Spruch
W251 2296607-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Angelika GLATZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2024, Zl. 791555005-231558594, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Einem – damals noch minderjährigen – Bruder des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.09.2008 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Die Eltern des Beschwerdeführers stellten für sich, den Beschwerdeführer und für drei weitere Geschwister am 15.12.2009 einen Antrag gemäß § 35 Abs 1 AsylG bei der Österreichischen Botschaft in Teheran für die Familienzusammenführung in Bezug auf den bereits in Österreich lebenden Bruder. Die Eltern des Beschwerdeführers, zwei Brüder des Beschwerdeführers, eine Schwester des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer selber reisten 2010 zur Familienzusammenführung nach Österreich.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.05.2010 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Familie gemäß § 34 AsylG iVm § 8 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren zuerkannt, da dieser Status vom Bruder in Österreich abgeleitet wurde, dem mit Bescheid vom 04.09.2008 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.
2. Der Beschwerdeführer, seine Eltern sowie zwei seiner Brüder und seine Schwester stellten im August 2023 Folgeanträge auf internationalen Schutz. Zwei Brüder und die Eltern des Beschwerdeführers wurden zu diesen Anträgen auch beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) einvernommen.
Der Beschwerdeführer weist eine 60%ige Behinderung auf, seine Schwester eine 80%ige. Diese wurden daher vor dem Bundesamt nicht einvernommen.
Der Vater des Beschwerdeführers gab zu den Folgeanträgen seiner Familie auf internationalen Schutz im Wesentlichen an, dass die Lage in Afghanistan seit dem Sturz der Regierung unsicher sei. Die Taliban schränken Minderheiten ein und er habe als Schiit und Hazara keine Rechte. Er habe zwei Kinder mit Behinderungen, die er pflege. Er selber habe vor zwei Jahren einen Schlaganfall erlitten und seitdem habe er selber gesundheitliche Probleme. In Afghanistan haben Behinderte keine Rechte, sodass er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne. Er benötige Asyl um einen Reisepass zu bekommen, da er mit diesem eine Gemeindewohnung erlangen könne. Zudem werden in Afghanistan Schiiten getötet und diesen werden die Häuser weggenommen. Schiitischen Frauen werden die Rechte genommen und diese dürfen nicht zur Schule gehen. Er selber sei nie persönlich von den Taliban bedroht worden.
Die Mutter des Beschwerdeführers gab zu den Folgeanträgen der Familie auf internationalen Schutz an, dass die Lage in Afghanistan seit dem Sturz der Regierung unsicher sei. Die Taliban schränken die Rechte von Minderheiten, nämlich Schiiten ein. Frauen haben in Afghanistan keine Rechte. In Afghanistan sei Krieg und sie werde als Schiitin dort nicht akzeptiert. Als subsidiär Schutzberechtigte benötige sie in Österreich ein besseres Dokument, nämlich einen Reisepass.
3. Mit Bescheiden des Bundesamtes aus Mai 2024 wurden die Folgeanträge des Beschwerdeführers und seiner Familienmitglieder hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), und hinsichtlich der Zuerkennung von subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).
Im hier gegenständlichen Bescheid vom 28.05.2024 führte das Bundesamt betreffend den Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass die aktuelle Lage von Personen mit Beeinträchtigungen in Afghanistan prekär sei. Es gebe in Afghanistan eine der größten Populationen von Menschen mit Beeinträchtigungen weltweit. Diese seien durch die Wirtschaftskrise besonders betroffen und auch traditionell starker Stigmatisierung ausgesetzt. Seit der Machtübernahme gebe es für diese auch weniger Hilfsgelder, weniger Unterstützungsleistungen und weniger Personal. Die soziale Absicherung von beeinträchtigten Personen in Afghanistan liege traditionell bei Familien- und Stammesverbänden. Daraus lasse sich jedoch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ableiten. Schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen sowie wirtschaftliche Gründe, mangelnde Zukunftsperspektiven oder wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigen die Anerkennung als Flüchtling nicht. Es haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass schiitische Hazara in Afghanistan asylrelevant verfolgt werden.
4. Der Beschwerdeführer, seine Eltern, seine Brüder und seine Schwester erhoben gegen die Spruchpunkte I. der jeweiligen Bescheide Beschwerde.
In der hier gegenständlichen Beschwerde wird betreffend den Beschwerdeführer vorgebracht, dass ihm in Afghanistan eine Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den schiitischen Hazara sowie aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Menschen mit erkennbaren physischen und psychischen Erkrankungen drohe. Nach den UNHCR-Richtlinien aus 2018 erfüllen Personen mit Behinderungen, insbesondere Personen mit geistiger und psychischer Erkrankungen, ein Risikoprofil, wonach sie, je nach Umstand des persönlichen Falles, internationalen Schutz benötigen. Solche Personen seien besonders vulnerabel und würden insbesondere den Taliban zum Opfer fallen. Auch aus den aktuellen UNHCR Richtlinien ergebe sich, dass Personen mit Behinderung und schweren medizinischen Problemen unter gewissen Umständen asylrelevante Verfolgung in Afghanistan befürchten müssen.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 23.07.2025 eine mündliche Verhandlung durch, in der die Eltern und die Brüder des Beschwerdeführers einvernommen wurden. Der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers (sein in Österreich lebender Bruder, der sein Erwachsenenvertreter ist) wurde ebenfalls in der Verhandlung befragt.
Mit den in der Verhandlung mündlich verkündeten Erkenntnissen vom 23.07.2025 wurde der Mutter und der Schwester des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG der Staus von Asylberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt, da diesen aufgrund der in Österreich ausgeübten Lebensweise und ihrer Eigenschaft als Frauen in Afghanistan eine asylrelevante Verfolgung droht. Dem Vater des Beschwerdeführers wurde gemäß § 34 iVm § 3 AsylG der Status eines Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt, da er von seiner Ehefrau diesen Schutzstatus ableiten konnte.
Die Beschwerden des Beschwerdeführers und seiner Brüder gegen die Bescheide des Bundesamtes wurden abgewiesen. Eine Ableitung das Asylstatus von der Mutter auf den Beschwerdeführer und seine beiden Brüder konnte nicht erfolgen, da diese zum Zeitpunkt des Folgeantrages auf Asyl bereits volljährig waren.
6. Der Beschwerdeführer beantragte fristgerecht die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
Die anderen Familienmitglieder beantragten keine schriftliche Ausfertigung, sodass diese Erkenntnisse bereits gekürzt ausgefertigt wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari (Verhandlungsprotokoll = VP S. 9f).
Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan in der Provinz Daykundi geboren und aufgewachsen. Im Jahr 2008 ist seine Familie mit ihm in den Iran gezogen (VP S. 10).
Ein – damals noch minderjähriger – Bruder des Beschwerdeführers stellte in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesem Bruder wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.09.2008 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die Eltern des Beschwerdeführers stellten für sich, den Beschwerdeführer und für drei weitere Geschwister am 15.12.2009 einen Antrag gemäß § 35 Abs 1 AsylG für den Familiennachzug bei der Österreichischen Botschaft in Teheran in Bezug auf den oben genannten Bruder.
Die Eltern des Beschwerdeführers, zwei Brüder des Beschwerdeführers, eine Schwester des Beschwerdeführers und der Beschwerdeführer selber reisten 2010 zur Familienzusammenführung nach Österreich (OZ 14). Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.05.2010 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Familie gemäß § 34 AsylG iVm § 8 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren zuerkannt, da dieser Status vom Bruder in Österreich abgeleitet wurde.
1.2. Seit 2010 lebt der Beschwerdeführer mit seiner Familie in Österreich (VP S. 10).
Der Beschwerdeführer hat eine 60%ige geistige Behinderung. Einfache Aufgaben des Alltags, wie Aufstehen, Anziehen, Zähneputzen, Körperpflege, etc kann er selber ausüben. Seine Mutter richtet ihm das Essen, das er selber zu sich nehmen kann. Er hilft auch seinem Vater und unterstützt diesen beim Einkaufen und im Haushaltsbereich (VP S. 21, AS 57). Der Beschwerdeführer betreibt zu Hause Sport mit einem Heimtrainer, den er von seinen Eltern erhalten hat (AS 57).
In XXXX hat der Beschwerdeführer noch eine Sonderschule besucht, dort hat man ihm auch etwas Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht. Der Beschwerdeführer spricht auch zu Hause schon etwas Deutsch. Nach dem Umzug nach XXXX hat er diese Förderungen jedoch nicht mehr erhalten. Sein gesetzlicher Vertreter hat auch bei verschiedenen Ämtern und Behörden versucht für ihn in XXXX eine bessere Förderung zu bekommen, wobei dies nicht gelungen ist. Der Beschwerdeführer hat auch eine autistische Einschränkung, sodass er für manche Förderstellen nicht in Frage kommt. Der Beschwerdeführer geht derzeit zu einer Tagesbetreuung bei XXXX , dort arbeitet er. Dafür geht er in einem Park Müll aufzusammeln oder er wäscht Geschirr ab (VP S. 21, AS 55ff).
Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Erwachsenenvertreter für die Vertretung in Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, für die Vertretung in gerichtlichen Verfahren, für die Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten, für den Abschluss von Rechtsgeschäften zur Deckung des Pflege- und Betreuungsbedarfs, für die Entscheidung über medizinische Behandlungen und den Abschluss von damit in Zusammenhang stehenden Verträgen, für die Änderung des Wohnortes und den Abschluss von Heimverträgen sowie für die Vertretung in nicht in § 269 Abs 1 Z 5 und 6 ABGB genannten personenrechtlichen Angelegenheiten (AS 37). Der Bruder, von dem der Beschwerdeführer seinen Status als subsidiär Schutzberechtigter ableitet, ist sein Erwachsenenvertreter und somit sein gesetzlicher Vertreter im gegenständlichen Verfahren.
1.3. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
1.4. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt.
Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Behinderung individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.
Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist und die ihn in Afghanistan exponieren würde.
1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 31.01.2025 (LIB),
- Anfragebeantwortung von ACCORD zu Afghanistan: Situation psychisch Kranker, insbesondere nach der Machtübernahme durch die Taliban vom 11.02.2022
- Anfragebeantwortung von ACCORD zu Afghanistan: gesellschaftliche Wahrnehmung von Personen mit psychischen Erkrankungen vom 07.05.2020
- Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, behinderte Menschen in islamischen Gesellschaften vom 13.06.2018
1.5.1. Allgemeines:
Afghanistan verfügt über 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Dort leben ca. 35-40 Millionen Menschen. Seit der beinahe kampflosen Einnahme Kabuls am 15.8.2021 steht Afghanistan nahezu vollständig unter der Kontrolle der Taliban. (LIB, Kap. 3f)
1.5.2. Politische Lage:
Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert. Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt. Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“. Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Mit Anfang 2024 hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt, dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent. (LIB, Kap. 4)
1.5.3. Sicherheitslage:
Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes zurückgegangen. Es gab beispielsweise weniger konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze sowie eine geringere Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung. Es gab jedoch immer noch ein erhebliches Ausmaß an zivilen Opfern durch vorsätzliche Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen (IEDs).
Es gab zwischen 25.11.2023 und 25.11.2024 in Afghanistan insgesamt 857 sicherheitsrelevante Vorfälle (390 Kämpfe, 96 Vorfälle mit Explosionen und ferngesteuerter Gewalt, 371 Vorfälle mit Gewalt gegen Zivilisten und 396 zivile Opfer – bei einer Gesamtbevölkerung von 35-40 Millionen Menschen). Die meisten zivilen Opfer gab es in Nord Afghanistan in der Provinz Badakhshan mit 168 zivilen Opfern. Die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle gab es in Ost Afghanistan (388 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 100 zivilen Opfern – bei einer Gesamtbevölkerung von über 11,7 Millionen Einwohnern), wobei die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle auf die Provinz Kabul entfallen (113 Kämpfe, 14 Vorfälle mit Explosionen oder ferngesteuerter Gewalt und 97 Vorfälle mit Gewalt gegen Zivilisten, in denen es 100 zivile Opfer gab – bei einer Gesamtbevölkerung von über 5,7 Millionen Menschen).
Derzeit entstehen die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle in Zusammenhang mit dem Verbot des Anbaus von Betäubungsmitteln, durch Kriminalität und organisierte Kriminalität, durch Angriffe der bewaffneten Opposition und durch Angriffe durch den ISKP.
Aufgrund der Bemühungen der Taliban-Behörden, das Verbot des Mohnanbaus durchzusetzen, kam es im Jahr 2024 vermehrt zu Zwischenfällen in Zusammenhang mit dem Anbau von Betäubungsmitteln und somit auch zu einem Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen.
Organisierte Verbrechergruppen sind in ganz Afghanistan an Entführungen zur Erlangung von Lösegeld beteiligt. 2023 wurden 21 Entführungen dokumentiert, 2024 waren es, mit Stand Februar 2024, zwei. Es werden nicht alle Entführungen gemeldet, und oft zahlen die Familien das Lösegeld. Die Taliban-Sicherheitskräfte reagierten aktiv auf Entführungsfälle. Im Juni 2023 leiteten die Taliban beispielsweise in Kabul eine erfolgreiche Rettungsaktion.
Die bewaffnete Opposition in Afghanistan stellt keine nennenswerte Herausforderung für die territoriale Kontrolle der Taliban dar. Die Nationale Widerstandsfront und die Afghanische Freiheitsfront gehen mit einer „Hit-and-Run“-Taktik gegen die Taliban-Sicherheitskräfte vor, greifen deren Posten und Fahrzeuge an und verübten Hinterhalte und gezielte Tötungen. Es gibt keine Region in Afghanistan, in welcher oppositionelle Gruppen offen die Kontrolle haben. In Provinzen wie Panjsher, Baghlan, Badakhshan, Kunduz und Takhar, in denen es in der Vergangenheit zu Kämpfen zwischen den Taliban und verschiedenen Gruppierungen gekommen ist, verlief der Verkehr normal und es gab keine Zwischenfälle.
Die sicherheitsrelevanten Vorfälle betreffend den ISKP gingen seit August 2021 zurück und stiegen 2024 wieder etwas an. Die Taliban führen auch weiterhin Operationen gegen den ISKP durch, unter anderem in Nangarhar. Der ISKP hat zumindest die Möglichkeit operativer Aktivitäten, wobei die Taliban immer effizienter bei der Aushebung von ISKP-Zellen werden. Dies zeigt sich in einer entspannteren Sicherheitslage in beispielsweise Kabul und Herat. Weder der ISKP noch andere Gruppierungen sind aktuell wirklich ein Problem für die Taliban. (LIB, Kap. 5)
In der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers (Daikundi – mit ca. 540.000 Einwohnern), gab es vom 25.11.2023 bis 25.11.2024 insgesamt 6 Kämpfe. In 2 Fällen kam es auch zu Gewalt gegen Zivilisten und zu 14 zivilen Opfern. (LIB Kap. 5.1.)
1.5.4. Erreichbarkeit, Straßen, Flughäfen und Grenzen:
In Afghanistan sind Straßen die wichtigsten Transportwege. Die 2.300 km lange Ring-Road verbindet die vier größten Städte Afghanistans. Alle Provinzen Afghanistans sind mit Bussen oder Taxis erreichbar. Es gibt Dutzende privater Transportunternehmen, die auf den Hauptstrecken, wie z. B. Kabul-Herat, Kabul-Mazar-e Sharif und Kabul-Kandahar, tätig sind. Diese Busse verkehren in der Regel täglich oder mehrmals pro Woche, und viele Unternehmen bieten ihre Dienste auf diesen Strecken an.
Afghanistan verfügt über mehrere Flughäfen. Die Flughäfen Bost, Chaghcharan, Farah, Jalalabad, Khost, Tarinkot und Zaranj bieten Inlandsflüge innerhalb Afghanistans an. Die internationalen Flughäfen in Kabul, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Herat sind auch mit internationalen Flügen (z. B. über die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi Arabien, die Türkei, Russland, Pakistan und Indien) erreichbar.
An den Straßen und in den Grenzregionen Afghanistans sowie am Flughafen Kabul gibt es weiterhin Kontrollpunkte der Taliban. Die Taliban überprüfen die Namen und Gesichter von Personen an den Kontrollpunkten anhand einer „Liste mit Namen und Fotos ehemaliger Armee- und Polizeiangehöriger“. Meistens handelt es sich um Routinekontrollen, es kann jedoch auch zu Durchsuchungen kommen. Die Kontrollpunkte sind über ganz Afghanistan verteilt und befinden sich häufig entlang der Hauptversorgungsrouten und in der Nähe der Zugänge zu großen Städten. Darüber hinaus werden auch bei Bedarf Kontrollpunkte und Straßensperren für Suchaktionen, Sicherheitsvorfälle und VIP-Bewegungen eingerichtet. Im Vergleich zur Zeit vor der Machtübernahme der Taliban wurden hunderte Checkpoints an Straßen und Autobahnen abgebaut, weil die Taliban nicht genügend Personal haben, um sie aufrechtzuerhalten, und weil sie in den ländlichen Dörfern, in denen ihre Kämpfer während des jahrzehntelangen Aufstands stationiert waren, keine größere Bedrohung sehen. (LIB, Kap. 3.7)
1.5.5. Verfolgungspraxis der Taliban:
Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitsbehörden abzusehen, waren die Taliban nach Machtübernahme auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung. Die Taliban gingen von Tür zu Tür und haben auch Angehörige der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung bedroht. Die Taliban erstellen „schwarze Listen“, wobei Personen, die sich auf der Liste befinden in großer Gefahr sind. Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden, unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben. Die Taliban kontrollieren auch Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Irisscans, Fingerabdrücke, Fotos, Berufe, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban haben solche Daten bereits benutzt, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen und Gegner auch zu eliminieren bzw. verschwinden zu lassen. Im Zuge von Abschiebungen aus dem Iran werden auch Daten von Rückkehrern vom iranischen Geheimdienst an die Taliban weitergegeben.
