Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Lachmayer und Dr. in Wiesinger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der A N als Rechtsnachfolgerin der E KG in I, vertreten durch die SKP Schüßling, Kofler Partner GmbH Wirtschaftsprüfungs und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Südbahnstraße 1, nunmehr Mag. Christoph Rosner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6a, als Masseverwalter der A N, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. Dezember 2023, Zl. RV/3100523/2021, betreffend Umsatzsteuer 2015 und 2016, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Die Revisionswerberin ist nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) seit 26. Mai 2023 die Rechtsnachfolgerin der E KG, die im streitgegenständlichen Zeitraum so der im Firmenbuch eingetragene Geschäftszweig sowie der Wortlaut des von ihr angemeldeten freien Gewerbes im Bereich der „Tierbestattung in Form der Planung und Durchführung der Bestattungszeremonie“ tätig war. Diesbezüglich hat die E KG Einzelkremierungen, Sammelkremierungen, Erdbestattungen von Haustieren sowie Zusatzleistungen zu den Kremierungen, Urnen und Särge angeboten. Die Einzel und Sammelkremierungen wurden zu Pauschalpreisen angeboten.
Die Leistungen von Einzelkremierungen beinhalteten:
„1. Sicherstellung der Identität des Tieres während des gesamten Prozesses durch markierte feuerfeste Steine sowie lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation
2. Individuelle Beratung in den Räumlichkeiten der KG, der Auftraggeber oder telefonisch
3. Pietätvolle Abholung des verstorbenen Tieres im Aluminiumsarg (im Pauschalpreis inbegriffen bei Abholung in Innsbruck und Umgebung, darüber hinaus gegen Aufpreis)
4. Kühlung des verstorbenen Tieres bis zur Überstellung ins Krematorium und nach der Überstellung ins Krematorium bis zur Kremierung
5. Abwicklung von für die Überstellung notwendigen Behördengängen, auf Wunsch auch Abmeldung von der Hundesteuer
6. Überstellung ins Tierkrematorium [...]
7. Einzelkremierung im Tierkrematorium [...]
8. Rückführung der Asche bis zur KG
9. Erstellung eines Kremierungszertifikates und einer Erinnerungsparte
10. Individuelle Zeremoniegestaltung und Trauerarbeit“
Die Leistungen von Sammelkremierungen beinhalteten:
„1. Sicherstellung der Identität des Tieres während des gesamten Prozesses durch lückenlose und nachvollziehbare Dokumentation
2. siehe oben bei den Einzelkremierungen, Leistungen 2 bis 6 sowie 9 und 10
3. Sammelkremierung im Tierkrematorium [...]
4. Beisetzung der Asche im Sammelgrab [...], auf Wunsch Ausfolgung von symbolischer Asche“
Für die Zusatzleistungen und die verkauften Urnen wurden gesonderte Preise in Rechnung gestellt.
2 Im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 wurden so das BFG sämtliche Rechnungen zunächst mit 20 % Umsatzsteuer ausgestellt. Im zweiten Halbjahr 2016 wurde damit begonnen, die Pauschalpreise für Einzel und Sammelkremierungen (zur Gänze) dem ermäßigten Steuersatz von 10 % zu unterwerfen. Leistungen, die in den Pauschalpreisen inbegriffen waren, wurden zwar teilweise gesondert auf den Rechnungen ausgewiesen (z.B. Abholung im Nahbereich, Ascherückführung, Kremierungszertifikate, Erinnerungsparten), aber stets mit einem Betrag von 0 €. Die kostenpflichtigen Zusatzleistungen, die verkauften Urnen sowie die Aufpreise bei Abholung von weiter entfernten Orten wurden stets gesondert ausgewiesen und dem Normalsteuersatz unterworfen. Im Jahr 2015 wurden 516 und im ersten Halbjahr 2016 245 Rechnungen bezahlt, die als Leistung mindestens eine Einzel oder Sammelkremierung enthielten. Im Oktober 2016 wurden insgesamt 717 Rechnungen der Jahre 2015 und 2016 dahingehend abgeändert, dass die ursprünglich in Rechnung gestellten Nettobeträge um 1/11 erhöht und gleichzeitig der darauf angewendete Steuersatz von 20 % auf 10 % herabgesetzt wurde, sodass die Bruttobeträge unverändert blieben. Die geänderten Rechnungen weisen jeweils das Datum der ursprünglichen Rechnungen auf und wurden mit dem Hinweis versehen, dass „aufgrund geänderter gesetzlicher Vorgaben“ eine neue Rechnung zugeschickt werde. Diese Rechnungen sind von der E KG verschickt worden.
