W131 2269543-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des BFA RD NÖ Außenstelle Wr. Neustadt vom 08.03.2023, Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Nach Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer (= Bf) am 12.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Im Rahmen der am selbigen Tag durchgeführten Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdiensts gab der Bf befragt zu seinen Fluchtgründen an, aufgrund seines bevorstehenden Militärdiensts geflüchtet zu sein. Er wolle den Militärdienst nicht antreten.
2. Im Rahmen der am 15.02.2023 von der belangten Behörde durchgeführten Einvernahme brachte der Bf zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen vor, aufgrund seines bevorstehenden Militärdiensts geflüchtet zu sein. Er wolle nicht kämpfen und nicht sterben.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Bf auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) ab. Sie erkannte ihm gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt II. und III.).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids richtete sich die binnen offener Frist erhobene Beschwerde, in welcher der Bf ua vorbrachte, bei einer Rückkehr die Einberufung zum Wehrdienst für die Assad-Regierung sowie die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung zu fürchten.
5. Mit Schreiben vom 30.03.2023 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den dazugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
6. Am 28.11.2023 fand ein Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Bf zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen angab, den Militärdienst für die Assad-Regierung nicht ableisten zu wollen, weil er keine Menschen umbringen wolle.
7. Am 22.03.2024 wurde der Bf vor dem BFA, aufgrund einer potentiellen Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung, befragt. Dort gab der Bf an, keine Angst vor dem Militärdienst für die Assad-Regierung zu haben. Er wolle nur nicht gegen das eigene Volk kämpfen.
8. Mit Bescheid vom 25.03.2024 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte des Bf für zwei Jahre verlängert.
9. Mit Parteiengehör vom 22.04.2024 wurden das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, Datum der Veröffentlichung 27.03.2024 (Version 11) sowie die EUAA Country Guidance Syria (Stand April 2024) ins Verfahren eingeführt. Das Gericht räumte den Parteien die Möglichkeit ein, hierzu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen.
10. Mit Parteiengehör vom 10.01.2025 wies das Bundesverwaltungsgericht die Verfahrensparteien auf die notorisch geänderte Situation in Syrien wegen des Wegfalls des Assad-Regimes hin und brachte diesen diesbezügliche Länderinformationen zur Kenntnis. Das Gericht räumte den Parteien die Möglichkeit ein, hierzu binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen.
11. Von dieser Möglichkeit machte der Bf mit Stellungnahme vom 20.01.2025 Gebrauch. Er führte in dieser aus, dass zurzeit nicht abschätzbar sei, wie sich die Lage in Syrien weiterhin entwickeln werde, weswegen es zurzeit an einer wesentlichen Grundlage für die Entscheidung fehle. Die HTS, welche nunmehr in Syrien an der Macht sei, sei als Terrororganisation eingestuft und Berichte in der Vergangenheit würden darlegen, dass die HTS zumindest bisher teils brutal gegen Andersdenkende vorgegangen sei. Auch der UNHCR rufe alle Staaten dazu auf, keine zwangsweisen Rückführungen nach Syrien durchzuführen.
12. Gemeinsam mit der Ladung zu einem zweiten Termin der mündlichen Beschwerdeverhandlung nach dem Regimewechsel in Syrien Ende 2024, übermittelte das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensparteien die Länderinformationsblätter der BFA Staatendokumentation vom 27.03.2024 und 08.05.2025 sowie den Syria: Country Focus der European Union Agency for Asylum (=EUAA) aus März 2025 und teilte mit, dass es beabsichtige diese Länderberichte den Feststellungen zur Situation in Syrien seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
13. Am 20.06.2025 fand am Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch statt, an welcher auch der Bf in Begleitung seines Rechtsvertreters teilnahm.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Bf und seines bisherigen Aufenthalts in Österreich
Der Bf ist Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien und wurde dort am XXXX im Gouvernement Idlib, der Stadt XXXX südlich von Idlib geboren und ist dort aufgewachsen. Der Bf gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.
Der Bf ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zur individuellen Verfolgungs- oder Bedrohungssituation des Bf
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bf einer aktuellen, individuell gegen ihn gerichteten Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder seiner politischen Gesinnung ausgesetzt war bzw ihm eine solche Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.
Es kamen auch keine sonstigen Gründe während des Verfahrens hervor, die auf eine drohende Verfolgung des Bf hindeuten.
