Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. I. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des M R in G, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 11. Juli 2022, LVwG 30.36 2167/2019 127, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes III. (Vorschreibung des Barauslagenersatzes in der Höhe von € 364,01) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 2. August 2019 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der X GmbH (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof) der zehnfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Tatbestand Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und es wurden über ihn Geldstrafen in Höhe von jeweils € 30.000, (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil die X GmbH in einem näher genannten Lokal zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen in Form von sogenannten „Walzenspielen“ zumindest seit 4. Dezember 2018 bis 28. Februar 2019 mit näher bezeichneten Glücksspielgeräten unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Weiters wurde dem Revisionswerber ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren gemäß § 64 VStG sowie € 364,01 als Ersatz der Barauslagen für das Öffnen von drei Türen und den Austausch eines Türschlosses an der gegenständlichen Betriebsstätte vorgeschrieben.
2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark.
3 Mit Beschluss vom 23. September 2020, LVwG 91.36 2354/2020 1, ersuchte das Verwaltungsgericht den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), sich den Vorlagefragen des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2020, Ra 2020/17/0013, im Wesentlichen anschließend, um die Beantwortung der folgenden Fragen:
„1) Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes geprüft hat und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?
2) Für den Fall der Bejahung der ersten Frage:
2a) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
2b) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 6.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
2c) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
2d) Ist Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3) Für den Fall der Verneinung der ersten Frage:
3a) Ist Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz zwingend die Verhängung einer Geldstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen vorsieht?
3b) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Mindeststrafe in der Höhe von € 6.000,-- pro Glücksspielautomat zwingend vorsieht?
3c) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche für das unternehmerische Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe pro Glücksspielautomat ohne absolute Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen vorsieht?
3d) Ist Art. 49 Abs. 3 GRC dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Norm entgegensteht, welche im Fall der Bestrafung wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen nach dem Glücksspielgesetz die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen vorsieht?“
4 Das Verwaltungsgericht fasste zudem folgenden Beschluss:
„II. Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 iVm § 43 Abs. 2 VwGVG nach Vorliegen der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union fortgesetzt werden.“
5 Mit Beschluss vom 26. April 2022, C 508/20, hat der Gerichtshof der Europäischen Union über dieses Vorabentscheidungsersuchen zu Recht erkannt:
„1. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass das nationale Gericht, das mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer wegen Verstoßes gegen das Glücksspielmonopol verhängten Sanktion befasst ist, in einem Verfahren über die Verhängung von Sanktionen wegen eines solchen Verstoßes speziell prüfen muss, ob die in der anwendbaren Regelung vorgesehenen Sanktionen unter Berücksichtigung der konkreten Methoden für deren Bestimmung mit Art. 56 AEUV vereinbar sind.
2. Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die im Fall der unternehmerischen Zugänglichmachung verbotener Ausspielungen Folgendes zwingend vorsieht:
- die Festsetzung einer Mindestgeldstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtsumme der verhängten Geldstrafen, sofern der Gesamtbetrag der verhängten Geldstrafen nicht außer Verhältnis zu dem durch die geahndeten Taten erzielbaren wirtschaftlichen Vorteil steht;
- die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe für jeden nicht bewilligten Glücksspielautomaten ohne Höchstgrenze der Gesamtdauer der verhängten Ersatzfreiheitsstrafen, sofern die Dauer der tatsächlich verhängten Ersatzfreiheitsstrafe im Hinblick auf die Schwere der festgestellten Taten nicht übermäßig lang ist, und
- einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von 10% der verhängten Geldstrafen, sofern dieser Beitrag im Hinblick auf die tatsächlichen Kosten eines solchen Verfahrens weder überhöht ist noch das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf Zugang zu den Gerichten verletzt.“
6 In der Folge sprach das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie folgt aus:
„I. Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird die Beschwerde mit der Maßgabe dem Grunde nach abgewiesen,
„a)dass die verletzte Verwaltungsvorschrift lautet: § 52 Abs. 1 Z. 1 3. Variante GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I. Nr. 13/2014;
b)dass die Strafsanktionsnorm lautet: § 52 Abs. 2 4. Strafsatz GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I. Nr. 13/2014.