3 Am 29. Juni 2018 hob das Finanzamt die unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes erlassenen Umsatzsteuerjahresbescheide 2015 und 2016 gemäß § 299 BAO auf und erließ gleichzeitig neue Sachbescheide. Mit diesen unterwarf es die Leistungen der Revisionswerberin dem Normalsteuersatz, weil diese eine einheitliche Dienstleistung erbracht habe, die nicht in der Müllbeseitigung, sondern in der „würdevollen und individuellen Tierbestattung mit Stil und Pietät“ liege.
4 Die gegen diese Bescheide eingebrachte Beschwerde bringt soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung vor, dass die Revisionswerberin einzelne und voneinander unabhängige Leistungen erbringe und lediglich die Kremierung dem ermäßigten Steuersatz unterwerfe. Da die Revisionswerberin selbst über keine „Entsorgungsanlage“ verfüge, handle es sich bei ihren Leistungen um Besorgungsleistungen. Nachdem ihr die entsprechende Vorleistung mit 10 % Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden sei, erfolge auch die Weiterverrechnung an die Endkunden mit diesem Steuersatz. Die Revisionswerberin habe im Rahmen ihrer Tätigkeit das Tiermaterialiengesetz einzuhalten, zudem würden Tierkörper nach der herrschenden Ansicht unter den Sammelbegriff „Müll“ fallen und die Tätigkeit der Revisionswerberin somit unter den Begriff „Müllbeseitigung“. Gewerberechtlich sei die Revisionswerberin als Abdecker eingestuft, also als Unternehmen, dessen Tätigkeit in der Beseitigung von Tierkörpern, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt seien, und von tierischen Nebenprodukten im Sinne des Tiermaterialiengesetzes durch Einsammeln und Abliefern an befugte Tierkörperverwertungsanstalten.
5 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin die Revisionswerberin einen Vorlageantrag stellte.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde teilweise Folge und setzte die Höhe der Abgaben neu fest. Begründend führte es soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung zunächst aus, dass die Kremierung eines verstorbenen Haustieres eine Leistung sei, die auch unabhängig von anderen Leistungen erbracht werden könne. Die Revisionswerberin nehme jedoch gerade nicht nur (mangels entsprechender eigener Betriebsanlage) im Wege eines von ihr „unabhängigen“ Tierkrematoriums die Kremierung vor, sondern erbringe in deren Gefolge regelmäßig auch weitere Leistungen wie Beratung, Transport, Kühlung, Abwicklung von Behördengängen, Rückführung der Asche, Erstellung eines Kremierungszertifikates und einer Erinnerungsparte, individuelle Zeremoniegestaltung sowie Trauerarbeit. Durch die genannten Leistungen, die von der Revisionswerberin stets im Gefolge der Kremierung erbracht würden, würden ihre Umsätze eine Qualität erlangen, die sich von der bloßen Vornahme einer Kremierung erheblich unterscheide. Es könnten auch nicht alle diese Leistungen als unselbständige Nebenleistungen zur Kremierung angesehen werden. Vielmehr würden die einzelnen Leistungen derart ineinandergreifen, dass sie als Teile einer Gesamtleistung mit eigenem Charakter anzusehen seien. Diese Gesamtleistung ähnle in ihrem Wesen aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers den Leistungen von (herkömmlichen) Bestattungsunternehmen.
7 Die Revisionswerberin habe ihre Leistungen im „Gesamtpaket“ beworben, in welchem neben der Kremierung weitere Leistungen enthalten seien. Ferner werbe sie gerade damit, insgesamt einen würdevollen Rahmen für den Abschied von den Tieren zu bieten. So habe sie ihre Leistungen auf ihrer Homepage insbesondere folgendermaßen beworben:
„Entsorgen oder Bestatten?