Taliban nutzen soziale Medien zu Propagandazwecken und um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren. Afghanen verüben seit der Machtübernahme durch die Taliban in sozialen Netzwerken Selbstzensur. Es gab bereits Verhaftungen von Personen, die sich in sozialen Netzwerken kritisch über die Taliban geäußert haben. Über soziale Netzwerke können Taliban auch Personen identifizieren, die mit westlichen Gruppen oder westlichen Hilfsagenturen zusammengearbeitet haben. Die Taliban bauen in afghanischen Städten ein groß angelegtes Kameraüberwachungsnetz auf. Es wird befürchtet, dass die Taliban ihr Netz von Überwachungskameras auch dazu nutzen werden, abweichende Meinungen zu unterdrücken und ihre repressive Politik durchzusetzen, einschließlich der Einschränkung des Erscheinungsbildes der Afghanen, der Bewegungsfreiheit, des Rechts zu arbeiten oder zu studieren und des Zugangs zu Unterhaltung und unzensierten Informationen. (LIB, Kap. 5.2)
1.5.6. Zentrale Akteure:
Taliban: Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe, die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam. Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“, den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Er gilt als die ultimative Autorität in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten. Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban, sich von „einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität“ zu entwickeln. (LIB, Kap. 6.1)
1.5.7. Rechtsschutz und Justizwesen:
Unter der vorherigen Regierung beruhte die afghanische Rechtsprechung auf drei parallelen und sich überschneidenden Rechtssystemen oder Rechtsquellen: dem formellen Gesetzesrecht, dem Stammesgewohnheitsrecht und der Scharia. Informelle Rechtssysteme zur Schlichtung von Streitigkeiten waren weit verbreitet, insbesondere in ländlichen Gebieten. Dies ist nach wie vor der Fall, auch wenn die Taliban seit ihrer Machtübernahme versucht haben, einige lokale Streitbeilegungspraktiken zu kontrollieren.
Nach 23 Jahren Krieg (1978-2001) und dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 konnte Afghanistan 2004 eine neue Verfassung verkünden, die sowohl islamische als auch modern-progressive Werte enthält. Die juristischen und politikwissenschaftlichen Fakultäten sowie die Scharia waren zwei Institutionen, die zur Ausbildung des Justizpersonals beitrugen, indem sie Hunderte von jungen Männern und Frauen ausbildeten, die später als Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte tätig waren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die internationale Gemeinschaft zahlreiche Entwicklungsprogramme durchgeführt, die auf den Wiederaufbau des afghanischen Rechtssystems und den Ausbau der Kapazitäten des Personals der Justizbehörden abzielen.
Nach ihrem Sturz im Jahr 2001 gelang es den Taliban, in den von ihnen kontrollierten, meisten ländlichen, Gebieten Gerichte einzurichten und den Menschen den Zugang zur Rechtsprechung auf lokaler Ebene zu erleichtern. Dies geschah zu einer Zeit, als die staatlichen Justizorgane aufgrund der weitverbreiteten Korruption ihre Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung weitgehend verloren hatten. Daher zogen die Menschen es vor, sich an die Gerichte der Taliban zu wenden, anstatt an die Gerichte der Regierung. In den vergangenen zwanzig Jahren gelang es dem Justizsystem der Taliban, mit seinen praktischen Maßnahmen das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Die Taliban-Richter fungierten sowohl als Richter im juristischen Bereich als auch als Gelehrte (ulama) im religiösen Bereich. Die Taliban-Richter absolvierten ihre Ausbildung an Deobandi-Schulen in Pakistan und Afghanistan, die sich hauptsächlich auf die hanafitische Rechtsprechung stützten.
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 übernahmen sie die vollständige Kontrolle über das Justizsystem des Landes und setzten die Verfassung von 2004 außer Kraft. Bisher haben sich die Taliban noch nicht zu den Gesetzen geäußert, insbesondere nicht zu den Strafgesetzen, zur nationalen Sicherheit und zu den Gerichten. Den Taliban zufolge bildet die hanafitische Rechtsprechung die Grundlage für das Rechtssystem und derzeit verfügt das Land nicht über einen klaren und kohärenten Rechtsrahmen, ein Justizsystem oder Durchsetzungsmechanismen. Den Taliban zufolge bleiben Gesetze, die unter der Regierung vor August 2021 erlassen wurden, in Kraft, sofern sie nicht gegen die Scharia verstoßen. Die Taliban-Führer zwingen den Bürgern ihre Politik weitgehend durch Leitlinien oder Empfehlungen auf, in denen sie akzeptable Verhaltensweisen festlegen, die sie aufgrund ihrer Auslegung der Scharia und der vorherrschenden kulturellen Normen, die die Taliban für akzeptabel halten, rechtfertigen. (LIB, Kap. 7)
1.5.8. Sicherheitsbehörden:
Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 brach die 350.000 Mann starke Armee des früheren Regimes zusammen und die Taliban haben faktisch die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernommen. Sie haben begonnen, ihre bisherigen Milizen-Strukturen in geordnete Sicherheitskräfte zu übertragen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Die Armee verfügt mit Stand März 2023 über 150.000 Taliban-Kämpfer und soll 2024 auf 170.000 vergrößert werden. Angestrebt wird eine 200.000 Mann starke Armee. Der Geheimdienst, ein Nachrichtendienst, der früher als „National Directorate of Security“ (NDS) bekannt war, wurde dem Taliban-Staatsoberhaupt direkt unterstellt. Das Innenministerium der Taliban-Regierung hat wiederholt angekündigt, Polizisten, u. a. im Bereich der Verkehrspolizei, zu übernehmen. Dies ist zumindest in Kabul teilweise erfolgt.
Es zeichnet sich ab, dass die Taliban, mit Ausnahme der Luftwaffe (hier sind fast die Hälfte der ehemaligen Soldaten zurückgekehrt), von den bisherigen Kräften nur vereinzelt Fachpersonal übernehmen. Eine breit angelegte Integration der bisherigen Angehörigen der Sicherheitskräfte hat bisher nicht stattgefunden und die Zahl der rekrutierten ehemaligen Sicherheitskräfte ist begrenzt. Bei den rekrutierten ehemaligen Sicherheitskräften handelt es sich im Allgemeinen um Spezialisten. Die Taliban verfügen über keine funktionierende Luftwaffe, die den Luftraum im Falle ausländischer Übergriffe oder inländischer Aufstände sichern könnte. Der Bestand an Hubschraubern und Fluggeräten gilt als veraltet und es gibt zumindest fünf bestätigte Unfälle in der Militärluftfahrt seit der Machtübernahme, wobei Pilotenfehler als wahrscheinlichste Ursache gelten. Die Taliban müssten in erheblichem Umfang Piloten ausbilden und Strategien für die Kommunikation und Koordination mit den Bodentruppen entwickeln, um eine funktionsfähige Luftwaffe aufzubauen. (LIB, Kap. 8)
1.5.9. Folter und unmenschliche Behandlung:
Es kommt durch die Taliban zu Folter und Misshandlungen von ehemaligen Sicherheitskräften bzw. ehemaligen Regierungsbeamten sowie zu Gewalt gegen Journalisten und Medienschaffende, gegen Frauenrechtsaktivisten und auch in Gefängnissen. Es kam beispielsweise auch zu kollektiven Strafen gegen Bewohner der Provinz Panjsher, darunter Folter und andere Misshandlungen. Der oberste Taliban-Führer begrüßte die Einführung von Scharia-Gerichten und Scharia-Praktiken, einschließlich Qisas (z. B. Auspeitschungen oder Hinrichtungen), die die Öffentlichkeit mit eigenen Augen sieht. Es kam zu öffentlichen Auspeitschungen durch die Taliban in mehreren Provinzen, darunter Zabul, Maidan Wardak, Kabul, Kandahar und Helmand. (LIB, Kap. 9)
1.5.10. Allgemeine Menschenrechtslage:
Die in der Vergangenheit von Afghanistan unterzeichneten oder ratifizierten Menschenrechtsabkommen werden von der Taliban-Regierung, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt anerkannt. Es wird ein Islamvorbehalt geltend gemacht, wonach islamisches Recht im Falle einer Normenkollision Vorrang hat.
Seit dem Sturz der gewählten Regierung haben die Taliban die Menschenrechte und Grundfreiheiten der afghanischen Bevölkerung zunehmend und in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Insbesondere Frauen und Mädchen wurden in ihren Rechten massiv eingeschränkt und aus den meisten Aspekten des täglichen und öffentlichen Lebens verdrängt.
