Spruch
W251 2292875-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Angelika GLATZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.04.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 08.06.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er vor 3,5 Jahren Afghanistan verlassen habe und in den Iran gereist sei. Er habe Afghanistan wegen der Taliban und dem Krieg verlassen. Er gab an 15 Jahre alt zu sein.
Es ergaben sich Zweifel an der Richtigkeit des vom Beschwerdeführer angegebenen Alters. Ein eingeholtes Altersgutachten vom 03.08.2023 ergab, dass das vom Beschwerdeführer behauptete Lebensalter mit dem festgestellten höchstmöglichen Mindestalter bzw. dem spätestmöglichen fiktiven Geburtsdatum nicht vereinbar war und der Beschwerdeführer spätestens am XXXX geboren wurde. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war der Beschwerdeführer zwischen 16,65 und 19,85 Jahren alt.
In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er aus Angst vor der Rekrutierung durch die Taliban Afghanistan verlassen habe. Die Taliban haben seinen Vater mitgenommen und dieser habe schwere Verletzungen erlitten an denen er nach der Ausreise des Beschwerdeführers verstorben ist. Auf weitere Befragung gab der Beschwerdeführer auch an, dass sein Vater Brot für die Soldaten gebacken habe. Die Taliban haben seinem Vater auch vorgeworfen für die Ungläubigen zu arbeiten und als Strafe müsse er seinen Sohn an die Taliban übergeben
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.).
Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Seine Angaben zu den Fluchtgründen seien nicht schlüssig und zudem nicht mit den Länderberichten in Einklang zu bringen, da die Taliban zum behaupteten Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan keine Kinder zwangsweise mit Gewalt gegen den Willen des Familienoberhauptes mitgenommen habe. Die Taliban hatten damals genug Zulauf an Rekruten. Dem Beschwerdeführer wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, da er minderjährig sei und er aufgrund der prekären Versorgungslage keine Existenzgrundlage in Afghanistan vorfinde.
3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde. Er brachte vor, dass sein Vater von den Taliban entführt und misshandelt worden sei. Sechs oder sieben Tage später sei sein Vater freigelassen worden. Der Vater habe jedoch schwere Verletzungen erlitten und sei Monate später an diesen verstorben. Die Taliban haben vom Vater verlangt den Beschwerdeführer an sie auszuliefern. Die Taliban haben den Beschwerdeführer – wie viele andere Kinder zuvor – in eine Madrassa bringen wollen, damit er dort zum Taliban ausgebildet werde und für die Taliban kämpfe. Die Taliban seien auch einige Male beim Beschwerdeführer zu Hause gewesen und haben versucht den Beschwerdeführer mitzunehmen.
4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.07.2025 eine mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer als Partei einvernommen wurde. In der Verhandlung vom 16.07.2025 wurde das Erkenntnis mündlich verkündet und die Beschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen sowie erkannt, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.
5. Der Beschwerdeführer beantragte die Ausfertigung des mündlich verkündeten Ekenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX (Verhandlungsprotokoll vom 16.07.2025 = VP S. 7) . Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung war der Beschwerdeführer zwischen 16,65 und 19,85 Jahre alt (AS 53), das genaue Alter des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er ist sunnitischer Moslem (VP S. 7, AS 3f). Seine Muttersprache ist Paschtu. Er spricht zudem Dari, etwas Türkisch und etwas Deutsch. Er kann auf Paschtu ein bisschen lesen und schreiben, auf Deutsch kann er besser lesen und schreiben (VP S. 7). Er ist ledig und kinderlos (AS 3, VP S. 7).
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Nangarhar, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren (VP S. 7, AS 3) und wuchs jedoch im Dorf XXXX in der Provinz Nangarhar auf (VP S. 8, AS 120) gemeinsam mit seinen Eltern und seinen fünf Schwester, zwei Brüdern und mit seinem Adoptivbruder auf (VP S. 8).
Die Eltern des Beschwerdeführers leben noch im Heimatdorf des Beschwerdeführers mit zwei seiner Brüder und zwei seiner Schwestern. Drei Schwestern sind mittlerweile verheiratet. Ein Bruder lebt seit 9-10 Jahren in Österreich. Die Familienangehörigen seines Vaters leben in Pakistan. Der Beschwerdeführer hat drei Tanten väterlicherseits sowie drei Onkel väterlicherseits in Afghanistan. Eine Tante lebt in Belgien. Zwei Tanten mütterlicherseits und zwei Onkel mütterlicherseits leben im Heimatdorf des Beschwerdeführers. Die beiden Onkel mütterlicherseits sind die direkten Nachbarn seiner Eltern. Ein Onkel mütterlicherseits lebt mit seiner Familie in XXXX (VP S. 9f). Das Verhältnis zwischen seiner Familie und den Familienangehörigen mütterlicherseits ist gut und sie unterstützen sich untereinander, sie haben sogar die Trennmauer zwischen ihren Grundstücken entfernt (VP S. 12). Das Haus des Beschwerdeführers gehört seinem Vater (VP S. 12). Der Beschwerdeführer besuchte 3 Jahre lang die Schule. Der Beschwerdeführer arbeitete in Afghanistan ein halbes Jahr mit seinem Vater in einer Bäckerei. Im Iran hat er auf Baustellen gearbeitet und in der Türkei als Hilfsarbeiter (VP S. 8).
Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.
Der Beschwerdeführer ist gesund (AS 6, VP S. 5, AS 118).
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht. Der Vater hat nicht für Soldaten Brot gebacken, es wurde diesem auch nicht unterstellt die ehemalige afghanische Regierung unterstützt zu haben.
Der Beschwerdeführer wurde weder direkt von den Taliban noch über andere Personen aufgefordert mit den Taliban zusammen zu arbeiten oder diese zu unterstützen. Der Beschwerdeführer wurde von den Taliban weder angesprochen noch angeworben. Er hatte in Afghanistan keinen Kontakt zu den Taliban. Die Taliban haben auch nicht das Haus seiner Familie aufgesucht um ihn mitzunehmen.
Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.
1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch andere Personen.
Er findet in Afghanistan durch seinen Vater, seine Mutter, seinen Bruder, seine verheirateten Schwestern und seine Tanten und Onkel ein tragfähiges Unterstützungsnetzwerk vor, sodass er auf den Schutz seiner Familie sowie deren finanziellen Unterstützung zurückgreifen kann. Die finanzielle Lage der Familie in Afghanistan ist gut.
Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Paschtunen und wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Sunniten konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer ist wegen seines Aufenthalts in einem westlichen Land, wegen seiner Wertehaltung oder aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils in Afghanistan keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.
Der Beschwerdeführer hat keine gegen die Regierung der Taliban gerichtete oppositionelle Einstellung. Er lehnte diese und die Scharia auch nicht ab. Ihm wird bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch nicht unterstellt, eine gegen die Taliban oder die Scharia gerichtete Einstellung zu haben.
1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit Juni 2023 durchgehend in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Er besuchte einen Alphabetisierungskurs und möchte demnächst mit dem Besuch eines A1 Kurses beginnen (VP S. 12).
Der Beschwerdeführer lebt von staatlicher Unterstützung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach (VP S. 12f).
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über einen Bruder und dessen Familie, die mittlerweile ebenfalls in Österreich lebt. Darüber hinaus hat er noch Kontakt zu Freunden die in einer Wohngemeinschaft leben (VP S. 13). In seiner Freizeit geht er im Park spazieren oder ins Fitnessstudio. Er interessiert sich für Cricket und war früher in einem Verein angemeldet (VP S. 13).
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./II).
1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Nangarhar in sein Heimatdorf aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Das Heimatdorf des Beschwerdeführers ist durch den internationalen Flughafen in Kabul sowie das Straßennetz sicher erreichbar.
1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat
Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 31.01.2025 (LIB),
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 01.04.2021 (LIB 2021)
- Bericht Landinfo "Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban“ vom 29.06. 2017 (Landinfo)
1.5.1. Allgemeines:
Afghanistan verfügt über 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Dort leben ca. 35-40 Millionen Menschen. Seit der beinahe kampflosen Einnahme Kabuls am 15.8.2021 steht Afghanistan nahezu vollständig unter der Kontrolle der Taliban. (LIB, Kap. 3f)
1.5.2. Politische Lage:
Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert. Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt. Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“. Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Mit Anfang 2024 hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt, dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent. (LIB, Kap. 4)
1.5.3. Sicherheitslage:
Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes zurückgegangen. Es gab beispielsweise weniger konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze sowie eine geringere Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung. Es gab jedoch immer noch ein erhebliches Ausmaß an zivilen Opfern durch vorsätzliche Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen (IEDs).
Es gab zwischen 25.11.2023 und 25.11.2024 in Afghanistan insgesamt 857 sicherheitsrelevante Vorfälle (390 Kämpfe, 96 Vorfälle mit Explosionen und ferngesteuerter Gewalt, 371 Vorfälle mit Gewalt gegen Zivilisten und 396 zivile Opfer – bei einer Gesamtbevölkerung von 35-40 Millionen Menschen). Die meisten zivilen Opfer gab es in Nord Afghanistan in der Provinz Badakhshan mit 168 zivilen Opfern. Die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle gab es in Ost Afghanistan (388 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 100 zivilen Opfern – bei einer Gesamtbevölkerung von über 11,7 Millionen Einwohnern), wobei die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle auf die Provinz Kabul entfallen (113 Kämpfe, 14 Vorfälle mit Explosionen oder ferngesteuerter Gewalt und 97 Vorfälle mit Gewalt gegen Zivilisten, in denen es 100 zivile Opfer gab – bei einer Gesamtbevölkerung von über 5,7 Millionen Menschen).
Derzeit entstehen die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle in Zusammenhang mit dem Verbot des Anbaus von Betäubungsmitteln, durch Kriminalität und organisierte Kriminalität, durch Angriffe der bewaffneten Opposition und durch Angriffe durch den ISKP.
Aufgrund der Bemühungen der Taliban-Behörden, das Verbot des Mohnanbaus durchzusetzen, kam es im Jahr 2024 vermehrt zu Zwischenfällen in Zusammenhang mit dem Anbau von Betäubungsmitteln und somit auch zu einem Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen.
Organisierte Verbrechergruppen sind in ganz Afghanistan an Entführungen zur Erlangung von Lösegeld beteiligt. 2023 wurden 21 Entführungen dokumentiert, 2024 waren es, mit Stand Februar 2024, zwei. Es werden nicht alle Entführungen gemeldet, und oft zahlen die Familien das Lösegeld. Die Taliban-Sicherheitskräfte reagierten aktiv auf Entführungsfälle. Im Juni 2023 leiteten die Taliban beispielsweise in Kabul eine erfolgreiche Rettungsaktion.
Die bewaffnete Opposition in Afghanistan stellt keine nennenswerte Herausforderung für die territoriale Kontrolle der Taliban dar. Die Nationale Widerstandsfront und die Afghanische Freiheitsfront gehen mit einer „Hit-and-Run“-Taktik gegen die Taliban-Sicherheitskräfte vor, greifen deren Posten und Fahrzeuge an und verübten Hinterhalte und gezielte Tötungen. Es gibt keine Region in Afghanistan, in welcher oppositionelle Gruppen offen die Kontrolle haben. In Provinzen wie Panjsher, Baghlan, Badakhshan, Kunduz und Takhar, in denen es in der Vergangenheit zu Kämpfen zwischen den Taliban und verschiedenen Gruppierungen gekommen ist, verlief der Verkehr normal und es gab keine Zwischenfälle.
Die sicherheitsrelevanten Vorfälle betreffend den ISKP gingen seit August 2021 zurück und stiegen 2024 wieder etwas an. Die Taliban führen auch weiterhin Operationen gegen den ISKP durch, unter anderem in Nangarhar. Der ISKP hat zumindest die Möglichkeit operativer Aktivitäten, wobei die Taliban immer effizienter bei der Aushebung von ISKP-Zellen werden. Dies zeigt sich in einer entspannteren Sicherheitslage in beispielsweise Kabul und Herat. Weder der ISKP noch andere Gruppierungen sind aktuell wirklich ein Problem für die Taliban. (LIB, Kap. 5)
1.5.4. Erreichbarkeit, Straßen, Flughäfen und Grenzen:
In Afghanistan sind Straßen die wichtigsten Transportwege. Die 2.300 km lange Ring-Road verbindet die vier größten Städte Afghanistans. Alle Provinzen Afghanistans sind mit Bussen oder Taxis erreichbar. Es gibt Dutzende privater Transportunternehmen, die auf den Hauptstrecken, wie z. B. Kabul-Herat, Kabul-Mazar-e Sharif und Kabul-Kandahar, tätig sind. Diese Busse verkehren in der Regel täglich oder mehrmals pro Woche, und viele Unternehmen bieten ihre Dienste auf diesen Strecken an.