Es kann (auch sonst) nicht festgestellt werden, dass der Bf mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Private zu erwarten hätte.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
1.3. Unter Bezugnahme auf das Länderinformationsblatt der BFA Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung 08.05.2025, Version 12) werden auszugsweise folgende entscheidungsrelevanten die Person des Bf individuell betreffende Feststellungen zur Lage in Syrien getroffen:
„Länderspezifische Anmerkungen
Aktualitätshinweis:
[…]
Im vorliegenden Dokument wurde auf die allgemeine Lage seit dem Umbruch am 8.12.2024 fokussiert. Die Lage in den Gebieten unter Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) hat sich bisher nicht wesentlich verändert. In dieser Länderinformation (LI) wurden die aus Sicht der Staatendokumentation wesentlichsten rezenten Entwicklungen aufgenommen. Für ältere, aber nicht notgedrungen veraltete, Informationen, sei auf die Version 11 der Länderinformationen verwiesen [abrufbar über https://www.ecoi.net/ oder über das Koordinationsboard des BFA]. Eine umfassende Überarbeitung dieses Kapitels, unter Berücksichtigung aktueller Quellen und Informationen, wird zeitnah mittels (Teil-)Aktualisierung erfolgen. […]
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay'at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).
Die Karte zeigt die Aufteilung Syriens unter den bewaffneten Gruppierungen Ende Februar 2025:
Quelle: TWI 28.2.2025
[…]
Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien (NYT 12.12.2024).
Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).
[…]
Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
[Derzeit liegen keine ausreichenden Informationen zum Wehrdienst oder der Rekrutierung bzw. zu Streitkräften der aktuellen syrischen Regierung vor. Im Folgenden wird der aktuelle Stand dargelegt, wie er sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ergibt. Teilweise werden Falschinformationen, insbesondere auf Social-Media Kanälen verbreitet, die in weiterer Folge auch Eingang in andere Berichte finden. Die Vorgehensweise der Recherche und Ausarbeitung der vorliegenden Länderinformation entspricht den in der Methodologie der Staatendokumentation festgeschriebenen Standards. Weder wird ein Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit der vorliegenden Informationen erhoben. Weitere Informationen zur vorliegenden Länderinformation finden sich im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen.]
Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen (AAA 10.12.2024). Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war (SOHR 8.12.2024). Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen (AlMada 15.12.2024). Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten (ISW 16.12.2024). Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern (TNA 19.12.2024). Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024) (AAA 10.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte (Harmoon 17.3.2025).
Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit (Presse 9.12.2024). HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll (CNBC Ara 15.12.2024a; vgl. MEMRI 16.12.2024). Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll (ISW 16.12.2024). Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an (REU 11.12.2024a). In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen (Arabiya 10.2.2025a; vgl. AJ 10.2.2025a). Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt (REU 11.12.2024b). Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar (Guardian 13.1.2025). Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben (Al Majalla 24.1.2025). Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein "Versöhnungszentrum", wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren (Guardian 13.1.2025). In diesen "Versöhnungszentren" erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk "desertiert". Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde (Chatham 10.3.2025). [Weitere Informationen zu "Versöhnungszentren" finden sich auch in den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) und Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).] Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur (DNewsEgy 3.2.2025). Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den "Versöhnungszentren" in verschiedenen Städten aufgetaucht sind (BBC 29.12.2024). Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen "Versöhnungsprozessen" entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen (MEI 13.3.2025).
Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara' hat die Vision einer neuen „Nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll (DNewsEgy 3.2.2025). Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln (Arabiya 6.1.2025b). Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) (MAITIC 9.1.2025). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren (UNSC 7.1.2025). Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein (Al Majalla 24.1.2025). Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission. (AlHurra 12.2.2025). [Details zur neuen syrischen Armee und der Entwaffnung bewaffneter Gruppierungen finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) Anm.]
Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (TR-Today 8.1.2025). Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen (UNSC 7.1.2025).
Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden (SCI o.D.). Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben (Arabiya 10.2.2025a). Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei (Syria TV 21.2.2025). Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen (Enab 12.2.2025). Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara'a in Südsyrien eröffnet (NPA 17.3.2025). Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet (ISW 16.4.2025). Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung (FDD 28.1.2025).
Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit (Syria TV 26.2.2025).