Die Taliban-Führung hat ihre Anhänger verschiedentlich dazu aufgerufen, die Bevölkerung respektvoll zu behandeln. Dennoch kommt es zu groben Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban nach ihrer Machtübernahme im August 2021, darunter Hausdurchsuchungen, Willkürakte und Hinrichtungen. Es kommt zu Gewalt und Diskriminierung gegenüber Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Es kommt auch zu gezielten Tötungen sowie zu Entführungen und Ermordungen ehemaliger Angehöriger des Staatsapparats und der Sicherheitskräfte. Es kommt zu Rache und Willkürakten im familiären Kontext – also gegenüber Familienmitgliedern oder zwischen Stämmen/Ethnien, bei denen die Täter den Taliban nahestehen oder Taliban sind. Taliban-Vertreter weisen den Vorwurf von systematischer Gewalt jedoch zurück und verweisen wiederholt auf Auseinandersetzungen im familiären Umfeld. Eine nachprüfbare Strafverfolgung findet in der Regel nicht statt. Im Zeitraum vom 15.1.2022 bis Mitte 2023 wurde über 3.329 Menschenrechtsverletzungen berichtet, die sich auf Verletzungen des Rechts auf Leben, des Rechts auf Freiheit von Folter, der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Rechte der Frauen und mehr beziehen. Im selben Zeitraum kam es auch zu Tötung und Inhaftierung ehemaliger ANDSF-Mitglieder.
Die Taliban ließen wiederholt friedliche Proteste gewaltsam auflösen. Es kam zum Einsatz von scharfer Munition und zu Todesopfern bei Protesten. Die Taliban gingen im ersten Jahr nach der Machtübernahme im August 2021 hart gegen Andersdenkende vor und verhafteten Frauenrechtsaktivisten, Journalisten und Demonstranten. Im zweiten Jahr haben sich Medien und die Opposition im Land aufgrund der Restriktionen der Taliban und der Selbstzensur weitgehend zerstreut, obwohl weiterhin über Verhaftungen von Frauenrechtsaktivisten, Bildungsaktivisten und Journalisten berichtet wird. Frauen haben weiterhin gegen die Restriktionen und Erlässe der Taliban protestiert, aber die Proteste fanden größtenteils in geschlossenen Räumen statt – offenbar ein Versuch der Demonstranten, ihre Identität zu verbergen und das Risiko einer Verhaftung oder Gewalt zu verringern. Trotz dieser Drohungen sind Frauen weiterhin auf die Straße gegangen, um gegen wichtige Erlasse zu protestieren. (LIB, Kap. 13)
1.5.11. Religionsfreiheit:
Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % und die Schiiten auf 7 bis 15 % der Gesamtbevölkerung geschätzt. Andere Glaubensgemeinschaften machen weniger als 0,3 % der Bevölkerung aus. Es gibt keine zuverlässige Schätzung über die Gemeinschaft der Christen.
Die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime waren und sind durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt. Mit der rigorosen Durchsetzung ihrer strengen Auslegung der Scharia gegenüber allen Afghanen verletzen die Taliban die Religions- und Glaubensfreiheit von religiösen Minderheiten. Nominal haben die Taliban religiösen Minderheiten die Zusicherung gegeben, ihre Religion auch weiterhin ausüben zu können, insbesondere der größten Minderheit, den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara. In der Praxis ist der Druck auf Nicht-Sunniten jedoch hoch und die Diskriminierung von Schiiten im Alltag verwurzelt.
Trotz ständiger Versprechen, alle in Afghanistan lebenden ethnischen und religiösen Gemeinschaften zu schützen, ist die Taliban-Regierung nicht in der Lage oder nicht willens, religiöse und ethnische Minderheiten vor radikaler islamistischer Gewalt zu schützen, insbesondere in Form von Angriffen der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) und Fraktionen der Taliban selbst. In einigen Gebieten Afghanistans (unter anderem Kabul) haben die Taliban alle Männer zur Teilnahme an den Gebetsversammlungen in den Moscheen verpflichtet und/oder Geldstrafen gegen Einwohner verhängt, die nicht zu den Gebeten erschienen sind bzw. gedroht, dass Männer, die nicht zum Gebet in die Moschee gehen, strafrechtlich verfolgt werden könnten. (LIB, Kap. 18)
Schiiten: Taliban schränken Angehörige der Schiiten in ihrer Religionsausübung ein. Die Taliban haben der schiitischen Gemeinschaft untersagt, während des islamischen Neujahrsmonats Muharram religiöse Fahnen und Banner zu hissen, die üblichen Erfrischungsstände aufzustellen, in Konvois zu fahren und in öffentlichen Verkehrsmitteln Klagegedichte zu rezitieren. Bereits im Jahr 2022 strich das Ministerium für Arbeit und Soziales der Taliban den Feiertag Aschura (Anm.: 10. Tag des Monats Muharram. An diesem Tag gedenken die Schiiten des Todes des für sie dritten Imams Husain in der Schlacht von Kerbela. Er gilt als Märtyrer, dessen Ermordung sowohl für Schiiten und Aleviten als auch generell in der Geschichte des Islam ein besonderes Ereignis bedeutet) aus dem afghanischen Kalender. Diese Entscheidung der Taliban wurde von afghanischen Bürgern, insbesondere schiitischen, scharf kritisiert. Trotz der weitverbreiteten Kritik und Verurteilung hat das Innenministerium der Taliban versichert, dass die Gruppe ernsthafte Maßnahmen ergriffen hat, um die Sicherheit bei den Trauerzeremonien und Paraden während des Muharram-Festes zu gewährleisten. Während einer Gedenkfeier zu Aschura im Jahr 2023 wurden in der Provinz Ghazni mehrere Menschen durch die Taliban getötet und weitere verletzt. Das Gouverneursbüro der Taliban in Ghazni hat in einer Erklärung die Aschura-Teilnehmer als „Randalierer“ bezeichnet und sie beschuldigt, die Sicherheit zu stören. (LIB, Kap. 18.1)
1.5.12. Ethnische Gruppen:
Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht, da keine nationale Volkszählung durchgeführt wird. Keine der ethnischen Gruppen des Landes stellt eine Mehrheit. Die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung sind Schätzungen und werden oft stark politisiert. In Afghanistan leben ca. 42 % Paschtunen, ca. 27-30 % Tadschiken, ca. 9-15 % Hazara sowie 9 % Usbeken und Kutschi-Nomaden.
Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultieren weiterhin in Konflikten und Tötungen.
Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. In der Taliban-Regierung gibt es nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara. Obwohl die Taliban wiederholt erklärt haben, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen, werden selbst auf lokaler Ebene Minderheiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtunischen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind. Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren. (LIB, Kap. 19)
Hazara: Die Mehrheit der Hazara lebt im Hazarajat (oder „Land der Hazara“), das im zerklüfteten zentralen Bergland Afghanistans liegt und eine Fläche von etwa 50.000 Quadratkilometern umfasst. Die Region erstreckt sich auf die Provinzen Bamyan und Daikundi sowie mehrere angrenzende Distrikte in den Provinzen Ghazni, Uruzgan, (Maidan) Wardak, Parwan, Baghlan, Samangan und Sar-e Pul. Es gibt auch sunnitische Hazara-Gemeinschaften in den Provinzen Badghis, Ghor, Kunduz, Baghlan, Panjsher und anderen Gebieten im Nordosten Afghanistans. Hazara sind auch in mehreren städtischen Zentren Afghanistans vertreten, darunter Kabul, Mazar-e Sharif und Herat.
Die Taliban haben insbesondere den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara, die während des ersten Taliban-Regimes benachteiligt und teilweise verfolgt wurden, Zusicherungen gemacht. Dennoch kam es im Juli 2021 zur Tötung von neun Angehörigen der Hazara in der Provinz Ghazni, nachdem die Taliban dort die Kontrolle übernommen hatten. Im August 2021 wurden in der Provinz Daikundi 13 Angehörige der Hazara-Minderheit, darunter ein 17-jähriges Mädchen, von den Taliban getötet.
Angehörige der Taliban werden beschuldigt, Zwangsumsiedlungen in Daikundi, Uruzgan, Kandahar, Helmand und Balkh, vor allem unter Angehörigen der schiitischen Hazara, vorzunehmen, um das Land unter ihren eigenen Anhängern aufzuteilen. Die Diskriminierung von Hazara bei illegaler Landnahme beruht vor allem auf lokalen Konflikten, wird aber von der Taliban-Führung toleriert. Neben Enteignungen basieren Diskriminierungen auch auf besonderer Besteuerung, die von der Taliban-Regierung mindestens geduldet wird. Die Taliban haben Hazara in der Provinz Maidan Wardak befohlen, Kutschis eine Entschädigung für den Verlust ihres Viehs zu zahlen. Der Viehbestand der Kutschis ist vor einigen Jahren in dem Gebiet verschwunden. Auch hier wurde den Taliban Voreingenommenheit vorgeworfen. Auch sind Hazara weiterhin besonders gefährdet, Opfer von Anschlägen des Islamischen Staats Khorasan Provinz (ISKP) zu werden. Es kommt immer wieder zu Angriffen des ISKP, welche auf Hazara abgezielt sind, indem vor allem schiitische Moscheen, Wohnviertel oder Bildungseinrichtungen der Hazara sowie hochrangige Vertreter der Hazara betroffen sind. (LIB, Kap. 19.3)
1.5.13. Relevante Bevölkerungsgruppe - Personen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen:
Menschen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen gehören zu den durch die Wirtschaftskrise am stärksten betroffenen Personengruppen in Afghanistan. Aufgrund des jahrzehntelangen Konflikts und der schlechten Gesundheitsversorgung von Müttern gibt es in Afghanistan eine der größten Populationen von Menschen mit Behinderungen der Welt. Jeder zweite Afghane leidet unter psychischen Problemen und jeder fünfte ist aufgrund seiner psychischen Gesundheit beeinträchtigt.
