Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des G H in B, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 21. Februar 2023, LVwG 2020/40/0168 18, betreffend die Parteistellung in einem Bauverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Breitenwang, vertreten durch Gerhard Mader, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Claudiastraße 8; mitbeteiligte Partei: R G in W, vertreten durch Mag. Harald Rossmann, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Gemeinde Breitenwang Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 und dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Zur Vorgeschichte dieser Rechtssache wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 2022, Ra 2020/06/0105, verwiesen. Daraus ist hervorzuheben:
2 Dem Rechtsvorgänger des Mitbeteiligten wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 1971 die Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaus an das bestehende Wohnhaus sowie die Aufstockung des Garagentraktes auf Grundstück Nr. X KG B erteilt.
3 Im ersten Rechtsgang wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) mit Beschluss vom 25. Februar 2020 die am 18. April 2019 gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers infolge Präklusion zurück und erklärte eine Revision für nicht zulässig.
4 Dieser Beschluss wurde mit dem oben zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 2022, Ra 2020/06/0105, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hielt fest, die Ersatzzustellung der Ladung zur Bauverhandlung und die Ersatzzustellung des Baubewilligungsbescheides vom 24. November 1971 an die Mutter des Rechtsvorgängers des Revisionswerbers sei nicht rechtswirksam. Der Baubewilligungsbescheid habe entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts unter Zugrundelegung der im Beschluss getroffenen Feststellungen nicht in Rechtskraft erwachsen können. Darüber hinaus sei eine schriftliche Vollmacht nicht vorgelegt worden und der Revisionswerber habe in seiner Beschwerde ausdrücklich das Vorliegen einer Vertretungsbefugnis bestritten. Da das Verwaltungsgericht aber keine Ermittlungen über das Vorliegen einer Vertretungsbefugnis durchgeführt habe, habe es das angefochtene Erkenntnis weiters mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
6 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 1971 neuerlich zurück. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
7 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren relevant aus, das mit Bescheid vom 24. November 1971 bewilligte Bauvorhaben sei rechtzeitig begonnen und fertiggestellt worden. Der Rechtsvorgänger des Revisionswerbers habe Kenntnis vom Baubeginn und auch von der Bauvollendung gehabt. Seine Parteistellung habe der Revisionswerber im März 2019 begehrt.
8 In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht fest, nach § 33 Abs. 9 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) erlange die Baubewilligung mit dem Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Anzeige über die Bauvollendung auch gegenüber Parteien Rechtskraft, denen die Baubewilligung nicht zugestellt worden sei und die ihre Parteistellung bis dahin bei der Behörde nicht geltend gemacht hätten. Im vorliegenden Fall sei auf die tatsächliche Bauvollendung abzustellen. Es wäre daher Sache des Rechtsvorgängers des Revisionswerbers gewesen, spätestens ein Jahr nach Bauvollendung seine Parteistellung bei der Baubehörde geltend zu machen. Da er dies verabsäumt habe, sei die Beschwerde gemäß § 33 Abs. 9 TBO 2022 zurückzuweisen.
9 Die Tiroler Bauordnung 1998 (TBO 1998) sei am 1. März 1998 erlassen worden. In § 25 Abs. 5 TBO 1998 sei normiert worden, dass mit dem Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt des letztmöglichen Baubeginns, die Baubewilligung auch gegenüber Nachbarn Rechtskraft erlange, denen die Baubewilligung nicht zugestellt worden sei und die ihre Parteistellung bis dahin bei der Behörde nicht geltend gemacht hätten. Die Parteistellung des Rechtsvorgängers des Revisionswerbers sei erst im Jahr 2019 geltend gemacht worden, sohin nahezu 50 Jahre nach Erteilung der in Rede stehenden Baubewilligung. Es wäre sohin am Rechtsvorgänger des Revisionswerbers gelegen, auch in Entsprechung des § 25 Abs. 5 TBO 1998 seine Parteistellung rechtzeitig geltend zu machen.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht „widersetze“ sich der näher zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der bei der Frage, ob eine Person im Verfahren als Partei übergangen worden sei, auf die im Zeitpunkt der Erlassung des in dieser Sache an andere Verfahrensparteien ergangenen Bescheids geltende Sach und Rechtslage abzustellen sei. Zu diesem Vorbringen genügt es, darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis ohnedies den Rechtsvorgänger des Revisionswerbers als übergangene Partei angesehen hat.
14 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „ob die Bestimmung des § 33 Abs. 9 TBO 2022 auf Bauverfahren anzuwenden sind, die bereits abgeschlossen wurden“.
15 Dem ist zu entgegnen, dass zu dieser Frage bereits ausreichend Rechtsprechung besteht: Ein Anspruch des Nachbarn auf Zuerkennung der Parteistellung im Bauverfahren setzt voraus, dass ihm zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag nach wie vor Parteistellung in den bezughabenden Bauverfahren zukommt. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung über einen solchen Antrag somit die im Zeitpunkt der Erlassung seines Erkenntnisses (oder Beschlusses) geltende Sach- und Rechtslage zugrunde zu legen (vgl. VwGH 13.12.2022, Ra 2022/06/0115 bis 0117, dort zu einem Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung und auf Gewährung von Akteneinsicht, mwN). Auch ein allfälliger, inzwischen eingetretener Verlust der Parteistellung der zunächst übergangenen Partei ist zu beachten (vgl. VwGH 10.6.2021, Ra 2017/06/0106 bis 0107, mwN).
16 Das Verwaltungsgericht ging somit zutreffend davon aus, dass dem Revisionswerber nach § 33 Abs. 9 TBO 2022 im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung seines Erkenntnisses keine Parteistellung zukam.
17 Soweit die Revision vorbringt, die Anwendung des § 33 Abs. 9 TBO 2022 verstoße gegen „den im Verfahrensrecht geltenden Grundsatz des Rückwirkungsverbotes“, ist darauf hinzuweisen, dass diese zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen (vgl. etwa VwGH 28.2.2024, Ra 2024/06/0019, Rn. 6, mwN).
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. Oktober 2024