1.4. Die Heimatregion des Bf steht unter der Kontrolle der HTS bzw der syrischen Übergangsregierung, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts der belangten Behörde und des Verfahrensakts des Bundesverwaltungsgerichts.
2.2. Die Feststellungen hinsichtlich der Person des Bf beruhen auf den diesbezüglichen gleichlautendenden und insoweit glaubhaften Aussagen des Bf während des gesamten Verfahrens.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Bf ergibt sich aus einer aktuellen Einsicht in das Strafregister.
2.3. Aus einer Gesamtschau ergibt sich, dass der Bf eine aktuelle Verfolgung aus asylrelevanten Gründen in Bezug auf seinen Herkunftsstaat nicht glaubhaft machen konnte.
2.3.1. Soweit sich die im Verfahren vorgebrachten Fluchtgründe des Bf auf eine drohende Verfolgung durch die – mittlerweile gestürzte – Assad-Regierung iZm der Verweigerung des unstrittig noch nicht geleisteten Wehrdienstes (AS 8 und Bescheid Seite 5, Beschwerde Seite 2 sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.11.2023 [=VHS1] Seite 4 und 5) beziehen, ist zu berücksichtigen, dass den festgestellten Länderberichten folgend die Assad-Regierung am 08.12.2024 gestürzt wurde. Die Offensive gegen die Assad-Regierung wurde von der HTS angeführt, welche nunmehr große Teile des syrischen Territoriums kontrolliert und eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet hat, welche diesen Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe untersagt. Da die Assad-Regierung die Kontrolle über Syrien verloren hat, ist eine Verfolgung des Bf durch diese faktisch nicht möglich. Daher geht das Vorbringen des Bf iZm einer möglichen Verfolgung durch die ehemalige Assad-Regierung ins Leere. Dies wurde vom Bf in seiner Stellungnahme vom 20.01.2025 – unter Verweis auf eine Position des UNHCR aus Dezember 2024 – auch selbst zugestanden (vgl deren Seite 3).
2.3.2. Nach dem Wegfall der Assad-Regierung und eines diesbezüglich gewährten Parteiengehörs durch das Bundesverwaltungsgericht gab der Bf in seiner Stellungnahme vom 20.01.2025 nun an, dass zurzeit noch nicht abschätzbar sei, wie sich die Lage in Syrien weiterhin entwickeln werde und es zurzeit an einer wesentlichen Grundlage für die Entscheidung fehle. Die HTS sei eine Terrororganisation und er habe nun Angst, durch die HTS asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu werden (siehe S 2 der Stellungnahem vom 20.01.2025 dazu auch bereits VHS1 Seite 6).
In einer weiteren mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Bf aus, dass es in Idlib bzw Syrien keine Sicherheit und keinen Schutz, insbesondere nicht für Zivilisten gebe. Alle Gruppen würden sich rächen wollen. Er könne ein Opfer werden. Seine Rechte könnten dort nicht garantiert werden und es wäre ihm nicht möglich, dort „zB politisch gegen die Regierung“ zu sein. Daneben fürchte er auch Schläferzellen der ehemaligen Assad-Regierung, weil er gegen diese eine oppositionelle Haltung eingenommen habe. Dies sei aufgrund seiner Teilnahme an Demonstrationen auch bekannt gewesen (vgl die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 20.06.2025 [= VHS2] Seite 5f). Auf konkrete Nachfrage des erkennenden Richters, ob der Bf eine gegen ihn gerichtete Bedrohung seitens der Übergangsregierung (HTS) oder seitens der kurdischen Milizen befürchte, legte dieser dar, dass es nicht um eine konkrete Gruppe gehe. Er wolle eine Zukunft aufbauen und eine Familie gründen, was in einem Land, in dem jeder eine Waffe habe nicht möglich sei (vgl VHS2 Seite 6).
Nähere Ausführungen zu seiner politischen Überzeugung – insbesondere betreffend die Übergangsregierung der HTS – tätigte der Bf jedoch auch in der weiteren mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht. Mit seinem Vorbringen, welches sich im Wesentlichen auf die derzeitige Sicherheitslage seit dem Sturz der Assad-Regierung bezog vermochte der Bf jedoch keine der HTS oppositionell gegenüberstehende, verinnerlichte politische Gesinnung bzw Überzeugung konkret darzulegen bzw war eine solche seinen Aussagen nicht entsprechend überzeugend und damit nicht glaubhaft zu entnehmen.
