Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der H I M in G, vertreten durch die Leitner Hirth Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 17. April 2024, LVwG 50.17 3504/2021 23 und LVwG 40.17 3592/2021 19, betreffend einen Beseitigungsauftrag nach dem Steiermärkischen Baugesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz; mitbeteiligte Partei: S KG in F, vertreten durch die SARTORI Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Kalchberggasse 6/II/8; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, also insoweit, als mit dessen Spruchpunkt A) I. der Beschwerde der mitbeteiligten Partei stattgegeben und der Bescheid der belangten Behörde vom 15. Oktober 2021, GZ: A17 BPV 021604/2020/0028, in seinem Spruchpunkt I. ersatzlos behoben wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Antrag der Revisionswerberin auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
1 Mit Antrag vom 28. Jänner 2020, bei der belangten Behörde eingelangt am 30. Jänner 2020, begehrte die Revisionswerberin wegen einer behaupteten Verletzung ihrer Nachbarrechte gemäß § 26 Abs. 1 Z 1, 2, 3 und 5 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) die Erlassung baupolizeilicher Maßnahmen gemäß § 41 leg. cit. bezüglich nicht bewilligter und einer näher bezeichneten Baubewilligung widersprechender baulicher Anlagen und Nutzungen bei einem näher genannten Bürogebäude der mitbeteiligten Partei in G.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Oktober 2021 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG der baupolizeiliche Auftrag erteilt, die auf der nordwestlichen Dachfläche des verfahrensgegenständlichen Gebäudes errichtete, näher beschriebene Haustechnikanlage (sechs Geräte der Marke D, aufgestellt auf einer insgesamt ca. 2,5 m x 5,2 m großen Betonsockel Stahlträger Konstruktion), binnen 8 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen (I.). Weitere Anträge der Revisionswerberin vom 28. Jänner 2020 auf Erlassung baupolizeilicher Aufträge wurden mit näherer Begründung abgewiesen (II.).
3 Mit Baubewilligungsbescheid der belangten Behörde vom 22. Februar 2024 wurde der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung „zur plan und beschreibungsgemäßen“ Errichtung von sechs näher bezeichneten VRV Wärmepumpen inklusive einer vierseitig umschlossenen Lärmschutzwand auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück erteilt.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) der gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Oktober 2021 von der mitbeteiligten Partei erhobenen Beschwerde dahingehend statt, dass der Beseitigungsauftrag (Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides) ersatzlos behoben wurde (A) I.). Die ebenfalls gegen den Bescheid vom 15. Oktober 2021 gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin wies das LVwG mangels Geltendmachung von Nachbarrechten als unbegründet ab (A) II.). Eine Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das LVwG für unzulässig (A). III.).
5 Soweit für das vorliegende Revisionsverfahren relevant, stellte das LVwG im angefochtenen Erkenntnis fest, mit Bescheid vom 22. Februar 2024 sei „die errichtete Haustechnikanlage auf dem Dach des auf dem Baugrundstück [...], befindlichen Gebäudes, bestehend aus 6 Geräten der Marke D, baurechtlich bewilligt“ worden. Dieser Bescheid sei mit 21. März 2024 rechtskräftig geworden.
6 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das LVwG zusammengefasst und soweit hier entscheidungserheblich aus, nach Erlassung des angefochtenen Bescheides sei „der nachträgliche Bewilligungsbescheid für die Errichtung von 6 VRV Wärmepumpen inklusive einer 4 seitig umschlossenen Lärmschutzwand“ ergangen, womit „der in Spruchpunkt I. konkret bezeichnete Beseitigungsauftrag nachträglich vollumfänglich bewilligt“ sei. Damit sei die Grundlage für die Erlassung eines Beseitigungsauftrages nach § 41 Abs. 6 Stmk. BauG weggefallen und der Beschwerde der mitbeteiligten Partei stattzugeben gewesen.
