Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger sowie Senatspräsident Mag. Novak und Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des W S, vertreten durch die Draxler Rechtsanwälte KG in Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. Oktober 2023, Zl. VGW 107/V/032/8729/2023 9, betreffend Einwendungen gegen Rückstandsausweise (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Gegenüber dem Revisionswerber wurden nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Wien in Zusammenhang mit zwei rechtskräftigen Verwaltungsstrafverfahren nach dem Rundfunkgebührengesetz (RGG) Rückstandsausweise vom 6. April 2022 und vom 20. Mai 2022 ausgestellt.
2 Mit Schriftsatz vom 6. Februar 2023 erhob der Revisionswerber Einwendungen gegen die Rückstandsausweise vom 6. April 2022 und vom 20. Mai 2022 und beantragte deren Aufhebung. Zur Begründung führte er aus, der Magistrat der Stadt Wien sei nicht berechtigt, über bereits bescheidmäßig ausgesprochene Leistungsbefehle bzw. über zuvor bereits ergangene Rückstandsausweise hinaus einen oder weitere Rückstandsausweise über idente Aussprüche zu erlassen und so weitere Exekutionstitel zu schaffen, anstatt die Vollstreckung auf Grundlage der bereits bestehenden Straferkenntnisse, Gebührenbescheide sowie Rückstandsausweise zu führen.
3 Mit Bescheid vom 19. April 2023 wies der Magistrat der Stadt Wien die Einwendungen gegen die Rückstandsausweise vom 6. April 2022 und vom 20. Mai 2022 als unzulässig zurück (Spruchpunkt 1) und wies den Antrag auf Aufhebung der angeführten Rückstandsausweise ab (Spruchpunkt 2). In Spruchpunkt 3 stellte es den Gesamtbetrag der am 19. April 2023 (Zeitpunkt der Bescheiderlassung) offenen Forderungen (Strafen, Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens, Mahn und Pfändungsgebühren) fest. Zudem hob es Rückstandsweise vom 20. Juli 2021 und vom 22. Dezember 2021 auf, weil die dort angeführten Beträge auch in den Rückstandsausweisen vom 6. April 2022 und vom 20. Mai 2022 ausgewiesen seien (Spruchpunkt 4).
4 Der Revisionswerber erhob gegen den Bescheid vom 19. April 2023 Beschwerde und beantragte, den Spruchpunkt 1 des Bescheides ersatzlos aufzuheben und den Spruchpunkt 2 insoweit abzuändern, als seinen Anträgen in den Einwendungen Folge gegeben und die beiden Rückstandsausweise ersatzlos aufgehoben werden sollten. Die Spruchpunkte 3 und 4 blieben unangefochten.
5 Das Verwaltungsgericht führte eine mündliche Verhandlung durch und hob mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, die Spruchpunkte 1 und 2 des vor ihm angefochtenen Bescheides ersatzlos auf. Zur Begründung führte es aus, der Magistrat der Stadt Wien habe aufgrund der Einwendungen des Revisionswerbers gegen die Rückstandsausweise vom 6. April 2022 und vom 20. Mai 2022 einen Abrechnungsbescheid erlassen, in dem er über die zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung (19. April 2023) offenen Forderungen aus zwei Verwaltungsstrafverfahren abgesprochen habe (Spruchpunkt 3 des angefochtenen Bescheides). Mit dem Abrechnungsbescheid habe der Magistrat die Einwendungen des Revisionswerbers gegen die Rückstandsausweise vom 6. April 2022 und vom 20. Mai 2022 somit abschließend erledigt.
6 Die mit Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides erfolgte Zurückweisung der Einwendungen, die in Spruchpunkt 3 des angefochtenen Bescheides inhaltlich behandelt worden seien, erweise sich als widersprüchlich und angesichts der Pflicht, darüber inhaltlich abzusprechen, als rechtswidrig.
7 Die mit Spruchpunkt 2 erfolgte Abweisung der Aufhebungsanträge erweise sich vor dem Hintergrund des (nunmehr rechtskräftigen) erkennbar abschließenden Abspruchs über die offenen Forderungen in Spruchpunkt 3 des angefochtenen Bescheides als redundant, weshalb auch dieser Spruchpunkt ersatzlos zu beheben gewesen sei.
8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12Die Revision macht zur Zulässigkeit zunächst geltend, das Verwaltungsgericht Wien sei für die Behandlung der Beschwerde des Revisionswerbers unzuständig gewesen. Die Erstbehörde habe gegenüber dem Revisionswerber Rückstandsausweise erlassen. Die Erlassung eines solchen Exekutionstitels sei bloß über Abgabenschulden zulässig, nicht jedoch über nach dem VStG verhängte Verwaltungsstrafen. Behandle die Erstbehörde jedoch wie hierVerwaltungsstrafen als Abgaben und Beiträge im Sinne der BAO, so werde dies die Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts begründen; das Verwaltungsgericht Wien sei zur Behandlung der Anträge des Revisionswerbers sohin unzuständig gewesen.
13Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die Behörde in ihren Rückstandsausweisen keineswegs Abgaben oder Beiträge im Sinne der BAO verzeichnet hat. Wie sich aus den in den Verfahrensakten befindlichen „Rückstandsausweisen“ vom 6. April 2022 und 20. Mai 2022 ergibt, wurde darin jeweils auf „Verwaltungsstrafen“ (samt „Nebengebühren“) aus näher bezeichneten Verfahren nach dem Rundfunkgebührengesetz verwiesen. Es wird in der Revision nicht näher dargelegt und ist auch nicht erkennbar, in welcher Weise sich insoweit eine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichts (vgl. dazu § 1 BFGG) ergeben könnte.
14Der Revisionswerber macht weiters geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu 2003/09/0111 offengelassen, ob eine Behörde berechtigt gewesen sei, angesichts eines bereits bescheidmäßig ausgesprochenen und in Rechtskraft erwachsenen Leistungsbefehls zusätzlich einen Rückstandsausweis und somit einen weiteren Exekutionstitel zu schaffen. Soweit für den Revisionswerber ersichtlich, liege über diese konkrete Rechtsfrage bislang keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor. Der Revisionswerber macht dazu weiters geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu 2011/08/0344 ausgeführt, dass Rückstandsausweise über offene Forderungen nicht nochmals und wiederholend in weiteren Rückstandsausweisen angesprochen werden dürften; die entsprechenden Rückstandsausweise müssten aufgehoben werden. Werde dieser Rechtssatz analog auf den vorliegenden Fall angewandt, so sei auch das nochmalige Ansprechen eines bereits in einem Exekutionstitel nach § 1 „Abs.“ 12 (bzw. 13) EO erfassten Anspruchs in einem weiteren Exekutionstitel nach § 1 „Abs.“ 13 EO unzulässig und stelle ein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dar.
15Diesem (abstrakten) Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass Rückstandsausweise, die auf Leistungsgebote enthaltenden Bescheiden (etwa Haftungsbescheiden) beruhen, mit den Leistungsgeboten übereinstimmen müssen (vgl. VwGH 4.5.2023, Ra 2020/16/0114, mwN). Demnach entspricht es aber der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Vorhandensein eines „Leistungsbefehls“ der Schaffung eines Rückstandsausweises nicht entgegensteht (vgl. auch Faberin SVKomm, 272. Lfg, § 64 ASVG Rz 57, mwN). Im hier zu beurteilenden Fall liegen (nach Aufhebung der weiteren Rückstandsausweise bereits durch die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. April 2023) auch (anders als zu VwGH 13.8.2013, 2011/08/0344) keine Rückstandsausweise vor, die jeweils (allenfalls zum Teil) dieselben Forderungen auswiesen. Es ist daher hier nicht darauf einzugehen, ob die Rechtsprechung zu Rückstandsausweisen nach § 64 ASVG (vgl. dazu auch Derntl , SozSi 2015, 170 ff) auf die hier vorliegenden Rückstandsausweise zu übertragen wäre.
16 Schließlich macht der Revisionswerber geltend, in der angefochtenen Entscheidung habe das Verwaltungsgericht Wien die zurück bzw. abweisenden Entscheidungen der Behörde ersatzlos aufgehoben. Dies habe zur Folge, dass die Anträge des Revisionswerbers unbehandelt geblieben seien, eine Erledigung der Anträge sei nicht erfolgt und das Verwaltungsverfahren sei ohne Entscheidung beendet worden. Im Ergebnis stelle dies eine Verweigerung jeglichen Rechtsschutzes und ein Missachten der den Verwaltungsbehörden bzw. den Verwaltungsgerichten auferlegten Entscheidungspflicht dar. Das Verwaltungsgericht Wien habe diese Verpflichtungen durch die abschließende Nichtentscheidung über die Anträge des Revisionswerbers nicht beachtet und sei deshalb die Revision zulässig.
17 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Anträge des Revisionswerbers keineswegs unbehandelt geblieben sind. Die Anträge wurden vielmehr inhaltlich behandelt und in Erledigung dieser Anträge festgestellt, in welcher Höhe offene Forderungen bestünden. Diese Entscheidung blieb unbekämpft, sodass eine (behauptete) rechtlich unzutreffende Erledigung der Anträge des Revisionswerbers nun nicht mehr geltend gemacht werden kann.
18Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
19Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 16. Oktober 2025
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