JudikaturVwGH

Ra 2024/11/0154 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
07. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. August 2024, Zl. W274 2279678 1/3E, betreffend Anträge auf Auskunftserteilung nach dem Auskunftspflichtgesetz (mitbeteiligte Partei: R M, W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 14. Juli 2023 wies die revisionswerbende Behörde drei näher bezeichnete Anträge des Mitbeteiligten (eine Eingabe vom 16. März 2023 sowie zwei Anbringen vom 30. April 2023) auf Erteilung von Auskünften, betreffend insbesondere den Erreger SARS CoV 2, die Krankheit Covid 19, dagegen verfügbare Impfstoffe sowie einen „Impfplan“ gemäß § 1 Abs. 2 iVm. § 4 Auskunftspflichtgesetz ab.

2 Begründend führte sie aus, der Mitbeteiligte versuche mit seinen Fragen den Wissensstand der revisionswerbenden Behörde zu Covid 19 zu erfragen. Dies lasse sich klar an der Wendung „Verfügt das BMSGPK über gesichertes Wissen, dazu, ...“ erkennen. Das Auskunftspflichtgesetz diene jedoch nicht dazu, den Kenntnisstand der Behörde gleichsam abzuprüfen, und räume auch keinen Anspruch auf Akteneinsicht ein.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und stellte fest, die revisionswerbende Behörde habe die gegenständlichen, vom Mitbeteiligten begehrten Auskünfte zu Unrecht verweigert. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

4 Dazu hielt das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne nur „gesichertes Wissen“ Gegenstand einer Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz sein. Im Hinblick darauf lasse die vom Mitbeteiligten gewählte Wendung „gesichertes Wissen“ alleine noch nicht auf eine Missbrauchsabsicht bzw. auf die Absicht, den Kenntnisstand der Behörde quasi abzuprüfen, schließen. Eine offenbare Mutwilligkeit des Auskunftsbegehrens im Sinn von § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz könne entgegen der Annahme der revisionswerbenden Behörde weder in der Wortwahl des Mitbeteiligten („gesichertes Wissen“) noch in der sonstigen Formulierung der Begehren erkannt werden.

5 Der Hinweis der revisionswerbenden Behörde auf den fehlenden Anspruch auf Akteneinsicht sei ebenfalls nicht stichhaltig. Die Auskunftsbegehren wiesen keinerlei Bezug zu einem konkreten Verwaltungsverfahren auf. Eine Vollständigkeit, wie sie für eine Aktenabschrift typisch sei, habe der Mitbeteiligte nicht verlangt.

6 Auch im Übrigen seien keine Gründe ersichtlich, die eine gänzliche Auskunftsverweigerung rechtfertigen würden.

7 Der Mitbeteiligte habe Auskunft über Fakten begehrt, mit denen sich die revisionswerbende Behörde aufgrund ihrer zentralen Rolle im Rahmen der gegen die Verbreitung von Covid 19 ergriffenen Maßnahmen grundsätzlich hinlänglich befasst haben müsste, sodass auch ein entsprechender Wissensstand der Behörde anzunehmen sei. Im konkreten Fall sei angesichts der Tragweite desselben anzunehmen, dass die revisionswerbende Behörde „ihren Impfplan“ ausreichend begründet habe und diese Begründung nicht erst habe erstellen müssen. Es spreche daher nichts dagegen, dass die revisionswerbende Behörde ihre Motive gegenüber dem Mitbeteiligten offenlege. Sollten keine Informationen über die maßgeblichen Motive für die Impfempfehlungen vorliegen, so wäre die Auskunft auf diesen Umstand zu beschränken, nicht aber zu verweigern gewesen.

8 Eine pauschale Auskunftsverweigerung sei gegenständlich somit nicht zulässig. Gegebenenfalls wären „Übersichtsauskünfte“ zu erteilen.

9 Zwecks Begründung der Nichtdurchführung der beantragten mündlichen Verhandlung verwies das Bundesverwaltungsgericht auf den seiner Beurteilung nach fallbezogen aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehenden Sachverhalt.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist:

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (vgl. VwGH 1.10.2024, Ra 2024/11/0046).

