JudikaturVwGH

Ra 2023/01/0236 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 2. Juni 2023, Zl. VGW 107/042/14278/2022 2, betreffend Namensänderung (mitbeteiligte Partei: mj. A V, vertreten durch S V als gesetzliche Vertreterin in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1Der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde und nunmehriger Amtsrevisionswerber) hatte mit Bescheid vom 20. Oktober 2022 über durch die Mutter der Mitbeteiligten als gesetzliche Vertreterin gestellten Antrag bewilligt, dass der Familienname der im Jahr 2018 geborenen Mitbeteiligten gemäß §§ 1, 2 Abs. 1 Z 8 Namensänderungsgesetz (NÄG) von P (Familienname des Vaters) auf V (Familienname der Mutter) geändert wird. Dadurch sollte der Familienname des Kindes an jenen seiner alleine obsorgeberechtigten Mutter angeglichen werden und den bislang durch dieses geführten Familiennamen des von der Mutter geschiedenen Vaters ersetzen.

2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Vaters der Mitbeteiligten wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes aus: Der bekämpfte Bescheid weise in seinem Kopf als bescheiderlassende Behörde den Magistrat der Stadt Wien aus. Die „Zeichnung“ des Bescheides sei mit den Worten „Für den Abteilungsleiter“ erfolgt. Nach der Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien (GOM) habe eine solche „Zeichnung“ ausschließlich für im eigenen Wirkungsbereich der Stadt Wien als Gemeinde erlassene Bescheide zu erfolgen. Es stehe daher fest, dass der Bescheid vom Magistrat im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassen worden sei.

4 Art. 118 Abs. 4 zweiter Satz B VG bestimme, dass in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ein zweistufiger Instanzenzug bestehe; durch die zuständige Bundes oder Landesgesetzgebung könne dieser jedoch ausgeschlossen werden. In jenen Materien, in denen es sich um dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde übertragene Angelegenheiten der Bundesvollziehung handle, richte sich das Bestehen des Instanzenzuges nach der jeweiligen konkreten materiengesetzlichen Regelung. Dabei gelte, dass der Ausschluss des Instanzenzuges ausdrücklich normiert sein müsse.

5Im für den vorliegenden Fall maßgeblichen Materiengesetz, dem NÄG, sei gar keine Vollziehung durch die Gemeinde (im eigenen oder übertragenen Wirkungsbereich), sondern gemäß dessen § 7 die Vollziehung durch die Bezirksverwaltungsbehörde vorgesehen. Damit sei der innergemeindliche Instanzenzug nicht ausgeschlossen worden.

6 Ein im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassener Bescheid sei mittels Berufung an die innergemeindliche Rechtsmittelinstanz hier der Berufungssenat der Stadt Wien zu bekämpfen. Mangels Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges sei die Beschwerde daher wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen gewesen, zumal sich eine Umdeutung des bekämpften Bescheids in einen der Bezirksverwaltungsbehörde Magistrat der Stadt Wien zuzurechnenden in Anbetracht seiner klaren „Zeichnung“ verbiete.

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zur Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von näher zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorbringt, die Zuweisung einer Angelegenheit der Bundes und Landesverwaltung in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde habe bei Vorliegen der in Art. 118 Abs. 2 B VG genannten Voraussetzungen ausdrücklich durch Gesetz zu erfolgen und könne nicht von der Formulierung einer Fertigungsklausel abhängen.

8 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete die Mitbeteiligte keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Die Revision ist aufgrund des Zulässigkeitsvorbringens zulässig; sie ist auch begründet.

10 Das Verwaltungsgericht will aus der Fertigung des bei ihm angefochtenen Bescheids ableiten, dass dieser vom Magistrat im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassen worden sei, weshalb vor dem Hintergrund des Art. 118 Abs. 4 B VG zweiter Satz B VGmangels Ausschlusses des innergemeindlichen Instanzenzugs im NÄG gegen den Bescheid die Berufung an den Berufungssenat der Stadt Wien zulässig gewesen wäre.

