stunden) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Verfahrenskosten auferlegt.
21.2. Mit Erkenntnis vom 19. September 2018 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab. Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30. Juni 2022, Ro 2019/11/0002, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil das Verwaltungsgericht die gebotene mündliche Verhandlung nicht durchgeführt hatte.
3 1.3. Im fortgesetzten Verfahren holte das Verwaltungsgericht die mündliche Verhandlung nach und wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis neuerlich (mit einer hier nicht relevanten Maßgabe sowie) unter Herabsetzung der Geldstrafe auf € 200, (Ersatzfreiheitsstrafe von neun Stunden) und des Beitrages zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens ab. Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass der Revisionswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.
4 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber zur Tatzeit Tabaktrafikant gewesen sei. Es seien zu der im Straferkenntnis genannten Tatzeit am genannten Tatort in den Verkaufsregalen im Verkaufsraum seines Tabaktrafikgeschäftes, die etwa eineinhalb Meter vom Kunden entfernt stünden, etwa 200 Sorten Zigaretten eingeordnet gewesen. Dabei seien vor den hintereinander aufgereihten Zigarettenpackungen von 31 (näher genannten) Sorten Steckschilder mit den Werbeaufdrucken der jeweils betreffenden Zigarettensorten angebracht gewesen, die der Größe der Zigarettenpackungen angepasst gewesen seien (wird mit genauen Größenangaben näher ausgeführt). Durch die Steckschilder seien die auf den Zigarettenpackungen der 31 Zigarettensorten vorhandenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise („Schockbilder“) der in der ersten Reihe platzierten Zigarettenpackungen zur Gänze verdeckt worden.
5 In seiner rechtlichen Beurteilung gab das Verwaltungsgericht Auszüge aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9. März 2023, Pro Rauchfrei e. V. , C 356/22, wieder. Sodann gelangte das Verwaltungsgericht zur Schlussfolgerung, dass die in den Verkaufsregalen platzierten Zigarettenpackungen iSd. Richtlinie 2014/40/EU „bereitgestellt“ seien und dass das gänzliche Verdecken der gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den in der vordersten Reihe platzierten Zigarettenpackungen durch Steckschilder mit Werbeaufdrucken der betreffenden Zigarettensorten gegen die Verpflichtungen nach Art. 8 Abs. 3 erster Satz der Richtlinie 2014/40/EU verstoße.
6Sowohl die in § 6 Abs. 3 TNRSG normierte Verpflichtung als auch die Strafbestimmung des § 14 Abs. 1 Z 5 TNRSG bezeichneten den Normadressat nicht näher. Aus dem Gesetzestitel und seinem Regelungsinhalt ergebe sich jedoch, dass u.a. diejenigen, die mit dem Herstellen und Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie deren Bewerbung befasst seien, zu den Normadressaten zählten. Dazu gehöre der Revisionswerber in seiner Eigenschaft als Tabaktrafikant, zu dessen primären Tätigkeitsfeldern das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen zähle.
7 Sodann enthält das angefochtene Erkenntnis noch Ausführungen zur subjektiven Tatseite sowie zur Strafbemessung.
8Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob die allgemeine Bestimmung des § 6 TNRSG ausschließlich den Hersteller verpflichte oder auch jene, die diese Produkte in Verkehr brächten.
9 1.4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision, zu der die belangte Behörde und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Revisionsbeantwortung erstatteten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tabak und Nichtraucherinnen bzw. NichtraucherschutzgesetzTNRSG, BGBl. Nr. 431/1995, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 22/2016, lauten (auszugsweise):
„Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als
...
2. ‚Inverkehrbringen‘ die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten unabhängig vom Ort ihrer Herstellung für Verbraucherinnen bzw. Verbraucher,
...
Verbot des Inverkehrbringens
(1) Das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen,
1. die den §§ 3 bis 7 oder auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen nicht entsprechen oder
...
ist verboten.
...
Allgemeine Bestimmungen
...
...