Afghanistan verfügt über mehrere Flughäfen. Die Flughäfen Bost, Chaghcharan, Farah, Jalalabad, Khost, Tarinkot und Zaranj bieten Inlandsflüge innerhalb Afghanistans an. Die internationalen Flughäfen in Kabul, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Herat sind auch mit internationalen Flügen (z. B. über die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi Arabien, die Türkei, Russland, Pakistan und Indien) erreichbar.
An den Straßen und in den Grenzregionen Afghanistans sowie am Flughafen Kabul gibt es weiterhin Kontrollpunkte der Taliban. Die Taliban überprüfen die Namen und Gesichter von Personen an den Kontrollpunkten anhand einer „Liste mit Namen und Fotos ehemaliger Armee- und Polizeiangehöriger“. Meistens handelt es sich um Routinekontrollen, es kann jedoch auch zu Durchsuchungen kommen. Die Kontrollpunkte sind über ganz Afghanistan verteilt und befinden sich häufig entlang der Hauptversorgungsrouten und in der Nähe der Zugänge zu großen Städten. Darüber hinaus werden auch bei Bedarf Kontrollpunkte und Straßensperren für Suchaktionen, Sicherheitsvorfälle und VIP-Bewegungen eingerichtet. Im Vergleich zur Zeit vor der Machtübernahme der Taliban wurden hunderte Checkpoints an Straßen und Autobahnen abgebaut, weil die Taliban nicht genügend Personal haben, um sie aufrechtzuerhalten, und weil sie in den ländlichen Dörfern, in denen ihre Kämpfer während des jahrzehntelangen Aufstands stationiert waren, keine größere Bedrohung sehen. (LIB, Kap. 3.7)
1.5.5. Verfolgungspraxis der Taliban:
Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitsbehörden abzusehen, waren die Taliban nach Machtübernahme auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung. Die Taliban gingen von Tür zu Tür und haben auch Angehörige der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung bedroht. Die Taliban erstellen „schwarze Listen“, wobei Personen, die sich auf der Liste befinden in großer Gefahr sind. Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden, unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben. Die Taliban kontrollieren auch Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Irisscans, Fingerabdrücke, Fotos, Berufe, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban haben solche Daten bereits benutzt, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen und Gegner auch zu eliminieren bzw. verschwinden zu lassen. Im Zuge von Abschiebungen aus dem Iran werden auch Daten von Rückkehrern vom iranischen Geheimdienst an die Taliban weitergegeben.
Taliban nutzen soziale Medien zu Propagandazwecken und um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren. Afghanen verüben seit der Machtübernahme durch die Taliban in sozialen Netzwerken Selbstzensur. Es gab bereits Verhaftungen von Personen, die sich in sozialen Netzwerken kritisch über die Taliban geäußert haben. Über soziale Netzwerke können Taliban auch Personen identifizieren, die mit westlichen Gruppen oder westlichen Hilfsagenturen zusammengearbeitet haben. Die Taliban bauen in afghanischen Städten ein groß angelegtes Kameraüberwachungsnetz auf. Es wird befürchtet, dass die Taliban ihr Netz von Überwachungskameras auch dazu nutzen werden, abweichende Meinungen zu unterdrücken und ihre repressive Politik durchzusetzen, einschließlich der Einschränkung des Erscheinungsbildes der Afghanen, der Bewegungsfreiheit, des Rechts zu arbeiten oder zu studieren und des Zugangs zu Unterhaltung und unzensierten Informationen. (LIB, Kap. 5.2)
1.5.6. Zentrale Akteure:
Taliban: Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe, die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam. Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“, den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Er gilt als die ultimative Autorität in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten. Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban, sich von „einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität“ zu entwickeln. (LIB, Kap. 6.1)
Politische Opposition: Eine formelle, organisierte politische Opposition im Land ist nicht vorhanden. Eine Reihe ehemaliger politischer Akteure, sowohl aus ehemaligen Regierungskreisen als auch aus der ehemaligen politischen Opposition, befinden sich im Ausland. Einige prominente Politiker befinden sich weiterhin in Kabul. Der amtierende Justizminister der Taliban untersagte jegliche politische Betätigung von Parteien im Land, da die Existenz politischer Parteien im Land weder auf der Scharia basiere noch für die Nation von Vorteil sei. (LIB, Kap. 6.2)
1.5.7. Rechtsschutz und Justizwesen:
Unter der vorherigen Regierung beruhte die afghanische Rechtsprechung auf drei parallelen und sich überschneidenden Rechtssystemen oder Rechtsquellen: dem formellen Gesetzesrecht, dem Stammesgewohnheitsrecht und der Scharia. Informelle Rechtssysteme zur Schlichtung von Streitigkeiten waren weit verbreitet, insbesondere in ländlichen Gebieten. Dies ist nach wie vor der Fall, auch wenn die Taliban seit ihrer Machtübernahme versucht haben, einige lokale Streitbeilegungspraktiken zu kontrollieren.
Nach 23 Jahren Krieg (1978-2001) und dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 konnte Afghanistan 2004 eine neue Verfassung verkünden, die sowohl islamische als auch modern-progressive Werte enthält. Die juristischen und politikwissenschaftlichen Fakultäten sowie die Scharia waren zwei Institutionen, die zur Ausbildung des Justizpersonals beitrugen, indem sie Hunderte von jungen Männern und Frauen ausbildeten, die später als Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte tätig waren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die internationale Gemeinschaft zahlreiche Entwicklungsprogramme durchgeführt, die auf den Wiederaufbau des afghanischen Rechtssystems und den Ausbau der Kapazitäten des Personals der Justizbehörden abzielen.
Nach ihrem Sturz im Jahr 2001 gelang es den Taliban, in den von ihnen kontrollierten, meisten ländlichen, Gebieten Gerichte einzurichten und den Menschen den Zugang zur Rechtsprechung auf lokaler Ebene zu erleichtern. Dies geschah zu einer Zeit, als die staatlichen Justizorgane aufgrund der weitverbreiteten Korruption ihre Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung weitgehend verloren hatten. Daher zogen die Menschen es vor, sich an die Gerichte der Taliban zu wenden, anstatt an die Gerichte der Regierung. In den vergangenen zwanzig Jahren gelang es dem Justizsystem der Taliban, mit seinen praktischen Maßnahmen das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Die Taliban-Richter fungierten sowohl als Richter im juristischen Bereich als auch als Gelehrte (ulama) im religiösen Bereich. Die Taliban-Richter absolvierten ihre Ausbildung an Deobandi-Schulen in Pakistan und Afghanistan, die sich hauptsächlich auf die hanafitische Rechtsprechung stützten.
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 übernahmen sie die vollständige Kontrolle über das Justizsystem des Landes und setzten die Verfassung von 2004 außer Kraft. Bisher haben sich die Taliban noch nicht zu den Gesetzen geäußert, insbesondere nicht zu den Strafgesetzen, zur nationalen Sicherheit und zu den Gerichten. Den Taliban zufolge bildet die hanafitische Rechtsprechung die Grundlage für das Rechtssystem und derzeit verfügt das Land nicht über einen klaren und kohärenten Rechtsrahmen, ein Justizsystem oder Durchsetzungsmechanismen. Den Taliban zufolge bleiben Gesetze, die unter der Regierung vor August 2021 erlassen wurden, in Kraft, sofern sie nicht gegen die Scharia verstoßen. Die Taliban-Führer zwingen den Bürgern ihre Politik weitgehend durch Leitlinien oder Empfehlungen auf, in denen sie akzeptable Verhaltensweisen festlegen, die sie aufgrund ihrer Auslegung der Scharia und der vorherrschenden kulturellen Normen, die die Taliban für akzeptabel halten, rechtfertigen.
Die Änderungen im afghanischen Justizsystem betrafen seit der Machtübernahme der Taliban vor allem formale und administrative Bereiche, aber keine konkreten Änderungen in der Rechtsprechung der Gerichte. So wurden beispielsweise Richter und Verwaltungsangestellte der Gerichte durch Angehörige der Taliban ersetzt, von denen die meisten nicht über ausreichend juristische Kenntnisse und Erfahrungen mit der Arbeit an den Gerichten verfügten. Die meisten Richter und „Muftis“ an Taliban-Gerichten sind Studenten oder Absolventen religiöser Koranschulen, vor allem in Pakistan. Einige der derzeitigen Richter waren während des Krieges als Richter in den von den Taliban kontrollierten Gebieten tätig. Nur wenige Richter, beispielsweise in den Provinzen Herat und Panjsher, verfügen über eine formale Hochschulausbildung und haben an juristischen oder Scharia-Fakultäten von Universitäten studiert. (LIB, Kap. 7)
1.5.8. Sicherheitsbehörden:
Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 brach die 350.000 Mann starke Armee des früheren Regimes zusammen und die Taliban haben faktisch die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernommen. Sie haben begonnen, ihre bisherigen Milizen-Strukturen in geordnete Sicherheitskräfte zu übertragen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Die Armee verfügt mit Stand März 2023 über 150.000 Taliban-Kämpfer und soll 2024 auf 170.000 vergrößert werden. Angestrebt wird eine 200.000 Mann starke Armee. Der Geheimdienst, ein Nachrichtendienst, der früher als „National Directorate of Security“ (NDS) bekannt war, wurde dem Taliban-Staatsoberhaupt direkt unterstellt. Das Innenministerium der Taliban-Regierung hat wiederholt angekündigt, Polizisten, u. a. im Bereich der Verkehrspolizei, zu übernehmen. Dies ist zumindest in Kabul teilweise erfolgt.
Es zeichnet sich ab, dass die Taliban, mit Ausnahme der Luftwaffe (hier sind fast die Hälfte der ehemaligen Soldaten zurückgekehrt), von den bisherigen Kräften nur vereinzelt Fachpersonal übernehmen. Eine breit angelegte Integration der bisherigen Angehörigen der Sicherheitskräfte hat bisher nicht stattgefunden und die Zahl der rekrutierten ehemaligen Sicherheitskräfte ist begrenzt. Bei den rekrutierten ehemaligen Sicherheitskräften handelt es sich im Allgemeinen um Spezialisten. Die Taliban verfügen über keine funktionierende Luftwaffe, die den Luftraum im Falle ausländischer Übergriffe oder inländischer Aufstände sichern könnte. Der Bestand an Hubschraubern und Fluggeräten gilt als veraltet und es gibt zumindest fünf bestätigte Unfälle in der Militärluftfahrt seit der Machtübernahme, wobei Pilotenfehler als wahrscheinlichste Ursache gelten. Die Taliban müssten in erheblichem Umfang Piloten ausbilden und Strategien für die Kommunikation und Koordination mit den Bodentruppen entwickeln, um eine funktionsfähige Luftwaffe aufzubauen. (LIB, Kap. 8)
1.5.9. Folter und unmenschliche Behandlung:
Es kommt durch die Taliban zu Folter und Misshandlungen von ehemaligen Sicherheitskräften bzw. ehemaligen Regierungsbeamten sowie zu Gewalt gegen Journalisten und Medienschaffende, gegen Frauenrechtsaktivisten und auch in Gefängnissen. Es kam beispielsweise auch zu kollektiven Strafen gegen Bewohner der Provinz Panjsher, darunter Folter und andere Misshandlungen. Der oberste Taliban-Führer begrüßte die Einführung von Scharia-Gerichten und Scharia-Praktiken, einschließlich Qisas (z. B. Auspeitschungen oder Hinrichtungen), die die Öffentlichkeit mit eigenen Augen sieht. Es kam zu öffentlichen Auspeitschungen durch die Taliban in mehreren Provinzen, darunter Zabul, Maidan Wardak, Kabul, Kandahar und Helmand. (LIB, Kap. 9)
1.5.10. Korruption:
Mit einer Bewertung von 20 Punkten (von 100 möglichen Punkten – 0 = highly corrupt und 100 = very clean), belegt Afghanistan auf dem Korruptionswahrnehmungsindex für 2023 von Transparency International von 180 untersuchten Ländern den 162. Platz, sohin eine Verschlechterung um zwölf Ränge im Vergleich zum Jahr 2022.
Die Taliban kündigten nach ihrer Übernahme von Kabul im August 2021 Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung an, darunter die Einrichtung von Kommissionen zur Ermittlung korrupter oder krimineller Taliban. Außerdem haben die Taliban über ihr Verteidigungsministerium eine Kommission eingesetzt, die Mitglieder ermitteln soll, die sich nicht an die Richtlinien der Bewegung halten. Im Jänner 2022 sind 2.840 Taliban-Mitglieder wegen Korruption und Drogenkonsums entlassen worden. Anfang 2024 erklärte ein Sprecher der Taliban Afghanistan zu einem korruptionsfreien Land. Es gab dennoch zahlreiche Berichte über Korruption durch die Taliban, beispielsweise in den Passämtern der Taliban, wo Antragsteller zwischen 1.000 und 3.500 Dollar für einen Pass zahlen. Die Taliban haben seit der Wiedererlangung der Macht die staatliche Bürokratie genutzt, um Arbeitsplätze an Taliban-Mitglieder und ihre Familien zu vergeben und um von der afghanischen Bevölkerung und dem Privatsektor Steuern, Bestechungsgelder und wertvolle Dienstleistungen zu erpressen.