2.3.3. Insgesamt konnte daher weder eine aktuelle, konkret gegen die Person des Bf gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst irgendwelche Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung des Bf im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.
2.4. Die Feststellungen zur Lage in Syrien ergeben sich aus den zitierten Quellen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der unter Pkt II.1.3. angeführten Erkenntnisquelle sowie des Umstandes, dass dieser Bericht auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbietet, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Ein entsprechender Beweiswert des BFA Länderinformationsblatts ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht darüber hinaus auch daraus, dass aufgrund von § 5 Abs 2 BFA-Einrichtungsgesetz vorgesehen ist, dass die gesammelten Tatsachen länderspezifisch zusammenzufassen, nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten (als allgemeine Analyse) und in allgemeiner Form zu dokumentieren sind. Die Dokumentation ist weiters in Bezug auf Fakten, die nicht oder nicht mehr den Tatsachen entsprechen, zu berichtigen. Eine allenfalls auf diese Tatsachen aufbauende Analyse ist schließlich richtig zu stellen. Sofern dem LIB Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass die Informationen über die Lage im Herkunftsstaat regelmäßig aktualisiert werden und jene Informationen, die nicht durch neue Berichte ersetzt werden, mangels einer maßgeblichen Änderung der Sachlage nach wie vor relevant für die Lagebeurteilung im Herkunftsstaat sind.
Die Feststellungen zu den Machtverhältnissen in der Herkunftsregion des Bf beruhen auf den unstrittigen Ergebnissen der mündlichen Verhandlung.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1.1. § 3 Abs 1 AsylG 2005 verweist auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199).
„Flüchtling“ iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlands befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Lands zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Lands seines gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren. (VwGH 25.03.1999, 98/20/0431 uva).
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 liegt es am Bf, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 26.06.2018, Ra 2018/20/0307; VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203; VwGH 27.06.2019, Ra 2018/14/0274). Auf diesen Zeitpunkt hat die der „Asylentscheidung“ immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl VwGH 29.02.2024, Ra 2023/18/0298 mwN). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen (VwGH 05.11.1992, 92/01/0792; VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).
Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob ihm dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm – sollte dies der Fall sein – im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (VwGH 25.08.2022, Ra 2021/19/0442 mwN).
Art 10 Statusrichtlinie legt fest, dass unter dem Begriff der politischen Überzeugung insbesondere zu verstehen ist, dass der Antragsteller in einer Angelegenheit, die die in Art 6 genannten Verfolger sowie deren Politiken und Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Antragsteller auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
Politisch ist alles, was für den Staat für die Gestaltung bzw Erhaltung der Ordnung des Gemeinwesens und des geordneten Zusammenlebens der menschlichen Individuen in der Gemeinschaft von Bedeutung ist. Maßfigur ist in diesem Zusammenhang der potentielle Verfolgerstaat. Was für den einen Staat „politisch“ ist, muss es für den anderen nicht sein. Die politische Gesinnung muss nicht eine geschlossene politische Ideologie betreffen. Irgendeine politische Meinung, mag sie nun vernünftig oder unvernünftig, abschließend oder unvollständig, nachvollziehbar oder unnachvollziehbar sein, genügt (vgl VwGH 16.09.1999, 99/01/0078).
Auch der EuGH hat etwa in seiner Entscheidung vom 21.09.2023, C‑151/22, ausgesprochen, dass der Begriff „politische Überzeugung“ weit auszulegen ist und nicht verlangt werden kann, dass eben diese Überzeugung beim Antragsteller so tief verwurzelt ist, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland nicht davon absehen könnte, sie zu äußern und sich damit der Gefahr von Verfolgungshandlungen im Sinne von Art 9 der Statusrichtlinie auszusetzen.
3.1.2. Auf Basis der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich daher für das gegenständliche Verfahren wie folgt:
3.1.2.1. Anhand des festgestellten Sachverhalts ergibt sich, dass die vom Bf behauptete Furcht, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:
Als Herkunftsregion des Bf ist unstrittig die Region südlich der Stadt Idlib im Gouvernement Idlib anzunehmen. Diese steht unter der Kontrolle der HTS bzw der Übergangsregierung.