II. Hinsichtlich des Strafausmaßes wird der Beschwerde dahingehend Folge gegeben, als die Geldstrafe gemäß § 19 VStG iVm § 38 VwGVG mit € 15.000,00 je Gerät, somit insgesamt € 150.000,00, im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage und 21 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe je Gerät, neu festgesetzt wird.
Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren der belangten Behörde auf den Betrag von € 15.000,00 (€ 1.500,00 pro verhängter Strafe).
Dieser Kostenbeitrag sowie die neu festgesetzte Geldstrafe sind binnen zwei Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
III. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Vorschreibung der Barauslagen durch die belangte Behörde als unbegründet abgewiesen.“
7 Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig und fasste darüber hinaus einen hier nicht verfahrensgegenständlichen Beschluss über einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens, der zurückgewiesen wurde.
8 Der Revisionswerber erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 20. September 2022, E 2274/2022 6, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
9 In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht, mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
10 Im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 Liegen wie hier trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. etwa VwGH 15.12.2023, Ra 2022/12/0160, mwN).
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe gegen das Überraschungsverbot verstoßen. Dem Revisionswerber sei vorgeworfen worden, er habe als Geschäftsführer der X GmbH zu verantworten, dass die verbotenen Ausspielungen in einem näher bezeichneten Lokal unternehmerisch zugänglich gemacht worden seien. Der Revisionswerber habe jedoch von Beginn an vorgetragen und Beweismittel dazu vorgelegt, dass das gegenständliche Lokal an die Y s.r.o. (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof) untervermietet gewesen sei.
16 Im angefochtenen Erkenntnis sei nun, für den Revisionswerber überraschend und ohne ihm dies vorzuhalten, festgestellt worden, dass das Lokal, abgesehen vom Nebenraum, an die Y s.r.o. verpachtet gewesen sei, die Eingriffsgegenstände aber im Nebenraum aufgestellt gewesen seien. Das Verwaltungsgericht habe dies dem Revisionswerber jedoch nie vorgehalten.
17 Der Verfahrensmangel sei relevant, zumal der Revisionswerber bereits im gesamten Verfahren ausdrücklich vorgetragen habe, dass die X GmbH nicht Lokalbetreiberin gewesen sei. Im zugrundeliegenden Straferkenntnis werde auch explizit im Spruch ausgeführt, dass die X GmbH „in ihrem Lokal“ verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht habe, indem sie diese geduldet habe. Es sei für alle Verfahrensbeteiligten stets klar gewesen, dass in gegenständlicher Angelegenheit nicht von einem „Nebenraum“, sondern von einem „Lokal“ die Rede sei. Das Verwaltungsgericht habe den Revisionswerber jedoch nie mit dem „Nebenraum“ konfrontiert. Hätte das Verwaltungsgericht diesen Tatvorwurf vorgehalten, so hätte der Revisionswerber vorgetragen, dass selbstredend der „Nebenraum“ bzw. der Raum, in welchem die Eingriffsgegenstände gestanden seien, an die Y s.r.o. untervermietet gewesen sei. Es ergebe sich auch aus den Zeugenaussagen, dass die Türe vom Lokal zum Nebenraum immer geöffnet gewesen sei. Der Revisionswerber hätte dafür auch die Einvernahme des Geschäftsführers der Y s.r.o. beantragt.
18 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt das sogenannte Überraschungsverbot auch im Verwaltungsverfahren. Unter dem Überraschungsverbot ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass sich das zum Überraschungsverbot in Beziehung gesetzte Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die von der Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung erstreckt (vgl. VwGH 16.1.2023, Ra 2021/05/0223, mwN).
19 Das Verwaltungsgericht stellte zum Lokal soweit hier relevant fest, es habe nur betreten werden können, wenn das Personal dieses per Knopfdruck geöffnet habe. Wenn das Lokal von extern gesperrt worden sei, habe das Personal das Lokal nicht öffnen können. Die Türe zum Nebenraum sei stets geöffnet gewesen. Das Gebäude, in dem sich das Lokal befinde, sei im Eigentum von Herrn Z gestanden (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof). Er habe das Lokal ab 1. Jänner 2016 an eine näher genannte GmbH vermietet, die laut Firmenbuch in die X GmbH „abgeändert“ worden sei. Der Mietzins sei stets von der X GmbH an Herrn Z überwiesen worden, auch die Betriebskostenabrechnung sei mit dieser erfolgt.