Viele Tierbesitzer sind erschüttert, wenn sie erfahren was im Regelfall mit ihrem geliebten Haustier geschieht. Wir möchten Ihnen die gravierenden Unterschiede zwischen Tierkörperverwertung und würdevolle individuelle Tierbestattung im folgenden aufzeigen:
Contra Tierkörperverwertung
Die gesetzlichen Bestimmungen geben in der Regel vor, dass sämtliche verstorbenen Tiere einer Tierkörperverwertungsanlage übergeben werden müssen. [...] Die gesammelten Tiere (Schlachtabfälle, Wildtiere, Haustiere, ...) werden zusammen in der Verwertungsanlage zu Tierfett und Tiermehl weiterverarbeitet. Diese werden dann verbrannt oder industriell weiterverarbeitet.
Pro würdevolle, individuelle Tierbestattung
Leider werden wir immer wieder damit konfrontiert, entweder durch eine absehbare oder durch eine plötzliche, unvorhersehbare Situation, dass wir unsere Lieblinge gehen lassen müssen. So stehen wir zusätzlich vor einer schwierigen Entscheidung ein Tier einschläfern zu müssen, weil das Leben nur für kurze Zeit verlängert werden würde und dies nur mit ständigen Schmerzen und Qualen, für das Haustier, verbunden wäre. Da wir unsere Lieblinge nicht leiden sehen wollen, aber der Abschied auch sehr schwer fällt, sind wir in einem Zustand der uns stresse und gleichzeitig emotional sehr zusetzt.
Die Tierbestattung schafft eine Möglichkeit, die in der Situation des Abschiednehmens sehr helfen kann, denn der Tod eines geliebten Haustieres Kann jeder Zeit und auch bei jungen, vermeintlich gesunden Tieren plötzlich und unerwartet kommen.
Wir behandeln Ihr verstorbenes Tier mit viel Würde, Pietät und Respekt da dies die Grundvoraussetzung ist um dem Tier sowie dessen Besitzern den notwendigen Respekt entgegen zu bringen!
Das verstorbene Tier sehen wir genauso wie einen verstobenen Menschen, da auch Ihr Liebling Persönlichkeit, Charakter und eine Seele hat und genau deshalb geliebt wurde. Wir helfen dem Tierbesitzer seine Wünsche, für den Abschied des geliebten Tieres, individuell zu gestalten und so auch über den Schmerz und Verlust des Tieres hin weg zu trösten. Natürlich bieten wir auch an, Ihnen die Abmeldung von der Hundesteuer, die Genehmigung für eine Bestattung auf eigenem Grund und Boden, sowie weitere behördliche Angelegenheiten, abzunehmen und diese für Sie zu erledigen.“
8 Die Kunden der Revisionswerberin würden diese deshalb beauftragen, weil sie die Kremierung zusammen mit den genannten Leistungen erbringe und somit einen würdevollen Rahmen für den Abschied von einem geliebten Haustier und nicht eine bloße Kremierung biete. Dies sei auch daran erkennbar, dass jeder Besitzer eines verstorbenen Tieres sich dessen zu erheblich niedrigeren Kosten durch Abgabe bei einer Tierkörperverwertungsanstalt entledigen könnte. Die von der Revisionswerberin den Endkunden verrechneten Preise lägen großteils zwischen dem Doppelten und dem Dreifachen der Beträge, welche ihr selbst vom Tierkrematorium für die jeweilige Kremierung in Rechnung gestellt würden. Die Abgabe eines verstorbenen Haustieres bei einer Tierkörperverwertungsanstalt bzw. sammelstelle koste durchschnittlich ungefähr ein Zehntel einer Einzelkremierung bei der Revisionswerberin. Da sohin das charakteristische Element der Leistung der Revisionswerberin nicht in der bloßen Vornahme der Kremierung, sondern insgesamt in der pietät- und würdevollen Verabschiedung nach Art der Bestattung eines verstorbenen Menschen bestehe, komme streitgegenständlich nicht der ermäßigte Steuersatz für „Müllbeseitigung“, sondern der Normalsteuersatz in der Höhe von 20 % zur Anwendung.
