JudikaturVwGH

Ro 2023/11/0002 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. März 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M G in A, vertreten durch die Lerch Nagel Heinzle Rechtsanwälte GmbH in 6890 Lustenau, Millennium Park 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 28. November 2022, Zl. LVwG 652489/11/SB, betreffend Einschränkung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schärding), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis schränkte das Verwaltungsgericht, der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 12. Juli 2022 teilweise stattgebend, gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 FSG die Lenkberechtigung des Revisionswerbers durch Befristung bis 12. Juli 2023 ein, und zwar mit der Auflage, „eine Haarprobe auf Suchtmittel mit mindestens 3 cm Haarlänge bis spätestens 15.12.2022 (Toleranzfrist 1 Woche) und eine Haarprobe mit mindestens 6 cm Haarlänge bis spätestens 15.06.2023 (Toleranzfrist 1 Woche) bei der Führerscheinbehörde abzugeben (Probennahmen bei der Führerscheinbehörde ...)“, bis 12. Juli 2023 eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme vorzulegen und eine amtsärztliche Nachuntersuchung zu absolvieren. Gleichzeitig sprach es gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, bei einer Lenkerkontrolle am 13. Dezember 2021 seien beim Revisionswerber Anzeichen einer Suchtgiftbeeinträchtigung wahrgenommen worden. Die Ergebnisse der daraufhin veranlassten Blutanalyse hätten auf eine abklingende Cannabis Wirkung und einen länger zurückliegenden Kokain Konsum hingewiesen. Mit Mandatsbescheid vom 16. Dezember 2021 sei dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für einen Monat entzogen und ihm unter anderem aufgetragen worden, eine psychiatrische und eine verkehrspsychologische Stellungnahme, einen Haaranalysebefund und ein amtsärztliches Gutachten beizubringen. Ein Haaranalysebefund vom 27. Jänner 2022 habe wiederholten Kontakt mit Cannabis, gelegentlichen Kokain-Konsum und „gelegentliche, mitunter einmalige“ Aufnahme von MDMA ergeben. Eine weitere Haaranalyse im Juni 2022 habe keinen Nachweis eines Konsums von Cannabis oder Kokain ergeben. Der Revisionswerber habe einen „schädlichen Gebrauch von Suchtmittel“ begangen, da er mehrmals unterschiedliche Suchtmittel konsumiert habe. Er habe vor der Lenkerkontrolle am 13. Dezember 2021 „wiederholt“ Cannabis und Kokain und zumindest einmal MDMA und am 15. Dezember 2021 nochmals Cannabis konsumiert. Deshalb sei das Abstinenzverhalten wegen der noch erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit zu kontrollieren. Dies ergebe sich aus der psychiatrischen Stellungnahme vom 15. Februar 2022, der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 14. Februar 2022, dem amtsärztlichen Gutachten vom 12. Juli 2022 und der ergänzenden amtsärztlichen Stellungnahme vom 22. September 2022.

3 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, aufgrund der schlüssigen ärztlichen Gutachten bzw. Stellungnahmen sei beim Revisionswerber angesichts des schädlichen Gebrauchs von Cannabis und Kokain von einem erhöhten Rückfallrisiko und damit von einer nur bedingten gesundheitlichen Lenkeignung auszugehen. Obwohl das schädliche Konsumverhalten „glaubhaft beendet“ worden sei, liege „ein schädlicher Gebrauch von Cannabis und Kokain und somit ein gehäufter Missbrauch in der (rezenten) Vergangenheit iSd § 14 Abs. 5 FSG GV vor“, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei. Die ordentliche Revision sei im Hinblick auf fehlende höchstgerichtliche Judikatur zu § 8 Abs. 3a FSG zulässig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Die Revision erweist sich schon im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen, das angefochtene Erkenntnis leide an einem wesentlichen Begründungsmangel bei der Beurteilung eines gehäuften Missbrauchs von Suchtmitteln durch den Revisionswerber, als zulässig. Die Revision ist auch begründet.

7 Gemäß § 14 Abs. 5 FSG GV ist Personen, die alkohol , suchtmittel oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

8 § 14 Abs. 5 FSG GV gilt nach der hg. Rechtsprechung nicht nur für die (Wieder )Erteilung der Lenkberechtigung, sondern auch für den Fall einer bereits bestehenden Lenkberechtigung hinsichtlich ihrer Einschränkung (vgl. VwGH 30.6.2016, Ra 2016/11/0088). Ist daher ein gehäufter Missbrauch in der rezenten Vergangenheit zu bejahen, so ist die Belassung der Lenkberechtigung unter der Auflage (näher zu präzisierender) ärztlicher Kontrolluntersuchungen (sowie gemäß § 2 Abs. 1 letzter Satz FSG GV iVm. der Befristung der Lenkberechtigung und einer amtsärztlichen Nachuntersuchung) nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme zulässig (vgl. etwa VwGH 10.1.2022, Ra 2021/11/0164).

9 Im Revisionsfall lagen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 5 FSG GV auf Basis des im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalts nicht vor. Um von einem gehäuften Missbrauch von Suchtmitteln im Sinne dieser Verordnungsstelle sprechen zu können, genügt nämlich nicht ein gelegentlicher wiederholter Missbrauch, sondern es muss sich um häufigen Missbrauch innerhalb relativ kurzer Zeit handeln (vgl. etwa VwGH 18.3.2003, 2002/11/0209; 9.11.2022, Ra 2020/11/0053; jeweils mwN). Derartiges ergibt sich aus den nicht näher ausgeführten Feststellungen zu „mehrmaligem“ bzw. „wiederholtem“ Konsum nicht. Auch begründete das Verwaltungsgericht welches „schädlichen Gebrauch“ irriger Weise mit gehäuftem Missbrauch iSd. § 14 Abs. 5 FSG GV gleichsetzte nicht, warum im Revisionsfall ein mehr als gelegentlicher (die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen noch nicht beeinträchtigender; vgl. etwa VwGH 18.3.2003, 2002/11/0209; 16.4.2009, 2009/11/0015; 30.9.2011, 2010/11/0248, jeweils mwN) Konsum im Sinne eines gehäuften Missbrauchs gemäß § 14 Abs. 5 FSG GV vorgelegen sein sollte (vgl. auch VwGH 9.11.2022, Ra 2020/11/0053).

10 Im Hinblick darauf, dass für die Annahme eines gehäuften Missbrauchs die Häufigkeit und die Intensität des Konsums ausschlaggebend sind (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/11/0232; 9.11.2022, Ra 2020/11/0053, mwN), fehlen im angefochtenen Erkenntnis konkrete Feststellungen zu Zeitraum, Frequenz und Menge des vom Revisionswerber betriebenen Suchtmittelkonsums (vgl. VwGH 9.11.2022, Ra 2020/11/0053, mwN). Auf Basis der getroffenen Feststellungen kann somit nicht davon ausgegangen werden, beim Revisionswerber liege ein seine gesundheitliche Lenkeignung beeinträchtigender „gehäufter Missbrauch“ iSd. § 14 Abs. 5 FSG GV vor.

11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

12 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. März 2023

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