Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des H S in H, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 12. September 2024, LVwG 318-37/2024 R17, betreffend Herstellung des rechtmäßigen Zustandes nach § 40 Baugesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Tschagguns; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg (Verwaltungsgericht) wurde über die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 12. März 2024 dahingehend erkannt, dass dem Revisionswerber gemäß § 40 Abs. 1 lit. b Baugesetz (BauG.) aufgetragen werde, den rechtmäßigen Zustand durch Unterlassung der Wohnnutzung im Obergeschoss eines näher bezeichneten Stallgebäudes, durch den Rückbau sämtlicher näher aufgezählter Baumaßnahmen, die das Obergeschoss zu einer Wohnung umfunktionierten, sowie durch den Rückbau des „über-Dach“ geführten Teiles des Kamines herzustellen. Die Frist zur Umsetzung der vorgeschriebenen Maßnahmen legte das Verwaltungsgericht mit einem Jahr ab Zustellung seines Erkenntnisses fest und es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe das Grundstück mit dem Stallgebäude im Jahr 1970 erworben. Vor dem Erwerb durch den Revisionswerber habe das Gebäude ausschließlich als Stallgebäude gedient. Die Liegenschaft sei im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde T. als „Freifläche Landwirtschaftsgebiet“ gewidmet. Der Revisionswerber habe immer wieder Baumaßnahmen am Gebäude vorgenommen. Am 13. August 1993 habe der Revisionswerber einen Bauantrag für die Stallsanierung eingebracht, der mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 1993 bewilligt worden sei. Eine Änderung der Nutzungsart des neu errichteten Obergeschosses, insbesondere zur Nutzung für Wohnzwecke, sei nicht vorgesehen gewesen. Das Obergeschoss des Gebäudes sei als Lagerraum baurechtlich bewilligt (vermuteter Baukonsens) und diene der Lagerung von Holz, Baumaterialien, land- und forstwirtschaftlichen sowie sonstigen Geräten und Werkzeugen. Der Revisionswerber habe im Zeitraum zwischen 2003 und 2006 begonnen, im Obergeschoss eine Wohnung einzurichten. Dabei habe er die gesamten gelagerten Gegenstände ausgeräumt, eine Küchenzeile, bestehend aus Ober- und Unterschränken eingerichtet, einen Hochschrank einschließlich sämtlicher Küchengeräte (Backofen, Kochfeld, Dunstabzug, Kühlschrank, Kaffeemaschine) sowie eine Arbeitsplatte mit Spülbecken und Armaturen eingerichtet. Darüber hinaus habe er das Obergeschoss möbliert und eine Nasszelle mit einer Duschkabine mit Duschtasse und Armatur, einer Toilette und einem Waschbecken mit Armatur eingerichtet. Er habe weiters eine „Heizungsmöglichkeit“ an den vorhandenen Kamin angeschlossen und Heizkörper angebracht. Zudem habe der Revisionswerber den vormals lediglich im Erdgeschoss befindlichen (nicht ordnungsgemäß errichteten) Kamin im Jahr 1974 oder 1975 ins Obergeschoss hinaufgezogen und über das Dach hinaus ausgeführt. Vor dieser Baumaßnahme habe sich für den im Erdgeschoss befindlichen Kamin lediglich eine kleine Öffnung beim Dach für den Abzug befunden. Der Kamin umfasse nunmehr zwei Rauchfänge. Das Obergeschoss werde seit dem Umbau zu Wohnzwecken genutzt und an ständig wechselnde Gäste vom jetzigen Eigentümer, dem Sohn des Revisionswerbers, vermietet. Eine Baubewilligung liege für diese Nutzungsänderung nicht vor. Ein entsprechender Bauantrag sei weder vom Revisionswerber noch vom jetzigen Eigentümer eingebracht worden. Auch für die Umbaumaßnahmen am Kamin habe der Revisionswerber keinen Bauantrag eingebracht. Lediglich die Verblechung mit Kupferblech sei baurechtlich bewilligt worden.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 1993 sei ein Kamin genehmigt worden, welcher über das Dach geführt werde. Auf den Planunterlagen, welche dem Baubescheid vom 13. September 1993 zugrunde gelegen seien, sei ein Kamin erkennbar. Das angefochtene Erkenntnis widerspreche der näher genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weil es in diese bereits rechtskräftig erteilte Baubewilligungen eingreife, indem es den Rückbau des rechtskräftig bewilligten Kamins auftrage.