Im Juli 2022 kündigten die Taliban an, dass sie ehemalige afghanische Beamte nicht für die massive Korruption zur Rechenschaft ziehen werden, die in Zusammenhang mit Entwicklungshilfeprojekten stehen. Ehemalige Beamte, die der Korruption verdächtigt werden, müssen sich nur dann vor Gericht verantworten, wenn sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten Privateigentum oder öffentliches Vermögen an sich gerissen haben. (LIB, Kap. 10)
1.5.11. NGOs und Menschenrechtsaktivisten:
Die Lage von Menschenrechtsaktivisten in Afghanistan hat sich seit der Machtübernahme durch die Taliban verschlechtert. Sie sind unter den Taliban nicht nur in ihrer Arbeit eingeschränkt, sondern müssen auch aktiv um ihr Überleben im Land kämpfen, da das Taliban-Regime und andere Akteure sie mit Gewalt, Diskriminierung und Propaganda bedrohen. Menschenrechtsverteidiger im ganzen Land sind mehrfachen Risiken und Bedrohungen ausgesetzt, wie z. B. Entführung und Inhaftierung, körperliche und psychische Gewalt, Diffamierung, Hausdurchsuchungen, willkürliche Verhaftung und Folter, Androhung von Einschüchterung und Schikanen. Es gibt Gewalt gegen Aktivisten oder Familienmitglieder durch die Taliban, einschließlich Mord.
Anfang Februar 2022 führten die Taliban beispielsweise flächendeckend Hausdurchsuchungen zunächst in Kabul, anschließend auch in angrenzenden Provinzen durch. Sie werden punktuell landesweit fortgesetzt, v. a. in Kabul und anderen Großstädten.
Einige afghanische Menschenrechtsorganisationen wollen ihre Arbeit aus dem Ausland fortsetzen und bauen zu diesem Zweck ihre oftmals zusammengebrochenen Informationsnetzwerke wieder auf. Ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Menschenrechtskommission bauen ein unabhängiges Menschenrechtsinstitut im Exil auf.
Die Taliban-Behörden reagierten auch mit Gewalt auf Demonstranten und setzten scharfe Munition ein, um diese aufzulösen. Frauen wurden zusammen mit Familienmitgliedern, einschließlich kleiner Kinder, verhaftet, unter missbräuchlichen Bedingungen festgehalten und manchmal gefoltert. Wenn sie freigelassen werden, verlangen die Taliban Urkunden über den Besitz ihrer Familie und drohen, diesen zu konfiszieren, wenn die Frau ihren Aktivismus fortsetzt. Am 24.12.2022 erließen die Taliban-Behörden ein Dekret, das Frauen die Arbeit in NGOs verbietet. Fünf führende NGOs haben daraufhin ihre Arbeit in Afghanistan eingestellt. (LIB, Kap. 11)
1.5.12. Wehrdienst und Zwangsrekrutierung:
Mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 brach die 350.000 Mann starke Armee des früheren Regimes zusammen und die Taliban haben faktisch die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernommen. Sie haben begonnen, ihre bisherigen Milizen-Strukturen in geordnete Sicherheitskräfte zu übertragen. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen.
Es sind keine Fälle von Zwangsrekrutierung bekannt. In einer Wirtschaft ohne andere Beschäftigungsmöglichkeiten ist es sehr beliebt, Teil der Taliban-Sicherheitsstruktur zu sein, sodass kein Zwang erforderlich ist. Die Taliban verfügen über genügend Männer und viele sind bereit, auf freiwilliger Basis zu dienen, auch ohne Bezahlung.
Die Taliban haben eine Kommission gebildet, um Kindersoldaten aus ihren Reihen zu entfernen, und heute vermeiden die Taliban in der Regel die Rekrutierung zu junger Personen, indem sie Kinder ohne Bart ablehnen. (LIB, Kap. 12)
Rekrutierung durch die Taliban vor der Machtübernahme durch die Taliban:
Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind (Landinfo, Kapitel 4.1). Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft (Landinfo, Kapitel 4.1.1).
Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht Personen mit militärischem Hintergrund sowie mit militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Die Taliban versuchen daher das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte auf ihre Seite zu ziehen. Da ein Schwerpunkt auf militärisches Wissen und Erfahrungen gelegt wird, ist mit einem Anstieg des Durchschnittsalters zu rechnen Landinfo, Kapitel 3). Durch das Anwerben von Personen mit militärischem Hintergrund bzw. von Mitgliedern der Sicherheitskräfte erhalten Taliban Waffen, Uniformen und Wissen über die Sicherheitskräfte. Auch Personen die über Knowhow und Qualifikationen verfügen (z.B. Reparatur von Waffen), können von Interesse für die Taliban sein (Landinfo, Kapitel 5.1).
Die Mehrheit der Taliban sind Paschtunen. Die Rekrutierung aus anderen ethnischen Gruppen ist weniger üblich. Um eine breitere Außenwirkung zu bekommen, möchte die Talibanführung eine stärkere multiethnische Bewegung entwickeln. Die Zahl der mobilisierten Hazara ist unerheblich, nur wenige Kommandanten der Hazara sind mit Taliban verbündet. Es ist für die Taliban wichtig sich auf die Rekruten verlassen zu können (Landinfo, Kapitel 3.3).
Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Landinfo, Kapitel 5.1). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Landinfo, Kapitel 5.1).
Im Kontext Afghanistans verläuft die Grenze zwischen Jungen und Mann fließend. Ausschlaggebend für diese Beurteilung sind Faktoren wie Pubertät, Bartwuchs, Mut, Unabhängigkeit, Stärke und die Fähigkeit die erweiterte Familie zu repräsentieren. Der Familienälteste ist das Oberhaupt, absolute Loyalität gegenüber getroffenen Entscheidungen wird vorausgesetzt. Kinder unterstehen der Obrigkeit der erweiterten Familie. Es stünde im Widerspruch mit der afghanischen Kultur, würde man Kinder gegen den Wunsch der Familie und ohne entsprechende Entscheidung des Familienverbandes aus dem Familienverband „herauslösen“ (Landinfo, Kapitel 6).
1.5.13. Allgemeine Menschenrechtslage:
Die in der Vergangenheit von Afghanistan unterzeichneten oder ratifizierten Menschenrechtsabkommen werden von der Taliban-Regierung, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt anerkannt. Es wird ein Islamvorbehalt geltend gemacht, wonach islamisches Recht im Falle einer Normenkollision Vorrang hat.
Seit dem Sturz der gewählten Regierung haben die Taliban die Menschenrechte und Grundfreiheiten der afghanischen Bevölkerung zunehmend und in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Insbesondere Frauen und Mädchen wurden in ihren Rechten massiv eingeschränkt und aus den meisten Aspekten des täglichen und öffentlichen Lebens verdrängt.
Die Taliban-Führung hat ihre Anhänger verschiedentlich dazu aufgerufen, die Bevölkerung respektvoll zu behandeln. Dennoch kommt es zu groben Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban nach ihrer Machtübernahme im August 2021, darunter Hausdurchsuchungen, Willkürakte und Hinrichtungen. Es kommt zu Gewalt und Diskriminierung gegenüber Journalisten und Menschenrechtsaktivisten. Es kommt auch zu gezielten Tötungen sowie zu Entführungen und Ermordungen ehemaliger Angehöriger des Staatsapparats und der Sicherheitskräfte. Es kommt zu Rache und Willkürakten im familiären Kontext – also gegenüber Familienmitgliedern oder zwischen Stämmen/Ethnien, bei denen die Täter den Taliban nahestehen oder Taliban sind. Taliban-Vertreter weisen den Vorwurf von systematischer Gewalt jedoch zurück und verweisen wiederholt auf Auseinandersetzungen im familiären Umfeld. Eine nachprüfbare Strafverfolgung findet in der Regel nicht statt. Im Zeitraum vom 15.1.2022 bis Mitte 2023 wurde über 3.329 Menschenrechtsverletzungen berichtet, die sich auf Verletzungen des Rechts auf Leben, des Rechts auf Freiheit von Folter, der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Rechte der Frauen und mehr beziehen. Im selben Zeitraum kam es auch zu Tötung und Inhaftierung ehemaliger ANDSF-Mitglieder.
Die Taliban ließen wiederholt friedliche Proteste gewaltsam auflösen. Es kam zum Einsatz von scharfer Munition und zu Todesopfern bei Protesten. Die Taliban gingen im ersten Jahr nach der Machtübernahme im August 2021 hart gegen Andersdenkende vor und verhafteten Frauenrechtsaktivisten, Journalisten und Demonstranten. Im zweiten Jahr haben sich Medien und die Opposition im Land aufgrund der Restriktionen der Taliban und der Selbstzensur weitgehend zerstreut, obwohl weiterhin über Verhaftungen von Frauenrechtsaktivisten, Bildungsaktivisten und Journalisten berichtet wird. Frauen haben weiterhin gegen die Restriktionen und Erlässe der Taliban protestiert, aber die Proteste fanden größtenteils in geschlossenen Räumen statt – offenbar ein Versuch der Demonstranten, ihre Identität zu verbergen und das Risiko einer Verhaftung oder Gewalt zu verringern. Trotz dieser Drohungen sind Frauen weiterhin auf die Straße gegangen, um gegen wichtige Erlasse zu protestieren. (LIB, Kap. 13)
1.5.14. Meinungs- und Pressefreiheit:
Die Taliban haben zwar wiederholt Presse- und Meinungsfreiheit in allgemeiner Form zugesichert, jedoch hat sich die Situation der Medienlandschaft seit dem 15.8.2021 drastisch verschlechtert. Bis Dezember 2021 haben insgesamt 43 % der afghanischen Medienunternehmen ihren Betrieb eingestellt, auch aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten. 6.400 Medienschaffende hatten ihre Anstellung verloren, was vor allem Frauen betraf. Etablierte Journalisten sind zu einem großen Teil ins Ausland gegangen und berichten aus dem Exil oder halten sich versteckt. Ankündigungen der Taliban-Regierung, das bisherige Mediengesetz umzusetzen und eine Beschwerdekommission einzurichten, ist das Informations- und Kulturministerium nicht nachgekommen.
Fernsehsender wurden wiederholt durch den Taliban-Geheimdienst unter Druck gesetzt, Unterhaltungsprogramme den moralisch-religiösen Vorgaben der Taliban anzupassen. Auch für ausländische Korrespondenten gelten strenge Visabeschränkungen, wenn sie nach Afghanistan reisen, um zu berichten. Die Taliban-Behörden setzten eine umfassende Zensur durch und gingen mit unrechtmäßiger Gewalt gegen afghanische Medien und Journalisten in Kabul und den Provinzen vor. Im November 2022 berichtete ein Medienunternehmen, dass es eine vom Taliban-Informationsministerium vorformulierte Erklärung unterzeichnen musste, in der es sich u. a. zu einer Scharia-konformen Berichterstattung verpflichtete. Kritik an der Taliban-Regierung wurde untersagt. Im Falle der Nichtbeachtung wurden Konsequenzen für das Medienunternehmen sowie die dort Beschäftigten angedroht. Elf am 19.9.2021 vorgestellte Handlungsempfehlungen der Taliban-Regierung für Printmedien, TV und Radio fordern u. a. dazu auf, keine Inhalte zu veröffentlichen, die der Scharia widersprechen und ermöglichen Nachrichtenkontrolle oder gar Vorzensur. Diese Empfehlungen werden landesweit unterschiedlich umgesetzt. Menschenrechtsorganisationen beobachten insbesondere in den Provinzen eine deutlich stärkere Einschränkung der Pressefreiheit. Medienschaffende berichten über ein aktives Monitoring und werden aufgefordert, ihre Arbeit vorab mit den lokal zuständigen Behörden zu teilen.
Mancherorts müssen Medienschaffende vor Beginn ihrer Recherchen eine Erlaubnis bei den lokalen Behörden einholen. In mindestens 14 von 34 Provinzen gibt es keine weiblichen Medienschaffenden mehr, in einigen Provinzen wurde es Journalistinnen verboten, bei ihrer Arbeit in Erscheinung zu treten. Gegenüber Menschenrechtsorganisationen berichten Journalistinnen und Journalisten über einen stark eingeschränkten Zugang zu Informationen.
