JudikaturVwGH

Ra 2022/10/0203 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des F B in K, vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1 A/VII, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 21. Oktober 2022, Zl. KLVwG 1226/5/2022, betreffend Maßnahmen gemäß Forstgesetz 1975 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hermagor), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 23. März 2022 wurde der Revisionswerber ua. verpflichtet, das auf einem näher genannten Grundstück befindliche „und mit zu einer gefahrdrohenden Vermehrung neigenden Forstschädlingen befallene Holz, es handelt sich dabei um das mit Farbspray fortlaufend nummerierte Borkenkäferschadholz 13 stehende Fichten im Ausmaß von ca. 20 fm, (sowie die durch abiotische Einflüsse (Wind) geschobenen, geworfenen, gebrochenen oder auf sonstige Weise geschädigten Bäume (Schadholz)) bis spätestens 25.04.2022 bekämpfungstechnisch zu behandeln“, wobei näher angeführte bekämpfungstechnische Maßnahmen genannt wurden. Weiters wurde ua. ausgesprochen, dass das von Forstschädlingen in gefahrdrohendem Ausmaß befallene Holz, das nicht bekämpfungstechnisch behandelt worden sei, bis spätestens 25. April 2022 aus dem Wald zu verbringen sei. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass im Zuge der Forstaufsicht festgestellt worden sei, dass sich auf dem im Spruch genannten Grundstück Borkenkäferschadholz befinde. Dieser Bescheid wurde „Für den Bezirkshauptmann:“ von Dipl. Ing. S genehmigt.

2 Mit Schreiben vom 7. April 2022 erhob der Revisionswerber gegen diesen Bescheid Vorstellung.

3 Mit Schreiben vom 29. März 2022 übermittelte die Bezirksforstinspektion an das Wasserrechtsreferat eine Stellungnahme des forstlichen Amtssachverständigen mit dem Vorschlag, ein Strafverfahren gegen den Revisionswerber einzuleiten. Dieses Schreiben wurde von Dipl. Ing. W. S gefertigt.

4 Mit Schreiben vom 8. April 2022 wurde seitens der Bezirksforstinspektion zu den in der Vorstellung angeführten Aussagen eine Stellungnahme (des forstlichen Amtssachverständigen) abgegeben, die von Dipl. Ing. W. S gezeichnet wurde.

5 Mit Bescheid vom 8. Juni 2022 wurde der Revisionswerber von der belangten Behörde zur Umsetzung folgender Maßnahmen verpflichtet:

„1. Das auf dem Grundstück [...], befindliche und mit zu einer gefahrdrohenden Vermehrung neigenden Forstschädlingen befallene Holz, es handelt sich um das mit Farbspray fortlaufend nummerierte Borkenkäferschadholz 13 stehende Fichten im Ausmaß von ca. 20 fm, (sowie die durch abiotische Einflüsse (Wind) geschobenen, geworfenen, gebrochenen oder auf sonstige Weise geschädigten Bäume (Schadholz) bis spätestens 30.06.2022 bekämpfungstechnisch zu behandeln. Als bekämpfungstechnische Maßnahme kommt entrinden, einwässern oder beregnen, zerkleinern, verbrennen, die künstliche Trocknung, die Behandlung mit genehmigtem Pflanzenschutzmittel und begasen in Betracht.

2. Das von Forstschädlingen in gefahrdrohendem Ausmaß befallene Holz, das nicht bekämpfungstechnisch behandelt wurde, ist bis spätestens 30.06.2022 aus dem Wald zu verbringen. Die Verbringung an einen zum Zweck der unverzüglichen bekämpfungstechnischen Behandlung geeigneten und entsprechend ausgestatteten Ort (z.B. Sägewerk mit Entrindung) ist nur gestattet, wenn dies der Bezirkshauptmannschaft Hermagor (Bezirksforstinspektion) unter Angabe dieses Ortes spätestens zum Zeitpunkt des Abtransportes gemeldet wurde. Eine Zwischenlagerung des befallenen Holzes ist verboten.

[...]“

Als Rechtsgrundlage führte die belangte Behörde §§ 43, 44, 45, 170 Abs. 1 und 172 Abs. 6 lit. c Forstgesetz 1975, die Forstschutzverordnung, § 57 AVG sowie § 13 VwGVG an. Darüberhinaus wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 21. Oktober 2022 wurde die vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Verwaltungsgericht stellte soweit für den Revisionsfall von Relevanz in seiner Begründung fest, dass zum Zeitpunkt der Erhebungen durch den Amtssachverständigen die 13 betroffenen Fichten noch überwiegend grüne Kronenteile aufgewiesen hätten und noch ausreichend Borkenkäfer zur weiteren Vermehrung beinhaltet hätten. Der Revisionswerber habe innerhalb der ihm mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Frist keine der aufgetragenen Bekämpfungsmaßnahmen durchgeführt. Auch in der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht soweit für den Revisionsfall von Relevanz aus, dass zum Zeitpunkt der Erhebungen durch den Amtssachverständigen die 13 betroffenen Fichten noch überwiegend grüne Kronenteile aufgewiesen hätten und noch ausreichend Borkenkäfer zur weiteren Vermehrung beinhaltet hätten. Die Bäume seien nicht behandelt worden. Mittlerweile seien sie Totholz und nicht mehr bruttauglich für zur Massenvermehrung taugliche Borkenkäfer. Zum Einwand, dass der Amtssachverständige befangen sei, hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Ersterhebung vor Ort der zuständige Förster der Bezirksforstinspektion durchgeführt habe. Der Amtssachverständige habe als Leiter der Bezirksforstinspektion aufgrund der üblichen Vorgangsweise der Behörde den notwendigen Räumungsbescheid unterzeichnet, welcher vorher vom Bezirkshauptmann genehmigt worden sei.

