JudikaturVwGH

Ra 2023/12/0083 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. November 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag. a Nussbaumer Hinterauer und Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revisionen 1. des Bundesministers für Finanzen (protokolliert zu hg. Ra 2023/12/0083) sowie 2. des R A in S (protokolliert zu hg. Ra 2023/12/0084) und 3. der b Ltd. in S (protokolliert zu hg. Ra 2023/12/0085), die zweit und drittrevisionswerbenden Parteien vertreten durch Dr. David Christian Bauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 16, jeweils gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. März 2023, 1. VGW 002/011/3361/2023 4 und 2. VGW 002/V/011/3362/2023, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: jeweils Landespolizeidirektion Wien; mitbeteiligte Parteien zu hg. Ra 2023/12/0083: 1. R A in S und 2. b Ltd. in S, beide vertreten durch Dr. David Christian Bauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 16),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird aufgrund der Revision der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien (zu hg. Ra 2023/12/0084 und 0085) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der zweitrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Amtsrevision der erstrevisionswerbenden Partei (zu hg. Ra 2023/12/0083) wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

1 Mit Straferkenntnis vom 16. Jänner 2023 erkannte die Landespolizeidirektion Wien den Zweitrevisionswerber einer Übertretung des Glücksspielgesetzes (GSpG) schuldig und verhängte über ihn eine Geldstrafe von € 1.000, (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag), weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Drittrevisionswerberin und somit als zur Vertretung nach außen Berufener und für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten habe, dass ab dem 15. Jänner 2019 bis zum 23. Dezember 2021 im Bundesgebiet verbotene Ausspielungen gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Glücksspielgesetz (GSpG) auf eigenen Namen und Rechnung sowie auf eigenes Risiko veranstaltet worden seien, indem er ohne die erforderliche Konzession Online Glücksspiele angeboten habe, wobei die Teilnahme daran vom Inland aus erfolgt sei. Dabei sei die Möglichkeit zur Teilnahme an Online Glücksspielen geboten worden, bei denen Spielern nach Leistung eines Einsatzes ein Gewinn für das Erzielen eines bestimmten Spielergebnisses, das ausschließlich vom Zufall abgehangen sei, in Aussicht gestellt worden sei. Weiters sprach die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde aus, die Drittrevisionswerberin hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Geldstrafe, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zu ungeteilten Hand. Die belangte Behörde schrieb dem Zweitrevisionswerber überdies einen Beitrag von € 100, zu den Kosten des Strafverfahrens vor.

2 Gegen dieses Straferkenntnis in seinem gesamten Umfang erhoben zunächst die zweit und drittrevisionswerbenden Parteien Beschwerde und begründeten dies auf das Wesentliche zusammengefasst mit dem Eintritt von Verfolgungsverjährung, mit dem Nichtvorliegen der für die zur Last gelegten Tat erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen, mit Ermittlungs und Begründungsmängeln und mit dem fehlenden Verschulden der zweitrevisionswerbenden Partei. Zudem sei das österreichische Glücksspielmonopol unter Berücksichtigung der jüngsten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes unionsrechtswidrig. Unter einem beantragten sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

3 In der Folge erhob auch das Amt für Betrugsbekämpfung Beschwerde gegen die Strafhöhe und brachte dazu zusammengefasst vor, die belangte Behörde habe weder die wirtschaftlichen Verhältnisse der Umsätze in Millionenhöhe generierenden Drittrevisionswerberin noch den erschwerenden Umstand des nahezu drei Jahre andauernden Tatzeitraumes berücksichtigt, weshalb die Höchststrafe von € 60.000, zu verhängen gewesen wäre.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die „auf die Bekämpfung der Strafhöhe eingeschränkte“ Beschwerde der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien ab und sprach aus, die Kosten des Beschwerdeverfahrens betrügen € 200, und die Haftung der Drittrevisionswerberin werde auf die gegenständlichen Verfahrenskosten erstreckt. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

5 In der Begründung, die eine Trennung von Feststellungen und Beweiswürdigung vermissen lässt, wird zunächst ausgeführt, durch die „zugrundeliegende Sachverhaltsfeststellung“ der belangten Behörde sei die Tathandlung nachgewiesen worden. Rechtlich ergebe sich somit durch die Veranstaltung des Glücksspiels, welches ohne Konzession erfolgt sei, „im Umfang der Sachverhaltsfeststellung durch die belangte Behörde“ ein tatbestandsmäßiges Verhalten.