Es kommt zu willkürlichen Verhaftungen von Medienschaffenden durch die Taliban. Die Taliban-Behörden geben selten Auskunft über die Gründe für solche Verhaftungen oder darüber, ob die Festgenommenen vor Gericht gestellt werden. Die Festgenommenen haben keinen Zugang zu Anwälten, und in den meisten Fällen dürfen Familienangehörige sie nicht besuchen. (LIB, Kap. 14)
1.5.15. Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit:
Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurde seit der Machtübernahme der Taliban entgegen allgemeiner Zusicherungen deutlich eingeschränkt. Die Taliban ließen wiederholt friedliche Proteste gewaltsam auflösen und es kam zum Einsatz von scharfer Munition und Wasserwerfern. Ab Mitte Jänner 2022 wurden sukzessive Vertreterinnen der vor allem in Kabul aktiven Protestbewegung durch die Sicherheitskräfte der Taliban festgenommen. Es kam zu Verhaftungen, Misshandlungen und sexuellen Übergriffen. Diese gewalttätigen Zwischenfälle und die Androhung von Verhaftungen sowie das Verschwinden in einem undurchsichtigen Gefängnissystem ohne ordnungsgemäße Verfahren haben zunächst dazu geführt, dass die großen Anti-Taliban-Proteste eingedämmt wurden, obwohl es weiterhin kleinere Versammlungen gab. Gegen Ende des Jahres 2022 kam es wieder vermehrt zu Protesten, nachdem die Taliban Frauen vom Universitätsbesuch ausgeschlossen und NGO-Mitarbeiterinnen verboten hatten, ihrer Arbeit nachzugehen. (LIB, Kap. 15)
1.5.16. Haftbedingungen:
Vor der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 wurden Gefängnisse, Jugendrehabilitationszentren und andere Haftanstalten von unterschiedlichen Organisationen verwaltet. Die Überbelegung der Gefängnisse war auch unter der ehemaligen Regierung ein ernstes und weitverbreitetes Problem. Nach der Übernahme Kabuls durch die Taliban haben sich viele Gefängnisse geleert, da fast alle Gefangenen entkamen oder freigelassen wurden. Trotz anhaltender Bemühungen, die Zahl der Inhaftierten zu reduzieren, hat die Gefängnispopulation 2024 mehr als 20.000 Personen erreicht. Neben ca. 11.000 bereits verurteilten Inhaftierten (davon sind ca. 2.000 Frauen und Kinder) warten etwa 12.000 Personen in Haftanstalten auf Gerichtsurteile.
Die Situation in den Gefängnissen in Afghanistan ist sehr schlecht. Es gibt keine landesweiten Haftstandards und keinen Mechanismus, um die Haftbedingungen anzufechten. Finanzielle Engpässe und die Einstellung der Finanzierung durch Geber wirken sich weiterhin auf die Fähigkeit der Gefängnisverwaltung aus, internationale Standards zu erfüllen, einschließlich der systematischen Bereitstellung angemessener Nahrungsmittel, Hygieneartikel, der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie der medizinischen Versorgung. (LIB, Kap. 16)
1.5.17. Todesstrafe:
Die Gesetze aus der Zeit vor der Machtergreifung der Taliban im August 2021 sehen die Verhängung der Todesstrafe in bestimmten Fällen vor. Zwischen 2001 und dem 15.8.2021 hat die Regierung der Islamischen Republik Afghanistan mindestens 72 Personen hingerichtet.
Seit ihrer Machtübernahme in Afghanistan am 15.8.2021 haben die Taliban de facto die Körperstrafen und die Todesstrafe eingeführt. Die Taliban haben hierzu bisher keine gesetzlichen Regelungen erlassen. Die von den Taliban angewandte Rechtspraxis sieht auf Grundlage ihrer Auslegung der Scharia die Todesstrafe vor. Ende November 2022 ordnete der oberste Führer der Taliban allerdings Richtern an, Strafen zu verhängen, die öffentliche Hinrichtungen, öffentliche Amputationen und Steinigungen umfassen können. Am 7.12.2022 fand die erste öffentliche Hinrichtung der Taliban in Afghanistan seit der Machtübernahme im August 2021 statt. Der Hingerichtete soll gestanden haben, vor fünf Jahren bei einem Raubüberfall einen Mann mit einem Messer getötet und dessen Motorrad und Telefon gestohlen zu haben. Im Juni 2023 wurde in Laghman ein Mann durch die Taliban hingerichtet, der des fünffachen Mordes für schuldig befunden wurde. Im Februar 2024 vollstreckten die Taliban eine Doppelhinrichtung in Ghazni, bei der Angehörige der Opfer von Messerstechereien vor Tausenden von Zuschauern mit Gewehren auf zwei verurteilte Männer schossen. (LIB, Kap. 17)
1.5.18. Religionsfreiheit:
Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % und die Schiiten auf 7 bis 15 % der Gesamtbevölkerung geschätzt. Andere Glaubensgemeinschaften machen weniger als 0,3 % der Bevölkerung aus. Es gibt keine zuverlässige Schätzung über die Gemeinschaft der Christen.
Die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime waren und sind durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebetsstätten extrem eingeschränkt. Mit der rigorosen Durchsetzung ihrer strengen Auslegung der Scharia gegenüber allen Afghanen verletzen die Taliban die Religions- und Glaubensfreiheit von religiösen Minderheiten. Nominal haben die Taliban religiösen Minderheiten die Zusicherung gegeben, ihre Religion auch weiterhin ausüben zu können, insbesondere der größten Minderheit, den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara. In der Praxis ist der Druck auf Nicht-Sunniten jedoch hoch und die Diskriminierung von Schiiten im Alltag verwurzelt.
Trotz ständiger Versprechen, alle in Afghanistan lebenden ethnischen und religiösen Gemeinschaften zu schützen, ist die Taliban-Regierung nicht in der Lage oder nicht willens, religiöse und ethnische Minderheiten vor radikaler islamistischer Gewalt zu schützen, insbesondere in Form von Angriffen der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) und Fraktionen der Taliban selbst. In einigen Gebieten Afghanistans (unter anderem Kabul) haben die Taliban alle Männer zur Teilnahme an den Gebetsversammlungen in den Moscheen verpflichtet und/oder Geldstrafen gegen Einwohner verhängt, die nicht zu den Gebeten erschienen sind bzw. gedroht, dass Männer, die nicht zum Gebet in die Moschee gehen, strafrechtlich verfolgt werden könnten. (LIB, Kap. 18)
1.5.19. Ethnische Gruppen:
Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht, da keine nationale Volkszählung durchgeführt wird. Keine der ethnischen Gruppen des Landes stellt eine Mehrheit. Die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung sind Schätzungen und werden oft stark politisiert. In Afghanistan leben ca. 42 % Paschtunen, ca. 27-30 % Tadschiken, ca. 9-15 % Hazara sowie 9 % Usbeken und Kutschi-Nomaden.
Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultieren weiterhin in Konflikten und Tötungen.
Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. In der Taliban-Regierung gibt es nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara. Obwohl die Taliban wiederholt erklärt haben, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen, werden selbst auf lokaler Ebene Minderheiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtunischen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind. Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren. (LIB, Kap. 19)
Paschtunen: Ethnische Paschtunen sind mit ca. 42 % der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto und als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime und leben hauptsächlich im Süden und Osten des Landes. Bei den Paschtunen haben Familienstand, Stammeseinfluss, Besitz und Einfluss einen hohen Stellenwert. Ein hoher Anteil von Männern in paschtunischen Familien gilt als ein Zeichen der Stärke. Aufgrund der bedeutenden Rolle der Familie kann individuelles Fehlverhalten auch der Familie schaden und unschuldige Familienmitglieder zu Opfern machen. Die meisten Paschtunen bevorzugen Ehen mit anderen Paschtunen und sind ggf. mit der Heirat von nahen Verwandten einverstanden. Ehen zwischen Paschtunen und Mitgliedern anderer Ethnien wie Hazara, Usbeken oder Tadschiken sind selten.
Die Sozialstruktur der Paschtunen basiert auf dem Paschtunwali-Kodex (oder Pukhtunwali-Kodex), der als Verhaltens- und Moralsystem angesehen werden kann. Obwohl die paschtunischen Stämme unterschiedliche Sitten und Gebräuche haben, ist der gemeinsame Nenner all dieser Stämme der Paschtunwali-Kodex, und alle Paschtunen sind verpflichtet, ihn zu befolgen. Paschtunwali umfasst bestimmte Verhaltensgrundsätze, die sich im Laufe der Geschichte herausgebildet haben und die von Generation zu Generation durch Jirgas, Volksversammlungen (Marakas) und traditionelle Erziehung weitergegeben werden. Die Einhaltung der Grundsätze des Paschtunwali sind den Paschtunen sehr wichtig, und jede Missachtung wird mit harten Strafen geahndet. (LIB, Kap. 19.1)
1.5.20. Relevante Bevölkerungsgruppe - Personen denen vorgeworfen wird, von westlichen Werten beeinflusst zu sein:
Die Taliban haben das Ziel, die afghanische Gesellschaft zu „reinigen“ und „ausländischen“ Einfluss aus Afghanistan zu vertreiben. Die afghanische Gesellschaft soll von allem „gesäubert“ werden, was die Taliban als „westliche“ Werte ansehen, einschließlich Bildung für Mädchen, Beschäftigung und Bewegungsfreiheit für Frauen sowie Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
Afghanen, die nach 2021 ausgereist sind, werden von den Taliban oft als „Verräter“ angesehen. Taliban kontrollieren Profile in den sozialen Medien. Familienangehörige von Ausgereisten können auch von Taliban-Beamten und Nachbarn schikaniert werden, unter anderem durch Vertreibungen und aggressive Verhöre.
Obwohl keine allgemeine Kleiderordnung für Männer erlassen wurde, wird Männern in einigen Gegenden geraten, Bärte nicht zu kürzen und keine westliche Kleidung zu tragen. Regierungsangestellten wurde angeordnet, sich einen Bart wachsen zu lassen und eine Kopfbedeckung zu tragen. Ein Taliban-Beamter rief dazu auf, die Krawatte nicht mehr zu tragen, da sie ein Symbol für das christliche Kreuz sei. Im Februar 2024 hielt ein hochrangiger Taliban Medienschaffende in Afghanistan dazu an, auf das Rasieren von Bärten und das Fotografieren zu verzichten. Er sagte weiter, dass der Bartwuchs im Islam obligatorisch sei und dass es eine große Sünde sei, ihn zu rasieren. Auch „dünne Kleidung“ wird als Widerspruch zur Scharia erachtet. Händler wurden aufgefordert, auf die Einfuhr solcher Kleidung zu verzichten.
Die Kleidervorschriften werden jedoch in den Provinzen unterschiedlich ausgelegt. In Kabul tragen Menschen in bestimmten Teilen der Stadt T-Shirts und westliche Kleidung mit US-Motiven, und es kann in Afghanistan praktisch auch alles gekauft werden, wenn man das Geld dazu hat. In Kabul-Stadt gibt es auch Fast-Food-Restaurants und Bodybuilding-Fitnessstudios.
Das Spielen von Musik ist in Afghanistan verboten. Taliban verbrennen öffentlich Musikinstrumente und gehen auch gegen Personen vor, die Musik in Privatfahrzeugen oder auf Telefonen abspielen. In einigen Lokalen in Kabul wird weiterhin Musik gespielt. In der Kernzone der Taliban in Kandahar sind die Taliban-Beamten strenger, das Spielen und Hören von Musik ist in der ganzen Stadt verboten. (LIB, Kap. 20.4)
1.5.21. Relevante Bevölkerungsgruppe - Personen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen:
Menschen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen gehören zu den durch die Wirtschaftskrise am stärksten betroffenen Personengruppen in Afghanistan. Aufgrund des jahrzehntelangen Konflikts und der schlechten Gesundheitsversorgung von Müttern gibt es in Afghanistan eine der größten Populationen von Menschen mit Behinderungen der Welt. Jeder zweite Afghane leidet unter psychischen Problemen und jeder fünfte ist aufgrund seiner psychischen Gesundheit beeinträchtigt.
Der Mangel an Hilfsgeldern hat dazu geführt, dass einige Einrichtungen, die Dienstleistungen für beeinträchtigte Menschen angeboten haben, ihre Tätigkeit eingestellt haben. Finanzielle Leistungen für Mitglieder der Streitkräfte der ehemaligen Regierung, die im Krieg eine Behinderung erlitten haben, bleiben unter den Taliban aus. Auch die durch die Taliban eingeführten Einschränkungen für Frauen, die entweder selbst behindert sind oder mit behinderten Menschen arbeiten, sowie die Ausreise von NGO-Mitarbeitern nach der Machtübernahme der Taliban wirken sich auf den Zugang zur Versorgung dieser Gruppe negativ aus.