Der Mangel an Hilfsgeldern hat dazu geführt, dass einige Einrichtungen, die Dienstleistungen für beeinträchtigte Menschen angeboten haben, ihre Tätigkeit eingestellt haben. Finanzielle Leistungen für Mitglieder der Streitkräfte der ehemaligen Regierung, die im Krieg eine Behinderung erlitten haben, bleiben unter den Taliban aus. Auch die durch die Taliban eingeführten Einschränkungen für Frauen, die entweder selbst behindert sind oder mit behinderten Menschen arbeiten, sowie die Ausreise von NGO-Mitarbeitern nach der Machtübernahme der Taliban wirken sich auf den Zugang zur Versorgung dieser Gruppe negativ aus.
Generell mangelt es in Afghanistan an Bewusstsein für psychische Erkrankungen und deren Behandlung, und die Betroffenen und ihre Familien sind einer starken Stigmatisierung ausgesetzt. Menschen mit Behinderungen erhalten nur eingeschränkte Dienstleistungen und es fehlt ein gesetzlicher oder institutioneller Rahmen zur Gewährleistung ihrer Grundrechte. Aufgrund der weitverbreiteten Kontamination durch Kampfmittel sowie durch Verkehrsunfälle sind die Verletzungsfälle weiterhin zahlreich.
Zwischen Jänner und September 2022 wurden 169.293 Verletzungen behandelt. Einige Krankenhäuser und NGOs bieten Dienstleistungen für Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen an. Die WHO hat ihre Unterstützung für die psychosoziale Versorgung des Landes ausgeweitet, um den Zugang zu den von der Notlage betroffenen Menschen in Afghanistan zu verbessern. (LIB, Kap. 20.6)
Der Umgang mit behinderten Menschen in Afghanistan ist auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich. Aus islamischer Sicht ist man auf der individuellen, familiären und gesellschaftlichen Ebene dazu verpflichtet, mit den eigenen Mitmenschen im Guten zu sein und dem Individuum das Existenzminimum zu gewährleisten. Diese Einstellung gilt besonders im Umgang mit benachteiligten Personen, sprich auch Behinderte. Hierbei spielt die Umsetzung in der Praxis eine bedeutende Rolle: auf individueller bzw. familiärer Ebene ist man aufgeschlossen und fortschrittlich, während im gesellschaftlichen Bereich die notwendigen Standards, z.B. der barrierefreie Zugang, noch nicht erreicht wurden. Da die moralischen Werte in der islamischen Gesellschaft hoch gewertet werden, soll die Gesellschaft in der Regel dafür sorgen, dass Behinderte nicht Opfer von Benachteiligung, Bedrohung oder Stigmatisierung werden (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu „behinderte Menschen in islamischen Gesellschaften).
Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen besteht kein erhöhtes Risiko, aufgrund ihrer Krankheit von den Taliban verfolgt zu werden. Die Taliban kümmern sich nicht wirklich um das Thema der psychischen Gesundheit, weil sie „nicht wirklich daran glauben“. Die Taliban sind nicht ausdrücklich gegen diese Form der Gesundheitsversorgung, aber sie unterstützen diese auch nicht. Konkret hängt das Risiko einer Verfolgung aber immer vom Hintergrund der jeweiligen Person ab. Als Beispiel nannte Dr. Aria Wais Menschen, die einen LGBTIQ-Hintergrund haben und unter psychischen Problemen leiden. Diese hätten beispielsweise durchaus berechtigten Grund, sich vor Repressionen durch die Taliban zu fürchten. Auch der Umgang der Taliban mit Menschen, die drogen- oder alkoholabhängig sind, sei anders: Diese Menschen würden sehr hart behandelt, sie würden geschlagen und inhaftiert. (Anfragebeantwortung ACCORD, Situation psychisch Kranker).
Die Hälfte der Bevölkerung leidet unter Depressionen, Angstzuständen oder posttraumatischem Stress, was katastrophale Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen haben könnte. Trotzdem gibt die Regierung nur etwa 0,26 US-Dollar (etwa 0,24 Euro, Anmerkung ACCORD) pro Kopf für psychische Gesundheit aus. Die afghanische Online-Zeitung Khaama Press hält in einem Artikel vom März 2019 fest, dass Leistungen für psychisch Kranke in Afghanistan so gut wie nicht existent sind, und dass es im Land kaum heimische Kapazitäten zur Prävention oder Behandlung psychischer Erkrankungen gibt, was eine bemerkenswerte Schwäche der afghanischen Gesundheitspolitik darstelle. Gleichzeitig gehören psychische Störungen zu den am meisten missverstandenen Leiden in der afghanischen Gesellschaft. Traditionelle medizinische Praktiken und irrationale Überzeugungen würden dominieren. In den meisten Fällen würden psychisch Kranke von Mullahs behandelt werden, und in ernsten Fällen würden sie in ein traditionelles Heilzentrum gebracht. Das weit verbreitete Stigma, das mit psychischen Störungen verbunden ist, die Weiterentwicklung und Umsetzung gefährde einer die psychischen Erkrankungen betreffende Gesundheitspolitik. Stigmatisierung und Diskriminierung sind Barrieren, die Interventionen zur Behandlung der Betroffenen erschweren, insbesondere treffe dies auf die ländlichen Gebiete Afghanistans zu. In Afghanistan gibt es einige kulturelle und soziale Barrieren, die den meisten Opfern den Zugang zu psychosozialen Diensten verwehren würden, wie z.B. das Unvermögen, für die Behandlung zu bezahlen, mangelnde Unterstützung durch Familienmitglieder und Freunde sowie Selbststigmatisierung aufgrund der negativen und falschen Vorstellungen über psychische Erkrankungen (Anfragebeantwortung von ACCORD: Gesellschaftliche Wahrnehmung von Personen mit psychischen Erkrankungen vom 07.05.2020).
1.5.14. Grundversorgung und Wirtschaft:
Nach der Machtübernahme verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage in Afghanistan durch die Einstellung vieler internationaler Hilfsgelder massiv. Nach der Machtübernahme der Taliban waren große Teile der Bevölkerung zunehmend auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Im Jahr 2024 benötigten etwa 23,7 Millionen Menschen (mehr als die Hälfte des Landes) humanitäre Hilfe aufgrund der Nachwirkungen von vierzig Jahren Krieg, der jüngsten politischen Umwälzungen und wirtschaftlicher Instabilität. Auch häufige Naturkatastrophen und der Klimawandel haben Auswirkungen auf die humanitäre Lage im Land. Während Afghanistan gute Fortschritte bei der Aufrechterhaltung von Stabilität und Sicherheit gemacht zu haben scheint, hat sich die afghanische Wirtschaft von dem erheblichen Produktionsrückgang seit 2020 nicht erholt. Dies ist größtenteils auf eingeschränkte Bankdienstleistungen und Operationen des Finanzsektors, Unterbrechungen in Handel und Gewerbe, geschwächte und isolierte wirtschaftliche Institutionen und fast keine ausländischen Direktinvestitionen oder Geberunterstützung für die produktiven Sektoren zurückzuführen.
Die Wirtschaft stabilisierte sich ab Mitte 2022 wieder und im Jahr 2023 gab es einige Anzeichen für eine leichte wirtschaftliche Verbesserung. In weiterer Folge sank die akute Ernährungsunsicherheit in der Bevölkerung zwischen April und Oktober 2023 von 40 % auf 29 %. Die Wirtschaft stagnierte in weiterer Folge jedoch und die sozioökonomische Situation in Afghanistan ist weiterhin durch Armut, Ernährungsunsicherheit und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. (LIB Kap. 24)
1.5.15. Medizinische Versorgung:
Die drastische Kürzung der finanziellen und technischen Entwicklungshilfe für das öffentliche Gesundheitssystem Afghanistans seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 hat das Gesundheitssystem des Landes schwer geschädigt. Der daraus resultierende Mangel an ausreichenden Gesundheitsdiensten betrifft Millionen von Afghanen. Aufgrund fehlender Mittel mussten Kliniken schließen. Es kam zu Engpässen bei Medikamenten und Ausrüstung. Während Antibiotika, Schmerzmittel und allgemeine Gesundheitsmedikamente noch eingeführt werden, sind spezifische Medikamente, z. B. jene zur Behandlung von Krebs, in Afghanistan nicht erhältlich. Menschen können auch nicht mehr so einfach wie früher in die Nachbarländer reisen, um sich behandeln zu lassen und Medikamente zu kaufen. Es gibt einen generellen Mangel an (vor allem weiblichen) Ärzten und viele sind unterqualifiziert bzw. praktizieren, ohne ihre Ausbildung abgeschlossen zu haben.