7 Dagegen erhob die Revisionswerberin die vorliegende, gegen Spruchpunkt A) I. des angefochtenen Erkenntnisses (betreffend die ersatzlose Behebung des Beseitigungsauftrages vom 15. Oktober 2021) gerichtete außerordentliche Revision mit dem Begehren, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision zulassen und in der Sache selbst entscheiden, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufheben. Zum Antrag auf Aufwandersatz wurde ausgeführt, der Verwaltungsgerichtshof wolle erkennen, „der Rechtsträger des Landesverwaltungsgerichts Steiermark“ sei schuldig, die der Revisionswerberin durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu ersetzen.
8 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragt, die Revision als unzulässig zurück , in eventu als unbegründet abzuweisen und der mitbeteiligten Partei Kostenersatz zuzusprechen. Die Revisionswerberin brachte dazu eine Replik ein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9Zu ihrer Zulässigkeit wird in der Revision unter anderem (mit näherer Begründung) vorgebracht, bei dem mit Bewilligungsbescheid vom 22. Februar 2024 bewilligten Projekt handle es sich nicht um die vom Beseitigungsauftrag vom 15. Oktober 2021 umfassten Anlagen. Das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 4.7.2019, Ra 2017/06/0188) abgewichen, da keine Ermittlungen zu Schallemissionen und Abmessungen der Anlage im Beseitigungsauftrag vom 15. Oktober 2021 einerseits und der Anlage in der nachträglichen Bewilligung vom 22. Februar 2024 andererseits durchgeführt worden seien. Hätte das LVwG diese Überprüfung durchgeführt, hätte es den Beseitigungsauftrag nicht ersatzlos beheben können, da sich die bewilligte und die zu beseitigende Anlage voneinander unterschieden (wird näher ausgeführt).
10 Die Revision erweist sich angesichts dieses Vorbringens als zulässig.
11 Die maßgeblichen Bestimmungen des Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995, (aufgrund der Übergangsbestimmung des § 119r Stmk. BauG) § 26 in der Fassung LGBl. Nr. 61/2017, § 39 in der Fassung LGBl. Nr. 88/2008 und § 41 in der Fassung LGBl. Nr. 117/2016, lauten auszugsweise:
„ § 26
Nachbarrechte
(1) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über
1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist
2. die Abstände (§ 13);
3. den Schallschutz (§ 77 Abs. 1)
4. die brandschutztechnische Ausführung der Außenwände von Bauwerken an der Nachbargrenze (§ 52 Abs. 2)
5. die Vermeidung einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung bzw. unzumutbaren Beeinträchtigung (§ 57 Abs. 2, § 58, § 60 Abs. 1, § 66 zweiter Satz und § 88)
6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6).
[...]
V. TEIL
Baupolizeiliche Maßnahmen
§ 39
Instandhaltung und Nutzung
(1) Der Eigentümer hat dafür zu sorgen, daß die baulichen Anlagen in einem der Baubewilligung, der Baufreistellungserklärung und den baurechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand erhalten werden.
[...]
§ 41
Baueinstellung und Beseitigungsauftrag
[...]
(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen oder sonstiger Maßnahmen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.
[...]
(6) Den Nachbarn steht das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen.“
12 Mit dem vor dem LVwG bekämpften Bescheid vom 15. Oktober 2021 wurde (soweit fallbezogen relevant) der mitbeteiligten Partei über diesbezüglichen Antrag der Revisionswerberin gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG der baupolizeiliche Auftrag erteilt, die auf der nordwestlichen Dachfläche des näher bezeichneten Gebäudes errichtete, näher beschriebene Haustechnikanlage binnen 8 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.
13 Mit Spruchpunkt A) I. des angefochtenen Erkenntnisses behob das LVwG diesen baupolizeilichen Auftrag mit der Begründung, dass mit Bescheid vom 22. Februar 2024 die nachträgliche Bewilligung für die Errichtung von 6 VRV Wärmepumpen inklusive einer 4 seitig umschlossenen Lärmschutzwand ergangen sei. Nähere Feststellungen zum konkreten Gegenstand des baupolizeilichen Auftrages vom 15. Oktober 2021 gegenüber dem mit Bescheid vom 22. Februar 2024 bewilligten Gegenstand bzw. zur Übereinstimmung der beiden Gegenstände finden sich im angefochtenen Erkenntnis nicht.
14Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erteilte baubehördliche Bewilligung, mit der jener Zustand genehmigt würde, der durch die Befolgung des baupolizeilichen Auftrages beseitigt werden soll, grundsätzlich eine vom Verwaltungsgericht zu beachtende Änderung des Sachverhalts darstellt (vgl. VwGH 4.7.2019, Ra 2017/06/0188, mwN).
15 Im Revisionsfall bestreitet die Revisionswerberin die Übereinstimmung des mit Bescheid vom 22. Februar 2024 bewilligten Projektes mit jenem Zustand, der dem Beseitigungsauftrag vom 15. Oktober 2021 zugrunde lag, und wirft dem LVwG in der Sache grobe Ermittlungs und Feststellungsmängel vor. Beim Bewilligungsgegenstand des Bescheides vom 22. Februar 2024 handle es sich nicht um den vom Beseitigungsauftrag vom 15. Oktober 2021 betroffenen IstZustand. Bei den nachträglich bewilligten Luftwärmepumpen mit Lärmschutzwand, Kulissenschalldämpfern und Absenkung des Schallleistungspegels im Nachtzeitraum handle es sich um ein zukünftiges und anderes Projekt; die derzeit bestehenden Schallemissionen auf die Revisionswerberliegenschaft seien mit dem Bescheid vom 22. Februar 2024 gerade nicht vollumfänglich und nachträglich bewilligt worden. Mit Behebung des Beseitigungsauftrages könnten die Emissionen der derzeitigen Luftwärmepumpen unbegrenzt weiter auf die Liegenschaft der Revisionswerberin einwirken. Die mitbeteiligte Partei sei nicht verpflichtet, den Baubewilligungsbescheid zu konsumieren; eine Fertigstellung der Lärmschutzmaßnahmen könne weder von der Behörde noch von der Revisionswerberin erzwungen werden, da das Stmk. BauG keine Bauvollendungsfrist kenne (Verweis auf VwGH 29.6.2022, Ra 2020/06/0041).
16 Die Revision ist mit ihrem Vorbringen insofern im Recht, als dem angefochtenen Erkenntnis mangels diesbezüglicher nachvollziehbarer Feststellungen tatsächlich nicht entnommen werden kann, ob der Gegenstand des Beseitigungsauftrages vom 15. Oktober 2021 mit jenem ident ist, welcher mit Bescheid vom 22. Februar 2024 konsentiert wurde; die Revisionswerberin bestreitet dies jedenfalls mit für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Argumenten und legt daher die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels dar.
17Da daher nicht auszuschließen ist, dass ein vom LVwG rechtskonform durchgeführtes Ermittlungsverfahren eine Nichtübereinstimmung des mit der Baubewilligung vom 22. Februar 2024 konsentierten Projektes mit dem vom Beseitigungsauftrag vom 15. Oktober 2021 erfassten Bestand ergeben hätte (vgl. in diesem Sinn wiederum vergleichbar VwGH 4.7.2019, Ra 2017/06/0188, mwN), war das angefochtene Erkenntnis in seinem angefochtenen Spruchpunkt A) I. gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
18Gemäß § 47 Abs. 5 VwGG ist der dem Revisionswerber zu leistende Aufwandersatz von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verwaltungsverfahren gehandelt hat. Fallbezogen handelt es sich um eine Bauangelegenheit, die im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde vollzogen wurde. Kostenersatzpflichtiger Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG wäre daher im vorliegenden Fall die Landeshauptstadt Graz. Da daneben keine Kostenersatzpflicht eines anderen Rechtsträgers vorgesehen ist, war der auf Inanspruchnahme des „Rechtsträgers des Landesverwaltungsgerichts Steiermark“ gerichtete Antrag der Revisionswerberin abzuweisen (vgl. etwa VwGH 2.1.2024, Fr 2023/08/0003 bzw. sinngemäß VwGH 3.10.2023, Ra 2023/06/0105, jeweils mwN).
Wien, am 10. April 2025