Generell mangelt es in Afghanistan an Bewusstsein für psychische Erkrankungen und deren Behandlung, und die Betroffenen und ihre Familien sind einer starken Stigmatisierung ausgesetzt. Menschen mit Behinderungen erhalten nur eingeschränkte Dienstleistungen und es fehlt ein gesetzlicher oder institutioneller Rahmen zur Gewährleistung ihrer Grundrechte. Aufgrund der weitverbreiteten Kontamination durch Kampfmittel sowie durch Verkehrsunfälle sind die Verletzungsfälle weiterhin zahlreich.
Zwischen Jänner und September 2022 wurden 169.293 Verletzungen behandelt. Einige Krankenhäuser und NGOs bieten Dienstleistungen für Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen an. Die WHO hat ihre Unterstützung für die psychosoziale Versorgung des Landes ausgeweitet, um den Zugang zu den von der Notlage betroffenen Menschen in Afghanistan zu verbessern. (LIB, Kap. 20.6)
1.5.22. Bewegungsfreiheit:
Afghanistan befindet sich aktuell weitgehend unter der Kontrolle der Taliban. Dauerhafte Möglichkeiten, dem Zugriff der Taliban auszuweichen, bestehen daher gegenwärtig nicht.
Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 war der Reiseverkehr zwischen den Städten im Allgemeinen ungehindert möglich. Die Taliban setzen jedoch Kontrollpunkte ein, um den Verkehr innerhalb des Landes zu regeln und nach bekannten oder vermeintlichen Regimegegnern zu fahnden. Es werden auch Mobiltelefone und Social-Media-Aktivitäten der Reisenden überprüft. Taliban-Kräfte überprüfen die Namen und Gesichter von Personen an Kontrollpunkten anhand von „Listen mit Namen und Fotos ehemaliger Armee- und Polizeiangehöriger“. Meistens handelt es sich um Routinekontrollen, bei denen nur wenig kontrolliert wird. Wenn jedoch ein Kontrollpunkt aus einem bestimmten Grund eingerichtet wird, kann diese Durchsuchung darauf abzielen, bestimmte Gegenstände wie Drogen, Waffen oder Sprengstoffe aufzuspüren. Die Kontrollpunkte der Taliban sind über ganz Afghanistan verteilt. Sie befinden sich in der Regel entlang der Hauptversorgungsrouten und in der Nähe der Zugänge zu größeren Städten. Die Haltung und der Umfang der Durchsuchungen an diesen Kontrollpunkten variieren je nach Sicherheitslage. (LIB, Kap. 21)
1.5.23. IDPs und Flüchtlinge:
Jahrelange Konflikte, Naturkatastrophen und wirtschaftliche Schwierigkeiten haben im verarmten Afghanistan Millionen von Menschen zu Binnenvertriebenen gemacht. Binnenvertriebene, wie auch Rückkehrende aus dem Ausland, befinden sich in einer wirtschaftlichen Notlage und wenden negative Bewältigungsstrategien an (Einsparung von Lebensmitteln, Aufnahme von Schulden, Kinderarbeit oder -verkauf). 2023 gab es zwischen 3,25 und 3,3 Millionen Binnenvertriebene. Gründe für Vertreibung sind vor allem Konflikte und extrem wetterbedingte Ereignisse.
Im Jänner 2023 kündigten die pakistanischen Behörden an, dass alle ausländischen Staatsangehörigen, einschließlich afghanischer, ohne gültige Papiere inhaftiert und nach einem Gerichtsurteil in ihr Heimatland zurückgewiesen werden. Pakistanische Behörden kündigten außerdem an, Geld und Besitztümer von illegal aufhältigen Fremden zu konfiszieren und Strafen gegen pakistanische Bürger bzw. Vermieter zu verhängen, die ihnen Unterschlupf gewähren, sowie auch gegen Firmen, die Afghanen ohne Dokumente beschäftigen. Mit der Aussicht auf eine tatsächliche Umsetzung ab 1.11.20023 stieg die Zahl der Rückkehrer an den Grenzübergängen stark an. In den ersten beiden Oktoberwochen – vom 1. bis zum 15.10.2023 – kehrten 37.317 Afghanen selbstständig nach Afghanistan zurück.
Der Iran duldet viele afghanische Staatsangehörige, die sich irregulär im Land aufhalten. Ein beträchtlicher Anteil befindet sich im Rahmen der Arbeitsmigration im Iran, die ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor für das Land ist. Im Rahmen verschiedener Regularisierungsinitiativen haben die iranischen Behörden einigen von ihnen einen regulären Aufenthalt bzw. eine Duldung ermöglicht. Die freiwillige Rückkehr von registrierten afghanischen Flüchtlingen findet seit August 2021 auf einem niedrigeren Niveau statt als zuvor, wobei im Jahr 2023 mit insgesamt 521 Personen mehr registrierte afghanische Flüchtlinge mit UNHCR-Unterstützung freiwillig nach Afghanistan zurückkehrten als 2022 (379 Personen). Im ersten Jahr nach der Machtübernahme der Taliban (15.8.2021-14.8.2022) gab es mit rund einer Million Rückkehrern dagegen eine höhere Anzahl als im zweiten Jahr (15.8.2022-15.8.2023), als ca. 838.000 Personen erfasst wurden, die vom Iran nach Afghanistan zurückkehrten. (LIB, Kap. 22)
1.5.24. Grundversorgung und Wirtschaft:
Nach der Machtübernahme verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage in Afghanistan durch die Einstellung vieler internationaler Hilfsgelder massiv. Nach der Machtübernahme der Taliban waren große Teile der Bevölkerung zunehmend auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Im Jahr 2024 benötigten etwa 23,7 Millionen Menschen (mehr als die Hälfte des Landes) humanitäre Hilfe aufgrund der Nachwirkungen von vierzig Jahren Krieg, der jüngsten politischen Umwälzungen und wirtschaftlicher Instabilität. Auch häufige Naturkatastrophen und der Klimawandel haben Auswirkungen auf die humanitäre Lage im Land. Während Afghanistan gute Fortschritte bei der Aufrechterhaltung von Stabilität und Sicherheit gemacht zu haben scheint, hat sich die afghanische Wirtschaft von dem erheblichen Produktionsrückgang seit 2020 nicht erholt. Dies ist größtenteils auf eingeschränkte Bankdienstleistungen und Operationen des Finanzsektors, Unterbrechungen in Handel und Gewerbe, geschwächte und isolierte wirtschaftliche Institutionen und fast keine ausländischen Direktinvestitionen oder Geberunterstützung für die produktiven Sektoren zurückzuführen.
Die Wirtschaft stabilisierte sich ab Mitte 2022 wieder und im Jahr 2023 gab es einige Anzeichen für eine leichte wirtschaftliche Verbesserung. In weiterer Folge sank die akute Ernährungsunsicherheit in der Bevölkerung zwischen April und Oktober 2023 von 40 % auf 29 %. Die Wirtschaft stagnierte in weiterer Folge jedoch und die sozioökonomische Situation in Afghanistan ist weiterhin durch Armut, Ernährungsunsicherheit und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet.
Im Dezember 2023 mussten 38 % der Haushalte im Rahmen der Nahrungsmittelaufnahme hohe Bewältigungsstrategien aufwenden. Zu diesen verbrauchsorientierten Bewältigungsstrategien zählen beispielsweise der Kauf billigerer Nahrungsmittel, das Borgen von Lebensmitteln von Verwandten oder Freunden, die Einschränkung der Portionsgröße bei Erwachsenen oder das Reduzieren der Anzahl der Mahlzeiten pro Tag. Weitere Strategien zur Bewältigung der grundlegenden Bedürfnisse der Haushalte sind die Aufnahme von Schulden, der Verkauf von Eigentum, Betteln, die (Zwangs)verheiratung von Mädchen, Kinderarbeit oder der Verkauf von Organen.
Die Lebenserhaltungskosten in Afghanistan variieren zwischen den einzelnen Regionen Afghanistans sowie dem städtischen und ländlichen Bereich. Die monatlichen Lebenserhaltungskosten hängen auch stark vom Lebensstandard und den wirtschaftlichen Bedingungen ab. Diese betragen für alleinstehende Personen für Unterkunft, Lebensmittel, Hygieneprodukte, Energie und sonstige Ausgaben ca. 12.000 bis 28.000 Afghani bei Personen der Mittelschicht mit mittlerem Einkommen. Bei Personen, die nur sehr geringes Einkommen haben und in sehr einfachen Verhältnissen leben, betragen die monatlichen Lebenserhaltungskosten für Alleinstehende zwischen 2.000 und 7.400 Afghani pro Monat.
Afghanische Haushalte sind nach wie vor stark von Naturkatastrophen betroffen und anfällig für Klimaschocks, darunter Dürren, Überflutungen und Erdbeben. Afghanistan hat unter den Ländern mit niedrigem Einkommen in den letzten 40 Jahren die meisten Todesopfer durch Naturkatastrophen zu beklagen und steht weltweit auf Platz 5 der klimatisch am stärksten gefährdeten Länder. Im Jahr 2024 waren mehr als 180.200 Menschen von Naturkatastrophen betroffen.
Afghanistan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt mit der weltweit höchsten Prävalenz von unzureichender Ernährung. Das Land war in den letzten Jahren mit einer Reihe bedeutender Herausforderungen konfrontiert. Dazu gehören der politische Übergang im August 2021, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und mehrere Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben und Dürren. Darüber hinaus bewältigt das Land den Zustrom afghanischer Rückkehrer aus den Nachbarregionen, die weiterhin die Ressourcen belasten und die Ernährungssicherheit beeinträchtigen. Die Ernährungssicherheit afghanischer Haushalte hat sich seit den Monaten nach der Machtübernahme der Taliban am 15.8.2021 wieder verbessert, auch wenn die meisten von ihnen ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen können.
In der Periode September bis Oktober 2024 sind nach Schätzungen der IPC ca. 11,6 Millionen Menschen (25 % der Gesamtbevölkerung) von einem hohen Maß an akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, die in IPC-Phase 3 oder höher (Krise oder schlimmer) eingestuft wird. Davon befinden sich etwa 1,8 Millionen Menschen (4 % der Gesamtbevölkerung) in IPC-Phase 4 (Notfall) und etwa 9,8 Millionen Menschen (21 % der Gesamtbevölkerung) in IPC-Phase 3 (Krise). Diese leichte Verbesserung der Ernährungssicherheit ist auf eine verbesserte landwirtschaftliche Produktion, das Ausmaß der humanitären Nahrungsmittel- und landwirtschaftlichen Nothilfe im Zeitraum 2023/2024 und eine verbesserte Kaufkraft der Haushalte zurückzuführen. Für den Zeitraum November 2024 bis März 2025, der mit der kalten Jahreszeit zusammenfällt, prognostiziert IPC, dass 14,8 Millionen Menschen (32 % der Gesamtbevölkerung) in die IPC-Phase 3 oder höher (Krise oder schlimmer) eingestuft werden. Darunter fallen 3,1 Millionen Menschen (7 % der Gesamtbevölkerung) in Phase 4 und 11,6 Millionen (25 % der Gesamtbevölkerung) in Phase 3.
Die Integrated Food Security Phase Classification (IPC) bietet eine gemeinsame Skala (von 1-5) für die Einstufung des Schweregrads und des Ausmaßes von Ernährungsunsicherheit.
In Phase 1 (keine/minimale Mängel) sind Haushalte in der Lage, den Grundbedarf an Nahrungsmitteln und anderen Gütern zu decken, ohne atypische und nicht nachhaltige Strategien zur Beschaffung von Nahrungsmitteln und Einkommen anzuwenden.
In Phase 2 (gestresst) liegen gestresste Haushalte vor. Diese haben einen minimal adäquaten Nahrungsmittelkonsum, können sich aber einige wesentliche Non-Food-Ausgaben nicht leisten, ohne Stressbewältigungsstrategien anzuwenden.
In Phase 3 (Krise) liegen Krisenhaushalte vor. Entweder haben diese Lücken im Nahrungsmittelkonsum, die sich in einer hohen oder überdurchschnittlichen akuten Unterernährung widerspiegeln oder diese sind, zwar nur knapp, in der Lage, den Mindestnahrungsmittelbedarf zu decken, aber nur unter Aufzehrung der wesentlichen Existenzgrundlagen oder durch Krisenbewältigungsstrategien.
In Phase 4 (Notfall) liegen Notfallhaushalte vor. Diese haben entweder große Nahrungsmittellücken, die sich in einer sehr hohen akuten Unterernährung und einer hohen Sterblichkeitsrate niederschlagen oder diese sind zwar in der Lage, große Nahrungsmittellücken auszugleichen, aber nur durch die Anwendung von Strategien zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Auflösung von Vermögenswerten.
Fast alle Arbeitsverhältnisse in Afghanistan sind informell. Im Juli 2024 wurden rund 74 % des Bruttoinlandprodukts von der informellen Wirtschaft erbracht. Als Folge der Machtübernahme der Taliban ist der Arbeitsmarkt vor allem in den Städten geschrumpft. Seitdem gingen mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze verloren. Auch Nominal- und Reallöhne gingen nach der Machtübernahme der Taliban erheblich zurück, obwohl sich die Löhne für qualifizierte und ungelernte Arbeit seitdem erholt haben und sogar über dem Wert vor der Machtübernahme liegen.
