JudikaturVwGH

Ra 2023/18/0298 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. Februar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Gröger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des R A, vertreten durch Mag. Jürgen Kubin, Rechtsanwalt in 7350 Oberpullendorf, Hauptplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2023, W166 2261905 1/12E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der unbegleitete und minderjährige Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 14. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, Syrien wegen des Krieges und wegen Geldproblemen verlassen zu haben. Außerdem könne er in Syrien nicht in die Schule gehen.

2 Mit Bescheid vom 28. September 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber stamme aus einem unter überwiegend kurdischer Kontrolle stehenden Gebiet. Unter Berücksichtigung von Berichten zur Gefahr der Zwangsrekrutierung von Minderjährigen in Zusammenschau mit der konkreten Situation des Revisionswerbers drohe ihm im Fall der Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Zwangsrekrutierung seitens des kurdischen Militärs, des syrischen Regimes oder anderer Kriegsparteien. Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen sei zudem unstrittig, dass Kinder in Syrien zwar Benachteiligungen und Risiken unterlägen, die jedoch nicht jenes Ausmaß erreichten, das erforderlich wäre, um von einer spezifischen und systematischen Verfolgung aller Kinder auszugehen. Auch drohe keine asylrelevante Verfolgung wegen einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung aufgrund seiner Ausreise oder des Verhaltens von den Reserve bzw. Wehrdienst verweigernden erwachsenen Familienmitgliedern.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 27. November 2023, E 2481/2023 13, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht, welche zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BVwG habe die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen und im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung insbesondere was die Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers betreffe „gegen die Denkgesetze und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprochen“. Näher ausgeführt wird diese Behauptung in der Zulässigkeitsbegründung nicht.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 18.10.2023, Ra 2023/18/0349, mwN).

12 Dass die Beweiswürdigung des BVwG, welches sich mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers unter Bedachtnahme auf seine Minderjährigkeit eingehend auseinandersetzte und unter Berücksichtigung der getroffenen Länderfeststellungen zu dem Ergebnis gelangte, dass diesem nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung drohe, unvertretbar wäre, vermag die Revision mit ihrem gänzlich pauschalen Vorbringen nicht aufzuzeigen.

13 Abgesehen davon kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen wäre eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person im Zeitpunkt der Entscheidung bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste. Relevant kann also nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der „Asylentscheidung“ immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 1.2.2024, Ra 2023/18/0469, mwN). Der Einschätzung des BVwG, der im Entscheidungszeitpunkt fünfzehnjährige Revisionswerber liefe nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, bei einer Rückkehr mit Maßnahmen im Zusammenhang mit der Einberufung zum Wehrdienst konfrontiert zu werden, tritt die Revision nicht substantiiert entgegen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Februar 2024

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