11 Damit hat es die Rechtslage verkannt.

12 Gemäß Art. 118 Abs. 1 B VG ist der Wirkungsbereich der Gemeinde ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener (ebenso gemäß § 74 der Wiener Stadtverfassung WStV).

13 Art. 118 Abs. 2 B VG normiert, dass der eigene Wirkungsbereich neben den im Art. 116 Abs. 2 B VG angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten umfasst, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen (Art. 118 Abs. 2 letzter Satz B VG; ebenso § 75 Abs. 2 letzter Satz WStV).

14 Art. 118 Abs. 4 zweiter Satz B VG bestimmt, dass in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ein zweistufiger Instanzenzug besteht; dieser kann jedoch gesetzlich ausgeschlossen werden.

15 Der Bestand eines zweistufigen Instanzenzugs setzt also (neben Interesse und Eignung iSd Art. 118 Abs. 2 erster Satz B VG) voraus, dass die betreffende Angelegenheit - und zwar durch Gesetz und ausdrücklich - dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugeordnet ist (Art. 118 Abs. 2 letzter Satz B VG). Überdies darf kein Ausschluss des Instanzenzugs iSd Art. 118 Abs. 4 zweiter Satz B VG durch den zuständigen Bundesoder Landesgesetzgeber erfolgt sein (vgl. zu alledem VwGH 2.11.2023, Ra 2023/03/0080, mwN).

16 Eine derartige Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, für die ein zweistufiger Instanzenzug bestünde, ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben:

17Im Revisionsfall war Gegenstand des beim Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides die Entscheidung über einen Antrag auf Änderung des Familiennamens nach dem NÄG.

18 Die Namensänderung zählt gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 7 B VG zu den Angelegenheiten, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind, und wird gemäß Art. 102 Abs. 1 B VG in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen (vgl. VwGH 3.12.1997, 97/01/0463; vgl. auch das Kompetenzfeststellungerkenntnis VfSlg. 3238/1957).

19 Für die Bewilligung der Änderung des Namens legt § 7 Abs. 1 NÄG die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde fest. Eine Zuständigkeit der Gemeinde zur Erledigung des hier maßgeblichen Verwaltungsverfahrens sieht derzur präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit verpflichtete (vgl. erneut VwGH Ra 2023/03/0080, mwN)Gesetzgeber im NÄG demgegenüber nicht vor.

20 Dem revisionsgegenständlichen Fall lag daher eine in mittelbarer Bundesverwaltung durch die Bezirksverwaltungsbehörde zu vollziehende Angelegenheit und nicht etwa eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu Grunde.

21 Der Verwaltungsgerichtshof vermag zudem auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Bescheid vom 20. Oktober 2022 sei entgegen der oben dargestellten Rechtslage aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes, insbesondere der Fertigungsklausel, dem Magistrat der Stadt Wien im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zuzurechnen, nicht zu teilen.

22Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung (hier: eines Bescheides) die Bezeichnung der Behörde, von welcher die Erledigung (der Bescheid) stammt, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die Bezeichnung der Behörde, die ihn erlassen hat, zählt zu den wesentlichen Merkmalen eines Bescheides (vgl. VwGH 11.5.2022, Ra 2022/01/0033).

23Ob eine Erledigung einer bestimmten Behörde vorliegt bzw. welcher Behörde die Erledigung zuzurechnen ist, ist anhand des äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, Spruches, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung, also nach objektiven Gesichtspunkten, zu beurteilen. Die Behörde, der die Erledigung zuzurechnen ist, muss aus der Erledigung selbst hervorgehen (vgl. erneut VwGH Ra 2023/03/0080 sowie Ra 2022/01/0033, je mwN; dem ausdrücklich folgend VfGH 16.9.2024, V 32/2024).