20 Gemäß Pachtvertrag vom 12. September 2017 zwischen der X GmbH und der Y s.r.o. sei das Lokal, abgesehen vom Nebenraum, an die Y s.r.o. verpachtet worden. Als Beginn des Pachtverhältnisses gehe der 12. September 2017, als Ende der 11. September 2018 hervor. Durch die Y s.r.o. seien Mietüberweisungen an die X GmbH auch noch im Dezember 2018, Jänner 2019 und März 2019 erfolgt.
21 Der Nebenraum sei tatsächlich nicht an einen anderen Mieter wie im Pachtvertrag ausgeführt weitervermietet worden. Die X GmbH habe weiterhin uneingeschränkten Zugang zu diesem Nebenraum, in dem die Geräte aufgestellt gewesen seien, gehabt, zudem habe sie diesen Raum auch in ihrer Verfügungsgewalt und Kenntnis von den aufgestellten Glücksspielgeräten gehabt.
22 Zusammenfassend könne somit Folgendes festgestellt werden:
„Im Zeitraum von 04.12.2018 bis 28.02.2019 befanden sich 10 Geräte in einem stets geöffneten Nebenraum des gegenständlichen Lokals. Auf diesen wurden gegen Einsatzleistung virtuelle Walzenspiele angeboten. Eine Einflussnahme auf das Spielergebnis war nicht möglich. Das Lokal wurde von der X GmbH gemietet und wurde dieses Lokal mit Ausnahme des Nebenraums an die Y s.r.o. mit Gewinn weiterverpachtet. Die X GmbH hatte im Tatzeitraum uneingeschränkten Zugang zum Raum mit den Geräten und auch die Verfügungsgewalt über diesen Raum.“
23 Beweiswürdigend hielt das Verwaltungsgericht dazu fest, dafür, dass dieser Nebenraum mit den beschlagnahmten Geräten an einen weiteren Mieter untervermietet worden sei, seien keinerlei Beweismittel vorgelegt worden. Laut Pachtvertrag vom 12. September 2017 zwischen der X GmbH und der Y s.r.o. sei das Lokal, abgesehen vom Nebenraum, an die Y s.r.o. verpachtet worden. Als Beginn des Pachtverhältnisses gehe der 12. September 2017, als Ende der 11. September 2018 hervor. Auch seien laut Aussagen der Mitarbeiter des Lokals sämtliche Ansprechpartner dieselben geblieben; an der Tätigkeit der Kellnerin habe sich nichts geändert, wenn der Arbeitgeber gewechselt habe. Es sei daher davon auszugehen, dass die X GmbH weiterhin uneingeschränkten Zugang zu diesem Raum gehabt habe, diesen in ihrer Verfügungsgewalt und auch Kenntnis von den aufgestellten Glücksspielgeräten gehabt habe. Dass die Türe zum Nebenraum stets geöffnet war, sei von der Kellnerin bestätigt worden.
24 Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Revisionswerber nicht gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts wendet, das Lokal sei von der X GmbH an die Y s.r.o. verpachtet worden; in der Revision wird darüber hinaus festgehalten, der Revisionswerber habe darauf hingewiesen, das Pachtverhältnis über das Lokal sei nach Ende der Befristung einvernehmlich auf unbestimmte Zeit verlängert und der Pachtzins weiterhin bezahlt worden. Anzumerken ist, dass im (bis 11. September 2018 befristeten) Pachtvertrag zwischen der X GmbH und der Y s.r.o. vom 12. September 2017 zum Pachtgegenstand wie folgt vereinbart wurde: „(1) Der Verpächter verpachtet an den Pächter das in ... gelegene Geschäftslokal. In diesem Vertrag ist der Nebenraum nicht beinhaltet, da dieser an einen anderen Mieter vermietet wurde.“
25 Insoweit der Revisionswerber den Verstoß gegen das Überraschungsverbot darauf stützen möchte, dass er einen Unterschied zwischen dem „Lokal“ und dessen „Nebenraum“ sieht, ist festzuhalten, dass sich aus dem Akteninhalt nicht ergibt, dass der konkrete Standort der Glücksspielgeräte im behördlichen oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittig oder unklar gewesen wäre:
26 So wurde etwa im Gutachten des Sachverständigen Mag. Dipl. Ing. Dr. K (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof) vom Juli 2020, das vom Verwaltungsgericht in Auftrag gegeben worden war und zu dem der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 25. August 2020 Stellung nahm, in der Einleitung (rekurrierend auf die am 28. Februar 2019 durchgeführte Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz) festgehalten, dass „in einem Nebenraum zehn elektronische Glücksspielgeräte betriebsbereit ... vorgefunden und beschlagnahmt“ worden seien.