9 Die Revision ließ das BFG zu, denn zu „den gegenständlichen Rechtsfragen, ob Leistungen eines Tierbestattungsunternehmens einheitliche Leistungen darstellen und ob bzw. inwieweit diese Leistungen dem ermäßigten Steuersatz für Müllbeseitigung unterliegen können, existiert [...] weder Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch des Europäischen Gerichtshofes.“
10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende ordentliche Revision, die ihrerseits zunächst vorbringt, dass die von der Revisionswerberin erbrachten Dienstleistungen keine einheitlichen Leistungen seien, da keine „Kombipakte/Angebote“ angeboten würden. Alle Leistungen seien in der Preisliste separat angeführt und würden nach den individuellen Kundenwünschen durchgeführt, wobei einzelne Leistungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder zur Durchführung der unschädlichen Entsorgung erforderlich seien. Alle Leistungen, die nicht mit der Entsorgung in Verbindung stünden, würden mit dem Normalsteuersatz verrechnet und so auf der Rechnung angeführt werden. Schließlich weist die Revisionswerberin darauf hin, dass ein Humanbestatter ganz andere Verpflichtungen als ein Tierbestatter habe. Sie würde Tierkadaver nach dem Tiermaterialiengesetz entsorgen und sei als Abdecker im Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) eingetragen.
11 Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht begründet.
14 Steuerobjekt der Umsatzsteuer ist die einzelne Leistung. Der Umfang der einzelnen Leistung ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen (vgl. VwGH 19.10.2023, Ra 2020/13/0110; 3.4.2019, Ro 2017/15/0043, jeweils mwN).
15 Bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst. Eine Leistung ist als einheitlich anzusehen, wenn zwei oder mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. EuGH 17.12.2020, Franck , C-801/19, Rn. 23 und 25).
16 Eine einheitliche Leistung liegt auch dann vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile dagegen als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. VwGH 22.3.2023, Ra 2022/13/0084, mwN; EuGH 20.4.2023, Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej , C 282/22, Rn. 30).
17 Ein weiteres Kriterium, das in Wirklichkeit ein Indiz für das erstgenannte Kriterium ob aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers ein eigenständiger Zweck der Leistung fehlt darstellt, zielt auf die Berücksichtigung des jeweiligen Wertes jeder der Leistungen, aus denen sich der wirtschaftliche Vorgang zusammensetzt, wobei sich der eine im Verhältnis zum anderen als gering oder gar marginal herausstellt (vgl. dazu EuGH 4.3.2021, Frenetikexito , C-581/19, Rn. 42; 22.10.1998, Madgett und Baldwin , C 308/96 und C 94/97, Rn. 24).
18 Ob in einem konkreten Fall eine einheitliche Leistung vorliegt oder mehrere aus umsatzsteuerlicher Sicht getrennt zu betrachtende Einzelleistungen, haben nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Gerichte festzustellen, die unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zwecks des Umsatzes und des Interesses des Leistungsempfängers die typischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln und dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen haben (vgl. erneut EuGH 20.4.2023, C 282/22, Rn. 31; 16.2.2023, ASA , C 519/21, Rn. 62; 25.3.2021, Q GmbH , C 907/19, Rn. 25 f).
19 Besteht eine einheitliche Leistung aus einer Hauptleistung und einer Nebenleistung, so teilt die Nebenleistung das steuerliche Schicksal der Hauptleistung. Handelt es sich hingegen um gleichrangige Leistungen, die aber objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre, so kann diese Leistung im Hinblick auf die Mehrwertsteuer nur als Ganzes berücksichtigt werden; sie wird daher im Allgemeinen nicht von einer (eng auszulegenden) Befreiungsbestimmung erfasst (vgl. EuGH 19.7.2012, Deutsche Bank , C 44/11, Rn. 19, 21 und 43). Bei einer komplexen einheitlichen Leistung sind sämtliche Umstände, unter denen der Umsatz abgewickelt wird, zu berücksichtigen, um dessen charakteristische Bestandteile zu ermitteln und darunter die dominierenden Bestandteile zu bestimmen (vgl. VwGH 22.3.2023, Ra 2022/13/0084; EuGH 21.2.2013, Mesto Zamberk , C 18/12, Rn. 29).