6 In weiterer Folge enthält das angefochtene Erkenntnis ausschließlich Erwägungen zur Strafbemessung. In diesem Zusammenhang führt das Verwaltungsgericht unter näherer Begründung im Wesentlichen aus, das Verschulden des Zweitrevisionswerbers sei nicht als gering einzustufen. Weiters sei er zwar unbescholten, dies sei von der belangten Behörde jedoch bereits berücksichtigt worden. Weitere zu berücksichtigende Milderungsgründe seien nicht zu erkennen. Das Einkommen des Zweitrevisionswerbers sei mangels anderslautender Angaben als günstig einzuschätzen, weshalb die Mindeststrafe jedenfalls nicht außer Verhältnis zum verschwiegenen Gewinn stehe.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision des Erstrevisionswerbers, in der beantragt wird, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben. Die zweit und drittrevisionswerbenden Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Erstrevisionswerbers keine Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis ersatzlos aufzuheben, in eventu „keinesfalls jedoch eine höhere Strafe auszusprechen“.

8 In der Revision der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien wird beantragt, das angefochtene Erkenntnis abzuändern und den Zweitrevisionswerber freizusprechen sowie die Drittrevisionswerberin von ihrer Haftung zu entheben, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes „sowie“ wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der Erstrevisionswerber sah von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren erwogen:

Zu Spruchpunkt I. der vorliegenden Entscheidung:

9 Zur Begründung der Zulässigkeit werden in der Revision der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien unter anderem Begründungsmängel geltend gemacht. In diesem Zusammenhang wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe sich mit ihrer Beschwerde nicht nur nicht auseinandergesetzt, sondern sogar die Beschwerde des Amtes für Betrugsbekämpfung zur Beschwerde der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien erhoben. Die vollkommene Außerachtlassung aller Argumente der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien verletze zentrale Grundsätze des Verfahrens.

10 Die Revision ist bereits aus diesem Grund zulässig und berechtigt.

11 Gemäß § 29 Abs. 1 letzter Satz VwGG sind Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte zu begründen. Ein Begründungsmangel führt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das Verwaltungsgericht den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, der einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt (vgl. etwa VwGH 19.6.2023, Ra 2022/12/0157, mwN).

12 Wie die zweit und drittrevisionswerbenden Parteien in ihrer Revision zutreffend aufzeigen, hat das Verwaltungsgericht in offenkundiger Verkennung des Inhaltes der jeweiligen Beschwerden die Beschwerdegründe des Amtes für Betrugsbekämpfung zu jenen der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien erhoben und sich folglich mit der Beschwerde der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien inhaltlich überhaupt nicht auseinandergesetzt. Dabei hat das Verwaltungsgericht außerdem übersehen, dass sich die Beschwerde der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien auch gegen den Schuldspruch und nicht wie jene des Amtes für Betrugsbekämpfung lediglich gegen die Strafhöhe gerichtet hat. Dem angefochtenen Erkenntnis fehlt es daher auch an jeglichen beweiswürdigenden Erwägungen im Hinblick auf die für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen. Schon vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht bei Beachtung der ihm zukommenden Begründungspflicht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

13 Darüber hinaus wäre das Verwaltungsgericht auch verpflichtet gewesen, aufgrund des in der Beschwerde der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien gestellten Antrages eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Da es über die Beschwerde der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien mit abweisendem Erkenntnis entschieden hat, kam ein Absehen von der Durchführung einer Verhandlung weder nach § 44 Abs. 2 oder 3 VwGVG noch nach § 44 Abs. 4 leg. cit. in Betracht (vgl. auch VwGH 19.12.2022, Ra 2022/12/0010).

14 Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

15 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

16 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt II. der vorliegenden Entscheidung:

17 In der Amtsrevision des Erstrevisionswerbers wird zur Zulässigkeit unter anderem vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe grundlegend übersehen, dass ihm zwei Beschwerden mit diametral unterschiedlichen Inhalten vorgelegen seien. Es habe daher rechtsirrig keine Feststellungen getroffen, die für die Beurteilung der strittigen Straffrage zu treffen gewesen wären.

18 Vor dem Hintergrund der aufgrund der Revision der zweit und drittrevisionswerbenden Parteien erfolgten Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses war die Amtsrevision infolge der dadurch bewirkten Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und mit Beschluss einzustellen (vgl. auch VwGH 7.4.2017, Ra 2016/02/0247, mwN).

Wien, am 15. November 2023

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