Soweit sich die – vor dem Machthaberwechsel in Syrien im Dezember 2024 vorgebrachten – Fluchtgründe des Bf auf eine drohende Verfolgung durch die – mittlerweile gestürzte – Assad-Regierung iZm einer Verweigerung des – unstrittig – noch nicht geleisteten Wehrdiensts und einer deswegen, sowie wegen der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung im Ausland, unterstellten oppositionellen Gesinnung beziehen, ist – und dies wurde auch vom Bf nicht bestritten – zu erkennen, dass diese Umstände nunmehr weggefallen sind. Selbst bei Wahrunterstellung ist dieses Vorbringen daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht einmal denkmöglich geeignet, eine asylrelevante Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK zu begründen
Hinsichtlich seines – unsubstantiierten und lediglich allgemeinen – Vorbringens, dass er Verfolgung durch die HTS fürchte, weil er diese für eine Terrororganisation halte, ist darauf hinzuweisen, dass relevant nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein kann; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der „Asylentscheidung“ immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl VwGH 29.02.2024, Ra 2023/18/0298 mwN). Anhand des lediglich pauschal erstatteten Vorbringens des Bf – auf die Frage des erkennenden Richters antwortete der Bf nur ausweichend, dass es nicht um eine gegen ihn gerichtete Bedrohung durch die HTS oder andere Gruppierungen gehe, sondern um die Möglichkeit, sich eine Zukunft in Syrien aufzubauen – und des Umstandes – auf den der Bf in seiner Stellungnahme vom 20.01.2025 auch selbst hinweist –, dass die HTS sich derzeit gemäßigt präsentiert sowie der unstrittig noch nicht abzuschätzenden Auswirkungen durch die Machtübernahme durch die HTS und deren künftigen Regierungsstils, ist, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Bf auch eine oppositionelle politische Haltung gegen die HTS nicht glaubhaft machen konnte, nicht mit der asylrechtlich entsprechenden, maßgeblichen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass es zu Handlungen in Form von Verfolgung gegen den Bf kommen wird oder eine solche mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht (VwGH 11.9.2024, Ra 2024/01/0259, mwN).
3.1.2.2. Bezüglich der Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, ist Folgendes festzuhalten:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt im Umstand, dass im Heimatland des Revisionswerbers Bürgerkrieg herrscht, für sich allein keine Verfolgungsgefahr iSd GFK (vgl VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404, Rz 7 mwN). Auch eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Überhaupt rechtfertigen wirtschaftliche Gründe nach Art 1 Abschnitt A GFK grundsätzlich nicht die Ansehung als Flüchtling. Sie könnten nur dann relevant sein, wenn dem Beschwerdeführer der völlige Verlust seiner Existenzgrundlage drohte (VwGH 28.6.2005, 2002/01/0414).
Darüber hinaus wurde der allgemeinen Gefährdung des Bf durch die volatile Lage, inkl der Gewaltgefahr durch Schläferzellen oder Ähnliches, in Syrien bereits mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 durch die belangte Behörde Rechnung getragen.
Eine Asylrelevanz im Hinblick auf sonstige Gründe ist aus dem festgestellten Sachverhalt und insbesondere dem Vorbringen des Bf vor dem Hintergrund der dargestellten Leitlinien nicht ersichtlich.
Auch sonst ergab sich im Verfahren – dies auch bei entsprechender amtswegiger Ermittlungstätigkeit – kein Anhaltspunkt für eine Asylrelevanz.
Insgesamt ist es dem Bf nicht gelungen, eine ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende, die Intensität von Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 erreichende Gefahr glaubhaft zu machen. Dies trifft auch bei Vornahme einer Gesamtbetrachtung zu.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids war sohin als unbegründet abzuweisen.
Es wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bf, in Entsprechung der Rechtsprechung des EuGH (siehe dazu etwa EuGH 09.09.2021, Rs C-18/20 und 19.12.2024, Rs C-123/23 und C-202/23), bei Vorliegen neuer Umstände oder Erkenntnisse, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass er nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, jederzeit einen Folgeantrag iSd § 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005 stellen kann.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die zu Spruchpunkt A zitierte Judikatur, dass eine asylrelevante Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen und zum Entscheidungszeitpunkt vorliegen muss). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
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