20 In Bezug auf die Leistungen der Revisionswerberin führte das BFG zunächst aus, dass Kremierungen zwar grundsätzlich als unabhängige Leistungen erbracht werden könnten. Allerdings nehme die Revisionswerberin nicht nur die Kremierung, sondern auch weitere Leistungen wie Beratung, Transport, Kühlung, Abwicklung von Behördengängen, Rückführung der Asche, Erstellung eines Kremierungszertifikates und einer Erinnerungsparte, individuelle Zeremoniegestaltung sowie Trauerarbeit vor. Durch diese Leistungen, die von der Revisionswerberin stets im Gefolge der Kremierung erbracht würden, würden ihre Umsätze eine Qualität erlangen, die sich von der bloßen Vornahme einer Kremierung erheblich unterscheide. Es könnten auch nicht alle diese Leistungen als unselbständige Nebenleistungen zur Kremierung angesehen werden. Vielmehr würden die einzelnen Leistungen derart ineinandergreifen, dass sie aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers als Teile einer Gesamtleistung mit eigenem Charakter anzusehen seien. So bewerbe die Revisionswerberin ihre Leistungen auf ihrer Website auch als „Gesamtpaket“, das sich von der Entsorgungsleistung einer Tierkörperverwertung unterscheide, in welchem neben der Kremierung die zuvor genannten Leistungen enthalten seien und welches zu einem Pauschalpreis angeboten würde. Die Kunden würden die Revisionswerberin gerade deshalb beauftragen, weil sie die Kremierung zusammen mit den anderen genannten Leistungen erbringe.
21 Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen kann in der Annahme einer einheitlichen Leistung durch das BFG weder ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Begründungsmangel (vgl. VwGH 30.1.2025, Ra 2023/15/0059 bis 0060, mwN) noch eine unvertretbare Beweiswürdigung (vgl. VwGH 11.2.2025, Ra 2023/15/0103 bis 0104, mwN) erblickt werden.
22 Auch kann es entgegen dem Revisionsvorbringen nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn ungeachtet bestehender unterschiedlicher gesetzlicher Vorgaben für die Humanbestattung und die Tierkörperbeseitigung das BFG den Charakter der von der Revisionswerberin angebotenen Leistung als Bestattungsleistung eingeordnet hat, die sich vom Leistungsangebot her aus Sicht der Kunden an einer Humanbestattung orientiert und einen würdevollen Abschied bietet, der sich von einer „Müllbeseitigung“ wesensgemäß unterscheidet. Zudem hat die Revisionswerberin selbst in ihrem Werbeauftritt den Unterschied ihrer Leistung der „Tierbestattung“ zu einer „Entsorgungsleistung“ bzw. Tierkörperverwertung hervorgehoben und ihre Leistung als Aliud dargestellt, für das sich ihre Kunden eingedenk des Unterschieds entscheiden sollten und für das diese nach den Feststellungen des BFG auch deutlich höhere Preise zu bezahlen bereit waren.
23 Wenn die Revision dennoch eine umsatzsteuerliche „Gleichbehandlung zu Tierärzten, Wasenmeister und Tierkörperverwertern“ verlangt, weil auch ihre Leistung letztlich der „Verbrennung/Entsorgung“ diene, blendet sie aus, dass auf Basis der Feststellungen des BFG und ihres eigenen Werbeauftritts hier gerade keine vergleichbaren Leistungen mehr vorliegen.
24 Dem BFG kann sohin nicht entgegengetreten werden, wenn es im Revisionsfall von einer einheitlichen Leistung der Revisionswerberin ausgegangen ist, die nicht vom ermäßigten Steuersatz des § 10 Abs. 2 Z 7 UStG 1994 (bis 2015: § 10 Abs. 2 Z 13 UStG 1994) für Müllbeseitigung erfasst ist, und diese daher dem Normalsteuersatz unterworfen hat.
25 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 24. Juni 2025