In den öffentlichen Krankenhäusern, die unter direkter Aufsicht der afghanischen Regierung stehen, sind seit dem Regimewechsel sowohl die Qualität der Versorgung als auch die Zahl der Mitarbeiter erheblich zurückgegangen. Die Kapazität des Gesundheitspersonals im öffentlichen Sektor ist gering, auch aufgrund der Einschränkungen von Frauen in Hinblick auf Beschäftigung und Bewegungsfreiheit. In den städtischen Zentren gibt es zahlreiche Gesundheitseinrichtungen, Medikamente oder Behandlungen sind für die Bevölkerung häufig zu teuer.
In Afghanistan gibt es Ausbrüche von Infektionskrankheiten, wie beispielsweise Masern, akute Atemwegsinfektionen (ARI) oder akute wässrige Diarrhöe (AWD). Bis 31.8.2023 gab es laut WHO 232.843 bestätigte Fälle von COVID-19 in Afghanistan. Nach Angaben der WHO haben mehr als 18 Millionen Afghanen zumindest eine Impfdosis erhalten und mehr als 16 Millionen sind vollständig geimpft. Menschen haben trotz der Zunahme an COVID-19Erkrankungen keine Angst mehr und ergreifen keine Präventivmaßnahmen. Nach dem Zusammenbruch der vorherigen Regierung wurden alle Finanzmittel und Unterstützungen für die COVID-19-Notfallmaßnahmen gekürzt, und die meisten Krankenhäuser mussten ihren Betrieb einstellen, weil es an Mitteln, Ärzten, Medikamenten und sogar Heizmaterial mangelte. (LIB, Kap. 25)
1.5.16. Rückkehr:
Es gibt wenig Informationen zu Rückkehrern aus Europa nach Afghanistan. Nach der Machtübernahme der Taliban kam es zur freiwilligen Rückkehr afghanischer Staatsbürger. Es kehrten auch einige Mitarbeiter der ehemaligen Regierung und internationaler NGOs nach Afghanistan zurück, darunter ein Mitarbeiter einer NGO, der mit seiner Familie nach zwei Jahren Aufenthalt in Dänemark nach Afghanistan zurückkehrte. Es gibt auch freiwillige Rückkehrer aus den USA.
Die Taliban haben am 16.3.2022 eine Kommission unter Leitung des Taliban-Ministers für Bergbau und Petroleum ins Leben gerufen, die Mitglieder der ehemaligen wirtschaftlichen und politischen Elite überzeugen soll, nach Afghanistan zurückzukehren. Im Rahmen dieser Bemühungen sollen inzwischen 200 mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten nach Afghanistan zurückgekehrt sein, darunter auch ehemalige Minister und Parlamentarier.
Am 30.8.2024 wurden erstmals seit der Machtübernahme der Taliban afghanische Staatsangehörige aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben. Nach Angaben der deutschen Bundesregierung handelte es sich dabei um „afghanische Straftäter, afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen“. Die insgesamt 28 abgeschobenen Afghanen wurden nach ihrer Rückkehr nach Kabul durch die Taliban angehalten und ins Gefängnis gebracht. Kurz darauf wurden sie nach Auskunft der Taliban wieder auf freien Fuß gesetzt, nach einer schriftlichen Zusicherung, dass sie keine Verbrechen in Afghanistan begehen würden. Die Taliban sind bereit, auch in Zukunft abgeschobene Afghanen aus Deutschland aufzunehmen.
IOM hat aufgrund der aktuellen Lage vor Ort die Option der Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration seit 16.8.2021 für Afghanistan bis auf Weiteres weltweit ausgesetzt. Es können somit derzeit keine freiwilligen Rückkehrer aus Österreich nach Afghanistan im Rahmen des Projektes RESTART III unterstützt werden. IOM Afghanistan hält jedoch die Kommunikation mit ehemaligen Rückkehrern aufrecht, um humanitäre Hilfe anzubieten, die Stabilisierung der Gemeinschaft zu unterstützen und die interne Migration in Zusammenarbeit mit den Taliban-Behörden, humanitären Partnern und lokalen Gemeinschaften zu steuern.
Taliban behandeln zurückkehrende Personen im Rahmen ihrer allgemeinen Praxis im Umgang mit der Zivilbevölkerung. Die Bedrohung der persönlichen Sicherheit ist im Einzelfall das zentrale Hindernis für zurückkehrende Personen. Auch vor dem Hintergrund der faktischen Kontrolle der Taliban über alle Landesteile lässt sich die Frage einer möglichen Gefährdung im Einzelfall nicht auf einzelne Landesteile, etwaige Sicherheitsrisiken durch Terrorismus oder lokale Kampfhandlungen begrenzen. Entscheidend für die individuelle Sicherheit der Personen bleibt die Frage, wie die Person von der Taliban-Regierung und dritten Akteuren wahrgenommen wird.
Im Ausland straffällig gewordene Rückkehrende könnten, wenn die Tat einen Bezug zu Afghanistan aufweist, in Afghanistan zum Opfer von Racheakten, z. B. von Familienmitgliedern der Betroffenen, werden. Auch eine erneute Verurteilung durch das von den Taliban kontrollierte Justizsystem ist nicht ausgeschlossen, wenn der Fall den Behörden bekannt werden würde. (LIB, Kap. 26)
Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates: Die österreichische Rückkehrunterstützung umfasst eine kostenlose individuelle Beratung zur freiwilligen Rückkehr einschließlich Antragsstellung auf finanzielle Unterstützung durch die BBU, die organisatorische Unterstützung bei der Reisevorbereitung, bei der Reiseplanung und bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten, die Übernahme der Heimreisekosten, eine finanzielle Starthilfe in Höhe von bis zu 900 EUR sowie die Teilnahme an Reintegrationsprogrammen nach der Rückkehr im Zielland.
Ein Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen besteht nicht. Organisatorische Unterstützung kann grundsätzlich in jeder Verfahrenskonstellation gewährt werden. Voraussetzung für die Gewährung der Übernahme der Heimreisekosten ist die Mittellosigkeit der rückkehrenden Person.
Die Höhe der finanziellen Starthilfe ist in einem degressiven Modell geregelt und staffelt sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung auf unterstützte freiwillige Rückkehr. Während des laufenden asyl- oder fremdenrechtlichen Verfahrens bis einen Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt die finanzielle Starthilfe 900 EUR pro Person. Ab einem Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt die finanzielle Starthilfe 250 EURpro Person. Für vulnerable Rückkehrende, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das BFA ein einmaliger Betrag von 250 EUR pro Person gewährt werden.
Kriterien für den Erhalt der finanziellen Starthilfe und der Reintegrationsunterstützung sind die freiwillige Ausreise, finanzielle Bedürftigkeit bzw. Mittellosigkeit, erstmaliger Bezug der Unterstützungsleistung, Nachhaltigkeit der Ausreise, keinerlei Evidenz eines Sicherheitsrisikos durch die freiwillige Rückkehr und keine schwere Straffälligkeit.
Für 42 Herkunftsländer können freiwillige Rückkehrer im Sinne des Leitgedankens „Rückkehr mit Perspektiven“ Reintegrationsunterstützung im Wert von bis zu 3.500 EUR beantragen. Die Abwicklung des Reintegrationsangebots erfolgt unter anderem mit den Kooperationspartnern Frontex, IOM Österreich, Caritas Österreich und OFII.
Im Rahmen der Reintegrationsprogramme erhalten Rückkehrende umfassende Unterstützung bei der Wiedereingliederung in ihrem Herkunftsland. Dazu gehören individuelle, persönliche Beratung und vorwiegend Sachleistungen, z. B. wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Hilfen. Die Programme bieten ein breites Spektrum an Leistungen, um einen optimalen Einsatz der Mittel zu gewährleisten. (LIB, Kap. 26.1)
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die Verwaltungsakten sowie in die Gerichtsakten sämtlicher Familienmitglieder, durch Einvernahme seiner Eltern und der Brüder des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, durch Befragung des gesetzlichen Vertreters des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung sowie durch Einsichtnahme in die im Verfahren vorgelegten Urkunden.
Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.
2.2. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden Angaben seiner Eltern vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren in Österreich.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie zu seiner familiären Situation gründen sich auf den diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben seiner Familienmitglieder. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellungen zu seinem Leben in Österreich und seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ergeben sich aus den Angaben seines gesetzlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung, aus der schriftlichen Stellungnahme seines Vertreters beim Bundesamt (AS 55ff) sowie aus dem Auszug aus dem österreichischen zentralen Vertretungsverzeichnis (AS 43). Diese Angaben waren nachvollziehbar und plausibel und wurden daher den Feststellungen zu Grunde gelegt.