27 In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13. Juni 2022 wurde dem für den Revisionswerber anwesenden Rechtsvertreter ua. die „Lichtbilddokumentation vom 28.02.2019“ übergeben. Darin heißt es unter anderem ebenfalls: „...Bild 1: In diesem, bereits mehrfach kontrollierten Lokal, wurden in dem bereits bekannten Nebenraum, erneut 10 elektronische Glücksspielgeräte betriebsbereit .... vorgefunden und beschlagnahmt. ... Ein Spieler ... teilte ... mit, dass sämtliche elektronischen Glücksspielgeräte in dem bereits bekannten Nebenraum eingeschaltet aufgestellt seien... Unter der Theke im Hauptraum des Lokales befanden sich Taster, mit welchen die Eingangstüren des Schleusenbereiches geöffnet werden konnten. Der aus Vorkontrollen bereits bekannte Taster für die Tür zum Glücksspielveranstaltungsraum war ... funktionslos“.
28 Weiters sagten die Zeuginnen Mag. S und R (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof) in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aus, „...Befragt zur Tür, ob eine Tür im Nebenraum vorhanden war oder zum Nebenraum: Ich kann angeben, dass sie entweder offen war oder gar keine Tür vorhanden war. ...“, bzw. „... Es gab eine Tür zum Nebenraum mit den Geräten, aber die war immer offen...“
29 Die Revision zeigt nicht auf, dass sich die betreffenden Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses auf erhobene Beweise gestützt hätten, zu denen der Revisionswerber kein Gehör hatte.
30 Inwieweit das Verwaltungsgericht daher mit der Feststellung, dass sich die Geräte in einem von der X GmbH innegehabten und von ihr nicht weiter vermieteten Nebenraum des Lokals befunden hätten, vor diesem Hintergrund gegen das Überraschungsverbot verstoßen habe, ist daher nicht nachvollziehbar.
31 In der Revision wird weiters vorgebracht, der Revisionswerber sei wegen Übertretungen bis zum Kontrolltag am 28. Februar 2019 bestraft worden, das angefochtene Erkenntnis sei jedoch vom 11. Juli 2022 und daher nach Verstreichen der dreijährigen Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG erlassen worden.
32 Gemäß § 31 Abs. 2 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, in dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. In die Verjährungsfrist wird gemäß § 31 Abs. 2 Z 4 VStG unter anderem die Zeit eines Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nicht eingerechnet.
33 Durch die Hemmung wird die Verjährungsfrist um so viele Tage verlängert, als der die Hemmung bewirkende Zustand bestanden hat. Mit Ablauf des hemmenden Ereignisses läuft daher die Verjährungsfrist weiter. Sie ist so zu berechnen, als ob sie um die Dauer des Hemmungszeitraumes verlängert worden wäre (vgl. VwGH 15.4.2024, Ra 2022/12/0124 , mwN).
34 Im vorliegenden Fall wurde die zugrundeliegende Tat am 28. Februar 2019 abgeschlossen, sodass der Fristenlauf mit diesem Datum begann. In der Revision wird jedoch unberücksichtigt gelassen, dass das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. September 2020 in dieser Sache um Beantwortung der zuvor dargelegten Fragen durch den EuGH ersucht hat. Dadurch war der Fristenlauf gemäß § 31 Abs. 2 Z 4 VStG für den Zeitraum bis zur Entscheidung des EuGH vom 26. April 2022, C-508/20, gehemmt. Darüber hinaus wird nach § 2 Z 2 Verwaltungsrechtliches COVID 19 Begleitgesetz (COVID 19 VwBG), BGBl. I Nr. 16/2020 idF BGBl. I Nr. 2/2021, die Zeit vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 nicht in Verjährungsfristen eingerechnet. Die Strafbarkeitsverjährung war unter Berücksichtigung dieser Fristhemmungen im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht (dem Revisionswerber zugestellt am 13. Juli 2022) nicht eingetreten.
