JudikaturVwGH

Ra 2024/10/0123 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
11. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der F GmbH in A, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 25. Juli 2024, Zl. LVwG 52.27 2701/2024 5, betreffend forstbehördlichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leibnitz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 19. März 2024 wurde der Revisionswerberin gemäß § 172 Abs. 6 lit. a Forstgesetz 1975 (ForstG) die Wiederbewaldung von Teilflächen eines näher genannten Waldgrundstücks in der KG W. im Ausmaß von ca. 0,47 ha durch näher umschriebene Aufforstungsmaßnahmen aufgetragen, wobei die Wiederbewaldung und Kulturpflege der vorhandenen Naturverjüngung bis 30. April 2024 vorzunehmen und in den unmittelbar nachfolgenden Jahren so lange nachzubessern und zu pflegen sei, bis diese gesichert sei.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 25. Juli 2024 wurde eine dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Frist zur Wiederbewaldung bis zum 31. Oktober 2024 verlängert und der Auftrag auf § 172 Abs. 6 lit. a iVm § 13 Abs. 7 und 8 ForstG gestützt wurde (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei (Spruchpunkt II.).

3 In der Begründung dieses Erkenntnisses verwies das Verwaltungsgericht unter anderemdarauf, dass Ermittlungen im Hinblick auf allfällige nach Erlassung des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides von der Revisionswerberin durchgeführte Maßnahmen zur Erfüllung des behördlichen Auftrages unterbleiben hätten können. Zwar sei vom Verwaltungsgericht grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Dies gelte allerdings nicht für solche Sachverhaltsänderungen, die in der Herstellung eines Zustandes bestünden, der dem erlassenen forstpolizeilichen Auftrag entspreche; dabei handle es sich um keine vom Verwaltungsgericht zu beachtende Änderung des maßgebenden Sachverhaltes (Verweis auf VwGH 18.3.2022, Ra 2022/06/0018).

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 13.9.2023, Ra 2023/10/0063; 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 14.10.2022, Ra 2022/10/0122; 29.9.2022, Ra 2022/10/0095; 31.7.2020, Ra 2020/10/0073).

8 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, die Revision sei zulässig, da das Erkenntnis „gegen die Rechtskraft der Einstellung des Wiederbewaldungsverfahrens laut Bescheid der BH Leibnitz vom 14.05.2024 verstößt, gegen das Neuerungsverbot, einen aktenwidrigen Sachverhalt zugrunde legt und auf der Sachverhaltsebene festgestellt wurde, dass die Wiederbewaldung ordnungsgemäß durchgeführt wurde“. Das Verwaltungsgericht hätte sich damit auseinandersetzen müssen, ob die Wiederbewaldung erforderlich sei und ob aufgrund der im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Naturverjüngung der Auftrag zur Walderhaltung nicht mehr erforderlich gewesen sei. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes sei die Wiederbewaldung ordnungsgemäß durchgeführt worden. Das angefochtene Erkenntnis verstoße damit gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 11.5.1987, 87/10/0044; 24.9.1999, 99/10/0186; 5.5.2003, 2000/10/0199). Das Verwaltungsgericht weiche von näher genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ab. Das Verwaltungsgericht hätte das Verfahren „wegen nachträglichem Wegfall der Beschwer einstellen“ müssen.

9 Mit diesen Ausführungen wird aber schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt, weil die Revisionswerberin die bereits vom Verwaltungsgericht zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur behaupteten Erfüllung eines behördlichen Auftrages nach dem Zeitpunkt der Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides vollständig übergeht:

10 Die behauptete Erfüllung eines behördlichen Auftrages nach dem Zeitpunkt der Erlassung des in Beschwerde gezogenen Bescheides stellte nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtslage vor der VerwaltungsgerichtsbarkeitsNovelle 2012 keine zu beachtende Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes dar (vgl. VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0118, VwSlg. 18.524 A, mit Verweis auf VwGH 16.4.1956, VwSlg 4040 A/1956 [verstärkter Senat]; 7.2.1990, 88/01/0237; 13.12.1994, 91/07/0098; 17.10.2002, 98/07/0061; 20.10. 2005, 2005/07/0112; 23.3.2006, 2005/07/0173). Dass der Verwaltungsgerichtshof es in ständiger Rechtsprechung ablehnte, dem Umstand der Erfüllung einer erstinstanzlich aufgetragenen Leistungspflicht durch den Verpflichteten nach erstinstanzlicher Auftragserlassung rechtliche Bedeutung für den Inhalt der über den ergangenen Leistungsbefehl zu treffenden Berufungsentscheidung beizumessen, stellte keinen Widerspruch zu jener Judikatur dar, welche die Berücksichtigung im Berufungsverfahren eingetretener Sachverhaltsänderungen bei Erlassung der Berufungsentscheidung forderte. Den Umstand einer Erfüllung eines erstinstanzlichen Leistungsbefehles durch den Bescheidadressaten nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides für den Inhalt der über den Leistungsbefehl zu erlassenden Berufungsentscheidung als unbeachtlich zu beurteilen, war schon aus Gründen des Rechtsschutzes geboten, der demjenigen, der ein Leistungsgebot befolgt, nicht gerade deswegen genommen werden durfte. Diese für die Erfüllung von Leistungsbescheiden bzw. Aufträgen während eines Berufungsverfahrens ergangene Rechtsprechung hat auch für die Rechtslage nach der VerwaltungsgerichtsbarkeitsNovelle 2012 und die Erfüllung von Leistungsbescheiden bzw. Aufträgen einer Verwaltungsbehörde während des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Bestand. Auch in solchen Fällen ist in der Herstellung des Zustandes, der einem angefochtenen behördlichen Auftrag entspricht, keine vom Verwaltungsgericht zu beachtende Veränderung des maßgebenden Sachverhaltes zu erblicken. Die Umsetzung eines Bescheides, der eine Leistung auferlegt, in die Wirklichkeit kann weder eine noch anhängige Beschwerde gegenstandslos machen noch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in einem bestimmten Sinn festlegen. In einem solchen Fall darf die Sachlage nicht anders gesehen werden, als ob in der Zeit nach der Erlassung des Bescheides, mit dem die Verpflichtung zur Leistung ausgesprochen worden ist, nichts geschehen wäre. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt war (und blieb) daher im vorliegenden Fall derjenige, der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vorlag; auf seither eingetretene Änderungen brauchte durch das Verwaltungsgericht infolgedessen nicht näher eingegangen zu werden (vgl. nochmals VwGH 26.11.2015, Ra 2015/07/0118, VwSlg. 18.524 A). Diese Rechtsprechung ist auch bei forstbehördlichen Aufträgen gemäß § 172 Abs. 6 ForstG maßgeblich (vgl. VwGH 8.2.1988, 87/10/0142, VwSlg. 12.620 A). Das Verwaltungsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen, diese steht auch mit der von der Revision (oben Rz 8) zitierten Judikatur betreffend die Erforderlichkeit des forstbehördlichen Auftrages (aber eben im Zeitpunkt dessen Erlassung) im Einklang.

11Soweit die Revisionswerberin sich in der Zulässigkeitsbegründung darauf beruft, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses von einer „ordnungsgemäßen Wiederbewaldung“ auszugehen gewesen sei, was sich aus dem Schreiben der belangten Behörde vom 14. Mai 2024 ergebe, welches „von der Revisionswerberin rechtlich als Bescheid qualifiziert“ werde, da dieses Schreiben „sämtliche Anforderungen des § 18 AVG“ erfülle, wird zum einen nicht aufgezeigt, welche Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der bereits referierten hg. Judikatur insofern zu lösen wäre. Zum anderen wird aber auch nicht dargelegt, dass dieses Schreiben der belangten Behörde vom 14. Mai 2024 das nicht als Bescheid bezeichnet istals solcher zu qualifizieren wäre: Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid für die Qualifikation einer Erledigung als Bescheid dann unerheblich, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung enthält. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, sowie Hinweise auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden. In jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung (also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung) Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, ist somit die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell. Sofern es daher an der für einen Bescheid vorgeschriebenen Form mangelt, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den (objektiv erkennbaren) Willen hatte, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer Verwaltungsangelegenheit vorzunehmen. Ist diese deutliche Erkennbarkeit nicht gegeben, ist wie erwähntdie ausdrückliche Bezeichnung der Erledigung als Bescheid essentiell (vgl. VwGH 21.11.2023, Ra 2021/10/0122, mwN).

12 Wie die Revisionswerberin in der Sachverhaltsdarstellung der vorliegenden Revision selbst ausführt, enthält das Schreiben der belangten Behörde vom 14. Mai 2024 (das, wie erwähnt, nicht als Bescheid bezeichnet ist, keinen als Spruch gekennzeichneten Teil sowie auch keine Rechtsmittelbelehrung enthält und die in Briefen üblichen Grußformeln aufweist) nach einem Verweis darauf, dass das bei der Behörde eingeleitete Wiederbewaldungsverfahren amtswegig eingestellt werde, weil im Zuge einer forsttechnischen Erhebung vom 10. Mai 2024 festgestellt worden sei, dass die in Rede stehende Wiederbewaldung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei das Ersuchen an die Revisionswerberin, bis zum 31. Mai 2024 mitzuteilen, „ob die eingebrachte Beschwerde zurückgezogen wird, andernfalls eine bescheidmäßige Erledigung im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung zu erfolgen“ habe. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde mit diesem Schreiben bereits eine (bloß für den Fall der Nicht Zurückziehung der Beschwerde angekündigte) „bescheidmäßige Erledigung“ im Sinne einer derartigen Beschwerdevorentscheidung getroffen hätte. Ein der Rechtskraft fähiger Abspruch der belangten Behörde lag entgegen der Ansicht der Revisionswerberin mit dem Schreiben vom 14. Mai 2024 daher nicht vor, sodass auf die darauf Bezug nehmenden Ausführungen der Revisionswerberin nicht weiter einzugehen ist.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Oktober 2024