2.3. Da der Vater des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme angab, dass er in Afghanistan von den Taliban nicht bedroht wurde, wurde dies auch den Feststellungen zu Grunde gelegt. Es haben sich darüber hinaus auch keine anderen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer oder seine Familie in Afghanistan von anderen Personen konkret und individuell bedroht oder gesucht werden könnten. Die Fluchtgründe betreffend eine Feindschaft mit einer anderen Familie, aufgrund eines Jagdunfalles, wurden sowohl betreffend den Beschwerdeführer als auch die restlichen Familienangehörigen in den Bescheiden des Bundesasylamtes bzw. des Bundesamtes verneint.
Der Vater des Beschwerdeführers gab zu seinen Fluchtgründe in der mündlichen Verhandlung an, dass er und seine Familie den Folgeantrag auf Asyl gestellt haben, da sie Reisepässe, nämlich ein besseres Dokument benötigen würden (VP S. 15). In Afghanistan gebe es zudem keine Arbeit und Männer und Frauen werden von den Taliban belästigt. Frauen müssen sich verschleiern und können keine Schule besuchen. Er habe in Afghanistan kein Haus, kein Rundstück und keine Verwandten mehr. Zu den Fluchtgründen seiner Kinder gab der Vater des Beschwerdeführers an, dass der Beschwerdeführer zu 60% eine Behinderung aufweise.
Die Mutter des Beschwerdeführers gab in der mündlichen Verhandlung an, dass sie zwar einen Fremdenpass habe, jedoch benötige sie den Staus einer Asylberechtigten, da sie einen besseren Pass brauchen würde. Da die Taliban Schiiten und Frauen nicht akzeptieren, könne sie nicht nach Afghanistan zurück (VP S. 22f).
Aus diesen Angaben lässt sich eine individuell und gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung nicht ableiten. Die Familie des Beschwerdeführers hatte in Afghanistan vor ihrer Ausreise keine gegen sie konkret und individuell gerichteten Probleme.
2.4. Eine konkrete, individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und der Religionsgemeinschaft der Schiiten liegt ebenfalls nicht vor.
Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten – speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören – Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderberichte erreicht diese Gefährdung jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara oder von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Schiiten in Afghanistan für gegeben zu erachten.
2.5. Es konnte aufgrund der Länderberichte auch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigung festgestellt werden.
In der oben zitierten ACCORD Auskunft aus 2022, die auf die Expertise der Gründerin einer afghanischen NGO für psychosoziale Gesundheit zurückgeht, wird ausgeführt, dass für Menschen mit psychischen Erkrankungen kein erhöhtes Risiko besteht, aufgrund ihrer Krankheit von den Taliban verfolgt zu werden. Die Taliban kümmern sich nicht wirklich um das Thema der psychischen Gesundheit, weil sie „nicht wirklich daran glauben“. Die Taliban sind nicht ausdrücklich gegen diese Form der Gesundheitsversorgung, aber sie unterstützen diese auch nicht.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass Personen mit Beeinträchtigungen durch die Wirtschaftskrise besonders betroffen und auch traditionell starker Stigmatisierung ausgesetzt sind. Seit der Machtübernahme gibt es für diese in Afghanistan auch weniger Hilfsgelder, weniger Unterstützungsleistungen und weniger Personal. Die soziale Absicherung von beeinträchtigten Personen in Afghanistan liegt traditionell bei Familien- und Stammesverbänden. Daraus lässt sich jedoch noch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ableiten. Schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen sowie wirtschaftliche Gründe, mangelnde Zukunftsperspektiven oder wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigen die Annahme einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit für eine konkrete, individuelle Verfolgung nicht.
2.6. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass beim Beschwerdeführer eine Gefahr besteht, aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer in Afghanistan Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein. Eine solche Gefahr hat sich weder aus den Länderberichten noch aus den Angaben seiner Eltern ergeben.
2.7. Es sind im gesamten Verfahren auch keine Umstände hervorgekommen, die darauf schließen ließen, dass der Beschwerdeführer in Österreich bereits in einem solchen Maße eine ("westliche") Lebensweise führt, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich eine Sonderschule besucht und dort etwas lesen und schreiben gelernt. Der Beschwerdeführer besucht ein Tagesheim, dort sammelt er Müll im Park auf oder wäscht Geschirr ab. Er lebt noch mit seinen Eltern zusammen, von denen er auch im Alltag unterstützt wird. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine Wertehaltung praktizieren würde, die einen nachhaltigen Bruch mit den in Afghanistan gelebten Werten bilde.
Eine besondere Ausübung der Grundrechte und insbesondere eine Verinnerlichung einer Lebensweise, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde, liegt beim Beschwerdeführer nicht vor.
2.8. Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 29.02.2024, Ra 2023/18/0298).
Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen (VwGH vom 01.09.2021, Ra 2021/19/2021).
3.1.3. Eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und der Religionsgemeinschaft der Schiiten wurde nicht festgestellt.
Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten – speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören – Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderberichte erreicht diese Gefährdung jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara oder von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Schiiten in Afghanistan für gegeben zu erachten.
Nach den UNHCR Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen (Februar 2023), kann sich für Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten ein Schutzbedarf ergeben. In Afghanistan leben ca. 42 % Paschtunen, ca. 27-30 % Tadschiken, ca. 9-15 % Hazara sowie 9 % Usbeken und Kutschi-Nomaden. 7 bis 15 % der Gesamtbevölkerung gehören der schiitischen Glaubensrichtung an.
Die Familie des Beschwerdeführers bzw. sein Vater stammt aus der Provinz Daikundi. Das zentrale Hochland Afghanistans ist eine Bergregion zwischen den Koh-i-Baba-Bergen an den westlichen Enden des Hindukusch, die auch Hazarajat genannt wird. Es ist die Heimat der Hazara, die dort den größten Teil der Bevölkerung ausmachen. Hazarajat bezeichnet eher eine ethnische und religiöse als eine geografische Zone. Die Region umfasst hauptsächlich die Provinzen Bamyan, Daikundi, Ghor und große Teile von Ghazni, Uruzgan, Parwan und Maidan Wardak.
Es gab in der Provinz Daikundi, die zum Hazaratschad gehört und vermehrt auch von Hazara bewohnt wird, vom 24.11.2023 bis 25.11.2024 sechs Kämpfe und einen Vorfall mit Explosionen bzw. ferngesteuerter Gewalt (ACLED). In zwei Fällen kam es zu Gewalt gegen Zivilisten, die 14 zivile Opfer zur Folge hatten (LIB 2025. S. 43). Daikundi hat ca. 540.000 Einwohner.
Es finden daher in der Provinz Daikundi keine Gruppenverfolgungen von schiitischen Hazara statt. Die Provinz Daikundi wird mehrheitlich von schiitischen Hazara bewohnt, diese sind dort keine religiöse oder ethnische Minderheit.
Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer (Gruppen)Verfolgung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara oder seine Zugehörigkeit zu der Religionsgemeinschaft der Schiiten in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.
3.1.4. Es konnte aufgrund der Länderberichte auch keine asylrelevante Verfolgung beim Beschwerdeführer aufgrund der Zugehörigkeit zur Gruppe von Personen mit psychischen Beeinträchtigungen festgestellt werden.
In der oben zitierten ACCORD Auskunft aus 2022, die auf die Expertise der Gründerin einer afghanischen NGO für psychosoziale Gesundheit zurückgeht, wird ausgeführt, dass für Menschen mit psychischen Erkrankungen kein erhöhtes Risiko besteht, aufgrund ihrer Krankheit von den Taliban verfolgt zu werden. Die Taliban kümmern sich nicht wirklich um das Thema der psychischen Gesundheit, weil sie „nicht wirklich daran glauben“. Die Taliban sind nicht ausdrücklich gegen diese Form der Gesundheitsversorgung, aber sie unterstützen diese auch nicht. Konkret hängt das Risiko einer Verfolgung aber immer vom Hintergrund der jeweiligen Person ab. Als Beispiel nannte die Expertin Personen, die einen LGBTIQ-Hintergrund haben und unter psychischen Problemen leiden. Diese hätten beispielsweise durchaus berechtigten Grund, sich vor Repressionen durch die Taliban zu fürchten. Auch der Umgang der Taliban mit Menschen, die drogen- oder alkoholabhängig sind, sei anders: Diese Menschen würden sehr hart behandelt, sie würden geschlagen und inhaftiert. Solchen Gruppen, die stärker im Visier der Taliban sind, wie LGBTIQ-Zugehörige oder Drogenabhängige, gehört der Beschwerdeführer jedoch nicht an. Es lässt sich daher aus diesem aktuellen Bericht, keine Verfolgungsgefahr für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, die darüber hinaus keine weiteren Merkmale erfüllen, erkennen.
Die Hälfte der Bevölkerung leidet unter Depressionen, Angstzuständen oder posttraumatischem Stress, was katastrophale Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen haben könnte. Aufgrund der weitverbreiteten Kontamination durch Kampfmittel sowie durch Verkehrsunfälle sind die Verletzungsfälle weiterhin zahlreich. Auch durch den jahrzehntelangen Konflikt und die schlechte Gesundheitsversorgung von Müttern gibt es in Afghanistan eine der größten Populationen von Menschen mit Behinderungen der Welt. Jeder zweite Afghane leidet unter psychischen Problemen und jeder fünfte ist aufgrund seiner psychischen Gesundheit beeinträchtigt, sodass eine Vielzahl von Personen von Behinderungen oder psychischen Erkrankungen betroffen ist und dies nicht nur eine Minderheit trifft.
