Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrätin Dr. Holzinger und Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des Bundesministers für Finanzen, gegen das am 6. März 2023 mündlich verkündete und mit 24. März 2023 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, 1. VGW 002/V/011/7804/2022 14 und 2. VGW 002/V/011/7805/2022, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. H L in D und 2. L Co GmbH in A, beide vertreten durch MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
1Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 25. April 2022 wurde der Erstmitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der zweitmitbeteiligten Partei schuldig erkannt, in einem näher genannten Geschäftslokal verbotene Ausspielungen veranstaltet und somit den ersten Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1, erster Fall Glücksspielgesetz (GSpG) verwirklicht zu haben. Die belangte Behörde verhängte über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000, sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und erlegte ihm einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von € 100, auf.
2Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien den Beschwerden der mitbeteiligten Parteien Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Zudem sprach es aus, dass diese keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten hätten. Die Revision gegen diese Entscheidung erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig.
3 Begründend verwies das Verwaltungsgericht auf Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Steiermark sowie des Verwaltungsgerichtshofes, in denen ein „baugleiches Gerät“ wie im gegenständlichen Verfahren verwendet worden sei. Der im Verfahren des Landesverwaltungsgerichts Steiermark beigezogene Sachverständige habe dargelegt, dass es sich bei dem zu beurteilenden Eingriffsgegenstand um ein „Geschicklichkeits Gerät“ gehandelt habe. Auf eine ergänzende Befassung des Gutachters sei durch die Verfahrensparteien verzichtet worden, weshalb die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark dieser Entscheidung vollinhaltlich zugrunde gelegt werden könne. Die mitbeteiligten Parteien hätten sohin nicht tatbestandsmäßig gehandelt. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht weiter aus, es entspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass auf Inhalte eindeutig bezeichneter Erkenntnisse verwiesen werden könne und nicht deren voller Inhalt übernommen werden müsse.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof ein Vorverfahren eingeleitet hat. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wird in der Amtsrevision insbesondere geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen, weil es lediglich auf die Ausführungen eines Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Steiermark sowie auf das diesem zugrundeliegende Sachverständigengutachten verwiesen habe.
7 Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch berechtigt.
8Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 29.2.2024, Ra 2022/12/0096, mwN).
9Ein Begründungsmangel führt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, der einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt (vgl. etwa VwGH 15.11.2023, Ra 2023/12/0083, mwN).
10 Soweit im angefochtenen Erkenntnis pauschal darauf verwiesen wird, dass der im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Eingriffsgegenstand jenem gleicht, der im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark zu beurteilen war, fehlt es an einer eigenständigen Begründung, weshalb das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner im Einzelfall vorzunehmenden Beurteilung, ob beim Spielen das Spielergebnis vorwiegend vom Zufall oder der Geschicklichkeit abhing, zu demselben Ergebnis wie im verwiesenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren kam. Aufgrund welcher konkreter Umstände das Verwaltungsgericht zu der Feststellung gelangte, dass die auf dem verfahrensgegenständlich zu bewertenden Eingriffsgegenstand durchführbaren Ausspielungen zur Gänze jenen gleichen, welche im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark zu beurteilen waren, und daher dessen beweiswürdigende Erwägungen zum Vorliegen eines „Geschicklichkeits Geräts“ auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden können, ist dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen.
Eine rechtliche Beurteilung, weshalb beim konkret vorliegenden Sachverhalt ein Geschicklichkeitsspiel vorliegen sollte, fehlt ebenso.
11Das verfahrensgegenständliche Erkenntnis erfüllt somit die an die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidung gestellten Anforderungen nicht, zumal es für den vorgenommenen Verweis, der an die Stelle einer eigenständigen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses tritt, in den vom Verwaltungsgericht anzuwendenden Verfahrensbestimmungen des VwGVG an jeglicher Rechtsgrundlage fehlt (vgl. etwa VwGH 19.11.2020, Ra 2020/12/0010, mwN).
12Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Wien, am 23. April 2025