Die Arbeitslosigkeit liegt bei Frauen in allen Altersgruppen deutlich höher als bei Männern. Seit der Machtübernahme ist Berichten zufolge die Kinderarbeit und die Anzahl der Bettler deutlich gestiegen. In Afghanistan ist Kinderarbeit vor allem in ländlichen Gebieten vorzufinden. In Afghanistan verdient ein ungelernter Arbeiter im Schnitt 317 Afghani pro Tag, während das Durchschnittsgehalt eines gelernten Arbeiters 655 Afghani beträgt. (LIB, Kap. 24)
1.5.25. Bank- und Finanzwesen:
Nach dem Regimewechsel kam es zu einer erheblichen Verschlechterung des Bankensystems in Afghanistan. Die abrupte Einstellung der internationalen Hilfe in Verbindung mit der Schrumpfung der Bankbilanzen wirkte sich unmittelbar auf die Geldmenge aus und führte zu einem erheblichen Rückgang in realen Werten. Probleme in Zusammenhang mit dem Bankensektor – wie eingeschränkte Funktionalität, mangelnde Liquidität und Schwierigkeiten beim Zugang zu Bankkrediten – sowie eine mangelnde Verbrauchernachfrage bleiben die wichtigsten geschäftlichen Einschränkungen. Auch ist nur ein kleiner Teil des existierenden Bargelds im Umlauf, weil einzelne Privatpersonen und Unternehmen große Summen an Bargeld horten. Die Taliban haben die Verwendung von Fremdwährungen im November 2021 verboten.
2024 war es möglich, Geld, sowohl vor Ort als auch aus dem Ausland, nach Afghanistan zu überweisen. Empfänger in abgelegenen Gebieten könnten jedoch aufgrund von Einschränkungen der Netzabdeckung und der Know-Your-Customer-Anforderungen (KYC) Schwierigkeiten haben, Zugang zu Banken zu erhalten.
Wesentlich verbreiteter als Western Union oder MoneyGram wird für Geldsendungen von und nach Afghanistan das informelle Hawala-System verwendet. Hawala ist ein Geld- oder Werttransferdienst (Money or Value Transfer Service, MVTS), der seit Jahrhunderten genutzt wird. Das System funktioniert ohne staatliche Regulierung und kann deswegen auch dort praktiziert werden, wo es entweder keine Staatlichkeit gibt oder die Beteiligten den Staat umgehen wollen. Durch Netzwerke zwischen Geldwechslern kann das Geld auch über mehrere Stationen weitergeschickt werden und so aus dem Ausland über Kabul und ggf. eine Provinzhauptstadt bis in rurale Gegenden Afghanistans geschickt werden. Transaktionen können in wenigen Minuten bis maximal zwei Tagen abgeschlossen werden. (LIB, Kap. 24.4)
1.5.26. Medizinische Versorgung:
Die drastische Kürzung der finanziellen und technischen Entwicklungshilfe für das öffentliche Gesundheitssystem Afghanistans seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 hat das Gesundheitssystem des Landes schwer geschädigt. Der daraus resultierende Mangel an ausreichenden Gesundheitsdiensten betrifft Millionen von Afghanen. Aufgrund fehlender Mittel mussten Kliniken schließen. Es kam zu Engpässen bei Medikamenten und Ausrüstung. Während Antibiotika, Schmerzmittel und allgemeine Gesundheitsmedikamente noch eingeführt werden, sind spezifische Medikamente, z. B. jene zur Behandlung von Krebs, in Afghanistan nicht erhältlich. Menschen können auch nicht mehr so einfach wie früher in die Nachbarländer reisen, um sich behandeln zu lassen und Medikamente zu kaufen. Es gibt einen generellen Mangel an (vor allem weiblichen) Ärzten und viele sind unterqualifiziert bzw. praktizieren, ohne ihre Ausbildung abgeschlossen zu haben.
In den öffentlichen Krankenhäusern, die unter direkter Aufsicht der afghanischen Regierung stehen, sind seit dem Regimewechsel sowohl die Qualität der Versorgung als auch die Zahl der Mitarbeiter erheblich zurückgegangen. Die Kapazität des Gesundheitspersonals im öffentlichen Sektor ist gering, auch aufgrund der Einschränkungen von Frauen in Hinblick auf Beschäftigung und Bewegungsfreiheit. In den städtischen Zentren gibt es zahlreiche Gesundheitseinrichtungen, Medikamente oder Behandlungen sind für die Bevölkerung häufig zu teuer.
In Afghanistan gibt es Ausbrüche von Infektionskrankheiten, wie beispielsweise Masern, akute Atemwegsinfektionen (ARI) oder akute wässrige Diarrhöe (AWD). Bis 31.8.2023 gab es laut WHO 232.843 bestätigte Fälle von COVID-19 in Afghanistan. Nach Angaben der WHO haben mehr als 18 Millionen Afghanen zumindest eine Impfdosis erhalten und mehr als 16 Millionen sind vollständig geimpft. Menschen haben trotz der Zunahme an COVID-19Erkrankungen keine Angst mehr und ergreifen keine Präventivmaßnahmen. Nach dem Zusammenbruch der vorherigen Regierung wurden alle Finanzmittel und Unterstützungen für die COVID-19-Notfallmaßnahmen gekürzt, und die meisten Krankenhäuser mussten ihren Betrieb einstellen, weil es an Mitteln, Ärzten, Medikamenten und sogar Heizmaterial mangelte. (LIB, Kap. 25)
1.5.27. Rückkehr:
Es gibt wenig Informationen zu Rückkehrern aus Europa nach Afghanistan. Nach der Machtübernahme der Taliban kam es zur freiwilligen Rückkehr afghanischer Staatsbürger. Es kehrten auch einige Mitarbeiter der ehemaligen Regierung und internationaler NGOs nach Afghanistan zurück, darunter ein Mitarbeiter einer NGO, der mit seiner Familie nach zwei Jahren Aufenthalt in Dänemark nach Afghanistan zurückkehrte. Es gibt auch freiwillige Rückkehrer aus den USA.
Die Taliban haben am 16.3.2022 eine Kommission unter Leitung des Taliban-Ministers für Bergbau und Petroleum ins Leben gerufen, die Mitglieder der ehemaligen wirtschaftlichen und politischen Elite überzeugen soll, nach Afghanistan zurückzukehren. Im Rahmen dieser Bemühungen sollen inzwischen 200 mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten nach Afghanistan zurückgekehrt sein, darunter auch ehemalige Minister und Parlamentarier.
Am 30.8.2024 wurden erstmals seit der Machtübernahme der Taliban afghanische Staatsangehörige aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben. Nach Angaben der deutschen Bundesregierung handelte es sich dabei um „afghanische Straftäter, afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen“. Die insgesamt 28 abgeschobenen Afghanen wurden nach ihrer Rückkehr nach Kabul durch die Taliban angehalten und ins Gefängnis gebracht. Kurz darauf wurden sie nach Auskunft der Taliban wieder auf freien Fuß gesetzt, nach einer schriftlichen Zusicherung, dass sie keine Verbrechen in Afghanistan begehen würden. Die Taliban sind bereit, auch in Zukunft abgeschobene Afghanen aus Deutschland aufzunehmen.
IOM hat aufgrund der aktuellen Lage vor Ort die Option der Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration seit 16.8.2021 für Afghanistan bis auf Weiteres weltweit ausgesetzt. Es können somit derzeit keine freiwilligen Rückkehrer aus Österreich nach Afghanistan im Rahmen des Projektes RESTART III unterstützt werden. IOM Afghanistan hält jedoch die Kommunikation mit ehemaligen Rückkehrern aufrecht, um humanitäre Hilfe anzubieten, die Stabilisierung der Gemeinschaft zu unterstützen und die interne Migration in Zusammenarbeit mit den Taliban-Behörden, humanitären Partnern und lokalen Gemeinschaften zu steuern.
Taliban behandeln zurückkehrende Personen im Rahmen ihrer allgemeinen Praxis im Umgang mit der Zivilbevölkerung. Die Bedrohung der persönlichen Sicherheit ist im Einzelfall das zentrale Hindernis für zurückkehrende Personen. Auch vor dem Hintergrund der faktischen Kontrolle der Taliban über alle Landesteile lässt sich die Frage einer möglichen Gefährdung im Einzelfall nicht auf einzelne Landesteile, etwaige Sicherheitsrisiken durch Terrorismus oder lokale Kampfhandlungen begrenzen. Entscheidend für die individuelle Sicherheit der Personen bleibt die Frage, wie die Person von der Taliban-Regierung und dritten Akteuren wahrgenommen wird.
Im Ausland straffällig gewordene Rückkehrende könnten, wenn die Tat einen Bezug zu Afghanistan aufweist, in Afghanistan zum Opfer von Racheakten, z. B. von Familienmitgliedern der Betroffenen, werden. Auch eine erneute Verurteilung durch das von den Taliban kontrollierte Justizsystem ist nicht ausgeschlossen, wenn der Fall den Behörden bekannt werden würde. (LIB, Kap. 26)
Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates: Die österreichische Rückkehrunterstützung umfasst eine kostenlose individuelle Beratung zur freiwilligen Rückkehr einschließlich Antragsstellung auf finanzielle Unterstützung durch die BBU, die organisatorische Unterstützung bei der Reisevorbereitung, bei der Reiseplanung und bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten, die Übernahme der Heimreisekosten, eine finanzielle Starthilfe in Höhe von bis zu 900 EUR sowie die Teilnahme an Reintegrationsprogrammen nach der Rückkehr im Zielland.
Ein Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen besteht nicht. Organisatorische Unterstützung kann grundsätzlich in jeder Verfahrenskonstellation gewährt werden. Voraussetzung für die Gewährung der Übernahme der Heimreisekosten ist die Mittellosigkeit der rückkehrenden Person.
Die Höhe der finanziellen Starthilfe ist in einem degressiven Modell geregelt und staffelt sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung auf unterstützte freiwillige Rückkehr. Während des laufenden asyl- oder fremdenrechtlichen Verfahrens bis einen Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt die finanzielle Starthilfe 900 EUR pro Person. Ab einem Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt die finanzielle Starthilfe 250 EURpro Person. Für vulnerable Rückkehrende, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das BFA ein einmaliger Betrag von 250 EUR pro Person gewährt werden.
Kriterien für den Erhalt der finanziellen Starthilfe und der Reintegrationsunterstützung sind die freiwillige Ausreise, finanzielle Bedürftigkeit bzw. Mittellosigkeit, erstmaliger Bezug der Unterstützungsleistung, Nachhaltigkeit der Ausreise, keinerlei Evidenz eines Sicherheitsrisikos durch die freiwillige Rückkehr und keine schwere Straffälligkeit.
Für 42 Herkunftsländer können freiwillige Rückkehrer im Sinne des Leitgedankens „Rückkehr mit Perspektiven“ Reintegrationsunterstützung im Wert von bis zu 3.500 EUR beantragen. Die Abwicklung des Reintegrationsangebots erfolgt unter anderem mit den Kooperationspartnern Frontex, IOM Österreich, Caritas Österreich und OFII.
Im Rahmen der Reintegrationsprogramme erhalten Rückkehrende umfassende Unterstützung bei der Wiedereingliederung in ihrem Herkunftsland. Dazu gehören individuelle, persönliche Beratung und vorwiegend Sachleistungen, z. B. wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Hilfen. Die Programme bieten ein breites Spektrum an Leistungen, um einen optimalen Einsatz der Mittel zu gewährleisten. (LIB, Kap. 26.1)
1.5.28. Dokumente:
Das Personenstands- und Beurkundungswesen in Afghanistan wies bereits vor der Machtübernahme der Taliban gravierende Mängel auf und stellte aufgrund der Infrastruktur, der langen Kriege, der wenig ausgebildeten Behördenmitarbeiter und weitverbreiteter Korruption ein Problem dar. Von der inhaltlichen Richtigkeit formell echter Urkunden konnte nicht in jedem Fall ausgegangen werden. Personenstandsurkunden wurden oft erst viele Jahre später, ohne adäquaten Nachweis und sehr häufig auf Basis von Aussagen mitgebrachter Zeugen, nachträglich ausgestellt. Gefälligkeitsbescheinigungen und/oder Gefälligkeitsaussagen kamen sehr häufig vor. Es ist den Behörden oft nicht möglich, die Angaben der Personen, die Dokumente beantragen, zuverlässig zu verifizieren. Je nach Dokument besteht eine unterschiedliche Praxis, Geburtsdatum, Geburtsort und Nachnamen einzutragen. Deshalb kommt es vor, dass die Personalien derselben Person in verschiedenen Dokumenten unterschiedlich eingetragen sind. Besonders fälschungsanfällig sind Papier-Tazkiras. In der Regel ist es unmöglich, die Authentizität solcher Dokumente zu prüfen. Reisepässe und e-Tazkiras haben ein einheitliches Layout mit zahlreichen Sicherheitsmerkmalen und sind besser überprüfbar. Es besteht aber auch hier die Möglichkeit, dass Inhalte manipuliert sind oder dass sie an nicht berechtigte Personen ausgestellt sind.