(3) Die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf einer Packung oder Außenverpackung müssen unablösbar aufgedruckt, unverwischbar und vollständig sichtbar sein. Sie dürfen weder vollständig noch teilweise durch Steuerzeichen, Preisaufkleber, Sicherheitsmerkmale, Hüllen, Taschen, Schachteln oder sonstige Gegenstände verdeckt oder getrennt werden.
...
Strafbestimmungen
(1) Wer
1. Tabakerzeugnisse oder verwandte Erzeugnisse entgegen § 2 in Verkehr bringt,
...
5. gegen die Bestimmungen hinsichtlich des Erscheinungsbildes gemäß §§ 5 bis 6, 10c und 10f verstößt,
...
begeht, sofern die Tat nicht nach anderen Verwaltungsbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 7 500 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 15 000 Euro zu bestrafen.
...“
11 3. Die Revision ist aus den in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts genannten Gründen zulässig.
12 4. Die Revision ist im Ergebnis auch begründet:
134.1. § 44a VStG regelt, welche Bestandteile der Spruch eines Straferkenntnisses zu enthalten hat. Dazu zählen unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1), die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2) sowie die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung (Z 3). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der angelasteten Übertretung geschlossen werden kann. Der Revisionswerber hat zudem ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten werden. Die Identität der Tat muss unverwechselbar feststehen (vgl. VwGH 26.3.2024, Ra 2021/11/0070, mwN).
144.2. Dem Revisionswerber wurde als Inhaber einer Tabaktrafik in der Tatumschreibung des angefochtenen Erkenntnisses (in Bestätigung des Spruchs des Straferkenntnisses der belangten Behörde) vorgeworfen, dass „im Zeitpunkt des Inverkehrbringens“ gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen verdeckt gewesen seien. Dadurch habe er gegen § 1 Z 2 iVm. § 6 Abs. 3 TNRSG verstoßen, weswegen er gemäß § 14 Abs. 1 Z 5 TNRSG (iVm. § 1 Z 2 und § 6 Abs. 3) TNRSG bestraft wurde.
15Das Verwaltungsgericht befasste sich in der Begründung seines Erkenntnisses auch mit der Frage, wer Normadressat der Gebotsnorm des § 6 Abs. 3 TNRSG und der Strafnorm des § 14 Abs. 1 Z 5 TNRSG ist, und gelangte zum Ergebnis, dass diese Bestimmungen (auch) das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und daher auch den Revisionswerber als Tabaktrafikanten adressierten.
16 Spruch und Begründung des angefochtenen Erkenntnisses lassen somit erkennen, dass das Verwaltungsgericht davon ausging, die dem Revisionswerber vorgeworfene Tathandlung umfasse das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen.
174.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26. März 2024, Ra 2021/11/0070, in einem vergleichbaren Fall ausgeführt, dass das Inverkehrbringen von (mit Tabakerzeugnissen) verwandten Erzeugnissen, die den §§ 4 bis 10e nicht entsprechen, gegen das Verbot des § 2 Abs. 1 Z 1 TNRSG verstößt, wodurch die Z 1 des § 14 Abs. 1 TNRSG verwirklicht wird und nicht dessen Z 5 (vgl. auch VwGH 16.10.2024, Ra 2024/11/0110).
18Demnach stellen die Verbotsnorm des § 2 Abs. 1 Z 1 TNRSG und die Strafnorm des § 14 Abs. 1 Z 1 TNRSG in jenen Fällen, in denen durch das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen auch gegen die in § 14 Abs. 1 Z 5 TNRSG aufgezählten Bestimmungenim gegenständlichen Fall: gegen § 6 (Abs. 3) TNRSG verstoßen wird, die spezielleren Bestimmungen dar.
194.4. Weil das Verwaltungsgericht dies verkannte und den Revisionswerber wegen des Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen, die dem § 6 Abs. 3 TNRSG nicht entsprächen, nach § 14 Abs. 1 Z 5 TNRSG bestrafte, hat es sein Erkenntnis schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
205. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 5. November 2024