14 Soweit die Amtsrevision zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - vorbringt, die drei gegenständlichen, auf wissenschaftlich nicht anerkannten Theorien basierenden Auskunftsbegehren seien in ihrer Gesamtheit nicht auf den Erhalt einer eine Auskunftspflicht begründenden Wissenserklärung gerichtet gewesen, sondern sie seien ganz offenkundig als eine Infragestellung allgemein anerkannter, „breit öffentlich“ zugänglicher wissenschaftlicher Grundlagen zu qualifizieren, zeigt sie keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG auf.

15Zunächst legt die Zulässigkeitsbegründung nicht nachvollziehbar dar, dass das angefochtene Erkenntnis korrekturbedürftig wäre, weil Gegenstand der gegenständlichen Auskunftsbegehren nicht die Erteilung von Auskünften über „gesichertes Wissen“ gewesen wäre (vgl. dazu VwGH 26.5.2014, Ra 2014/03/0003; VwGH 20.5.2015, 2013/04/0139, jeweils mwN). Selbst wenn die Auskunftsbegehren vor dem Hintergrund wissenschaftlich nicht anerkannter Theorien gestellt worden sein sollten, wäre daraus nicht zwingend der Schluss zu ziehen, dass sich die Anträge nicht auf den Erhalt einer Wissenserklärung bezogen hätten.

16 Weiters ist auf Basis des Zulässigkeitsvorbringens nicht ersichtlich, inwiefern die gegenständlichen Auskunftsbegehren wie in der Revision ebenfalls ganz allgemein, ohne Bezugnahme auf die im Einzelnen gestellten Fragen sowie ohne jegliche Quellenangabe behauptetohnedies öffentlich zugängliche Informationen betroffen hätten (zur fehlenden Verpflichtung zur Beschaffung von auch anders zugänglichen Informationen siehe etwa VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038, Rn. 17; VwGH 9.9.2015, 2013/04/0021).

17 Sofern die Amtsrevision zudem Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vermisst, ob Mutwilligkeit vorliege, wenn bei einem Auskunftswerber eine „tiefe Wissenschaftsfeindlichkeit“ erkennbar sei, die allgemein bekannte, dem Stand der Wissenschaft entsprechende Grundlagen in Frage stelle, ist Folgendes festzuhalten:

18 Nach der ständigen Rechtsprechung nimmt die Behörde mutwillig in Anspruch, wer sich in dem Bewusstsein der Grundlosigkeit und Aussichtslosigkeit, der Nutzlosigkeit und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Der Begriff der Zwecklosigkeit eines Auskunftsersuchens im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Mutwilligkeit ist spezifisch vor dem Hintergrund jener Zwecke zu sehen, denen die Auskunftspflicht dient, also dem Gewinn von Informationen, über die der Auskunftswerber nicht verfügt, an denen er jedoch ein konkretes Auskunftsinteresse besitzt. Im Bewusstsein der Zwecklosigkeit seines Begehrens, und damit mutwillig, handelt ein Auskunftswerber daher dann, wenn er mit den Mitteln der Auskunftspflicht ausschließlich Zwecke mögen sie auch durchaus von der Rechtsordnung anerkannt oder gewollt seinverfolgt, deren Schutz die Auskunftspflicht nicht dient (vgl. etwa VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083, Rn. 25; zu derartigen nicht geschützten Zwecken siehe ferner VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0038, Rn. 23/24).

19 Ausgehend von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird auch mit dem auf Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestützten Zulässigkeitsvorbringen, das (in anderen Worten) die Frage betrifft, ob fallbezogen unter der Prämisse einer erkennbaren „tiefgreifenden Wissenschaftsfeindlichkeit“ des Mitbeteiligten das Vorliegen von offenbarer Mutwilligkeit im Sinn von § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz anzunehmen gewesen sei, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Gemessen an der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelangte das Verwaltungsgericht vertretbar zum Ergebnis, dass die Auskunftsbegehren des Mitbeteiligten nicht offenbar mutwillig gestellt worden seien.

20Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zeigt die Amtsrevision, da sie lediglich ins Treffen führt, das Verwaltungsgericht wäre bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung „zu einer anderen Entscheidung in der Sache“ gekommen, schon mangels einer konkreten Relevanzdarstellung nicht auf (zum jedenfalls bestehenden Erfordernis einer entsprechenden Relevanzdarstellung bei Geltendmachung einer Verletzung der Verhandlungspflicht durch Amtsrevisionen vgl. etwa VwGH 26.9.2022, Ro 2020/04/0036).

21 Da die Revision sohin keine Rechtsfragen darlegt, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. Jänner 2025