Mit Stand Februar 2024 können Reisepässe, Tazkiras und e-Tazkiras in allen Provinzen Afghanistans beantragt werden. Die Ausstellung von Reisepässen kann jedoch bis zu einem Jahr dauern. Reisepässe sind nicht in allen Provinzen erhältlich. Das Innenministerium der Taliban hat in 15 der 34 Provinzen (Farah, Nimroz, Badghis, Paktika, Samangan, Laghman, Uruzgan, Kunar, Takhar, Zabul, Jawzjan, Bamyan, Panjsher und Baghlan) Passämter wiedereröffnet und verlangt von den Antragstellern, dass sie sich in ihrer Herkunftsprovinz einen Pass besorgen. Die Funktionsfähigkeit dieser Abteilungen ist jedoch nach wie vor unklar. (LIB, Kap. 27)
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung sowie durch Einsichtnahme in die im Verfahren vorgelegten Urkunden.
Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.
Das Gericht berücksichtigt bei der Beweiswürdigung, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einreise nach Österreich eventuell noch minderjährig war. Das Alter wurde im Altersfeststellunggutachten zum Zeitpunkt der Asylantragstellung mit 16,65 bis 19.85 Jahren angegeben, sodass es sein kann, dass der Beschwerdeführer ca. 16-17 Jahre bei der Erstbefragung, ca. 17,5 Jahre bei der Einvernahme vor dem Bundesamt und auch bei den behaupteten fluchtauslösenden Ereignissen noch minderjährig gewesen sein könnte, nämlich ca. 13 Jahre.
Der Beschwerdeführer wurde bei der Befragung beim Bundesamt, bei der auch die gesetzliche Vertretung des Beschwerdeführers anwesend war, gefragt, ob er bisher im Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht hat, ob ihm diese rückübersetzt wurden und ob alles korrekt protokolliert worden sei. Der Beschwerdeführer gab an, dass er die Wahrheit angegeben habe, dass jedoch sein Name falsch geschrieben worden sei und, dass die Aufenthaltsdauer in der Türkei und im Iran verwechselt worden sei (AS 119). Der Beschwerdeführer behauptete – entgegen den Angaben in der mündlichen Verhandlung – nicht, dass es zu einer Vielzahl von Fehlern im Erstbefragungsprotokoll gekommen sei. Da er zwei Fehler des Erstbefragungsprotokolls auch beim Bundesamt berichtigt hat, ist davon auszugehen, dass ihm das Erstbefragungsprotokoll bekannt waren und er Kenntnis vom Inhalt des Erstbefragungsprotokoll hatte, jedoch bis auf die Schreibweise des Namens und die Aufenthaltsdauer in der Türkei und im Iran keine Fehler vorhanden waren. Bis auf die Schreibweise des Namens sowie die Aufenthaltsdauer in der Türkei und im Iran wird das Erstbefragungsprotokoll den Feststellungen zu Grunde gelegt.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
2.1.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren in Österreich. Die Identität des Beschwerdeführers ist mangels Vorlage von Originaldokumenten nicht erwiesen.
Insbesondere kann das genaue Alter und das genaue Geburtsdatum des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung an 15 Jahre alt zu sein (AS 3). Dies ist jedoch nicht mit den Feststellungen im Altersgutachten in Einklang zu bringen, das ergeben hat, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Asylantragstellung zwischen 16,65 und 19,85 Jahre alt gewesen sein muss, woraus sich ein spätmöglichstes Geburtsdatum mit dem XXXX ergibt (AS 53). Da der Beschwerdeführer jedoch keine unbedenklichen Dokumente vorgelegt hat, aus denen sich sein tatsächliches Geburtsdatum ergibt, konnte das tatsächliche Geburtsdatum nicht festgestellt werden. Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers dient ausschließlich der Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren in Österreich.
2.1.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Schulbildung sowie seiner Muttersprache gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
2.1.3. Jedoch ist nicht glaubhaft, dass der Vater des Beschwerdeführers verstorben ist. Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung an, dass sein Vater und seine Mutter noch in Afghanistan leben („alle leben noch in Afghanistan“, AS 5). Es wäre daher davon auszugehen, wäre der Vater verstorben und würde dies den Fluchtgrund des Beschwerdeführers darstellen, dass der Beschwerdeführer dies bereits bei der Erstbefragung angegeben hätte, da dies ein sehr einprägsames Ereignis darstellt und auch für einen 16-17-Jährigen in Erinnerung bleiben müsste. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Vater des Beschwerdeführers nicht von den Taliban umgebracht wurde oder an von den Taliban zugefügten Verletzungen verstorben ist. Wie oben dargelegt hat das Gericht keine Zweifel an der diesbezüglichen Richtigkeit des Erstbefragungsprotokolls.
2.1.4. Auch die Angaben zum Ausreisedatum sind nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung an, dass er vor 3,5 Jahren das Land verlassen habe. Er sei 1 Jahr im Iran und zweieinhalb Jahre in der Türkei gewesen. Die Erstbefragung fand im Juni 2023 statt. Der Beschwerdeführer wäre daher nach den Angaben in der Erstbefragung Anfang 2020 ausgereist. In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er zwei Jahre im Iran und ein Jahr in der Türkei gewesen sei. Auch hier hätte der Beschwerdeführer bereits im Sommer 2020 Afghanistan verlassen. Der Beschwerdeführer gab jedoch an, dass er erst wenige Monate vor der Machtübernahme der Taliban Afghanistan verlassen habe und auch sein Vater sei erst einige Monate vor der Machtübernahme der Taliban verstorben. Diese Angaben sind daher zeitlich nicht in Einklang zu bringen. Da der Beschwerdeführer über eine geringe Schulbildung verfügt und dieser zudem bei der Ausreise eventuell noch Minderjährig war, können hier zwar Divergenzen auftreten, eine Divergenz von über einem halben Jahr ist jedoch für das Gericht auch unter diesem Aspekt nicht glaubhaft.
2.1.5. Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen ist, er ist dort zur Schule gegangen und hat dort mit seinem Vater ein halbes Jahr in einer Bäckerei gearbeitet.
2.1.6. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung (AS 118; VP, S. 5) und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist. Der Beschwerdeführer gab Eingangs der Verhandlung an gesund zu sein. Auch beim Bundesamt gab er an, dass es ihm gut gehe (AS 118). Soweit er im Verlauf der Verhandlung seinen Gesundheitszustand relativierte und angab, dass er bei Bedarf Kopfschmerztabletten nehme und er sich bei Kopfschmerzen etwas hinlege, sodass es ihm bessergehe, so ist auch hierin keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheit zu erkennen (VP S. 13).
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer konnte seine Fluchtgründe nicht glaubhaft machen.
2.2.1. Die Angaben des Beschwerdeführers waren vage, widersprüchlich und ausweichend. Diese machen nicht den Eindruck als würde es sich dabei um tatsächlich erlebte Ereignisse handeln.
Der Beschwerdeführer gab bei der Einvernahme vor dem Bundesamt in den Erzählungen über seine Fluchtgründe, insbesondere in der freien Erzählung, zunächst nicht an, dass die Arbeit seines Vaters als Bäcker für Soldaten in Afghanistan die Ursache für seine Flucht, nämlich Bedrohungen durch die Taliban gewesen wären. Er erwähnte nur auf AS 121 auf die Frage, ob er politisch in Afghanistan tätig war, dass sein Vater als Bäcker für Soldaten Brot gebacken hat. Auf die Frage ob er alles vorbringen habe können, gab er an, dass seinem Vater von den Taliban vorgeworfen worden sei für Ungläubige gearbeitet zu haben. Um diese Straftat gutzumachen, müsse er den Beschwerdeführer an die Taliban übergeben. Hier ist zu sehen, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen laufend steigerte und diesen schon aus diesem Grund nicht glaubhaft ist.
In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass dieses Vorbingen in der Beschwerde bei der Sachverhaltsdarstellung überhaupt nicht erwähnt wird. Tatsächlich wird dort angeführt, dass der Beschwerdeführe –wie viele anderen Kinder zuvor – in eine Madrassa verbracht hätte werden sollen um für die Taliban zu kämpfen. Dass es hier jedoch eine persönliche Bedrohung des Vaters gegeben hätte und der Beschwerdeführer als „Strafe“ habe mitkommen sollen wird auch in der Beschwerde beim Sachverhalt nicht erwähnt.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind daher auch aus diesem Grund nicht glaubhaft.
2.2.2. Auch sonst hielt der Beschwerdeführer seine Angaben zu den Fluchtgründen vage und ausweichend. Diese machen – auch unter Berücksichtigung des Alters des Beschwerdeführers und dem Umstand, dass diese Ereignisse bereits länger zurückliegen würden – nicht den Eindruck als würde es sich um tatsächlich erlebte Ereignisse handeln.
2.2.3. Der Beschwerdeführer machte auch folgende Angaben zu seinem Umzug nach XXXX :
„R: Wie alt waren Sie als Sie nach XXXX übersiedelt sind?
BP: Ich kann mich daran nicht erinnern. Ich war ein kleines Kind, als wir nach XXXX umgezogen sind.
R: Warum ist Ihre Familie übersiedelt?
BP: Wir sind aus Angst vor den Taliban nach XXXX gezogen. Mein Vater hat für Soldaten Brot gebacken, deshalb.“
Es wäre nach diesen Angaben daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach XXXX gezogen ist, da sein Vater für Soldaten Brot gebacken hat und er diesbezüglich von den Taliban verwarnte worden sei. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung jedoch auch an, dass sein Vater erst sieben oder acht Monate vor seiner Ausreise aufgehört habe Brot zu backen. Es wäre daher nach diesen Angaben davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer erst sieben oder acht Monate vor seiner Ausreise aus Afghanistan mit seiner Familie nach XXXX umgezogen wäre. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung jedoch auch an, dass er bereits in Chamatala die Schule besucht habe, er also davor umgezogen sein muss. Da der Beschwerdeführer in XXXX drei Jahre lang die Schule besucht hat, müsste er zumindest drei Jahre vor der Ausreise aus Afghanistan bereits mit seinem Vater in XXXX gelebt haben und dieser daher bereits drei Jahre vor der Ausreise aufgehört haben Brot an Soldaten zu verkaufen. Es müsste auch einem Teenager bekannt sein, ob er kurz vor der Ausreise umgezogen ist und er die Schule in seinem Geburtsort drei Jahre lang besucht hat oder ob er mehrere Jahre vor der Ausreise umgezogen ist und er die Schule in seinem Herkunftsort besucht hat.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubhaft.
2.2.4 Zudem ergaben sich auch einige Unplausibilitäten, die die Angaben des Beschwerdeführers unglaubhaft wirken lassen:
Es ist nicht plausibel aus welchem Grund die Taliban den Vater weiter belästigen sollten, wenn dieser – wie in der Verwarnung vorgegeben – die Arbeit sofort beendet hat und er seinen Wohnort gewechselt hat. Der Vater hätte der Aufforderung der Taliban entsprochen und es gebe für die Taliban keinen Grund für eine weitere Verfolgung. Dass die Taliban dem Vater schon damals Strafen angedroht hätten – unabhängig von einer Verwarnung – hat der Beschwerdeführer nicht substantiiert behauptet. Auch dieser Aspekt der Fluchtgründe wirkt konstruiert und ist nicht glaubhaft.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu der Tätigkeit des Vaters, nämlich, dass dieser Brot an Soldaten verkauft habe, sind nicht glaubhaft.
Es ist zudem nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer, falls die Taliban es aus persönlichen Rachegründen auf ihn abgesehen hätten, nicht von seinem Zuhause abgeholt worden wäre, sondern die Taliban sich nicht getraut hätten direkt ins Haus zukommen (VP S. 15). Der Beschwerdeführer gab auch an, dass die Taliban plötzlich in ein Haus kommen würden, wenn es ein großes Problem gebe. Nachdem der Vater des Beschwerdeführers sechs Tage lang gefoltert und so schwer verletzt wurde, dass er daran verstorben ist, dann ist nicht plausibel, dass die Taliban vor der Haustüre zurückschrecken würden.