35 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit weiters vorgebracht, der EuGH habe in der Rechtssache „C 231/20, Rn 58“ festgehalten, dass „die jeweilige Sanktion im Verhältnis zu dem aus der verbotenen Ausspielung erlangten Gewinn“ stehen müsse. Die verhängte Strafe sei jedenfalls übermäßig im Sinne der Judikatur des EuGH, insbesondere werde ausdrücklich bestritten, dass an einem Gerät pro Tag über den Zeitraum hinweg Gewinne von € 30.960, zu erzielen seien, was das Gericht dem Revisionswerber auch nie „vorgeworfen“ habe.
36 Mit diesem Vorbringen wirft der Revisionswerber Fragen der Strafbemessung auf und bewegt sich damit außerhalb des von der Revision durch die Bezeichnung der Revisionspunkte mit „Recht auf Nichtbestrafung gem § 52 GSpG“ und „Nichtvorschreibung von Barauslagen gem § 50 Abs 10 GSpG“ abgesteckten Prozessthemas (vgl. VwGH 8.4.2024, Ra 2022/12/0177, mwN). Ein Eingehen auf dieses Vorbringen erübrigt sich daher (vgl. VwGH 2.5.2024, Ra 2023/12/0063 bis 0064, mwN).
37 Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision wirft damit soweit es sich gegen den Schuld und den Strafausspruch richtet keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.
38 Soweit sich die Revision gegen die Vorschreibung von Barauslagen für das Öffnen von drei Türen und den Austausch eines Türschlosses in der Höhe von € 364,01 wendet und in diesem Zusammenhang einen Widerspruch zu näher zitierter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufzeigt, ist sie hingegen zulässig und auch berechtigt:
39 § 64 Abs. 3 VStG lautet:
„(3) Sind im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Barauslagen erwachsen (§ 76 AVG), so ist dem Bestraften der Ersatz dieser Auslagen aufzuerlegen, sofern sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht sind; der hienach zu ersetzende Betrag ist, wenn tunlich, im Erkenntnis (der Strafverfügung), sonst durch besonderen Bescheid ziffernmäßig festzusetzen. Dies gilt nicht für Gebühren, die dem Dolmetscher und Übersetzer zustehen, der dem Beschuldigten beigestellt wurde.“
40 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Vorschreibung des Ersatzes von Barauslagen für die Kosten der Türöffnung durch einen Schlüsseldienst in Zusammenhang mit einer Übertretung des § 50 Abs. 4 GSpG bereits ausgesprochen, dass zu den „im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens“ angefallenen Kosten nicht solche zählen, die zur Durchsetzung der den Organen der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 4 GSpG zustehenden Kontrollbefugnisse angefallen sind. Bei diesen Kosten handelt es sich um Kosten eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl. VwGH 27.9.2021, Ra 2020/17/0057, mwN).
41 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht den Ersatz von Barauslagen gemäß § 64 Abs. 3 VStG für das Öffnen von drei Türen und den Austausch eines Türschlosses vorgeschrieben. Dabei handelt es sich nicht um Kosten, die „im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens“ angefallen sind, sondern es geht vielmehr um Kosten, die im Zuge einer zu dem Zweck durchgeführten Überprüfung entstanden sind, ob eine strafbare Handlung des Revisionswerbers vorliegt. Diese Kosten waren unabhängig vom Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber wegen Übertretungen des Glücksspielgesetzes solche, die zur Durchsetzung der den Organen der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 4 GSpG zustehenden Kontrollbefugnisse jedenfalls erforderlich waren.
42 Indem das Verwaltungsgericht diese Kosten eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dem Revisionswerber gemäß § 64 Abs. 3 VStG vorschrieb, belastete es sein Erkenntnis insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
43 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang seines Spruchpunktes III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
44 Im Übrigen war die Revision hingegen gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
45 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
46 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 4 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 27. Jänner 2025