In der Provinz Daikundi gab es vom 24.11.2023 bis zum 25.11.2024 sechs Kämpfe und einen Vorfall mit Explosionen bzw. ferngesteuerter Gewalt (ACLED). In zwei Fällen kam es zu Gewalt gegen Zivilisten, die 14 zivile Opfer zur Folge hatten, wobei Daikundi hat ca. 540.000 Einwohner hat. Ausgehend davon, dass eine große Population der Menschen dort psychische oder physische Beeinträchtigungen hat, müsste bei einer systematischen (Gruppen)Verfolgung dieser Personen aufgrund dieses Merkmals, eine größere Anzahl an Opfern vorliegen. Derartiges hat sich jedoch aus den Länderinformationen nicht ableiten lassen.
Ausgehend von den aktuellen Länderberichten liegt keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung von Personen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen in Afghanistan vor.
3.1.5. Nach der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs unterliegen Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischen Erkrankungen – nach Beurteilung des Einzelfalls – keiner Gruppenverfolgung in Afghanistan (VwGH vom 19.06.2018, Ra 2018/20/0262, VwGH vom 18.010.2018, Ra 2018/19/0461, VwGH vom 14.02.2019, Ra 2018/18/0442).
Auch in einem ähnlichen Fall judizierte der Verwaltungsgerichtshof, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bei Personen mit psychischen Beeinträchtigungen statt auf die UNHCR Richtlinien aus 2018 auf die aktuellere Anfragebeantwortung von ACCORD stützen kann (VwGH, Ra 2023/01/0126) und, dass sich – im Einzelfall – aus der Anfragebeantwortung von ACCORD keine systematische Verfolgung von Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, ableiten lässt.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sich aus den UNHCR-Richtlinien aus 2018 ergibt, dass Personen mit Behinderungen, insbesondere Personen mit geistigen und psychischen Erkrankungen, ein Risikoprofil erfüllen, wonach sie, je nach Umstand des persönlichen Falles, internationalen Schutz benötigen könnten. In der Beschwerde wurde dazu ausgeführt, dass solche Personen besonders vulnerabel seien und diese würden insbesondere den Taliban zum Opfer fallen (AS 198). Diesbezüglich kommt den UNHCR-Richtlinien zwar eine Indizwirkung zu, jedoch ist nicht von einer strikten Bindung auszugehen. Es lässt sich jedoch eine systematische Gruppenverfolgung von Personen mit Behinderungen in Afghanistan, insbesondere durch die Taliban, aus der Anfragebeantwortung von ACCORD aus Februar 2022 nicht ableiten.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass Personen mit Beeinträchtigungen durch die Wirtschaftskrise besonders betroffen und auch traditionell starker Stigmatisierung ausgesetzt sind. Seit der Machtübernahme gibt es für diese in Afghanistan auch weniger Hilfsgelder, weniger Unterstützungsleistungen und weniger Personal. Die soziale Absicherung von beeinträchtigten Personen in Afghanistan liegt traditionell bei Familien- und Stammesverbänden. Daraus lässt sich jedoch keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ableiten. Schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen sowie wirtschaftliche Gründe, mangelnde Zukunftsperspektiven oder wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigen die Annahme einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit für eine konkrete, individuelle Verfolgung nicht.
3.1.6. Den EUAA Country Guidance aus Mai 2024 ist zu entnehmen, dass Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen in Afghanistan oft stigmatisiert werden. Der Mangel an Personal und angemessener Infrastruktur, um den Bedürfnissen von Personen mit (schweren) medizinischen Problemen angemessen gerecht zu werden, genügt nicht der Anforderung von Artikel 6 der Status-Richtlinie (2011/95/EU) hinsichtlich der Existenz eines Akteurs, der Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden zufügt, es sei denn, der Person wird vorsätzlich die medizinische Versorgung vorenthalten. Dies kann der Fall sein, wenn Frauen die medizinische Gesundheitsversorgung dadurch verweigert wird, dass diese durch einen Mahram begleitet werden oder einen Hijab tragen müssen. In solchen, bestimmten Fällen kann die Akteurspflicht erfüllt sein. Bei der individuellen Beurteilung, ob für den Antragsteller eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, verfolgt zu werden, sollten risikobeeinflussende Umstände, wie etwa das Geschlecht, die Art und Sichtbarkeit der geistigen oder körperlichen Behinderung sowie eine mögliche negative Wahrnehmung durch die Familie, berücksichtigt werden.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen erwachsenen Mann handelt. Seine geistige Behinderung ist zwar erkennbar, jedoch kann der Beschwerdeführer einfache Alltagshandlungen wie Anziehen, Zähneputzen, Körperpflege, etc. selber ausüben. Seine Mutter richtet ihm das Essen, das er selber zu sich nehmen kann. Er hilft auch seinem Vater und unterstützt diesen beim Einkaufen und im Haushalt. Der Beschwerdeführer hat zuhause einen Heimtrainer auf dem er Sport betreibt. Der Beschwerdeführer war in Österreich in der Lage in einer Sonderschule etwas Schreiben, Lesen und Rechnen zu lernen. Er spricht zu Hause auch etwas Deutsch, sodass er auch in der Lage war teilweise eine neue Sprache zu erlernen. Er arbeitet im Rahmen seiner Tagesbetreuung, dabei geht er im Park Müll einsammeln oder Geschirr abwaschen. Die Behinderung des Beschwerdeführers ist daher zwar erkennbar, jedoch kann der Beschwerdeführer noch Arbeiten verrichten und am Alltagsgeschehen teilhaben sowie mit anderen Personen kommunizieren und sogar andere Sprachen und etwas Lesen, Schreiben und Rechnen erlernen.
Unter Berücksichtigung der aktuellen Länderberichte und des individuellen Krankheitsbildes des Beschwerdeführers ist im gegenständlichen Fall eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung von erheblicher Eingriffsintensität nicht zu erwarten. Eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung reicht für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht aus.
Die Beschwerde war daher in diesem Punkt nicht berechtigt.
3.1.7. Der Beschwerdeführer hat zwar keine Familienangehörigen mehr, die derzeit in Afghanistan leben, er lebt jedoch mit seinen Eltern in Österreich im Familienverband. Die Eltern des Beschwerdeführers stellten auch für sich, den Beschwerdeführer und für drei weitere Geschwister am 15.12.2009 einen Antrag gemäß § 35 Abs 1 AsylG bei der Österreichischen Botschaft in Teheran für die Familienzusammenführung in Bezug auf den bereits in Österreich lebenden Bruder. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.05.2010 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Familie gemäß § 34 AsylG iVm § 8 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten im Familienverfahren zuerkannt, da dieser Status vom Bruder in Österreich abgeleitet wurde, dem mit Bescheid vom 04.09.2008 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.
Auch die Folgeanträge auf internationalen Schutz wurden von den Familienmitgliedern gemeinsam gestellt.
Im gegenständlichen Fall ist daher zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Familienverband den Status eines subsidiär Schutzberechtigten erhielt und daher eine – hypothetische – Rückkehr auch im Familienverband stattfinden würde, sodass er diesfalls auch auf den Schutz im Familienverband zurückgreifen könnte.
Auch dies steht der Annahme einer asylrelevanten Verfolgung aufgrund seiner geistigen Beeinträchtigung entgegen.
3.1.8. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich auch keine westliche Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.
Es droht ihm daher aus diesem Grund keine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan.
3.1.9. Es haben sich auch keine Anhaltspunkte dahin ergeben, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seines Merkmals als Rückkehrer eine asylrelevante Verfolgung drohen würde.
Hinsichtlich einer Verfolgung von Rückkehrer ist auszuführen, dass nach den zitierten Länderinformationen keine Fälle bekannt sind, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Rückkehrern in Afghanistan haben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle Rückkehrer gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals als Rückkehrer und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein.
3.1.10. Aus den UNHCR Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen (Februar 2023), kann sich ein erhöhter Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz sonst noch für Angehörige der ehemaligen Regierung oder der internationalen Gemeinschaft, für ehemalige Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte oder der internationalen Streitkräfte, für Journalisten und Medienwirkende, für Aktivisten und Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität ergeben.
Aus den EUAA Leitlinien (Mai 2024), kann sich zudem auch für Personen denen unislamisches Verhalten, Blasphemie oder der Abfall vom Islam vorgeworfen wird, für Personen mit anderen Moralvorstellungen oder sozialen Werten, Personen mit westlicher Orientierung sowie Frauen und Mädchen einen erhöhten internationalen Schutzbedarf ergeben.
Ein solcher Risikozusammenhang konnte jedoch beim Beschwerdeführer nicht festgestellt werden, sodass auch diesbezüglich keine asylrelevante Verfolgung vorliegt.
3.1.11. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.
Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Lage der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen.
3.1.12. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.