Es ist zudem nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer beim Bundesamt angab, dass er nicht wisse, ob die Taliban seinen Vater danach erneut mitgenommen und schwer verletzt hätten oder er an den damals zugefügten Verletzungen verstorben sei. Es lebt ein älterer Bruder des Beschwerdeführers seit 9-10 Jahren in Österreich. Mag auch sein, dass die Mutter dem Beschwerdeführer nicht verraten wollte, was in Afghanistan genau mit dem Vater passiert sei um ihn aufgrund seines damaligen Alters noch zu schützen, so wäre jedoch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer dies mittlerweile von seinem älteren Bruder erfahren hätte, zumal dies wohl auch entscheidend für das Asylverfahren des Beschwerdeführers wäre.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen wirken daher auch aus diesen Überlegungen nicht glaubhaft.
2.2.5. Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass die Taliban auch einige Male beim ihm zu Hause gewesen wären um ihn mitzunehmen (AS 121). Auch in der Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass die Taliban sogar einige Male bei ihm zu Hause waren um ihn mitzunehmen (AS 202). Es wäre daher unter Berücksichtigung des Begriffs „einige Male“ auch anzunehmen, dass die Taliban den Beschwerdeführer zwar nicht allzu häufig, jedoch wohl mehr als zwei oder drei Mal aufgesucht hätten. In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass die Taliban bei ihm zu Hause tatsächlich eher nur ein oder nur zwei Mal gewesen wären. Er könne sich daran nicht mehr so genau erinnern (VP S. 15). Das Aufsuchen des Hauses der Familie durch die Taliban um den Beschwerdeführer mitzunehmen müsste für einen ca. 13-Jährigen jedenfalls sehr prägend sein, zumal sein Vater erst wenige Tage zuvor von den Taliban freigelassen worden wäre und erheblich verletzt zur Familie nach Hause gekommen wäre. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind daher auch aus diesen Überlegungen nicht glaubhaft.
2.2.6. Des Weiteren ist das vom Beschwerdeführer vorgebrachte Rekrutierungsvorbringen auch nicht mit den Länderinformationen in Einklang zu bringen:
Dabei stellt das Gericht auf die Informationslage zum Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers ab. Es geht aus diesen Länderberichten (Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban) hervor, dass die Organisation der Taliban nicht systematisch Zwangsrekrutierungen betreibt und Personen, die sich gegen eine Mobilisierung gewehrt haben, keine rechtsverletzenden Reaktionen angedroht werden. Die Taliban hatten damals auch keine Schwierigkeiten beim Zugang zu neuen Rekruten, weshalb sie auch noch nicht genötigt waren Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zudem waren sie zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls auch aktiver als bisher bemüht, Personal mit militärischem Hintergrund oder militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Es wurden gegen den Willen der Familie bzw. des Familienoberhauptes auch keine Kinder rekrutiert, wobei der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt ca. 13 Jahre alt war - es stünde nämlich im Widerspruch zu der afghanischen Kultur, würde man Kinder gegen den Wunsch der Familie und ohne entsprechende Entscheidung des Familienverbandes aus dem Familienverband „herauslösen“.
Es ist daher auch vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft, dass die Taliban den Beschwerdeführer gegen seinen Willen und insbesondere gegen den Willen des Vaters – als Familienhaupt – mit Zwang haben rekrutieren und mitnehmen wollen. Da der Beschwerdeführer zudem erst ca. 13 alt war und er weder militärische Erfahrung noch militärisches Wissen vorweisen konnte, ist auch nicht ersichtlich aus welchem Grund die Taliban an diesem ein besonderes Interesse gehabt haben sollten.
Auch sind laut aktuellen Länderberichten gegenwärtig keine Fälle von Zwangsrekrutierung bekannt. Vielmehr war es in einer Wirtschaft ohne andere Beschäftigungsmöglichkeiten sehr beliebt, Teil der Taliban-Sicherheitsstruktur zu sein, sodass kein Zwang erforderlich war. Die Taliban verfügen über genügend Männer und viele sind bereit, auf freiwilliger Basis zu dienen, auch ohne Bezahlung.
2.2.5. 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Es gibt ca 80 bis 89,7% Sunniten. Der Beschwerdeführer gehört daher zur Mehrheit der sunnitischen Muslime in Afghanistan.
Ethnische Paschtunen sind mit ca. 42% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert.
Im Hinblick auf die Volksgruppe der Paschtunen oder von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Sunniten in Afghanistan kann aufgrund dieser Merkmale nicht von Eingriffen in die körperliche Integrität oder Bedrohungen in Afghanistan ausgegangen werden.
2.2.6. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass beim Beschwerdeführer eine Gefahr besteht, aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer in Afghanistan Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein.
Trotz ausführlicher Befragung in der mündlichen Verhandlung, gab der Beschwerdeführer auch nicht an, dass er aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer Schwierigkeiten in Afghanistan haben würde. Auch in der Einvernahme beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer nicht an, dass er aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer in Afghanistan Verfolgungshandlungen ausgesetzt wäre oder, dass er nunmehr eine westliche Lebenseinstellung habe, die einen Bruch mit den in Afghanistan gelebten Werten darstellen würde.
2.2.7. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan als verwestlicht wahrgenommen würde.
Es sind im gesamten Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die darauf schließen ließen, dass der Beschwerdeführer in Österreich bereits in einem solchen Maße eine ("westliche") Lebensweise führt, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Deutschkurs zur Alphabetisierung besucht und er möchte demnächst einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 besuchen. Zu seinem Leben und Alltag in Österreich gab er in der Verhandlung an, Sport zumachen und spazieren zugehe. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in Österreich eine Wertehaltung praktizieren würde, die einen nachhaltigen Bruch mit den in Afghanistan gelebten Werten bilde.
Eine besondere Ausübung der Grundrechte und insbesondere eine Verinnerlichung einer Lebensweise, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde, liegt beim Beschwerdeführer nicht vor. Eine solche Lebensweise würde dem Beschwerdeführer auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht unterstellt werden.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer eine kritische Haltung zum Islam oder ein Abfall vom Glaube unterstellt werden würde. Der Beschwerdeführer ist nicht vom Glauben abgefallen, er ist auch weiterhin sunnitischer Moslem. Er gab auch nicht an, dass ihm unterstellt werden könnte, dass er ein gegen die Scharia oder die Taliban gerichtete Haltung hätte oder, dass er bei einer Rückkehr verdächtigt werden könnte eine solche zu haben.
2.3. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen geringen Deutschkenntnissen, seinen familiären Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage und auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I).
2.4. Zu den Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zu seiner afghanischen Familie und deren Aufenthaltsort in Afghanistan ergibt sich – abgesehen von seinem Vater – aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben.
Es ist jedoch für das Gericht nicht glaubhaft, dass die Mutter des Beschwerdeführers keine Unterstützung mehr von den Onkeln mütterlicherseits und deren Familien bekommen würde, da die Angaben des Beschwerdeführers diesbezüglich erhebliche Widersprüche aufwiesen.
So gab der Beschwerdeführer beim Bundesamt an, dass seine Familie nach dem Tod des Vaters dann bei seinem Onkel mütterlicherseits gelebt habe (AS 120). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer auch an, dass die Mutter und seine Geschwister in Afghanistan beim Onkel leben würden. Der Beschwerdeführer relativierte diese Angaben im Verlauf der Verhandlung dahingehend, dass die Mutter und seine Geschwister weiterhin im ohne den Onkel und dessen Familie im eigenen Haus leben würden und der Onkel nur die Mauer zu seinem Grundstück entfernt hätte.
Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung auch an, dass seine Familie kein Eigentum mehr in Afghanistan habe, auch kein eigenes Haus mehr (VP S. 11). Seine Familie würde mittlerweile bei seinem Onkel mütterlicherseits wohnen (VP S. 11). Der Beschwerdeführer gab dazu in der Verhandlung im Widerspruch aber an, dass seine Mutter immer noch im selben Haus wohnen würde, jedoch habe der Onkel die Mauer zwischen den Grundstücken entfernt, sodass nun alle auf einem Grundstück zusammenleben würden.
Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung zunächst auch an, dass seine Onkel für die Mutter und seine Geschwister in Afghanistan sorgen würden (VP S. 11). Erst danach gab er dazu im Widerspruch an, dass seine Onkel nicht mehr für seine Familie sorgen könne (VP S. 12). Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer auch an, dass die Onkel der Mutter nunmehr gesagt haben, dass diese sich nun selber um ihr Leben kümmern müsse (AS 120). Es wäre daher davon auszugehen, dass seit der Einvernahme beim Bundesamt im April 2024 die Mutter selber für sich hätte sorgen müssen. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den Angaben in der Verhandlung, wonach nach mehr als einem Jahr immer noch die Onkel für die Mutter sorgen würden. Die Angaben des Beschwerdeführers zur Unterstützungsfähigkeit und den finanziellen Verhältnissen der Familie sind daher nicht glaubhaft.
Da der Onkel die Mauer zwischen den Grundstücken entfernt hat, ist dies als Zeichen für ein gemeinsames Zusammenleben und eine gegenseitige Unterstützung zu werten. Es ist daher auch unter diesem Aspekt davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer ein tragfähiges und vor allem schutzfähiges familiäres Netzwerk in Afghanistan vorfindet.
Es ist daher auch unter diesem Blickwinkel kein Verfolgungsrisiko für den Beschwerdeführer erkennbar.
2.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
…“
3.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 29.02.2024, Ra 2023/18/0298).
3.1.3. Der Beschwerdeführer und seine Familie wurden von den Taliban weder bedroht noch angegriffen oder aufgesucht. Die Familie des Beschwerdeführers hatte keinen Kontakt zu den Taliban. Diese wurde auch nicht aufgefordert den Beschwerdeführer den Taliban zu übergeben. Die Taliban haben auch nicht versucht den Beschwerdeführer unter Zwang zu rekrutieren. Der Vater wurde nicht von den Taliban mitgenommen oder verletzt, dieser lebt immer noch in Afghanistan.
Durch die in Afghanistan lebende Familie findet er ein schutzfähiges familiäres Netzwerk vor, sodass auch dies einer Verfolgung des Beschwerdeführers entgegensteht.
3.1.4. Es konnte weder ein Abfall vom Islam noch eine gegenüber dem Islam feindliche oder kritische Haltung beim Beschwerdeführer festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist auch weiterhin sunnitischer Moslem. Er steht dem Islam nicht kritisch oder ablehnend gegenüber. Ihm wird auch nicht unterstellt, dass er vom Islam abgefallen sei oder, dass er eine diesbezüglich kritische oder ablehnende Haltung habe.
3.1.5. Auch eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen und der Religionsgemeinschaft der Sunniten konnte nicht festgestellt.
99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Es gibt ca. 80 bis 89,7% Sunniten. Der Beschwerdeführer gehört daher zur Mehrheit der sunnitischen Muslime in Afghanistan. Ethnische Paschtunen sind mit ca. 42% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an.
Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Paschtunen oder von Angehörigen der Religionsgemeinschaft der Sunniten in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.
3.1.6. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine westliche Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.
Es droht ihm daher aus diesem Grund keine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan.
3.1.7. Es haben sich auch keine Anhaltspunkte dahin ergeben, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seines Merkmals als Rückkehrer eine asylrelevante Verfolgung drohen würde.
Hinsichtlich einer Verfolgung für Rückkehrer ist auszuführen, dass nach den zitierten Länderinformationen keine Fälle bekannt sind, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthaltes in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Rückkehrern in Afghanistan haben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle Rückkehrer gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals als Rückkehrer und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Afghanistans einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein.
3.1.8. Der Beschwerdeführer hat keine gegen die Regierung der Taliban gerichtete oppositionelle Einstellung. Er lehnte diese und die Scharia auch nicht ab. Ihm wird bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch nicht unterstellt, eine gegen die Taliban oder die Scharia gerichtete Einstellung zu haben.
3.1.9. Aus den UNHCR Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen (Februar 2023), kann sich ein erhöhter Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz für Angehörige der ehemaligen Regierung oder der internationalen Gemeinschaft, für ehemalige Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte oder der internationalen Streitkräfte, für Journalisten und Medienwirkende, für Aktivisten, Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten und Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität ergeben.
Aus den EUAA Leitlinien (Mai 2024), kann sich zudem auch für Personen denen unislamisches Verhalten, Blasphemie oder der Abfall vom Islam vorgeworfen wird, für Personen mit anderen Moralvorstellungen oder sozialen Werten, Personen mit westlicher Orientierung sowie Frauen und Mädchen einen erhöhten internationalen Schutzbedarf ergeben.
Ein solcher Risikozusammenhang konnte jedoch beim Beschwerdeführer nicht festgestellt werden, sodass auch diesbezüglich keine asylrelevante Verfolgung vorliegt.
3.1.10. Im Ergebnis droht dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat keine asylrelevante Verfolgung.
Aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Lage der Herkunftsregion des Beschwerdeführers ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen.
3.1.11. Die Beschwerde ist zu diesem Spruchpunkt daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.