24 Im Kopf des Bescheids vom 20. Oktober 2022 wird „Magistrat der Stadt Wien“ mit dem Zusatz „Referat für Namensänderungen“ als bescheiderlassende Stelle angeführt. Die Geschäftszahl des Bescheids wird mit „MA 63“ eingeleitet. In der Rechtsmittelbelehrung findet sich der Hinweis, dass gegen diesen Bescheid eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden kann, die bei der bescheiderlassenden Behörde einzubringen ist. Die Fertigung des Bescheids erfolgte mit den Worten „Für den Abteilungsleiter [Name des Unterfertigers] (elektronisch gefertigt)“.

25Aus der WStV geht hervor, dass der Magistrat eine verwaltungsbehördliche Einheit darstellt. Sein Wirkungsbereich ist in § 105 WStV festgelegt (vgl. erneut VwGH Ra 2022/01/0033, mwN).

26Der Magistrat ist gemäß § 105 Abs. 1 WStV einerseits Geschäftsbesorgungsorgan und damit Hilfsapparat des jeweils zuständigen Organs. Andererseits ist er gemäß § 105 Abs. 2 leg. cit. auch eigenständige Behörde und vertretungsbefugtes Organ der Bundeshauptstadt Wien; er vollzieht dabei alle behördlichen Angelegenheiten, soweit hiefür nicht andere Organe zuständig sind (subsidiäre Generalkompetenz; vgl. dazu VwGH Ra 2023/03/0080 sowie Ra 2022/01/0033, je mwN).

27 Gemäß Art. 109 BVG iVm § 107 WStV hat der Magistrat unter der Leitung und Verantwortung des Bürgermeisters auch Angelegenheiten der Bezirksverwaltung zu besorgen und wird als Bezirksverwaltungsbehörde tätig (vgl. erneut VwGH Ra 2023/03/0080; Ra 2022/01/0033).

28 Gemäß § 78 WStV übt der Magistrat neben den anderen in dieser Bestimmung genannten Organenauch den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde aus (vgl. erneut VwGH Ra 2023/03/0080).

29 Dass eine Fertigung „für den Abteilungsleiter“ nur für im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassene Bescheide zu erfolgen habe, ist der GOM entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht zu entnehmen (vgl. VfGH 16.9.2024, V 32/2024, wonach die GOM verfassungsrechtlich unbedenklichdie Fertigung „Für den Abteilungsleiter“ eine Zurechnung der betreffenden Erledigung sowohl zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde als auch zur mittelbaren Bundesverwaltung zulässt; vgl. weiters erneut VwGH 2022/01/0033, wonach diese Fertigung auch außerhalb der „Landesinstanz“ nicht zwingend zur Zurechnung der Erledigung zum Bürgermeister der Stadt Wien führt). Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in einem vergleichbaren Ausgangsfall (Nennung des Magistrats im Kopf des in einer Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung ergangenen Bescheids; Unterfertigung „Für die Bezirksamtsleiterin“) erkannt, dass eine solche Fertigung den maßgebenden Vorschriften entspricht und nicht zu einer Zurechnung zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde führt (vgl. VwGH Ra 2023/03/0080). Zudem ergibt sich der Wirkungsbereich (mangels anderer Hinweise) regelmäßig aus der der Entscheidung zu Grunde liegenden Norm (VwGH Ra 2023/03/0080, mwN; vgl. auch VfGH 16.9.2024, V 32/2024).

30Vor dem genannten Hintergrund besteht im vorliegenden Fall anhand des äußeren Erscheinungsbildes des Bescheides vom 20. Oktober 2022 und unter Berücksichtigung der für diesen Bescheid maßgebenden Normen des NÄG, die in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen sind, kein Zweifel, dass der Bescheid dem Magistrat der Stadt Wien als Bezirksverwaltungsbehörde zuzurechnen ist.

31 Indem das Verwaltungsgericht daher die Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen hat, hat es seinen Beschluss mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

32Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 21. Mai 2025