7Diesem Zulässigkeitsvorbringen liegt die Prämisse zugrunde, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 1993 den vorliegenden über das Dach geführten Kamin umfasse, ohne sich mit der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach diese rechtskräftige Baubewilligung gerade nicht den bestehenden Kamin, sondern lediglich dessen Verblechung umfasst habe, auseinanderzusetzen. Dass diese einzelfallbezogene Auslegung des Bescheides vom 13. September 1993 zu einem unvertretbaren und die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Ergebnis führen würde, zeigt die Revision somit nicht auf (vgl. zur einzelfallbezogenen Beurteilung der Auslegung eines Bescheides etwa VwGH 6.4.2020, Ra 2020/06/0078, Rn. 8, mwN). Die Revision vermag daher schon aus diesem Grund kein Abweichen von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darzulegen.
8Darüber hinaus tritt der Revisionswerber der im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellung, dass er für die Umbaumaßnahmen am Kamin keinen Bauantrag eingebracht habe, nicht entgegen (vgl. VwGH 15.12.2023, Ra 2023/06/0200, wonach Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, der festgestellte Sachverhalt ist, mwN).
9Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit weiters vorbringt, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zum Wortlaut der §§ 18 f BauG., ist darauf hinzuweisen, dass diese zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen (vgl. zu den Anforderungen an eine gesetzmäßige Zulassungsbegründung etwa VwGH 28.2.2024, Ra 2024/06/0019, Rn. 6, mwN).
10Im Übrigen weicht die in der Zulässigkeitsbegründung geltend gemachte „entscheidende Rechtsfrage“, ob in einem als Lagerraum gewidmeten Obergeschoss ein Heizkörper installiert und Teppiche, Bilder, Vorhänge und Vorhangschienen „gelagert“ werden dürften, erneut vom festgestellten Sachverhalt des angefochtenen Erkenntnisses ab, wonach die genannten Gegenstände nicht „gelagert“ worden seien, sondern der Wohnnutzung im Obergeschoss gedient hätten (vgl. neuerlich VwGH 15.12.2023, Ra 2023/06/0200, mwN).
11 Weiters bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der näher zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung Willkür geübt habe und ohne vorhergehende Aufforderung gemäß § 40 Abs. 1 lit. a BauG., einen Bauantrag einzubringen, der Rückbau des „über-Dach“ geführten Teils des Kamines und die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes des Daches (ohne Kamin) angeordnet worden sei. Der Ermessensmissbrauch der belangten Behörde sei unvertretbar, weil eine „Bewilligungsfähigkeit“ im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. f BauG. realistisch sei, zumal im Erdgeschoss eine Wohnung situiert sei und auch bereits Ende der 60iger, Anfang der 70iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts im Rahmen des von der belangten Behörde und vom Verwaltungsgericht festgestellten vermuteten Baukonsenses ein Kamin vorhanden gewesen sei.
12§ 40 Abs. 1 BauG. sieht ein Ermessen der Baubehörde vor, ob eine Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen bzw. eine Bauanzeige einzubringen, oder eine sofortige Verfügung der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ergehen soll (vgl. VwGH 11.5.2020, Ra 2020/06/0106, mwN).
13 Kommt das Verwaltungsgericht zur selben sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Beurteilung wie die Baubehörde, darf es vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 BVG nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle der Ermessensübung durch die Baubehörde setzen. Jedoch ist das Verwaltungsgericht nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Baubehörde auf gesetzmäßige Weise erfolgte. Das Verwaltungsgericht hat im Fall einer gesetzwidrigen Entscheidung der Baubehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG (Art. 130 Abs. 4 BVG) in der Sache selbst zu entscheiden und dabei auch eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. zu allem im Hinblick auf eine Disziplinarstrafe VwGH 21.10.2022, Ro 2022/09/0007, Rn. 26, mwN). Vorliegend vermag der Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung eine krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Ausübung des Ermessens durch die Baubehörde nicht aufzuzeigen.
14Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit letztlich vorbringt, der vorliegende Bescheid der belangten Behörde greife in die Rechtskraft des die Planabweichung genehmigenden Bescheides der belangten Behörde vom 3. Mai 2001 ein, ist darauf hinzuweisen, dass diese zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach neuerlich Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen (vgl. etwa erneut VwGH 28.2.2024, Ra 2024/06/0019, Rn. 6, mwN) mit welchen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung formuliert wird.
15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 7. Jänner 2025