7 Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie insbesondere darauf verwies, dass der Mandatsbescheid außer Kraft getreten sei, und es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zulässig sei, dass das Landesverwaltungsgericht den gleichen Sachverständigen wie die belangte Behörde beizieht, weshalb kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Z 3 AVG vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 104/2013 lauten auszugsweise:

„Maßnahmen bei Schädlingsbefall oder gefahrdrohender Schädlingsvermehrung

§ 44. (1) Der Waldeigentümer hat in geeigneter, ihm zumutbarer Weise

a) einer gefährlichen Schädigung des Waldes durch Forstschädlinge vorzubeugen und

b) Forstschädlinge, die sich bereits in gefahrdrohender Weise vermehren, wirksam zu bekämpfen.

(2) Sind durch die Schädlingsgefahr auch andere Wälder bedroht, so hat die Behörde, wenn es die erfolgreiche Vorbeugung oder Bekämpfung erfordert, den Waldeigentümern des gefährdeten Gebietes gemeinsam oder gleichzeitig durchzuführende Maßnahmen durch Bescheid oder Verordnung vorzuschreiben.

...

Forstaufsicht

§ 172. (1) Sämtliche Wälder unterliegen der behördlichen Überwachung (Forstaufsicht). Diese besteht im Rechte und in der Pflicht der Behörden, die Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, der hiezu erlassenen Verordnungen sowie der im einzelnen erlassenen Anordnungen und Vorschreibungen zu überwachen. Zu diesem Zwecke sind ihre Organe berechtigt,

1. jeden Wald zu betreten und hiezu auch die Forststraßen und Wege außerhalb des Waldes, sofern sie zur Benützung geeignet sind, auch durch Befahrung zu benützen sowie

2. vom Waldeigentümer, seinen Forstorganen und Forstschutzorganen Auskünfte und Nachweise zu verlangen, soweit sie für die Forstaufsicht von Bedeutung sind.

...

(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere

a) die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,

b) die Verhinderung und die Abstandnahme von Waldverwüstungen,

c) die Räumung des Waldes von Schadhölzern und sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die Wildbachräumung,

d) die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden oder Bewuchs oder

e) die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder Nebennutzungen,

dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen.“

11Zur Zulässigkeit der Revision wird mit näherer Begründung ein Abgehen von der hg. Rechtsprechung zur Begründungspflicht nach § 29 VwGVG vorgebracht. Die Revision wendet in diesem Zusammenhang zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter anderem ein, es lasse sich der angefochtenen Entscheidung keine Begründung entnehmen, warum die verfahrensgegenständlichen Fichten bekämpfungstechnisch behandelt bzw. aus dem Wald verbracht werden müssten, obwohl das Verwaltungsgericht zur Feststellung gelangt sei, dass die betroffenen Fichten Totholz seien und kein Brutmaterial für zur Massenvermehrung taugliche Borkenkäfer beinhalteten. Weiters wendet der Revisionswerber die Befangenheit des Amtssachverständigen ein und macht diesbezüglich ein Abweichen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend.

12 Die Revision erweist sich diesbezüglich als zulässig. Sie ist auch begründet.

13Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen habe, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt worden seien. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheids geführt haben.

Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben.

Das Verwaltungsgericht hat neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise dabei auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 22.10.2020, Ra 2019/10/0014, mwH, etwa auf VwGH 26.9.2017, Ra 2015/04/0023).

14 Diesen Begründungsanforderungen wird das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht gerecht:

15 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die 13 betroffenen Fichten zum Zeitpunkt der Erhebung durch den Amtssachverständigen am 8. April 2022 noch überwiegend grüne Kronenteile aufgewiesen und noch ausreichend Borkenkäfer zur weiteren Vermehrung beinhaltet hätten. Die Bäume seien noch unbehandelt und mittlerweile (somit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses) Totholz. Sie seien daher nicht mehr bruttauglich für zur Massenvermehrung taugliche Borkenkäfer.

16Indem sich das Verwaltungsgericht mit dem vom Revisionswerber im Verfahren erstatteten Vorbringen, wonach von den in Rede stehenden Bäumen gar keine Gefährdung mehr ausgehe, nicht beschäftigte und damit auch nicht konkret dargelegt hat, weshalb der mit Beschwerde angefochtene Bescheid auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (ein Fall der zwischenzeitlichen Erfüllung des behördlichen Auftrages, der die Außerachtlassung der solcherart geänderten Sachlage durch das Verwaltungsgericht erforderte [vgl. VwGH 11.10.2024, Ra 2024/10/0123], liegt fallbezogen nicht vor) noch Bestand haben kann (das Verwaltungsgericht zitiert in der rechtlichen Beurteilung verschiedene Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 [u.a. § 44 und § 172] sowie Teile der Forstschutzverordnung, ohne konkret anzuführen, welcher Tatbestand im Hinblick auf den mittlerweile eingetretenen Zustand der Bäume erfüllt ist), entzieht sich das angefochtene Erkenntnis einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.

17Darüber hinaus hat sich das Verwaltungsgericht mit dem vom Revisionswerber getätigten Einwand der Befangenheit des Amtssachverständigen nicht hinreichend auseinandergesetzt. Die zuvor wiedergegebenen Ausführungen (vgl. Rn 6) stellen jedenfalls keine gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Einwand des Revisionswerbers dar (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0023). Das Erkenntnis enthält insbesondere keine Feststellungen zur konkreten Tätigkeit des Amtssachverständigen in diesem Verfahren.

18Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

19Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Dezember 2024